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Verfahren und Vorrichtung zur Verhinderung oder Abschwächung der Kristallisationsneigung
sowie des Entweichens von Verdampfungsprodukten von der Oberfläche von Glasschmelzen
Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Verhinderung oder Abschwächung
der Kristallisationsneigung sowie des Entweichens von Verdampfungsprodukten von
der Oberfläche von Glasschmelzen sowie auf eine Vorrichtung zur Durchführung des
Verfahrens.
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Es zeigt sich immer wieder, daß Gläser mit besonders wertvollen Eigenschaften,
die in 100g Schmelzen einwandfrei gelingen, beim übergang zu größeren Schmelzeinheiten
von Kristallen durchsetzt sind oder sogar völlig kristallinisch erstarren. Nun ist
es bekannt, daß man .durch rasches Abschrecken Stoffe im gleichen Zustand erhalten
kann, die bei langsamem Abkühlen kristallisieren. Um diesen Effekt dürfte es sich
jedoch im vorliegenden Fall nicht handeln, da auch bei gleicher Abkühlungsgeschwindigkeit
der kleinen und großen Schmelze die Kristallisationsneigung der großen Schmelze
wesentlich höher ist.
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Die Erfindung geht nun von der Vorstellung aus, daß der entscheidende
Unterschied in der verschiedenen Keimbildungsgeschwindigkeit der kleinen und großen
Schmelze liegt und daß dieser Unterschied durch das Auftreten von verschiedenen
Temperaturgradienten, insbesondere in der Nähe der Glasoberfläche, bedingt ist.
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Die gefährlichste Stelle für die Ausbildung schädlicher Temperaturdifferenzen
ist bei dem üblichen Schmelzverfahren die Tiegelabdeckung. Im allgemeinen kann die
Oberfläche des Glases zum Teil durch Öffnungen, wie sie etwa zum Durchführen des
Rührers verwendet werden, frei abstrahlen, zumTeil trifft die Strahlung auf Flächen
auf, die durch verhältnismäßig gut wärmeleitende Schichten unmittelbar an die kalte
Außenluft grenzen und deshalb eine weit geringere Temperatur besitzen als die Schmelze.
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Infolgedessen bildet sich an der Oberfläche des Glases, deren Abstrahlung
weit stärker ist als die Zustrahlung von den Wänden, eine Schicht mit starkem vertikalem
Temperaturgradienten aus. Die Temperatur der Glasoberfläche kann also ohne weiteres
50° C kälter sein als das Glasinnere. Falls also das Glas bei einheitlicher Temperatur,
z. B. bis 950° C, herunter geführt werden darf, ohne daß die Kristallisationstendenz
zu stark wird, darf, bei einem Temperaturunterschied von 50° C zwischen Innerem
und Oberfläche, die Temperatur im Innern nicht tiefer als bis 100a° C fallen, denn
dann beginnt bereits die Oberflächentemperatur den kritischen Wert von 950° C zu
unterschreiten. Dazu kommt jedoch, daß das Zusammentreffen wärmerer mit kälteren
Glasschichten die Kristallisationsgeschwindigkeit außerordentlich stark beschleunigt.
Dieses Zusammentreffen dürfte im allgemeinen sogar der schädlichste Einfluß bezüglich
Kristallisation sein. Durch die Rührung werden aber laufend die kalten Oberflächenschichten
in das Glasinnere eingewirbelt. Falls also nicht bereits auf der Glasoberfläche
sich Kriställchen gebildet haben, die durch das Rühren untermischt werden und als
Wachstumszentren dienen, werden doch jedenfalls durch das Zusammentreffen kalter
und heißer Schichten Keime in großer Zahl erzeugt.
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Eine weitere kritische Stelle für die Keimbildung ist die Oberfläche
des Rührers, denn streng genommen muß auch der Rührer als Teil der Gefäßwandung
betrachtet werden. Ist er nun aus Platin, so muß seine Achse sehr massiv gebaut
sein, um die genügenden Kräfte bei hoher Temperatur übertragen zu können, sie wird
also auch eine hohe Wärmeleitfähigkeit besitzen. Da die Rührerachse nach oben im
allgemeinen in die kalte Außenluft hineinragt, kann also eine starke Abführung von
Wärme durch sie erfolgen, so daß im Glas in der Nähe der Achse starke Temperaturgradienten
mit den erwähnten schädlichen Folgen auftreten.
