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Ternäre oder höhere Legierungen auf Titangrundlage Die Erfindung bezieht
sich auf ternäre oder höhere Legierungen auf Titangrundlage, die eine die ß-Form
enthaltende, entweder gernischtphasige, c.-ß- oder reine ß-Mikrostruktur aufweisen,
die in gewalzter und angelassener Form fest und biegsam sind und diese Eigenschaften
auch nach längerem Altern bei Temperaturen bis zu etwa 425'0 beibehalten.
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Bekanntlich kann metallisches Titan in reinem Zustand in jeder der
beiden allotropen Formen auftreten. Unterhalb etwa 885°C nimmt es ein dichtgefügtes,
als a-Phase bekanntes hexagonales Kristallgitter an, bei der genannten Temperatur
oder darüber jedoch ein als ß-Phase bekanntes kubisch-raumzentriertes Kristallgitter.
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Gewisse Legierungszusätze zu dem Titangrundmetall, wie Aluminium,
Zinn, Indium, Antimon, Wismut, Blei und Silber, sowie die Begleitelemente Kohlenstoff,
Sauerstoff und Stickstoff' haben die Neigung, die a-Phase zu stabilisieren.
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Durch Zusatz anderer Legierungselemente in ständig steigenden Mengen
wird die ß-Phase bei fortschreitend niedrigeren Temperaturen stabilisiert, bis man
bei normalen Temperaturen eine gemischte a-ß- oder nur die ß-Phase erhält oder die
ß-Phase je nach der Beschaffenheit und Menge des zugesetzten ß-Stabilisierungselements
eine eutektoide Umsetzung erfährt.
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Im weiteren Sinne gehören zwar zu den ß-Stabilisierungselementen die
Elemente Mn, Mo, Cr, Fe, Cu, V, Zr, W, Nb, Ta, Co, Ni, Si und Be; innerhalb dieser
weitgefaßten Klasse eignen sich jedoch nur einige der erwähnten Elemente zur Erzeugung
der gemischtphasigen, nämlich der 5-ß- oder der reinen ß-Legierungen. Dies sind
die Elemente, die mit Titan Legierungen mit ß-isomorphen Diagrammen oder mit solchen
ß-eutektoiden Diagrammen bilden, bei denen die Umlagerung der ß-Phase in die eutektoide
Phase so langsam verläuft, daß sich die Legierungen im allgemeinen wie jene im ß-isomorphen
System verhalten. Die ß-Stabilisierungselemente dieser Art sind Mn, Mo, Cr; Fe,
V, Nb, W und Ta. Von dieser Gruppe sind aber wiederum nur Mo, V, Nb und Ta ß-isomorph,
während der Rest Legierungen der sich nur träge umwandelnden eutektoiden Art ergeben.
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Als Ergebnis zahlreicher Alterungsversuche an Legierungen auf Titangrundlage,
die die verschiedenen ß-fördernden Zusatzelemente der obengenannten, weiter oder
enger gefaßten Kategorien in verschiedenen Mengen enthalten, wurde gefunden, daß
zwar eine durch übermäßiges Altern derartiger Legierungen zustande kommende Ausscheidung
der a-Phase die Dehnbarkeit nicht unbedingt ernstlich beeinträchtigt; bei eutektoider
Zersetzung trifft dies jedoch nicht zu, sondern diese hat stets eine steigende Versprödung
und eine Mengenzunahme derjenigen Aktivierungsmittel zur Folge, die durch Altern
in eutektoide Zerfallsprodukte übergehen. Diese Aktivierungsbestandteile erweisen
sich also bei »Stabilisierungs<c-Wärmebehandlungen, d. h. bei übermäßigem Altern
bei Temperaturen von 540 bis 590°C oder knapp über der eutektoiden Temperatur, als
unwirksam. Bei diesem Verfahren wird der größte Teil der nicht im Gleichgewicht
befindlichen % -Modifikation ausgeschieden und vergröbert; so daß das Material ziemlich
immun gegenüber der üblichen Härtung durch- Ausscheidung der a-Form wird, der alle
a-ß-Legierungen ausgesetzt sind.
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Eine unerwünschte Eigenschaft der Titanlegierungen und insbesondere
der gemischtphasigen a-ß-Legierungen ist ihre Kerbsehlagempfindlichkeit. Dies ist
insbesondere dann eine höchst unerwünschte und ihrem Umfang nach schwer abzuschätzende
Eigenschaft, wenn die Legierung in Form von Blechen verwendet wird; sie führt leicht
dazu; die industriellen Verwendungsmöglichkeiten stark einzuschränken, wenn bei
der Verarbeitung und im Gebrauch örtliche Druckerhöhungen, Stöße oder niedrige Temperaturen
vorkommen.
