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Verfahren zur Herstellung von Perfiuorcycioaikanen Perfluorcycloalkane
sind Verbindungen, die nur aus Kohlenstoff und Fluor bestehen. Da solche Verbindungen
die meisten anderen Kohlenstoffverbindungen in ihrer thermischen und chemischen
Stabilität übertreffen, hat man sich um die Herstellung dieser interessanten Substanzen
sehr bemüht.
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Die beiden wichtigsten hierbei verwendeten Verfahren sind die Fluorierung
von cyclischen Kohlenwasserstoffen a) mit elementarem Fluor an Edelmetalloberflächen
b) mit höherwertigen Metallfluoriden, z. B. CoF3, AgF8 und PbF4. Beide Verfahren
sind technisch schwierig durchzuführen oder unwirtschaftlich für eine technische
Produktion von Perfluorcycloalkanen (vgl. T. J. Brice in J. H. Simons, »Fluorine
Chemistry«, Bd. I, New York, Academic Press, 1950, S. 423ff.).
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Ein anderes Verfahren zur Herstellung von Perfluorcycloalkanen ist
die Dimerisation von Perfluorolefinen. Diese führt jedoch ausschließlich zur Perfiuorcyclobutanderivaten
(vgl. z. B. die USA.-Patentschrift 2 404 374).
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Man hat auch schon versucht, Pertluorcycloalkane durch Elektrolyse
von cyclischen Kohlenwasserstoffen in wasserfreier Flußsäure herzustellen. Hierbei
lassen sich jedoch nur minimale Ausbeuten an perfluorierten Substanzen erhalten,
die ein Gemisch von Verbindungen verschiedenster Kohlenstoffanzahi darstellen. So
beschreibt J. H. Simons (USA.-Patentschrift 2519 983, Beispiel 2) die Elektroiluorierung
von Tolnol mit einer Ausbeute von 3,1 0/o an perfluorierten Substanzen, die wiederum
nur zu 29°/o aus C7-Verbindungen bestehen, wobei fraglich ist, ob letztere cyclische
oder lineare Verbindungen darstellen.
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Wie eigene Untersuchungen zeigten, lassen sich aromatische Kohlenwasserstoffe
praktisch nicht elektrofluorieren. So wird z. B. Benzol auf Grund seiner geringen
Löslichkeit in Flußsäure während der Elektrofluorierung vom Wasserstoffstrom aus
der Zelle ausgetragen und setzt sich im Kühler kristallin ab. Weniger flüchtige
Aromaten, wie Toluol, Xylol oder Naphthalin, die nicht aus der Zelle ausgetragen
werden, verharzen während der Elektrolyse im Laufe von wenigen Stunden. Es bilden
sich dabei niederpolymere dunkelgefärbte Öle und Harze, die eine beschränkte Menge
Fluor enthalten. Diese harzigen Produkte bleiben anfangs im Elektrolyten gelöst,
scheiden sich jedoch nach einiger Zeit an der Zellenwand und an den Elektroden ab
und verhindern allmählich jeden Stromdurchgang.
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Wie ebenfalls durch eigene Untersuchungen gefunden wurde, jedoch
vorher nicht bekannt war,
zeigen gesättigte cyclische Kohlenwasserstoffe (Hydroaromaten)
nicht die Tendenz der Aromaten zur Verharzung während der Elektrolyse in Flußsäure.
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Diese Substanzen besitzen jedoch -eine extrem niedrige Löslichkeit
in Fluß säure und bleiben, sofern sie nicht aus der Zelle ausgetragen werden, auf
dem Elektrolyten als obere Schicht. Der.erzielbare Stromdurchgang ist minimal entsprechend
der jeweiligen Löslichkeit der Substanz in Flußsäure.
