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Stand der Technik
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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betrieb eines zumindest teilweise automatisiert betriebenen ersten Fahrzeugs. Zusätzlich betrifft die Erfindung eine Recheneinheit, welche dazu ausgebildet ist, das erfindungsgemäße Verfahren auszuführen, sowie ein Fahrzeug mit der erfindungsgemäßen Recheneinheit.
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Im Automobilbereich ist bei Fahrerassistenzsystemen der Abstandsregeltempomat bekannt. In diesem Zusammenhang wird beispielsweise in dem Dokument
DE 10 2010 006 442 A1 ein Verfahren zur automatischen Beschleunigungsanpassung bei einem Kraftfahrzeug beschrieben.
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Bei einem Abstandsregeltempomat wird die Position und die Geschwindigkeit des vorausfahrenden Fahrzeugs mit einem Sensor ermittelt und die Geschwindigkeit sowie der Abstand des mit diesem Fahrerassistenzsystem ausgerüsteten nachfolgenden Fahrzeugs entsprechend adaptiv mit Eingriffen in den Längsantrieb des Fahrzeugs, insbesondere mit Motor- und Bremseingriffen geregelt. Führt das vorausfahrende Fahrzeug eine Vollbremsung durch, so kommt das nachfolgende Fahrzeug noch kollisionsfrei zum Stehen. In diesem Zusammenhang wird beispielsweise in dem Dokument
DE 10 2010 006 442 A1 ein Verfahren zur automatischen Beschleunigungsanpassung bei einem Kraftfahrzeug beschrieben.
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Ausgehend von diesem Stand der Technik ist es Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein Verfahren und eine Vorrichtung zu entwickeln, welche des dem nachfolgenden Fahrzeug ermöglicht, auch bei einem Unfall des vorausfahrenden Fahrzeugs kollisionsfrei zum Stehen zu kommen. Bei einem Unfall kommt das vorausfahrende Fahrzeug wesentlich schneller zum Stehen, als vergleichsweise bei einer durchgeführten Vollbremsung des vorausfahrenden Fahrzeugs.
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Offenbarung der Erfindung
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Zur Lösung der Aufgabe wird ein Verfahren gemäß Anspruch 1 vorgeschlagen. Außerdem wird eine Recheneinheit gemäß Anspruch 10, sowie ein erstes, zumindest teilweise automatisiert betriebenes Fahrzeug nach Anspruch 12 vorgesch lagen.
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Bei dem Verfahren zum Betrieb eines zumindest teilweise automatisiert betriebenen ersten Fahrzeugs werden zunächst Umfeldinformationen des zumindest teilweise automatisiert betriebenen ersten Fahrzeugs erfasst. Bei den Umfeldinformationen kann es sich beispielsweise um Abstandsinformationen zu Objekten in dem Umfeld und/oder Bildinformationen aus dem Umfeld des ersten Fahrzeugs handeln. Bei den Umfeldinformationen kann es sich auch um Informationen einer digitalen Karte handeln, welche beispielsweise eine Unfallrisikokarte, Verkehrsdichte und/oder durchschnittlichen Geschwindigkeit und Geschwindigkeitsabweichung von Verkehrsteilnehmern beinhalten. Zusätzlich werden auch Betriebsinformationen des ersten Fahrzeugs erfasst. Bei den Betriebsinformationen kann es sich beispielsweise um die aktuelle Geschwindigkeit und/oder den aktuellen Lenkwinkel des ersten Fahrzeugs handeln. Abhängig von den erfassten Umfeldinformationen wird folgend wenigstens ein zweites Fahrzeug im Umfeld des ersten Fahrzeugs erkannt, welches dem ersten Fahrzeug vorausfährt. Darauf folgend wird wenigstens eine kollisionsfreie Ausweichtrajektorie des ersten Fahrzeugs bei einem prognostizierten Unfall des zweiten Fahrzeugs in Abhängigkeit der erfassten Umfeldinformationen und der erfassten Betriebsinformationen des ersten Fahrzeugs erkannt. Es wird also geprüft, welche kollisionsfreien Ausweichtrajektorien dem ersten Fahrzeug zur Verfügung stehen, falls das zweite Fahrzeug in einen Unfall verwickelt und entsprechend wesentlich schneller als bei einer Vollbremsung zum Stehen kommen würde. Mit einem Unfall ist in diesem Fall alles gemeint, was zu einem Stillstand des zweiten Fahrzeugs schneller als bei einer Vollbremsung des zweiten Fahrzeugs führen würde. So kann es sich beispielsweise um eine Kollision des