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Sprengstoff von besserer physiologischer Verträglichkeit und geringer
Schlagempfindlichkeit Zu den bekannten Stoffen mit Eigenschaften, die sie zur Verwendung
als Sprengstoffe geeignet machen, gehören 1,2-Propylenglykoldinitrat und 1,3-Propylenglykoldinitrat,
die im folgenden kurz als Propylenglykoldinitrat bezeichnet werden, wenn eine Unterscheidung
nicht erforderlich ist. Es wurde bereits vorgeschlagen, diese beiden Verbindungen
als Bestandteile von Sprengstoffen zusammen mit Sauerstoff' abgebenden Salzen zu
verwenden. Derartige Sprengstoffe sind in der Regel in hohem Maße unempfindlich
gegen Schlagwirkungen. Da sie jedoch einen erheblichen Sauerstoffmangel aufweisen,
haben diese Sprengstoffe bis heute keine praktische Bedeutung erlangt.
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Es ist bekannt, daß Propylenglykoldinitrat enthaltende Sprengstoffe
mit erheblichem Sauerstoffmangel eine sehr geringe Schlagempfindlichkeit besitzen.
Ferner ist bekannt, daß Sprengstoffe mit hohem Saueistoffübers-huß wie auch solche
mit erheblichem Sauerstoffmangel im allgemeinen nicht schlagempfindlich sind, daß
sich ihre Schlagempfindlichkeit jedoch bei einer Annäherung an die Deckung des Sauerstoilbedarfs
erhöht, so daß man Gemische von erheblicher Empfindlichkeit erhält. Nunmehr hat
es sich überraschenderweise gezeigt, daß Propylenglykoldinitrat enthaltende Sprengstoffe
ihre hohe Schlagunempfindlichkeit auch nach dem Ausgleich des Sauerstoffbedarfs
beibehalten.
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Im Vergleich zu Sprengstoffen, die Nitroglykol als Zusatzstoff zu
Nitroglycerin enthalten, bieten die erfindungsgemäßen Sprengstoffe mit abgeglichenem
Sauerstoffbedarf erhebliche Vorteile. Bei der Verwendung von Nitroglykol ergeben
sich bekanntlich physiologische Nachteile. Mischt man Nitroglykol mit Nitroglycerin,
erhöht das Nitroglykol die gefäßerweiternde Wirkung beim Menschen, die sich insbesondere
durch Kopfschmerz und Indisposition bemerkbar macht. Eine weitere Wirkung von Gemischen
aus Nitroglykol und Nitroglycerin, die physiologisch nachteilig ist, wird der Giftwirkung
des Nitroglykols zugeschrieben. In diesem Zusammenhang sei auf die Fälle von plötzlichem
Kollaps hingewiesen, die häufig bei Arbeitern in Sprengstoff-Fabriken auftreten,
welche mit diesem Material in Berührung kommen; diese Erscheinungen treten gewöhnlich
einige Tage nach der Arbeitsunterbrechung auf. Propylenglykoldinitrat enthaltende
Sprengstoffe sind vom physiologischen Standpunkt entschieden günstiger und weisen
nicht die weiter oben erwähnten Nachteile auf.
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Die bessere physiologische Verträglichkeit des Propylenglykoldinitrats
läßt sich aus der Tatsache erklären, daß diese Verbindung im menschlichen Blut relativ
wenig löslich ist. Die Löslichkeit der Propylenglykoldinitrate in Wasser im Vergleich
zu Nitroglycerin und Nitroglykol ergibt sich aus der folgenden Aufstellung, deren
Werte für die Löslichkeit bei 20°C gelten.
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Nitroglycerin . ........... .. ..'. .. 0,18% Nitroglykol . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . 0,63% 1,3-Propylenglykoldinitrat ....... 0,24% 1,2-Propylenglykoldinitrat
....... 0,13% Aus dieser Aufstellung ergibt sich, daß die beiden Propylenglykoldinitrate,
insbesondere die 1,2-Verbindung, in Wasser erheblich weniger löslich sind als Nitroglykol,
so daß sie auch vom Blut in einem geringeren Ausmaß aufgenommen werden.
