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Beschreibung Die vorliegende Erfindung betrifft Methylphenidat oder ein physiologisch annehmbares Salz desselben zur Verwendung in der Behandlung von Anorexia nervosa.
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Anorexie ist ein Problem in der heutigen Gesellschaft, das zunehmend auch Männer betrifft. Aktuell gibt es Hinweise, dass die Zahlen ansteigen und es vermehrt zu der Erkrankung in der westlichen Welt kommt. Aktuelle Behandlungsversuche sind psychotherapeutischer Art, wobei die aktuellen pharmakologischen Behandlungsversuche nicht ausreichend sind. Unter Therapie oder Behandlung wird im Kontext dieser Erfindung die Besserung oder fehlende Verschlechterung eines Zustandes verstanden.
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Die Substanz Methylphenidat
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Methylphenidat ist ein häufig verschriebenes Psychostimulanz aus der Gruppe der Amphetamine und Amphetaminderivate. Der Stoff wirkt durch die selektive Aktivierung bestimmter Rezeptorsysteme. Es erzeugt klinische Zeichen wie Wachheit und Aktivierung. Bei dem Absetzen kann es zu Entzugserscheinungen kommen. Diese sind deutlich weniger bei der Verschreibung aufgrund der paradoxen Reaktion, die Methylphenidat bei ADHS als therapeutisches Mittel ermöglicht. Aktuell zugelassen ist Methylphenidat zur Behandlung der ADHS-Erkrankung. Weitere Indikationen sind Gewichtsabnahme und bei Erkrankungen aus dem Schlaf-Wach-Bereich die aktuell off label genutzt werden.
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Pharmakodynamik
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Aktuell gut bekannt ist, dass Methylphenidat in den Rezeptorsystemen von Dopamin und Norepinephrin als dem adrenerg zugehörigen System wirkt. Die Struktur ähnelt anderen katecholaminergen Substanzen. Es wirkt als Wiederaufnahmehemmer in diesen Rezeptorsystemen und auch als Dopaminagonist und Norepinephrin-Agonist. Ein Effekt auf Anorexie ist aus diesen Rezeptorsystemen nicht ableitbar, sondern das Gegenteil. Rein aus den rezeptorspezifischen Überlegungen sollte MPH bei Anorexie schaden und nicht nutzen, was sich auch in der Tatsache widerspiegelt, dass die Gabe von MPH als kontraindiziert gilt bei Vorliegen von Anorexie. Diese Eigenschaften sind ähnlich allen Substanzen aus der Norepinephrin-Klasse. Es finden sich jedoch klare Unterschiede zu anderen Substanzen dieser Klasse, die das Molekül einzigartig machen. Aktuelle Spekulationen finden sich für die therapeutische Gabe bei Parkinson und auch beim sog. Methamphetamin-Abusus. Bestimmte Enantiomere wirken stärker und werden daher teilweise ausschliesslich in einigen Medikationen eingesetzt. Bei der vorliegenden Erfindung werden explizit alle Enantiomere berücksichtigt.
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Pharmakokinetik
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Methylphenidat hat oral eingenommen eine stark variable Bioverfügbarkeit von 11 bis 52%. Es finden sich verschiedene Freisetzungscharakteristika von 2 Stunden bis 12 Stunden abhängig von der galenischen Zubereitung. Bei der vorliegenden Erfindung werden explizit alle Freisetzungscharakteristika mit berücksichtigt. Das D-threo-Methylphenidat ist besser bioverfügbar und somit zum mehrheitlichen Anteil verantwortlich für die klinischen Effekte bei Razematen. Bei gleichzeitiger Nahrungsaufnahme erhöht sich die orale Resorptionsrate. Es finden sich aktuell vier Isomere. Soweit aktuell bekannt ist nur das D-threo-Methylphenidat das pharmakologisch aktive Enantiomer. Es werden jedoch innerhalb der Erfindung explizit alle Enantiomere berücksichtigt.