vorausfahrenden, wenigstens einen zweiten Fahrzeugs mit einem Objekt, wie beispielsweise einem weiteren Verkehrsteilnehmer, im Umfeld des vorausfahrenden zweiten Fahrzeugs handeln. Ein Beispiel hierfür ist ein Auffahrunfall des zweiten Fahrzeugs auf weitere vorausfahrende zweite Fahrzeuge. Bei dem vorausfahrenden zweiten Fahrzeug kann es sich um das Fahrzeug handeln, welches sich in der Reihenfolge direkt vor dem ersten Fahrzeug befindet. Es kann sich aber auch beispielsweise um ein Fahrzeug handeln, welches sich in der Reihenfolge weiter vorne befindet. Eine kollisionsfreie Ausweichtrajektorie bezeichnet in diesem Fall jegliche Trajektorie des ersten Fahrzeugs, welche es diesem ermöglicht, dem zweiten Fahrzeug im Falle eines Unfalls des zweiten Fahrzeugs kollisionsfrei auszuweichen. Hierbei wird das Umfeld des ersten Fahrzeugs berücksichtigt, da beispielsweise ein Ausweichen in den Gegenverkehr ebenfalls zu einer Kollision führen kann. In einem Folgeschritt wird ein Abstand des ersten Fahrzeugs zu dem zweiten Fahrzeug derart angepasst, dass wenigstens eine kollisionsfreie Ausweichtrajektorie für das erste Fahrzeug zur Verfügung steht. Dadurch, dass dem ersten Fahrzeug stets wenigstens eine Ausweichtrajektorie zur Verfügung steht, wird die Sicherheit des ersten Fahrzeugs wesentlich erhöht.
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Vorzugsweise wird die wenigstens eine Ausweichtrajektorie in Abhängigkeit eines ermittelten Unfallrisikos des zweiten Fahrzeugs ermittelt. Wird beispielsweise festgestellt, dass sich das zweite Fahrzeug derzeit in Schlangenlinie bewegt und/oder sich nicht an die Geschwindigkeitsbegrenzung hält, so kann daraus ein erhöhtes Unfallrisiko ermittelt werden. Auch kann beispielsweise ein Ereignis, wie beispielsweise ein Großbrand entlang der Strecke, zu einer Ablenkung des Fahrers des zweiten Fahrzeugs und somit zu einer erhöhten Unfallgefahr führen. Auch kann beispielsweise eine fallengelassene Ladung von einem LKW zu einem erhöhten Unfallrisiko führen. Vorzugsweise ist es möglich, dass das erste Fahrzeug ein Unfallrisiko beispielsweise von anderen Verkehrsteilnehmern (car-to-car) über eine Funkschnittstelle mitgeteilt bekommt. Ebenso können dem ersten Fahrzeug Informationen in Form von Kartendaten zum statischen Unfallrisiko, welches durch den Straßenverlauf und/oder Fahrbahnbedingung abhängen kann, und/oder zu dynamischen Unfallrisiken, welche die aktuelle Verkehrssituation wie den Abstand von Verkehrsteilnehmern zueinander, mit einbeziehen, mitgeteilt werden. Insbesondere wird das Risiko eines Unfalls des vorausfahrenden zweiten Fahrzeugs mit weiteren Verkehrsteilnehmern ermittelt. Wird beispielsweise festgestellt, dass das zweite Fahrzeug einem weiteren, vorausfahrenden Fahrzeug zu dicht auffährt, so kann von einem erhöhten Risiko eines Auffahrunfalls ausgegangen werden. Eine solche Situation kann von dem ersten Fahrzeug beispielsweise mittels wenigstens eines Radarsensors ermittelt werden, welcher derart am ersten Fahrzeug angeordnet ist, dass es ermöglicht wird, unter dem zweiten, vorausfahrenden Fahrzeug durch hinweg zu sehen.
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Auch über eine Car-to-Car und/oder Car-to-Infrastructure Kommunikationsverbindung kann ein solches zu dichtes Auffahren des zweiten Fahrzeugs beispielsweise ermittelt werden. Auch eine erhöhte Verkehrsdichte, insbesondere bei nicht angepasster Geschwindigkeit der anderen Verkehrsteilnehmer, kann das Risiko eines Auffahrunfalls des zweiten Fahrzeugs auf weitere vorausfahrende Fahrzeuge erhöhen. Die Ermittlung von Ausweichtrajektorien von dem Unfallrisiko des zweiten Fahrzeugs abhängig zu machen, hat den Vorteil, dass der Abstand nur bei erhöhtem Unfallrisiko angepasst werden kann. Dieses Fahrverhalten schafft bei dem Fahrer des zumindest teilweise automatisiert betriebenen ersten Fahrzeugs eine höhere Akzeptanz. Bevorzugt wird die wenigstens eine Ausweichtrajektorie in Abhängigkeit eines Vergleichs des ermittelten Unfallrisikos mit einem Schwellenwert ermittelt. So kann beispielsweise vorgesehen sein, dass die wenigstens eine kollisionsfreie Ausweichtrajektorie nur dann ermittelt wird, falls das Unfallrisiko den Schwellenwert übersteigt.