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Auf dieser Basis bezieht sich die Erfindung auf einen Sprengstoff
mit besserer physiologischer Verträglichkeit und geringer Schlagempfindlichkeit,
der sich aus Propylenglykoldinitrat und einem oder mehreren Sauerstoff abgebenden
Salzen zusammensetzt oder diese Stoffe enthält. Das kennzeichnende Merkmal der erfindungsgemäßen
Sprengstoffe besteht darin, daß das oder die Sauerstoff abgebenden Salze in ausreichender
Menge vorhanden sind, so daß sie den Sauerstoffh.@darf des Sprengstoffs im wesentlichen
decken.
Da die Sprengstoffe nach der Erfindung somit eine hohe Schlagunempfindlichkeit
mit einer hervorragenden physiologischen Verträglichkeit vereinigen, stellen sie
einen erheblichen Fortschritt auf dem Gebiet der Sprengstoffe dar.
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Ein weiteres Merkmal der Erfindung besteht darin, daß der Sprengstoff
3 bis 70% Propylenglykoldinitrat und 10 bis 95% Sauerstoff abgebende Salze enthält.
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Das Propylenglykoldinitrat kann entweder im wesentlichen der einzige
flüssige Bestandteil des explosionsfähigen üls sein oder anderen, insbesondere flüssigen
Bestandteilen beigemischt werden. Wenn das explosionsfähige 0l ein Gemisch aus verschiedenen
Stoffen ist, kann es bis zu etwa 500% Nitroglycerin enthalten. Natürlich darf der
Sprengstoff keine größeren Mengen an Nitroglykol enthalten. da sonst die beiden
erwähnten wichtigen Vorteile des Sprengstoffs verlorengehen würden. Wenn Nitroglykol
in dem den Grundbestandteil eines Sprengstoffs bildenden explosionsf-ahigen
01 enthalten ist, soll der Gehalt an Nitroglykol vorzugsweise etwa 2% nicht
überschreiten.
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Ein explosionsfähiges 01, das ganz oder mindestens hauptsächlich aus
Propylenglykoldinitrat besteht, bildet mit Nitrocellulose bei gewöhnlichen Temperaturen
kein Gel. Um eine Gelatinierung zu erreichen, sind erhöhte Temperaturen erforderlich.
Wenn man das Material abwechselnd gefriert und wieder auftaut, zeigt es sich, daß
die bei hohen Temperaturen erzeugten Gele das 01 allmählich wieder abgeben.
Es sei erwähnt, daß bereits vorgeschlagen worden ist, bis zu 140/a Nitrocellulose
zu verwenden, um ein brauchbares Gel zu erzielen. Gemäß einem weiteren Merkmal der
Erfindung kann man diese Menge erheblich verringern, wenn man dem explosionsfähigen
0l einen Stoff beifügt, der die Gelatinierung erleichtert, und zwar in einer Menge
von 0,2 bis 10% und vorzugsweise von 0,5 bis 7%, bezogen auf das Gesamtgewicht des
explosionsfähigen Ols. Hierbei ergibt sich außerdem die wichtige Wirkung, daß das
explosionsf-aliige 01 bei normalen Temperaturen gelatiniert und daß man die
Menge des Gelatinierungsmittels, d. h. der kostspieligen Nitrocellulose, ohne jeden
größeren Nachteil verringern kann. Eine völlig ausreichende Gelatinierung von Propylenglykoldinitrat
kann mit Hilfe eines Gehalts des explosionsfähigen Üls von weniger als 8% Nitrocellulose
erreicht werden. Gewöhnlich benötigt man hierzu nur 3 bis 5010.
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Als Gelatiniectutgshilfsmittel seien allgemein Stoffe erwähnt. die
zu Wasserstoffbrückenbindungen fähig sind. Diese Stoffe sind uni so wirksamer, je
größer ihre Fähigkeit ist, solche Bindungen zu bilden. Als Beispiele seien die folgenden
Stoffe erwähnt: Alkohole: Aliphatische einwertige primäre, sekundäre und tertiäre
Alkohole mit 1 bis 10 Kohlenstoffatomen, z. B. Methanol, Äthanol, Isopropylalkohol,
n-PropyWkohol, die Butylalkohole, "die Arnylalkohole, n-Decanol und Nonylcarbinol,
aliphatische mehrwertige Alkohole wie Athylenglykol, Diäthylenglykol, die Propylenglykole
und Glycerin.