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Sorgt man durch entsprechende Maßnahmen, wie Rühren des Elektrolyten,
Absenken des Elektrolytniveaus, Zugabe des Kohlenwasserstoffes in feiner Verteilung
usw., dafür, daß der ungelöste Kohlenwasserstoff mit den Elektroden in ständige
Be rührung kommt, so ist die Elektrofluorierung solcher Substanzen möglich, jedoch
sind die erzielbaren Stromdichten niedrig, das Produkt ist meist von großeren Mengen
des nicht umgesetzten Kohlenwasserstoffes begleitet, und die Ausbeuten an perfluorierter
Substanz mit derselben Anzahl von Kohlenstoffatomen sind niedrig, da hierbei starker
Molekülabbau eintritt. Ein solches Verfahren ist also mit allen Nachteilen eines
elektrochemischen Prozesses in inhomogener Phase verbunden.
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Demgegenüber wurde nun gefunden, daß die Elektrolyse von teilweise
fluorierten alicyclischen Kohlenwasserstoffen (Fluorcycloalkanen) in Flußsäure ohne
Schwierigkeiten und mit relativ hohen Stromdichten durchgeführt werden kann, wobei
Perfluorcycloalkane mit derselben Anzahl von Kohlenstoffatomen wie die des eingesetzten
Fluorcycloalkans in ausgezeichneter Ausbeute und fast frei von Nebenprodukten entstehen.
Der Grund itir
diesen überraschenden Befund dürfte sein, daß sich
Fluorcycloalkane in wasserfreier Flußsäure-ausgezeichnet lösen. Die Elektrolyse
verläuft somit in homogener Phase, die Diffusion an den Anoden ist ungestört, und
es kommt nicht zu übermäßig langen Verweilzeiten der orgänischen Substanz an der
Anodenoberfläche. Wie in denBeispielen beschrieben, ist die Menge der anfallenden
Abbauprodukte sehr gering, und es kommt nur in geringem Maße zur Sprengung des Kohlenstoffrings.
Hingegen kann es zur Isomerisierung der Kohlenstoffringe kommen, wobei vorwiegend
fünf- und sechsgliedrige Ringe gebildet werden. Aus Cyclohexan-Derivaten bildet
sich z. B. ein Gemisch von perfluorierten Cyclohexan- und Cyclopentan-Derivaten
derselben Anzahl von Kohlenstoffatomen, und umgekehrt. Die erhaltenen perfluorierten
Ringisomeren lassen sich durch Destillation nur schwer trennen, so wie auch isomere
offenkettige Pertuoralkane nur geringe Unterschiede im Siedepunkt zeigen. Die Anwesenheit
von Isomeren kann gaschromatographisch oder durch Aufnahme der Erstarrungskurve
nachgewiesen werden. Für die meisten Verwendungszwecke stört das Vorliegen von Isomerengemischen
nicht, da sich die beiden Isomeren in ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften
kaum unterscheiden.
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Als Einsatzmaterial für die Herstellung von Perfluorcycloalkanen
nach dem beanspruchten Verfahren eignen sich alle Fluorcycloalkane, die mindestens
2 Fluoratome enthalten. Die Löslichkeit in HF ist zwar bereits bei Monofluorverbindungen
gegeben, jedoch neigen solche Verbindungen in Fluß säure zur Dehydrofluorierung
und Bildung von Olefinen und deren Polymeren. Hingegen sind Difiuorcycloalkane,
bei denen 2 oder 3 Fluoratome am selben Kohlenstoffatom gebunden sind, in Fluß säure
beständig und eignen sich besonders für die Elektrofluorierung. Die Fluoratome können
sich an 1 C-Atom des Cycloalkanringes oder einer Alkylseitengruppe befinden.
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Die Verbindung kann einen oder mehrere Kohlenstoffringe besitzen.
Als Einsatzmaterial kommen beispielsweise in Frage: 1,1-Diffuorcyclohexan, Trifiuormethylcyclohexan
und 2,2-Difluordecahydronaphthalin.
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Diese Verbindungen sind gut zugänglich. Sie können z.B. durch Umsetzung
der entsprechenden Chlorcycloalkane oder Chlorcycloalkene mit Flußsäure mit oder
ohne Katalysator nach bekannten Verfahren hergestellt werden. Eine andere Methode
ist die katalytische Hydrierung der entsprechenden aromatischen Di- oder Trifluorverbindungen.