Es mag zur Erläuterung dienen, daß sich jedes der heute auf dem Markt befindlichen
starken Titanlegierungsbleche mit einer Schere einkerben, ja bei manchen zwischen
etwa -70 und +40'C liegenden Temperaturen noch in Stärken bis ,zu 1 mm und darüber
mit bloßen Händen wie ein Bogen Papier zerreißen läßt. Die Folgen hiervon sind offensichtlich
und schwerwiegend. Die Kerbschlagempfindlichkeit ist gewöhnlich bei den gemischtphasigen
ä-ß-Legierungen am meisten ausgeprägt; deren erwünschte Eigenschaften in anderer
Hinsicht heute wohlbekannt sind. Durch entsprechende Behandlung und abschließende
Wärmebehandlungen kann man diese unerwünschten Erscheinungen stark zurückdrängen;
die dadurch erreichte zähe Legierung ist jedoch im allgemeinen nicht warmfest, d.
h., die Legierungen werden trotz Erreichung des zähen Zustandes durch Alterung bei
Temperaturen zwischen etwa 150 und 425°C wieder kerbempfindlich, die meisten davon
sogar beim Biegen spöde. Bei Verwendungen unter hohen Beanspruchungen, z. B. für
Flugzeugbeplankungen, die lange Zeit Temperaturen bis 315°C (aerodynamische Erwärmung)
und anderseits gelegentlich Temperaturen weit unterhalb -20°C ausgesetzt werden,
kann man aber für die höchstbeanspruchten Flächen keine Unbeständigkeit dulden.
Für Verwendungen bei normalen atmosphärischen Temperaturen oder bei starken Temperaturschwankungen
von nur kurzer Dauer sowie dort, wo verhältnismäßig unempfindliche Stabilitätsmerkmale,
z. B. die Aufrechterhaltung bestimmter Biegsamkeits- und Dehnbarkeitseigenschaften,
ausreichen, können genügend feste Bleche mit gemischter oc-ß-Struktur aus solchen
Legierungen hergestellt werden, die etwas niedrigere Gehalte an ß-Stabilisierungselementen
haben, als für ausgesprochene ß-Legierungen erforderlich sind. Einige andere Arten
von ß-Legierungen würden wahrscheinlich ebenfalls hier genügen. Auf der anderen
Seite jedoch ist eine stärkere Stabilität erforderlich, wenn die in höchstem Maße
von der Stabilität abhängige Kerbzähigkeit wichtig ist.
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Um eine Prüfung der Zähigkeitsstabilität nach diesen Normen innerhalb
angemessener Zeit zu ermöglichen, wurde ein einfaches, unmittelbares und billiges
Blechzähigkeits-Prüfverfahren entwickelt, das in der vorliegenden Beschreibung als
Zähigkeitsversuch bezeichnet wird. Bei dieser Probe wird eine kleine Blechprobe
gekerbt, bestimmte Zeit auf der in Frage stehenden Temperatur gehalten und danach
bei dieser Temperatur mit Werkzeugen von der gleichen Temperatur zerrissen. Die
Temperatur, bei der (nach dem Urteil eines Fachmannes - hierbei ist aber nur eine
sehr bescheidene Fachkenntnis erforderlich) das Blech spröde wird und reißt, stellt
das Maß der Zähigkeit dar: Je niedriger diese Temperatur ist, desto zäher ist die
allgemeine Beschaffenheit. Es wurde gefunden, daß dieser Versuch für Untersuchungen
genau genug und sogar von Bearbeiter zu Bearbeiter wiederholbar ist.