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Ketone: Aliphatische Ketone wie Aceton, Methyläthylketon, Methylisobutylketon
und höher bis zu den Decanonen sowie bicyclische Ketonkampher. Ester: Ester von
aliphatischen Alkoholen mit Ameisensäure, Essigsäure und Propionsäure, z. B. Athylacetat
und Butylacetat, mit Essigsäure oder Salpetersäure teilweise veresterte mehrwertige
Alkohole, z. B. die Teilester von Athylenglykol, Diäthylenglykol, die Propylenglykole
und Glycerin mit Essigsäure und Salpetersäure. z. B. Mononitroglycerin. Mononitroglykol
und Dinitroglycerin.
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Äther: Mit niederen Alkylen monosubstituiertes Athylenglykot und Diäthylenglykol,
bei denen die niederen Alkyle Methyl, Äthyl, Propyl und Butyl sein können, z. B.
Glykohnonomethyläther und Glykolmonoäthyläther. Weitere Gelatinierungshilfsmittel
sind mono- und dinitrosubstituierte Abkömmlinge von Benzol und ToluoL Wenn ein Propylenglykoldinitrat
enthaltendes explosionsfähiges 0l von Nitroglycerin frei ist. kann man die letztere
Verbindung z. B. bis zu einem Gehalt von 8% als Gelatinierungshilfsmittel beifügen.
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Als Beispiele für geeignete Sauerstoff abgebende Salze seien insbesondere
die Nitrate und; oder Perchlorate von Ammonium, Alkalimetallen und alkalischen Erdmetallen
erwähnt, z. B. Natriumnitrat. Kaliumnitrat, Calcit<mnitrat und Bariumnitrat,
ferner Ammoniumperchlorat i@td Kaliumperchlorat. Weitere Beispiele sind die Chlorate
von Alkalimetallen und alkalischen Erdmetallen wie Natriumchlorat und Kaliumchlorat.
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Wie schon erwähnt, ist der Gehalt an Sauerstoff abgebenden Salzen
vorzugs-.@eise so einzustellen, daß der Sauerstoffgehalt des Sprengstoffs etwa ausgeglichen
ist. In der folgenden Tabelle sind Gemische von Propylenglykoldinitrat mit verschiedenen
Sauerstoff abgebenden Salzen mit ausgeglichenem Sauerstoffgehalt angegeben.
Gemisch mit |
" ausgeglichenem |
Sauerstoff abgebendes Salz Sauerstoffgehalt |
°lo des olo Propylen- |
Salzes glykoldinitrat |
Ammoniumnitrat NI-kN03 ... 59,1 40,9 |
Natriumnitrat NaNOs ....... ( 38,1 61,9 |
Kaliumnitrat KNOs .. . . . . . . . 42,2 57,8 |
Calciumnitrat Ca(NO3)2 .. . .. 37,2 62,8 |
Bariumnitrat Ba(NO3)2 ...... 48,6 51,4 |
Kaliumehlorat KC103 ..... " . 42,5 57,5 |
Natriumchlorat NaC103 ..... 39,1 60,9 |
Kaliumperchlorat KC104 .... 38,5 61,5 |
Ammoniumperchlorat |
NI-I4C104 . . . . . . . . . . . . . . . . 45,9 , 54,1 |
Die erfindungsgemäßen Sprengstoffe können hochbrisante Sprengstoffe wie Trotyl,
Pentyl, Hexogen usw. enthalten. Ferner können sie die gebräuchlichen Sauerstoff
verbrauchenden Stoffe wie Sägemehl, verschiedene andere pulverförmige Stoffe und
Metallpulver sowie die üblichen Füllstoffe wie Kieselgur enthalten.
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Die gelatinierten erfindungsgemäßen Sprengstoffe lassen sich in verschiedenen
Formen herstellen, z. B. als Pulver oder in plastischer oder halbplastischer
Form.
Ferner können die Sprengstoffe als Bestandteil feinverteilte Metalle bis zu einem
Gehalt von 8% enthalten. Dies gilt insbesondere für pulverförmige Sprengstoffe,
doch können auch die plastischen oder halbplastischen Sprengstoffe einen geringen
Gehalt an feinverteilten Metallen aufweisen.
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Weiterhin umfaßt die Erfindung Adsorptionssprengstoffe, d. h. Sprengstoffe,
bei denen das explosionsfähige Öl ausschließlich durch Adsorption gebunden ist,
d. h. ohne Beigabe eines Gelatinierungsmittels.