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Bevorzugt kommt eine Situation vor, in der sich das erste Fahrzeug auf einer ersten Fahrspur einer wenigstens zweispurigen Fahrbahn befindet. Hierbei wird vorzugsweise die wenigstens eine Ausweichtrajektorie in Abhängigkeit einer Relativposition des ersten Fahrzeugs zu wenigstens einem weiteren Fahrzeug auf wenigstens einer der ersten Fahrspur benachbarten zweiten Fahrspur der wenigstens zweispurigen Fahrbahn ermittelt. Durch Berücksichtigung des Verkehrs auf den benachbarten Fahrspuren bei der Ermittlung der Ausweichtrajektorie wird sichergestellt, dass durch die kollisionsfreie Ausweichtrajektorie nicht auch andere Verkehrsteilnehmer gefährdet werden. Bei dem weiteren Fahrzeug auf der benachbarten zweiten Fahrspur kann es sich um ein fahrendes Fahrzeug oder ein stehendes Fahrzeug handeln. Bei der zweispurigen Fahrbahn kann es sich bei der ersten oder der benachbarten zweiten Fahrspur um einen Standstreifen handeln. Vorzugsweise wird im Zusammenhang mit einem fahrenden Fahrzeug als weiteres Fahrzeug der Abstand des ersten Fahrzeugs zu dem zweiten Fahrzeug derart angepasst, dass dem ersten Fahrzeug ein Fahrspurwechsel auf eine, einer ersten Fahrspur des ersten Fahrzeugs benachbarte zweite Fahrspur als verfügbare Ausweichtrajektorie ermöglicht wird. Das erste Fahrzeug positioniert sich entsprecht derart innerhalb des Verkehrs, dass stets ein Spurwechsel in eine freie Lücke auf eine benachbarte Fahrspur ermöglicht wird. Somit wird dem ersten Fahrzeug eine Art Lückenspringen bei einem tatsächlichen Unfall des zweiten Fahrzeugs ermöglicht.
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Bevorzugt wird der Abstand des ersten Fahrzeugs zu dem zweiten Fahrzeug derart angepasst, dass wenigstens zwei freie, kollisionsfreie Ausweichtrajektorien zur Verfügung stehen. Falls unvorhergesehen doch eine ermittelte Ausweichtrajektorie wegfällt, wird somit die Sicherheit des Verfahrens erhöht, da stets wenigstens eine weitere Ausweichtrajektorie zur Verfügung steht.
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Geschieht nun tatsächlich ein Unfall des zweiten Fahrzeugs, wie beispielsweise ein Auffahrunfall, so wird das erste Fahrzeug vorzugsweise automatisch auf die wenigstens eine verfügbare Ausweichtrajektorie gesteuert. Eine automatische Steuerung auf die verfügbare Ausweichtrajektorie hat den Vorteil einer erhöhten Sicherheit, dass hierbei oftmals schneller reagiert wird, als bei einer manuellen Steuerung. Zusätzlich oder alternativ wird dem Fahrer des Fahrzeugs die wenigstens eine verfügbare Ausweichtrajektorie bei einem tatsächlichen Unfall des zweiten Fahrzeugs angezeigt. Dies erhöht die Akzeptanz des Verfahrens bei dem Fahrer, da er von einem automatischen Fahrmanöver nicht zu sehr überrascht wird oder er dies sogar selbst manuell tätigen muss. Falls wenigstens zwei Ausweichtrajektorien zur Verfügung stehen, wird das Fahrzeug bevorzugt in Abhängigkeit eines jeweils ermittelten Fahrkomforts der wenigstens zwei verfügbaren Ausweichtrajektorien auf die wenigstens eine der wenigstens zwei Ausweichtrajektorien gesteuert. Alternativ oder zusätzlich wird dem Fahrer des Fahrzeugs vorzugsweise in Abhängigkeit eines jeweils ermittelten Fahrkomforts der wenigstens zwei verfügbaren Ausweichtrajektorien die wenigstens eine der wenigstens zwei Ausweichtrajektorien angezeigt. Auch hiermit wird die Akzeptanz des Verfahrens bei dem Fahrer erhöht. Besteht beispielsweise die Auswahl zwischen der Fahrt auf einen Acker und auf einen Standstreifen, so entspricht der Standstreifen einem wesentlich höheren Fahrkomfort als der Acker und würde auch durch den Fahrer präferiert werden.