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Des weiteren erweist es sich als äußerst schädlich, daß Verdampfungsprodukte
selektiv von der Oberfläche von Glasschmelzen entweichen. Eine solche Verdampfung,
z. B. von Borsäure in gewissen hochbrechenden Boratgläsern, führt zwangläufig wegen
der infolge der hohen Zähigkeit des Glases stark behinderten Nachdiffusion zu starken
Verarmungen der Oberfläche an diesem Stoff, z. B. der Borsäure. Dadurch kann die
Oberfläche eine -Zusammensetzung erhalten, die außerhalb des stabilen Glasgebietes
liegt, und es bilden sich dann dort spontan Kriställchen. Auch bei völlig dichtem
Verschluß des Tiegels tritt
eine solche Verarmung ein, wenn der
Deckel so kalt ist, daß dort eine Kondensation des betreffenden Stoffes stattfinden
kann. Allerdings herrscht dort der Dampfdruck des reinen Stoffes, der bei gleicher
Temperatur wesentlich höher ist als der des gleichen Stoffes in der Schmelze, so
daß eine Kondensation und damit ein laufendes Absublimieren der Schmelzbestandteile
auf den Deckel nur eintreten kann, wenn dessen Temperatur um einen gewissen Betrag
niedriger ist als die der Schmelzoberfläche.
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Durch das Verfahren gemäß der Erfindung werden die geschilderten Nachteile
sowohl hinsichtlich der Kristallisationsneigung wie hinsichtlich des Entweichens
von Verdampfungsprodukten auf vorteilhafte Weise vermieden.
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Das Verfahren gemäß der Erfindung ist dadurch gekennzeichnet, daß
ein Schmelzgefäß Anwendung findet, welches praktisch gegen die Außenluft abgeschlossen
ist und die Wärmezufuhr und Wärmeabfuhr derart geregelt wird, daß sämtliche Wandungsteile
einschließlich in das Schmelzgefäß hineinragende Teile, wie Rührer, praktisch die
gleiche Temperatur aufweisen.
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Es ist an sich bereits ein Rührgefäß zur feinsten Verteilung von Gasen
in Flüssigkeiten vorgeschlagen worden, bei welchem .der Rührer fest mit dem Deckel
verbunden war. Mit diesem Mittel allein ist aber die Aufgabe, welche dem Verfahren
der Erfindung zugrunde liegt, nicht zu erreichen, es ist vielmehr erforderlich,
daß auch alle Teile gleiche Temperatur besitzen.
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Deckt man erfindungsgemäß das Schmelzgefäß durch einen gut abschließenden,
auf ausreichend hohe Temperatur beheizten Deckel ab, so kann sich kein Temperaturgefälle
an der Oberfläche ausbilden und man kann bis zu der Temperatur herunterrühren, bei
der die Kristallisationsneigung des homogenen Glases gerade noch ausreichend klein
ist. Ferner wird durch den gut abschließenden Deckel erreicht, daß sich eine gesättigte
Atmosphäre der Verdampfungsprodukte über der Glasschmelze ausbildet, so daß eine
weitere Verdampfung verhindert wird. Ferner bewirkt der gut abschließende Deckel,
.daß aus der Umgebung kein Staub, der als Keim wirken kann, auf die Oberfläche gelangt.
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In den Fällen, in denen leicht verdampfbare Fluoride in hohen Konzentrationen
in der Schmelze sind, ist besonders auf eine genügend hohe Temperatur des Deckels
zu achten, .da der zulässige Temperaturunterschied zwischen Schmelzoberfläche und
Deckel in diesen Fällen sehr klein ist. Die Erfindung ist nicht nur dann wertvoll,
wenn es sich um sehr kristallisationsgefährdete Gläser handelt, sondern auch dann,
wenn infolge starker Flüchtigkeit einzelner Bestandteile oder infolge chemischer
Reaktionen mit der Außenluft mit den bekannten Verfahren kein brauchbares Glas erhalten
werden kann.
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In der Zeichnung sind Vorrichtungen, welche zur Durchführung des Verfahrens
nach der Erfindung dienen, in Ausführungsbeispielen schematisch dargestellt. Es
zeigen Fig. 1 und 3 drei Ausführungsformen von Deckeln zum Abschluß des Schmelzgefäßes,
Fig.4 eine Deckelausführung mit einer Heizvorrichtung, Fig. 5 eine andere Ausführung
der Beheizung, Fig.6 eine besondere Ausbildung eines Schmelzgefäßes mit einem speziell
ausgebildeten Rührer.
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Der geforderte weitgehende Abschluß des Gefäßes 1 wird entsprechend
den Ausführungsformen der Fig. 1 bis 3, dadurch erreicht, daß der Rührer 2 fest
mit einem drehbar angeordneten Deckel 3 verbunden ist. Bei der Ausführungsform gemäß
Fig.2 überlappt der Deckelrand3a den Gefäßrand und ist nach unten gezogen.
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In extremen Fällen, z. B. wenn die Schmelze mit der Atmosphäre störend
reagiert, kann man sogar einen völligen Flüssigkeitsverschluß anwenden (Fig. 3),
wobei als Flüssigkeit z. B. ein leichtflüssiges Fluorid dienen kann, wie das Eutektikum
aus Li F, K F und Na F, das bereits bei etwa 30(i° C schmilzt. Um diesen Deckel
in seiner Größe nicht allzusehr anwachsen zu lassen, kann man natürlich auch den
Tiegel an seinem oberen Ende verengen bis etwa auf den Durchmesser des Rührers.