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Aus der obigen Schilderung ergibt sich der Grundbegriff der Erfindung,
nämlich, daß zu den stabilsten gemischtphasigen, a-ß- und reinen ß-Legierungen jene
gehören, bei denen die vorhandenen, die Bildung der ß-Form fördernden Legierungselemente
auf die ß-isomorphe Gruppe, nämlich auf Vanadium, Molybdän, Tantal und Niob, beschränkt
sind. Durch zahlreiche Versuche, die weiter unten noch näher beschrieben werden,
wurde bestätigt, daß derartige Legierungen nach der entsprechenden obenerwähnten
»Stabilisierungs«-Wärmebehandlung durch längeres Altern bei erhöhten Temperaturen
bis zu etwa 425'C weniger spröde werden als Legierungen, die eutektoidbildende Zusätze
enthalten. Außerdem haben diese Legierungen die Eigenschaft; bei Zimmertemperatur
fest und dehnbar zu, sein, etwa in gleichem Maße wie andere Legierungen auf Titängrundlage;
weiterhin behalten sie ihre Festigkeit bei niedrigen Temperaturen (unterhalb -20°C)
bei, auch nach Alterung bei Temperaturen bis zu 425'C. -Die Titanlegierungen nach
der Erfindung bestehen mithin aus 1 bis 501110 zweier oder mehrerer der nicht eutektoiden,
die ß-Form fördernden Elemente Vanadin, Molybdän, Tantal und Niob, gegebenenfalls
bis insgesamt-12 11/0 Mangan und/oder Chrom, gegebenenfalls bis insgesamt 3 °/o
eines oder mehrerer der Elemente Eisen, Wolfram, Kupfer, Nickel, Kobalt, Silicium
oder Beryllium und bis zu je 0,2°/a Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Rest mindestens
50 % Titan. Es wurde gefunden, daß die Legierungen im Bereich von etwa 1
bis 100/, oder 12"/, V, Mo, Ta, Nb im allgemeinen gemischtphasige a-ß-Struktur mit
den vielen, diesen Legierungen eigenen Vorteilen aufweisen, wie beträchtliche Unempfindlichkeit
gegen Schwankungen der Kohlenstoff Sauerstoff und Stickstoffgehalte, die bei den
reinen ß-Legierungen nicht festzustellen ist. Oberhalb dieser Mengengrenzen liegen
die nicht stabilen oder stabilen reinen ß-Legierungen; die Grenze zwischen den beiden
Grenzen ist jedoch nicht scharf zu ziehen.
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Vorzugsweise enthalten die Legierungen dieser Art als nicht eutektoide,
die ß-Form fördernde Elemente nur 1 bis 25 °/o Molybdän und Vanadin nebeneinander.
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Es sind zwar schon verschiedene binäre und ternäre Legierungen des
Titans mit anderen Legierungen bekanntgeworden, jedoch war hierbei immer Aluminium
neben dem Titan einer der Hauptbestandteile. Ebenso sind binäre Legierungen verschiedenster
Art mit den obengenannten Metallen vorgeschlagen worden sowie solche mit niedrigen
Gehalten an einem der obengenannten Metalle V, Mo, Ta, Nb zusammen mit Gehaltenbiszu2,5°/oChromoderl,5°%Mangan.
Ferner ist auch bereits die Verwendung von Titanlegierungen mit einem der Metalle
Ta, Nb, Mo und V in Mengen bis zu 60 °/a, gegebenenfalls unter weiterem Zusatz anderer
Metalle, zur Herstellung von korrosionsfesten Spinndüsen vorgeschlagen worden. Alle
diese Legierungen unterscheiden sich von den hier beanspruchten dadurch, daß hier
als Hauptlegierungszusatz zum Titan wenigstens zwei der Metalle V, Mo, Ta und Nb
nebeneinander vorhanden sind, wozu noch weitere sonstige Metalle kommen können,
und daß bei den bekannten Legierungen nicht wie im vorliegenden Falle die Erzeugung
einer reinen ß- oder gemischtphasigen Struktur angestrebt wird.
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Bei Zugabe der Elemente Fe, W, Cu, Ni, Co, Si, Be ist aber zu bedenken,
daß mit steigender Menge davon die Gefahr ernstlicher Versprödung beim Altern zunimmt.
Die ob; ngenannte Menge von 3 °/o stellt deshalb die Höchstgrenze dar. Sind die
Mengen an V, Mo, Ta und Nb aber nur gering, so ist die obere Grenze der anderen
Zusätze besser nur etwa 20/,. Ebenso kann für sehr lange dauernde Beanspruchungen
sogar eine niedrigere Grenze als 20/, nötig sein.
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Von den sich langsam umwandelnden Eutektoidbildnern Chrom und Mangan
ergeben Zusätze bis zu etwa 6 °/o eines jeden oder bis zu etwa 12 °/a von beiden
zusammen im allgemeinen hinreichende Beständigkeiten.
Die Legierungen
nach=- der Erfindung; die sowohl Molybdän als auch Vanadium enthalten, sind besonders
geeignet für die Herstellung von Blechen und Bändern; anderen Blechlegierungen gegenüber
zeichnen sie sich, bei gleichen Dehnungseigenschaften, durch höhere Warmfestigkeit
aus, d. h. durch Beibehaltung der Festigkeit nach Alterung.
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In den in Tabelle I und II aufgeführten Versuchsergebnissen sind drei
Kriterien für Warmfestigkeit angegeben: in Tabelle I Härte- und Dehnbarkeitsveränderungen
und in Tabelle 1I erhöhte Mindesttemperaturen für die Zähigkeitsversuche. In Tabelle
I bezieht sich der Zustand nach dem Walzen und der Wärmebehandlung und in Tabelle
II der »S«-Zustand auf die Beschaffenheit, die durch Walzen bei 760°C auf eine mittlere
Stärke, anschließende Entzunderung und weiteres Walzen bei 705°C bis auf die endgültige
Stärke herunter, Halten der Temperatur auf 705°C für eine halbe Stunde, darauffolgende
Abkühlung im Ofen bis auf
590'C und Abkühlung an der Luft bis auf Zimmertemperatur
erreicht wird. Die Alterungsvorgänge nach Tabelle I beruhen auf den angegebenen
Wärmebehandlungen, denen die gewalzten und geglühten Legierungen ausgesetzt wurden.