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Anorexia nervosa
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Psychiatrische Erkrankungen werden nach ICD 10 und DSM IV kategorisiert. Die Definition der Erkrankungen, die in der vorliegenden Erfindung betrachtet werden, werden explizit nach diesen beiden Diagnosesystemen definiert. ICD ist gebräuchlicher in Europa, wogegen DSM mehr in den USA eingesetzt wird. Die aktuelle Erfindung bezieht sich explizit auf die Erkrankungsdefinitionen dieser beiden Kategorisierungssysteme.
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Generell ist die Erkrankung der Anorexia nervosa durch gewollten Gewichtsverlust, der durch den Patienten oder die Patientin selber induziert und erhalten wird, charakterisiert. Eine tiefgehende Angst davor, fett zu werden oder zu sein oder eine wabbelige oder übermässige Körperkontur zu haben, wird als überwertige Idee angetroffen. Fast immer findet sich Unterernährung mit sekundären Symptomen wie endokrinen und anderen Körperfunktionsstörungen. Typische Symptome sind eingeschränkte Auswahl bei der Ernährung, übermässiges Trainieren, induziertes Erbrechen oder anderes als reinigend erlebtes Verhalten sowie das Missbrauchen von Appetitzüglern, Laxantien und Diuretika. Generell wird durch den Patienten abgelehnt, ein für das Alter und Grösse normales Gewicht zu halten. Es findet sich eine tiefe Angst davor, dick zu werden. (Auch hier werden die Definitionen von ICD 10 und DSM IV bzw V als massgebend in dieser Erfindung definiert) Körperschemastörungen sowie Verleugnung der Schwere der Bedrohung durch das Untergewicht sind weitere typische Merkmale, sowie Amenorrhoe.
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Elektrolytstörungen wie Hypokaliämie, Hyponatriämie und andere können zu akuter Dekompensation führen wie Muskelschwäche, Zittern, kardialen Problemen bis zu Lähmungserscheinungen und Tod.
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Epidemiologie
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Anorexie findet sich bei 0.5% der Frauen und etwa 0.1% der Männer mit steigendem Anteil. Etwa 20% der Patienten entwickeln die chronische Form der Anorexie und bis zu 7% der Patienten versterben an dieser Erkrankung.
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Aktuelle Behandlungsoptionen
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Zentralthemen der Behandlung sind: Behandlung des Untergewichtes sowie Behandlung der anderen Symptome, die der Krankheit zugehörig angesehen werden.
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Es scheint die Omega-3-Fettsäuren-Docosahexaensäure (DHA) and Eicosapentaensäure (EPA) positiv auf kognitive Prozesse einwirken. Aktuell finden sich nur für Olanzapin Hinweise, dass die überwertigen Gedanken abnehmen sowie eine Gewichtszunahme oder eine Stabilisierung ohne weitere Gewichtsabnahme zu finden ist. Auch Stoffe aus der Klasse der SSRI werden genutzt. Aktuell finden sich sonst keine pharmakologischen Versuche ausser Behandlung der komorbiden Erkrankung wie Depressionen z. B. mit Antidepressiva, die auch Gewichtszunahme ergeben oder allgemein Aufputschmittel, um der sekundären Lethargie, die durch den einsetzenden winterschlafähnlichen Zustand eintritt, entgegen zu wirken. Dies ist jedoch ein Sekundärsymptom und kein definitionsgemässes Symptom.
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Die sog. atypische Anorexie und die chronische Anorexie, die jedoch nicht bei ICD oder DSM definiert ist, sind Unter- oder Sonderformen der Anorexia nervosa, die auch mit in der Erfindung einbezogen ist.
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Die aktuelle Ansicht zu Anorexia nervosa und dem Einsatz von Methylphenidat ist eine klare Kontraindikation. Bei dem Vorliegen von Anorexia nervosa ist Methylphenidat nicht zu verschreiben.