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Um die Wandungen auf annähernd gleicher Temperatur zu halten, sind
ebenfalls verschiedene Mittel möglich.
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Am einfachsten ist es, den rotierenden Deckel 3 aus Platinblech herzustellen
und auf ihm eine Isolationsschicht 4 aufzubringen. Eine zusätzliche Heizung von
oben mittels einer stromdurchflossenen Heizspirale 5 wird den Wärmeabfluß weiter
verhindern. Ein Ausführungsbeispiel dieser Art zeigt Fig.4. Wesentlich wirksamer
ist es, auf eine besondere Isolation des Deckels zu verzichten und ihn von oben
her durch besondere Heizvorrichtungen auf die gewünschte Temperatur zu erhitzen.
Dies kann etwa durch strahlende stromdurchflossene Heizleiter, insbesondere Silitstäbe
od. dgl. erfolgen, die über dem Deckel angebracht sind. Man wird dabei Sorge tragen,
daß auch die Rührachse genügend erhitzt wird, damit nicht an dieser Stelle der schädliche
Wärmeentzug auftritt.
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Falls zur Heizung des Tiegels, der ja zweckmäßig meist aus Platin
besteht, eine Hoch- oder Mittelfrequenzanlage zur Verfügung steht, kann die Heizung
des Deckels besonders einfach dadurch erfolgen, daß entsprechend Fig. 5 über dem
Deckel eine Flachspule läuft, die den Deckel durch Wirbelstrominduktion aufheizt.
Diese Heizungsart ist sehr gleichmäßig über die Fläche des Deckels, läßt sich fein
regulieren, ist von der Drehung des Deckels unabhängig und erlaubt, Rührvorrichtung
mit Heizung sehr leicht und engräumig zu konstruieren. Auch hier empfiehlt es sich,
durch einige zusätzliche Windungen 7 die Achse zu erhitzen.
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Die Wirbelstromheizung mittels einer Spule 8 ist auch für das Gefäß
1 selbst deshalb besonders günstig da sie besonders leicht gestattet, jeneTemperaturrandbedingungen
zu schaffen, die benötigt werden, um das Auftreten großer Temperaturgradienten zu
vermeiden. Bei den üblichen Öfen mit Außenheizung pflegt nämlich meist ein ziemlich
unkontrollierbarer Temperaturgradient in axialer, d. h. vertikaler, Richtung vorhanden
zu sein, durch den die Energieabgabe bei der Abkühlung im wesentlichen geregelt
wird, während durch die notwendige gute Isolierung der Ofenwände in radialer, d.
h. horizontaler, Richtung nur geringe Temperaturgradienten sich ausbilden. Es ist
dagegen weit günstiger, bei Tiegeln der üblichen Form, deren Höhe größer ist als
der Durchmesser, die Energieabfuhr vorwiegend in radialer Richtung vorzunehmen und
einen vertikalen Gradienten zu vermeiden, oder, in Erweiterung des Erfindungsgedankens,
diesen Gradienten so zu wählen, daß die Temperatur gleichmäßig nach oben etwas ansteigt.
Dadurch werden temperaturbedingte Konvektionsströmungen im Tiegel mit ihrer krista11bildendenTendenz
unterbunden. Es muß allerdings darauf geachtet werden, daß der Gradient nicht zu
groß wird, da sonst
der schwache, jedoch nicht ganz vermeidbare
Anteil der Vertikalströmung, der durch die Rührung bedingt ist, wieder zu Kristallkeimen
führen kann. Es empfiehlt sich deshalb, den Gradienten etwa so zu wählen, daß das
obere Tiegelende um 20° C heißer ist als das untere.
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Fig.6 zeigt den unteren Teil eines Schmelzgefäßes 1, das einen eingezogenen
Boden 1 a besitzt, in welchem zusätzlich Heizvorrichtungen, z. B. Heizspiralen 9,
untergebracht sind. Der Rührer 2 ist für diese Ausführungsform an seinem En.de2a
gabelförmig ausgebildet. Ferner ist ein Rohr 10 vorgesehen, durch welches gegebenenfalls
Kühlluft zugeführt werden kann.
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Da die geschilderten Anordnungen eine gewisse Sauberkeit der mechanischen
Ausführung benötigen, ist es zweckmäßig, das abgerührte Glas nicht über den Tiegelrand,
sondern, wie bei einer Gießkanne, durch ein Rohr, das in der Nähe des Tiegelbodens
mündet, auszugießen. Dieses Rohr muß natürlich beheizbar sein, damit keine Kristallisation
in ihm stattfinden kann.