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Bevorzugt entspricht die wenigstens eine verfügbare Ausweichtrajektorie einer richtungsändernden Bremsung des ersten Fahrzeugs. Somit weicht das Fahrzeug dem zweiten Fahrzeug aus und wird anschließend in einen sicheren Zustand gebracht. Dies erhöht die Sicherheit des Verfahrens. Außerdem ist eine solche Bremsung hinsichtlich der Fahrtstrecke wesentlich verkürzt im Vergleich zu einer möglichen Weiterfahrt auf der Ausweichtrajektorie. Somit wird die Ermittlung einer verfügbaren Ausweichtrajektorie vereinfacht, da weniger Strecke für die Ausweichtrajektorie berechnet werden muss.
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Ein weiterer Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist eine Recheneinheit, die zur Ausführung des zuvor beschriebenen Verfahrens zum Betrieb eines zumindest teilweise automatisiert betriebenen ersten Fahrzeugs ausgebildet ist. Hierzu ist die Recheneinheit dazu ausgebildet, erfasste Umfeldinformationen und erfasste Betriebsinformationen des zumindest teilweise automatisiert betriebenen ersten Fahrzeugs zu empfangen. Zusätzlich dient die Recheneinheit dazu, wenigstens ein in Fahrtrichtung des ersten Fahrzeugs vorausfahrendes, zweites Fahrzeug in Abhängigkeit der erfassten Umfeldinformationen zu erkennen. In Abhängigkeit der erfassten Umfeldinformationen und der erfassten Betriebsinformationen ermittelt die Recheneinheit wenigstens eine kollisionsfreie Ausweichtrajektorie des ersten Fahrzeugs bei einem prognostizierten Unfall des zweiten Fahrzeugs. Zusätzlich ist die Recheneinheit dazu ausgebildet, wenigstens ein Steuersignal für einen Längsantrieb des ersten Fahrzeugs derart zu erzeugen, dass ein Abstand des ersten Fahrzeugs zu dem zweiten Fahrzeug derart angepasst wird, dass wenigstens eine kollisionsfreie Ausweichtrajektorie zur Verfügung steht. Vorzugsweise dient die Recheneinheit dazu, ein Unfallrisiko des zweiten Fahrzeugs, beispielsweise mit weiteren Verkehrsteilnehmern, zu ermitteln und in Abhängigkeit des ermittelten Unfallrisikos die wenigstens eine Ausweichtrajektorie zu ermitteln.
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Zusätzlich betrifft die Erfindung ein erstes, zumindest teilweise automatisiert betriebenes Fahrzeug, welches die erfindungsgemäße Recheneinheit, wenigstens einen Umfeldsensor zur Erfassung von Umfeldinformationen des ersten Fahrzeugs und wenigstens einen weiteren Sensor zur Erfassung von Betriebsinformationen des ersten Fahrzeugs aufweist. Bei dem wenigstens einen Umfeldsensor kann es sich beispielsweise um einen Radarsensor und/oder Lidarsensor und/oder einen Ultraschallsensor und/oder eine Kameraeinheit handeln. Bei dem weiteren Sensor zur Erfassung von Betriebsinformationen kann es sich beispielsweise um einen Lenkwinkelsensor und/oder einen Geschwindigkeitssensor handeln. Zusätzlich weist das erste Fahrzeug einen Längsantrieb auf, welcher beispielsweise eine Motoreinheit und/oder eine Bremseinheit des ersten Fahrzeugs umfasst. Der Längsantrieb ist in diesem Zusammenhang dazu ausgebildet, in Abhängigkeit des von der Recheneinheit erzeugten wenigstens einen Steuersignals, einen Abstand des ersten Fahrzeugs zu dem von der Recheneinheit erkannten, vorausfahrenden zweiten Fahrzeugs derart anzupassen, dass wenigstens eine kollisionsfreie Ausweichtrajektorie für das erste Fahrzeug zur Verfügung steht.
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Figurenliste
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- 1 zeigt schematisch eine Ausführung der erfindungsgemäßen Recheneinheit.
- 2 zeigt eine Ausführung des erfindungsgemäßen Verfahrens zum Betrieb eines zumindest teilweise automatisiert betriebenen ersten Fahrzeugs.
- 3a zeigt beispielhaft eine Situation zu einem ersten Zeitpunkt, bei der dem teilweise automatisiert betriebenen ersten Fahrzeug als Ausweichtrajektorie ein Fahrspurwechsel angeboten wird.
- 3b zeigt beispielhaft eine Situation zu einem zweiten Zeitpunkt, bei der dem teilweise automatisiert betriebenen ersten Fahrzeug als Ausweichtrajektorie ein Fahrspurwechsel angeboten wird.