Nach einem kürzlich veröffentlichten Verfahren lassen sich Di-, Tri- und Tetrafiuorverbindungen
auch aus Ketonen, Chinonen und Carbonsäuren durch Reaktion mit SF4 gewinnen.
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Die Durchführung der Elektrolyse kann auf die für Elektrofiuorierung
organischer Substanzen allgemein übliche Art geschehen (vgl. J. H. Simons, »Fluorine
Chemistry«, Bd. I, 1950, S. 4141). Man verwendet hierzu am einfachsten eine eiserne
Elektrolysenzelle mit Anoden aus Nickel und Kathoden aus Eisen und arbeitet bei
etwa 4 bis 9 V, vorzugsweise 5 bis 7 V Gleichspannung und einer Stromdichte von
1 bis 2 A/dm2. Die Zelle wird zweckmäßig auf etwa 10 bis 200 C gehalten, sofern
man unter Normaldruck elektrolysiert. Arbeitet man unter Druck, ko kann man auch
bei höheren Temperaturen elektrolysieren. Die Art der verwendeten
Zelle und die Bedingungen
des Elektrolysenprozesses sind weitgehend variabel, ohne daß die Ergebnisse beeinflußt
werden. Auch die Konzentration der Fluorcycloalkane im Elektrolyten kann weitgehend
variiert werden, da diese Substanzen mit Flußsäure in allen Verhältnissen mischbar
sind. Die perfluorierten Produkte sind in Flußsäure unlöslich und entweichen entweder
als Gas aus der Zelle oder sammeln sich am Boden der Zelle.
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Die verfahrensgemäß erhältlichen Perfluorcycloalkane haben technische
Bedeutung als Temperaturübertrager, Isolierflüssigkeiten von niedriger Dielektrizitätskonstante,
als inerte Sperrflüssigkeiten für chemische Apparaturen, als Schmiermittel in chemisch
aggressiven Medien, als Lösungsmittel für fluorhaltige Substanzen und als Weichmacher
für fluorhaltige Kunststoffe.
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Beispiel 1 In einer 4t/21 fassenden Eisenzelle, die mit vertikal
angeordneten Kathoden aus Eisenblech und Anoden aus Nickelblech (Anodenfläche 36
dm2) ausgestattet ist, wurden im Laufe von 20 Stunden 290 g 1,1-Difiuorcyclohexan
in 41 wasserfreier Flußsäure, in der 10 g Natriumfluorid gelöst waren, bei einer
durchschnittlichen Stromstärke von 60 A und einer Spannung von 5,3 bis 7 V elektrolysiert.
Die Konzentration des Difluorcyclohexans im Elektrolyten wurde auf 2 bis 54/o gehalten.
Die entweichenden Gase wurden durch eine an 700 C gehaltene Kühlfalle geleitet und
die kondensierte Fluß säure kontinuierlich in die Zelle zurückgeführt. Das in der
Kühlfalle angefallene Fluorierungsprodukt wurde mit Natronlauge gewaschen und getrocknet,
wobei 525 g rohe Perfluorsubstanz erhalten wurden. Gemäß einer gaschromatographischen
Analyse bestand diese Rohsubstanz aus 3,70/o Perfluorhexan, 55°/o Perfluorcyclohexan,
40 °/o Perfluormethylcyclopentan und 1,3 ovo nicht identifizierten Nebenprodukten.
Dies entspricht einer Ausbeute von 69 0/o an perfluorierten alicyclischen C6-Verbindungen.
Die Identifizierung der Hauptprodukte geschah durch Infrarotspektroskopie der durch
Gaschromatographie getrennten Fraktionen.
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Bei fraktionierter Destillation des Rohproduktes über eine mit Glasspiralen
von 3 mm Durchmesser gepackte Kolonne von 40 cm Länge und 20 mm Durchmesser gingen
88°/o in einem Siedebereich von 48,5 bis 52,50 C kontinuierlich über, d. h., es
konnte dadurch keine Isomerentrennung bewirkt werden. Die Dampfdichtebestimmung
dieser Hauptfraktion ergab ein Molekulargewicht von 300 (berechnet für C6 Fl2: 300).