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Explizit wird in den meisten Beipackzetteln der Hersteller und auch den Fachinformationen gesagt: ”Methylphenidate may cause anorexia/loss of appetite (anorexia is a medical term for loss of appetite – sometimes used for anorexia nervosa, the eating disorder) in 46% of people.......This drug may also cause the following symptoms that are related to anorexia/loss of appetite: Decreased appetite, Loss of appetite”
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Insgesamt wird aufgrund des bei normalen Patienten ohne Anorexia nervosa vorliegenden Appetitlosigkeit durch MPH davon ausgegangen, dass bei Gabe bei Patienten mit Anorexia nervosa eine Verstärkung der Appetitlosigkeit vorliegt. Auch bei übergewichtigen Patienten findet sich eine Gewichtsabnahme bei den Patienten. Überraschend fand sich die paradoxe Wirkung von Methylphenidat auf Verhalten und Gewicht bei Patienten mit Anorexia nervosa. Es kommt eben nicht zu einer weiteren Gewichtsabnahme, sondern entweder zur Stabilisierung des Gewichtes oder sogar Gewichtszunahme.
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In einem Fall wurde bisher von Veränderung von geriatrischen Patienten, die nicht essen, ausgegangen. Dies sind jedoch explizit keine Patienten mit Anorexia nervosa, sondern Patienten, bei denen Anorexie im Sinne von Kachexie zu übersetzen ist. (Reversal of Anorexia by Methylphenidate in Apathetic, Severely Demented Nursing Home Patients)
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Die vollständig überraschende Therapieoption ergab sich aufgrund der Nichtbeachtung einer Kontraindikation bei einer Patientin. Die schwer anorektische Patientin nahm Methylphenidat, da sie selber abhängig davon war, zur Leistungssteigerung ein. Nach Vorstellung und Erstellung der Diagnose Stimulanzienabhängkeit und Anorexia nervosa wurde das vorher durch den Hausarzt aufgrund eines vorgeschobenen fehldiagnostizierten ADHS verschriebene Methylphenidat abgesetzt. Aufgrund der wöchentlichen psychiatrischen Überwachung fiel eine deutliche Verschlechterung der Anorexia-Symptome auf.
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Bei erneuter Gabe von Methylphenidat zeigten sich Verbesserungen in folgenden Gebieten:
Gewichtsabnahme
Gedankenkreisens um Essen, Diät
Körperschemastörung
Einnahme von Diuretika und Laxantien.
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Auf der Symptomebene kam es dabei zu Verbesserung in folgenden Arealen:
Reduktion der eingeschränkten Nahrungsauswahl,
Verringerung der übertriebenen körperlichen Aktivitäten,
Verminderung des selbstinduziertes Erbrechen und Abführen und des Gebrauchs von Appetitzüglern und Diuretika.
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Aufgrund dieses ersten Ergebnisses wurde dieses Ergebnis bei fünf weiteren Patientinnen verifiziert. Vollständig überraschend kam es bei Verschreibung von Methylphenidat bei vier der fünf Patientinnen zur Gewichtsstabilisierung, Verbesserung der Zwangsgedanken um die Essensproblematik und Verbesserung der Körperschemastörung und auch den oben genannten Verbesserungen der Erkrankung.
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Daher bezieht sich die Erfindung auf die Therapie der Symptome der Anorexia nervosa, insbesondere der atypischen Anorexia nervosa, mit Stabilisierung oder Verbesserung der Einzelsymptome durch Gabe von Methylphenidat.
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Die Erfindung betrifft Methylphenidat oder ein physiologisch annehmbares Salz desselben zur Verwendung in der Behandlung von Anorexia nervosa
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Insbesondere betrifft Erfindung die Behandlung von atypischer Anorexia nervosa mit Methylphenidat oder einem physiologisch annehmbaren Salz desselben.
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Weiterhin betrifft die Erfindung eine pharmazeutische Zusammensetzung zur Verwendung in der Behandlung von Anorexia nervosa, umfassend Methylphenidat oder ein physiologisch annehmbares Salz desselben.
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Dabei ist das Methylphenidat bevorzugt D-threo-Methylphenidat.
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Das physiologisch annehmbare Salz ist vorzugsweise Methylphenidat-Hydrochlorid.