- 4 zeigt beispielhaft eine Situation, bei der ein zweites, vorausfahrendes Fahrzeug tatsächlich einen Unfall hat.
- 5a bis 5c zeigen unterschiedliche Möglichkeiten zur Ermittlung von kollisionsfreien Ausweichtrajektorien.
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Ausführungsbeispiele der Erfindung
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1 zeigt schematisch eine Recheneinheit 20, welche dazu ausgebildet ist, Umfeldinformationen des hier nicht dargestellten, zumindest teilweise automatisiert betriebenen ersten Fahrzeugs von wenigstens einem Umfeldsensor 10 zu empfangen. Alternativ und/oder zusätzlich können die Umfeldinformationen, wie beispielsweise die Positionen weiterer Fahrzeuge im Umfeld des Fahrzeugs relativ zu dem ersten Fahrzeug, über eine Car-to-Car Kommunikationsverbindung 30 von der Recheneinheit 20 empfangen werden. Auch kann beispielsweise eine Unfallrisiko-Karte von einem externen Server empfangen werden. Zusätzlich dient die Recheneinheit 20 dazu, erfasste Betriebsinformationen von wenigstens einem weiteren Sensor 40 des ersten Fahrzeugs zu empfangen. Die Recheneinheit 20 erkennt in Abhängigkeit der erfassten Umfeldinformationen wenigstens ein in Fahrtrichtung des ersten Fahrzeugs vorausfahrendes zweites Fahrzeug. Zusätzlich dient die Recheneinheit 20 dazu, wenigstens eine kollisionsfreie Ausweichtrajektorie des ersten Fahrzeugs bei einem prognostizierten Unfall des zweiten Fahrzeugs in Abhängigkeit der erfassten Umfeldinformationen und der erfassten Betriebsinformationen des ersten Fahrzeugs zu ermitteln. Außerdem ist die Recheneinheit 20 dazu ausgebildet, wenigstens ein Steuersignal für einen Längsantrieb 50 des ersten Fahrzeugs derart zu erzeugen, dass ein Abstand des ersten Fahrzeugs zu dem zweiten Fahrzeug derart angepasst wird, dass wenigstens eine kollisionsfreie Ausweichtrajektorie zur Verfügung steht.
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Optional ist die Recheneinheit 20 weiterhin dazu ausgebildet, ein Unfallrisiko des zweiten Fahrzeugs, insbesondere mit weiteren Verkehrsteilnehmern, zu ermitteln und in Abhängigkeit des ermittelten Unfallrisikos die wenigstens eine Ausweichtrajektorie zu ermitteln.
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2 zeigt in Form eines Flussdiagramms eine Ausführung des Verfahrens zum Betrieb eines zumindest teilweise automatisiert betriebenen ersten Fahrzeugs. Hierbei werden zunächst in einem Verfahrensschritt 100 Umfeldinformationen des zumindest teilweise automatisiert betriebenen ersten Fahrzeugs erfasst. In einem folgenden Verfahrensschritt 110 werden Betriebsinformationen des ersten Fahrzeugs erfasst. Daraufhin wird in Verfahrensschritt 120 geprüft, ob abhängig von den erfassten Umfeldinformationen wenigstens eines in Fahrtrichtung des ersten Fahrzeugs vorausfahrendes zweites Fahrzeug erkannt werden kann. Wird hierbei festgestellt, dass kein zweites Fahrzeug erkannt werden kann, wird das Verfahren beendet oder alternativ von vorne gestartet. Wird jedoch in Verfahrensschritt 120 wenigstens ein zweites Fahrzeug erkannt, so wird in einem folgenden Verfahrensschritt 150 wenigstens eine kollisionsfreie Ausweichtrajektorie des ersten Fahrzeugs bei einem prognostizierten Unfall des zweiten Fahrzeugs ermittelt. Hierbei werden die erfassten Umfeldinformationen und die erfassten Betriebsinformationen des ersten Fahrzeugs berücksichtigt. Beispielsweise kann die aktuelle Geschwindigkeit als Betriebsinformation des ersten Fahrzeugs berücksichtigt werden. Je schneller das Fahrzeug aktuell fährt, desto länger ist auch ein Bremsweg als Ausweichtrajektorie des ersten Fahrzeugs. Auch können beispielsweise Positionen von weiteren Fahrzeugen relativ zu dem ersten Fahrzeug als erfasste Umfeldinformationen berücksichtigt werden. Befindet sich das erste Fahrzeug derzeit beispielsweise auf einer wenigstens zweispurigen Fahrbahn und wird hierbei eine freie Lücke zwischen Fahrzeugen auf einer benachbarten Fahrbahn festgestellt, kann die kollisionsfreie Ausweichtrajektorie aus einem Fahrspurwechsel des ersten Fahrzeugs bestehen. Als kollisionsfreie Ausweichtrajektorie kann beispielsweise auch eine Bremsung vorgesehen sein, bei der gelenkt wird und das erste Fahrzeug daraufhin eine Richtungsänderung vollzieht. In einem folgenden Verfahrensschritt 160 wird der Abstand des ersten Fahrzeugs zu dem zweiten Fahrzeug derart angepasst, dass wenigstens eine kollisionsfreie Ausweichtrajektorie zur Verfügung steht. Daraufhin wird das Verfahren beendet. Im Zusammenhang mit dem zuvor beschriebenen Fahrspurwechsel kann beispielsweise vorgesehen sein, dass der Abstand des ersten Fahrzeugs zu dem zweiten Fahrzeug derart angepasst wird, dass dem ersten Fahrzeug ein Fahrspurwechsel auf eine, einer ersten Fahrspur des ersten Fahrzeugs benachbarte zweite Fahrspur als verfügbare Ausweichtrajektorie ermöglicht wird.