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In der folgenden Tabelle sind mehrere Beispiele für die Zusammensetzung
erfindungsgemäßer Sprengstoffe aufgeführt, wobei auch Angaben über deren Eigenschaften
gemacht werden. Bei den Zahlenwerten handelt es sich um Angaben in Gewichtsprozent.
1 2 Adsorptionssprengstoff |
Pulverfdrmig Halbplastisch 3 4 |
mit Nitroceliulose mit Nitrocellulose rurdynamit |
1,2-Propylenglykoldinitrat .................... 6,3 20,0 50,0
17,2 |
Dinitrotoluol ............................... - 5,0 - - |
Trotyl...................................... 11,5 - - - |
Nitrocellulose ............................... 0,1 0,9 - - |
Ammoniumnitrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . 69,1 74,1 - 31,4 |
Schwefel ................................... ' - - - 4,7 |
Natriumnitrat . .. ... .......... ... . ... .. .. .. . . 7,0
- 28,5 37,5 |
Aluminium ................................. 2,0 - - - |
Holzmehl .................................. 2,7 - - 9,2 |
Kieselgur ................................... 1,1 - 21,5 - |
Paraffin .................................... 0,2 - - - |
Sauerstoflbilanz, olo .......................... 0,6 +1,8 +4
+2 |
Eigenschaften |
Spezifisches Gewicht ....................... 1,1 1,46 |
Detonationsgeschwindigkeit, km/s . . . . . . . . . . . 4,7
2,75 |
Funkenstreckenversuch (25-mm-Patrone), |
mm bei 20°C . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . 0 bis 10 0 bis 10 |
Schlagempfindlichkeitsprobe nach K a s t, Fall- |
gewicht 2 kg, o/o Detonationen je Millimeter |
Fallhöhe ............................... 0/60 0/60 0/60 0/60 |
Plastische S: rengstoffe mit Propylenglykoldinitrat mit Äthylen- |
glykoldinitrat |
6 7 8 9 10 |
1,2-Propylenglykoldinitrat ........... . .. 30,0 - 37,0 54,0
30,0 - |
1,3-Propylenglykoldinitrat ....... ... . . . . - 30,0 - - -
- |
Nitroglycerin . . .. . . . .. . ... .... . . .. .. .
10,0 7,5 - - 2,0 20,0 |
Äthylenglykoldinitrat .................. - - - - - 20,0 |
Dinitrotoluol ......................... - 3,0 3,0 - 1,0 3,5 |
Nitrocellulose ........................ 1,3 1,3 1,3 1,5 1,0
1,5 |
Monoacetin .......................... - - - 0,5 2,0 - |
Ammoniumnitrat ..................... 46,35 29,55 23,8 - 61,0
53,95 |
Natriumnitrat ... » 11,3 27,6 33,85 3,95 - - |
Ammoniumperchlorat ................. - - - 40,0 - - |
Holzmehl ............................ 1,0 1,0 1,0 -
3,0 1,0 |
Kreide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . 0,05 0,05 0,05 0,05 - 0,05 |
Sauerstoffbilanz, % ................... +4,5 +4,5 +4 -1 -4 |
Eigenschaften |
Spezifisches Gewicht ... .. .... ... . ... 1,42 I 1,50 1,55
1,45 |
Detonationsgeschwindigkeit, km/s ..... 6,1 4,0 3,2 6,1 |
Funkenstreckenversuch (25-mm-Patrone), |
mm bei 20'C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 bis
200 180 bis 200 |
150 bis 200 230 |
Schlagempfindlichkeitsprobe nach K a s t, |
olo Detonationen je Zentimeter Fall- |
höhe ............................ 0/60 0/60 I 0/60 0/60 0/60
10/30 |
Wie aus den Tabellen ersichtlich, haben die erfindungsgemäßen Sprengstoffe
eine sehr geringe Schlagempfindlichkeit. Dies ergibt sich insbesondere aus einem
Vergleich der Fallhöhen für die erfindungsgemäßen Sprengstoffe (Spalten 1 bis 9)
mit den Angaben in Spalte 10 für einen Nitroglykol enthaltenden Sprengstoff: Während
im letzteren Falle die Zahl der Detonationen schon bei einer Fallhöhe von nur 300
mm mit 10% angegeben ist, detonierte keiner der neun Sprengstoffe nach der Erfindung
bei einer Fallhöhe von 600 mm.