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Bei der Gabe von Methylphenidat bei Anorexia nervosa kommt es paradox und unerwartet zu folgenden Verbesserungen:
- • Verringerung und Stagnierung der Gewichtsabnahme oder Stabilisierung des Gewichtes ohne weitere Gewichtszunahme
- • Verbesserung des Gedankenkreisens um Essen, Diät
- • Verbesserung der Körperschemastörung
- • Verringerung der Einnahme von Diuretika und Laxantien.
- • Reduktion der eingeschränkten Nahrungsauswahl,
- • Verringerung der übertriebenen körperlichen Aktivitäten,
- • Verminderung des selbstinduziertes Erbrechen und Abführen und des Gebrauchs von Appetitzüglern und Diuretika.
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Erwartungsgemäss verbesserte sich die Apathie. Dies ist jedoch vorbeschrieben. Die Anorexia begleitende depressive Apathie mit Reduktion des Grundumsatzes ist jedoch vorbekannt und erwartungsgemäss und kann nicht als Therapie der Grundsymptomatik der Anorexie durch MPH gewertet werden.
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Die Medikation kann in jeder galenischen Form verabreicht werden. Sei es
oral: retardiert, unretardiert, retardiert und unretardiert gemischt, oder intravenös, nasal, pulmonal oder dermal als Dermalpatch.
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Die Substanz kann in jeder Salzform verabreicht werden. Bevorzugt sind physiologisch gut tolerierbare Salze, insbesondere das Hydrochlorid.
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Die Dosierung liegt zwischen 0.5 mg pro Tag bis zu in Ausnahmefällen 400 mg pro Tag.
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Beispiele
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MPH-Retard-Kapsel
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Bei den nachfolgenden Herstellungsbeispielen wird jeweils der angegebene Wirkstoff mit den Hilfsstoffen verpresst und zu einer Retardtablette verpresst:
Wirkstoff: Methyphenidat-Hydrochlorid
Hilfstoffe: Lactosum Monohydricum, Antioxidans E321
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Medizinisches Anwendungsbeispiel
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Die Beispiele werden als beispielhafte Möglichkeiten zur Behandlung der Anorexia nervosa genutzt. Tägliche Gabe von 60 mg retardiertem MPH-Hydrochlorid ergibt eine deutliche Besserung des Zustandsbildes. Bei dem Patienten ergab sich Verringerung und Stagnierung der Gewichtsabnahme und eine Gewichtszunahme von 8 kg bei Grösse von 173 cm und vorher 38 kg. Eine Verbesserung des Gedankenkreisens um Essen, Diät fand sich in erheblichem Masse. Die Körperschemastörung ging nachprüfbar anhand Zeichnungen der eigenen Figur zurück. Die Einnahme von Diuretika und Laxantien ging nachweisbar zurück. Der Patient konnte wieder verschiedene Nahrungsmittel in seine Nahrungsauswahl integrieren, die vorher für ihn als verboten galten. Das Nutzen des Fitnessstudios ging auf dreimal pro Woche zurück. Somit ergab sich insgesamt eine erhebliche Verbesserung des Krankheitsbildes.
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Dermalpatch
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Anbringen eines Dermalpatches über 6 Wochen bei einer Patientin mit seit fünf Jahren diagnostizierter atypischer Anorexia nervosa.
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Nach erneuter standardisierter Evaluation ergab sich eine Besserung bei der Patientin in Bezug auf Verringerung und Stagnierung der Gewichtsabnahme und eine Gewichtszunahme von 4 kg bei Grösse von 165 cm und vorher 40 kg. Eine Verbesserung des Gedankenkreisens konnte erreicht werden um Essen und Diät von dreimal pro Stunde auf drei- bis viermal pro Tag. Die Körperschemastörung ging nachprüfbar, anhand Zeichnungen der eigenen Figur zurück. Konturen stimmten bei Erstevalation zu 70% nicht überein. Bei erneuter Überprüfung ergab sich eine Differenz Realität/Selbsteinschätzung von 30%. Die Einnahme von Diuretika und Laxantien ging nachweisbar zurück. Das Nutzen des Fitnessstudios ging auf zweimal pro Woche für eine Stunde zurück. Somit ergab sich insgesamt eine erhebliche Verbesserung des Krankheitsbildes.