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In einem optionalen Verfahrensschritt 130 wird das aktuelle Unfallrisiko des wenigstens einen zweiten Fahrzeugs ermittelt. Hierbei kann beispielsweise das Fahrverhalten des zweiten Fahrzeugs berücksichtigt werden. Fährt das zweite Fahrzeug aktuell beispielsweise zu schnell, so steigt dessen Unfallrisiko. Insbesondere wird das Unfallrisiko des zweiten Fahrzeugs mit weiteren Verkehrsteilnehmern ermittelt. Hierbei kann beispielsweise berücksichtigt werden, wie dicht das zweite Fahrzeug auf weitere zweite Fahrzeuge auffährt, die sich vor dem zweiten Fahrzeug in Fahrtrichtung befinden. Ein zu dichtes Auffahren kann das Risiko eines Auffahrunfalls erhöhen. Das ermittelte Unfallrisiko wird in dem folgenden Verfahrensschritt 150 bei der Ermittlung der wenigstens einen kollisionsfreien Ausweichtrajektorie berücksichtigt.
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In einem weiteren optionalen Verfahrensschritt 140 wird das ermittelte Unfallrisiko mit einem Schwellenwert verglichen. Ist das ermittelte Unfallrisiko kleiner als der Schwellenwert, so wird das Verfahren beendet oder alternativ von vorne gestartet. Ist das ermittelte Unfallrisiko jedoch höher als der Schwellenwert, so wird mit Verfahrensschritt 150 fortgefahren.
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In einem optionalen auf den Verfahrensschritt 160 folgenden Verfahrensschritt 170 wird der Abstand des ersten Fahrzeugs zu dem zweiten Fahrzeug derart angepasst, dass wenigstens zwei Ausweichtrajektorien zur Verfügung stehen.
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In einem weiteren optionalen Verfahrensschritt 180 wird abhängig von den erfassten Umfeldinformationen des ersten Fahrzeugs geprüft, ob das wenigstens eine zweite Fahrzeug tatsächlich in einen Unfall verwickelt ist und/oder eine verstärkte Bremsung erfährt. Mit einer verstärkten Bremsung ist in diesem Fall keine übliche Vollbremsung gemeint, sondern eine zusätzliche Bremsung, welche durch zusätzliche Hilfsmittel, wie beispielsweise einen Bremsfallschirm ausgeführt wird. Wird hierbei kein Unfall festgestellt, so wird mit Verfahrensschritt 160 fortgefahren. Wird jedoch ein Unfall festgestellt, so wird in Verfahrensschritt 185 das erste Fahrzeug automatisch auf die wenigstens eine verfügbare Ausweichtrajektorie gesteuert und/oder die wenigstens eine verfügbare Ausweichtrajektorie dem Fahrer des ersten Fahrzeugs angezeigt.