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Versucht man, Cyclohexan oder Benzol in analoger Weise elektrochemisch
zu perilnorieren, so tritt durch zu niedrige Löslichkeit dieser Substanzen in Flußsäure
und die hohe Flüchtigkeit im Wasserstoffstrom nach kurzer Zeit Verstopfung des Abgas-Kühlsystems
durch auskristallisierendes Cyclohexan bzw. Benzol ein, so daß eineElektrofluorierung
unter den üblichen Bedingungen nicht möglich ist.
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Beispiel 2 In einer Elektrolysenzelle, wie sie im Beispiel 1 beschrieben
ist, wurden im Laufe von 15 Stunden 235 g Trifiuormethylcyclohexan bei einer durchschnittlichen
Stromstärke
von 50 A und einer Spannung von 5 bis 6 V bei 18 bis 200 C elektrolysiert.
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Die Konzentration wurde auf etwa 2°/o gehalten.
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Das aus den Abgasen bei 700 C kondensierte flüssige Rohproduktion
wurde von der Flußsäure getrennt und mit Wasser und Natronlauge gewaschen.
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Durch Extraktion mit Xylol wurden 56 g Trifluormethylcyclohexan zurückgewonnen.
Der im Xylol unlösliche Anteil an perfluorierten Produkten betrug 197 g. Eine Probe
davon wurde über einer Drehbandkolonne destilliert. 83,5°/o davon gingen bei 71,5
bis 74,50 C über. Diese Fraktion besaß ein, durch Dampfdichtebestimmung ermitteltes
Molekulargewicht von 347 (berechnet für C7 F14: 350; für C,F,,: 388). Wie durch
gaschromatographische Analyse ermittelt, bestand diese destillativ nicht mehr trennbare
C,-Fraktion aus zwei Bestandteilen in etwa gleichem Verhältnis. Es handelt sich
hierbei um die isomeren Verbindungen Perfluormethylcyclohexan
und Perfluordimethylcyclopentan
Die Ausbeute an perfluorierten C7-Cycloalkanen betrug demnach 40e/o der Theorie.
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Wenn man unter denselben Bedingungen Methylcylohexan elektrolytisch
fluoriert, so erhält man bei analoger Aufarbeitung eine Ausbeute von 16/o an perfluorierten
C7-Cycloalkanen. Die Elektrofluoderung von Toluol erbringt gemäß der USA.-Patentschrift
2519 983 eine Ausbeute von nur 1 °/o an perfluorierten C7-Verbindungen.
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Beispiel 3 In der im Beispiel 1 beschriebenen Zelle wurden 158 g
2,2-Difluordecahydronaphthalin bei 30 bis 40 A, 6,5 bis 7,5 V und 15 bis 200 C elektrolysiert.
Die Konzentration der Substanz im Elektrolyten betrug während des Versuches etwa
2m/o. Der größte Teil des Fluorierungsproduktes sammelte sich am Boden der Zelle,
ein kleiner Teil wurde aus den Abgasen bei 700 C ausgefroren. Das von der Flußsäure
durch Waschen mit Wasser und Natronlauge befreite Rohprodukt betrug 150 g. Eine
Probe davon wurde über eine Drehbandkolonne destilliert. 90,50/0 o/<> gingen
bei 138,5 bis 144,50 C über. Bei dieser Fraktion wurde ein Molekulargewicht (durch
Dampfdichtebestimmung) von 468 gefunden. Für Perfiuordecahydronaphthalin bzw. alle
Isomeren Cio F15 errechnet sich ein Molekulargewicht von 462. Gaschromatographische
Analyse dieser Fraktion zeigte, daß sie aus mindestens drei Bestandteilen besteht.
Die Ausbeute an perfluorierten C10-Cycloalkanen betrug demnach 32,8°/o der Theorie.