In Tabelle Il sind die Bedingungen »U« und »L« die gleichen wie die in Tabelle I
aufgeführten Alterungsbehandlungen; bei denen die gewalzten und geglühten Metalle
100 Stunden lang das eine Mal bei 400'C, das andere Mal bei 260°C gealtert
werden. In Tabelle II, die Ergebnisse der Zähigkeitsversuche enthält, bedeutet»Sp«
»spröde« und »Z« »zäh« bei dem Zähigkeitsversuch. Gute Stabilität zeigt sich durch
geringes Ansteigen der Zähigkeits-Mindesttemperatur beim Altern, während bei unbeständigen
Legierungen diese Temperaturen stark ansteigen. Wo Versuchsdaten vorlagen, wurden
Schlagfestigkeitswerte nach Charpy bei Zimmertemperatur angegeben, um die erzielbaren
ausgezeichneten Eigenschäften zu erläutern.
Wie die Versuchsergebnisse beweisen, zeigen niedrige Härtegrade und kleinster Biegsamkeitsbereich
nicht unbedingt Beibehaltung der Zähigkeit an, da einige Legierungen unter beträchtlichem
Ansteigen der Bruchdehnungs-Mindesttemperatur leiden, während sich die anderen Eigenschaften
nur wenig ändern. Alle diese Legierungen haben Dehnungseigenschaften, die denen
von hochwertigen Stählen entsprechen. Bemerkenswert ist, daß die höchsten Festigkeiten
bei den Mo-V-Ti-Legierungen vorkommen, mit und ohne andere die ß-Form begünstigende
Zusätze wie Chrom. Wie bereits erwähnt, geben diese Zusammensetzungen insofern die
besten Legierungen für Bleche und/oder Bänder ab, als sie hohe Festigkeiten haben
und auch nach Kaltverarbeitung, z. B. durch Walzen, ihre Zähigkeit behalten. Wie
weiterhin zu ersehen ist, erzielt man auch mit den Mo-V-Ti-Legierungen mit anderen,
die ß-Form fördernden Zusätzen, z. B. Chrom, hohe Festigkeiten. Unter diesen Legierungen
befinden sich, wie bereits erwähnt, insofern die besten Schmiedelegierungen, als
sie ebenso gute Zugfestigkeit, aber größere Zähigkeit als andere Legierungen auf
Titangrundlage haben und beim Altern ihre Zähigkeit besser behalten als diese. Hierzu
ist zu bemerken, daß bei den Prüfungen sämtliche Legierungen, sowohl die Blech-
als auch die Schmiedelegierungen, zur Durchführung der Zerreißprobe zu Blechen ausgewalzt
wurden. Offensichtlich steht dieses Zähigkeitsverhalten mit anderen Güteeigenschaften,
z. B. den Schlagfestigkeitswerten nach Charpy, in Beziehung.
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Man kann die Legierungen unter Verwendung eines elektrischen Lichtbogens
in einer inerten Atmosphäre durch Schmelzguß in einer kalten Form herstellen oder
auch nach anderen Arbeitsweisen, bei denen die Legierung vor dem Guß geschmolzen
wird. Das verwendete Titangrundmetall sollte hinreichend rein sein, wie etwa das
technisch reine Produkt, das durch Reduktion von Titantetrachlorid mit Magnesium
oder nach ähnlichen Verfahren hergestellt wird.
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Die Legierungen können zumindest kleine und mengenmäßig überwachte
Zusätze der Begleitelemente Kohlenstoff, Sauerstoff' und Stickstoff in Mengen bis
etwa je 02 °/0, enthalten.
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Wie die Daten in Tabelle 1 zeigen, betragen die Dehnbarkeitsmindestwerte
für die verschiedenen Legierungen zwischen etwa 4 und unter 10 T (T = vgl. Fußnote**
zu Tabelle 1) mit entsprechenden Bruchdehnungen von etwa 5 bis 20 °/o für die meisten
gewalzten und geglühten Legierungen, was beweist, daß diese Legierungen ziemlich
dehnbar sind. Will man die Legierungen jedoch zu Blechen verarbeiten, so müssen
die Dehnbarkeitswerte mindestens sogar 20 °/o betragen. Für die Verwendung in massiver
Form braucht dagegen die prozentuale Dehnung nur 1 oder 20/0 zu betragen.