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In einem weiteren optionalen Verfahrensschritt 190 wird geprüft, ob wenigstens zwei kollisionsfreie Ausweichtrajektorien zur Verfügung stehen. Wird hierbei keine weitere verfügbare Ausweichtrajektorie festgestellt, so wird das Verfahren beendet. Werden jedoch wenigstens zwei Ausweichtrajektorien festgestellt, so wird in einem folgenden Verfahrensschritt 200 die Ausweichtrajektorie ausgewählt, welche den höchsten Fahrkomfort aufweist. Kriterien welche beispielsweise hierfür berücksichtigt werden können, ist die Bodenbeschaffenheit der Trajektorie und/oder ob eine Weiterfahrt auf der Ausweichtrajektorie ermöglicht ist. Zusätzlich oder alternativ wird auch die sich auf der Ausweichtrajektorie ergebende Querbeschleunigung für den Fahrer des ersten Fahrzeugs berücksichtigt. Ein Richtungswechsel wird in diesem Zusammenhang bei gleichbleibendem Beschleunigungswert als unangenehmer gegenüber einer geraden Ausweichtrajektorie empfunden. Alternativ oder zusätzlich wird die sich auf der Ausweichtrajektorie ergebende Maximalbeschleunigung berücksichtigt. Hierbei wird die Ausweichtrajektorie bevorzugt, die die geringste Maximalbeschleunigung aufweist. In einem auf den Verfahrensschritt 200 folgenden Verfahrensschritt 220 wird das erste Fahrzeug auf die wenigstens eine der wenigstens zwei Ausweichtrajektorien ausgewählte Ausweichtrajektorie gesteuert und/oder dem Fahrer des ersten Fahrzeugs angezeigt.
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3a zeigt in der Draufsicht schematisch eine zweispurige Fahrbahn 250 mit einer ersten Fahrspur 240a und einer zweiten Fahrspur 240b. Auf der ersten Fahrspur 240a fährt ein zumindest teilweise automatisiert betriebenes erstes Fahrzeug 200a in Fahrtrichtung 225. Das erste Fahrzeug 200a weist neben der Recheneinheit 20 einen Umfeldsensor 10 und einen weiteren Sensor 40 auf. Der Umfeldsensor 10 dient dazu, Umfeldinformationen des ersten Fahrzeugs 200a zu erfassen und der weitere Sensor 40 erfasst Betriebsinformationen des ersten Fahrzeugs 200a. Die Recheneinheit 20 empfängt die Umfeld- und Betriebsinformationen des ersten Fahrzeugs und erkennt in Abhängigkeit der Umfeldinformationen eine Mehrzahl von zweiten, dem ersten Fahrzeug 200a vorausfahrenden Fahrzeugen 210a, 210b und 210c. Als nächstes ermittelt die Recheneinheit 20 kollisionsfreie Ausweichtrajektorien bei einem prognostizierten Unfall eines zweiten Fahrzeugs 210a, 210c und 210d. Als mögliche Ausweichtrajektorie 230 wird aktuell ein Fahrspurwechsel 230 in eine freie Lücke 260a auf die benachbarte Fahrspur 240b ermittelt. Die Recheneinheit 20 erzeugt nun wenigstens ein Steuersignal für den hier nicht dargestellten Längsantrieb des ersten Fahrzeugs 200a derart, dass ein Abstand 215a des ersten Fahrzeugs 200a zu dem vorausfahrenden zweiten Fahrzeug 210a derart angepasst wird, dass stets wenigstens eine kollisionsfreie Ausweichtrajektorie 230 zur Verfügung steht. In dieser dargestellten Situation bewegt sich das erste Fahrzeug 200a parallel zu den benachbarten, Fahrzeugen 211 und 220, um stets die Möglichkeit zu haben, durch einen Fahrspurwechsel einem tatsächlichen Unfall des zweiten Fahrzeugs 210a ausweichen zu können.
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3b zeigt die zuvorige Situation zu einem zweiten, späteren Zeitpunkt. Da sich in Fahrtrichtung 225 vorausliegend, auf der benachbarten Fahrspur 240b eine freie Lücke 260b zwischen den Fahrzeugen 210c und 211 ergeben hat, hat das erste Fahrzeug 200a hierbei den Abstand 215b zu dem vorausfahrenden, zweiten Fahrzeug 210a verkürzt. Bei dem Abstand 215b zwischen dem ersten Fahrzeug 200a und dem zweiten Fahrzeug 210a handelt es sich auf 3b um einen definierten Sicherheitsabstand, welcher nicht unterschritten werden darf. Dieser Sicherheitsabstand 215b dient dazu, dass dem ersten Fahrzeug 200a bei einer Vollbremsung des zweiten Fahrzeugs 210 ein ausreichender Bremsweg zur Verfügung steht.
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4 zeigt eine Situation, bei der das vorausfahrende zweite Fahrzeug 210a tatsächlich auf ein weiteres, zweites Fahrzeug 210b auffährt und so einen Auffahrunfall erzeugt. Daraufhin ist der gerade Bremsweg 235 für das erste Fahrzeug 200a zu kurz, um vor dem zweiten Fahrzeug 210a zum Stehen zu kommen. Die Recheneinheit 20 des ersten Fahrzeugs 200a ermittelt hierbei als kollisionsfreie Ausweichtrajektorie 221 einen Fahrspurwechsel in die freie Lücke 260c zwischen den Fahrzeugen 210d und 220. Der folgende Fahrspurwechsel wird automatisch ausgeführt und/oder die kollisionsfreie Ausweichtrajektorie 221 wird dem Fahrer des ersten Fahrzeugs 200a auf einer Anzeigeeinheit 25 angezeigt. Der schraffierte Bereich 255 stellt den von der Recheneinheit 20 ermittelten Bereich dar, welcher beim Befahren zu einer Kollision mit dem zweiten Fahrzeug oder anderen Objekten führen würde.
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5a zeigt eine Möglichkeit der genauen Ermittlung einer kollisionsfreien Ausweichtrajektorie. Hierbei bezeichnen die dargestellten Punkte 201 ermittelte Endpunkte von ermittelten kollisionsfreien Ausweichtrajektorien, welche durch Lenken und/oder Bremsen erreicht werden können. Die dargestellten Kreuze 202 bezeichnen ermittelte Endpunkte von Trajektorien, deren Befahren jedoch zu Kollisionen mit dem zweiten Fahrzeug 210a oder weiteren Objekten in der Umgebung des ersten Fahrzeugs 200b führen würden. Die Entscheidung, welcher Endpunkt einer kollisionsfreien Ausweichtrajektorie bei einem tatsächlichen Unfall des zweiten Fahrzeugs 210a angesteuert werden würde, kann beispielsweise in Abhängigkeit des ermittelten Fahrkomforts der jeweiligen Ausweichtrajektorie getroffen werden.
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5b und 5c zeigen gegenüber der Darstellung in 5a Möglichkeiten zur Ermittlung von kollisionsfreien Ausweichtrajektorien, welche weniger rechenintensiv sind. Hierbei werden nicht die Endpunkte der kollisionsfreien Ausweichtrajektorien, sondern nur Flächen 203a bzw. 203b ermittelt, welche durch Befahren einer kollisionsfreien Ausweichtrajektorie erreicht werden können. Hierbei wird in 5b nur mit geraden Linien gearbeitet, um die kollisionsfreien Flächen 203a bzw. 203b und die nicht kollisionsfreien Flächen 204a und 204b bzw. 204c anzuzeigen. In 5c wird zusätzlich noch zur Vereinfachung mit einfachen geometrischen Formen gearbeitet, indem das erste Fahrzeug mit einem Rechteck 204c als nicht kollisionsfreie Fläche gekennzeichnet wird.
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Die Berechnung der kollisionsfreien Bereiche ist in 5b besonders ressourcenschonend, da ein Polarkoordinatensystem genutzt wird. Die Umfeldsensoren vermessen die anderen Verkehrsteilnehmer in Polarkoordinaten, sodass man auf einfache Weise den das zweite Fahrzeug 210a umschließenden Winkel bzw. Sichtbereich 204a ermitteln kann. Der Bereich, in dem sich das zweite Fahrzeug 210a befindet, wird hierbei als nicht befahrbar angenommen Bereiche außerhalb der Fahrbahn sind ebenfalls als nicht befahrbar gekennzeichnet.
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In 5c ist eine weitere Möglichkeit des Ermittelns der Ausweichtrajektorien gezeigt. Dabei wird der Bereich 204c, in dem sich das zweite Fahrzeug 210a befindet, als nicht befahrbar angenommen. Dabei ist der Vorteil, dass ausschließlich die Spur und die Entfernung des zweiten Fahrzeugs 210a bekannt sein muss, um die möglichen Ausweichtrajektorien zu ermitteln. Die Bereiche vor dem zweiten Fahrzeug können unterschiedlich gehandhabt werden: Der Bereich kann als frei angenommen werden, oder als belegt angenommen werden oder eine Grenze dazwischen aufweisen. Beispielsweise kann ein fester Winkel angenommen werden, den das erste Fahrzeug 240b durch Lenken und Bremsen am Ende des relevanten Bereichs erreichen kann, beispielsweise 45°, der vom zweiten Fahrzeug aus den Bereich der Ausweichtrajektorien begrenzt. Vorteilhaft dabei ist, dass das Ermitteln besonders einfach ist, da häufig rechtwinklige Bereiche genutzt werden, die parallel der Fahrbahn verlaufen, wodurch Ressourcen gespart werden können.
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In den 5a bis 5c kann geprüft werden, in welche Bereiche das erste Fahrzeug passen würde, wenn das zweite Fahrzeug in einen Auffahrunfall verwickelt ist und stark verzögert. Hierbei bietet es sich wegen der Vereinfachten Berechnung der Ausweichtrajaktorien an, bei einem wie in den 5b und 5c gezeigten Verfahren einen zusätzlichen Sicherheitsaufschlag hinzuzufügen.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102010006442 A1 [0002, 0003]