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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum automatischen Intervenieren in ein Ego-Fahrzeug bei dessen Falschfahrt, insbesondere dessen Geisterfahrt, auf einer Straße durch eine Sicherheitseinrichtung oder ein Sicherheitssystem des Ego-Fahrzeugs. Ferner betrifft die Erfindung ein Computerprogrammprodukt, welches ausgebildet ist ein erfindungsgemäßes Interventions-Verfahren durchzuführen; eine Recheneinheit oder eine Verarbeitungseinrichtung, bevorzugt ein Steuergerät oder eine Steuereinrichtung für ein Fahrzeug; sowie eine Sicherheitseinrichtung oder ein Sicherheitssystem für ein Fahrzeug, insbesondere ein Fahrerassistenzsystem für ein Kraftfahrzeug.
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Stand der Technik
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Die aktive Sicherheit ist einer der Schwerpunkte bei der Entwicklung aktueller und auch zukünftiger Kraftahrzeugsysteme. Bekannte Sicherheits- oder Fahrerassistenzsysteme im Bereich der aktiven Sicherheit von Kraftfahrzeuginsassen, d. h. zur Unfallvermeidung des betreffenden Kraftfahrzeugs, sind beispielsweise eine elektromechanische Servolenkung EPS (Electronic Power Steering) mit automatischen Lenkeingriff, ein elektronisches Stabilitätsprogramm ESP (ESC, Electronic Stability Control) zur Stabilisierung des Kraftfahrzeugs durch Bremseingriffe im fahrdynamischen Grenzbereich sowie VDM (Vehicle Dynamic Management) als Erweiterung des ESP durch zusätzliche automatisierte Lenkeingriffe.
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Ein Falschfahren eines Kraftfahrzeugs z. B. auf einer Autobahn mit getrennten Fahrbahnen und einer Mehrzahl von Fahrspuren bzw. -streifen je Fahrbahn, ein sogenanntes Geisterfahren, wird in der Gesellschaft als Phänomen verstärkt wahrgenommen und erhält steigende Bedeutung. Als nicht seltene Folge einer Geisterfahrt ergeben sich aufgrund hoher Relativgeschwindigkeiten der beteiligten Kraftfahrzeuge besonders schwere Unfälle (Frontalaufprall), deren Wahrscheinlichkeiten mit einer gesamten Zeitdauer der Falschfahrt des betreffenden Kraftfahrzeugs zunehmen. Zudem sind entgegenkommende Kraftfahrzeuge, also richtig fahrende Fahrzeugführer von Fremd-Fahrzeugen unvorbereitet. Einem Erkennen bzw. Detektieren einer Falschfahrt des eigenen Fahrzeugs, im Folgenden Ego-Fahrzeug genannt, kommt daher eine wichtige Bedeutung zu.
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Das Erkennen der Falschfahrt erfolgt aufgrund kartenbasierter Navigation des Ego-Fahrzeugs (GPS (Global Positioning System) und Karteninformationen), wofür Zusatzinformationen hinsichtlich Straßenkategorie, Richtungskennung und verkehrsregelnden Zeichen in die Karteninformationen integriert sind. Ferner stehen dem Kraftfahrzeug hierfür videobasierte oder anderweitig basierte Informationen, z. B. eine Umfelderfassung (Umfeldsensorik), eine Detektion einer Straßenkategorie (Straßenklasse), eine Verkehrsschilderkennung etc., zu Verfügung. – Nach einer fehlerhaften Ein- oder Auffahrt auf eine Straße mit getrennten Fahrbahnen (getrennte Fahrspurrichtungen) wie z. B. Autobahnen, Bundesstraßen oder Auffahrten dazu (Straßenkategorie, in einem Ausland ggf. andere Straßen), kann eine Änderung einer Fahrtrichtung nur noch erschwert vorgenommen werden.
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Nach einer erfolgten Falscheinfahrt des Ego-Fahrzeugs in einen betreffenden Fahrschlauch ist ein manuelles Wenden des Ego-Fahrzeugs wegen der entgegenkommenden Fremd-Fahrzeuge mit einem hohem Unfallrisiko verbunden. Eine durch einen Fahrzeugführer des Ego-Fahrzeugs gelenkte Rückwärtsfahrt ist aufgrund einer Abwendung eines Blicks des Fahrzeugführers von den entgegenkommenden Fremd-Fahrzeugen nur unter einem sehr hohen Risiko für den Falschfahrer, also das Ego-Fahrzeug, möglich. Zudem steht der Fahrzeugführer des Ego-Fahrzeugs unter extremer Stresseinwirkung. – Sobald einmalig falsch eingefahren ist, besitzt der Fahrzeugführer des Ego-Fahrzeugs bei entsprechender Verkehrsdichte nur noch geringste Handlungsoptionen für eine Abwendung eines Unfalls.
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Aufgabenstellung
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Es ist daher eine Aufgabe der Erfindung, ein Verfahren zur Verfügung stellen, welches es einem Fahrzeugführer eines Ego-Fahrzeugs nach erfolgter Falscheinfahrt auf eine Fahrbahn ermöglicht, ein Unfallrisiko zu senken. Das erfindungsgemäße Verfahren soll dabei mit einem bereits bestehenden Falschfahrtassistent o. ä. zusammenarbeiten können, um dessen Wirksamkeit zu erhöhen. Das erfindungsgemäße Verfahren soll sicher und zuverlässig arbeiten sowie in dessen Umsetzung kostengünstig sein. Hierbei soll das Verfahren mit einer bereits in einem Kraftfahrzeug verbauten Sensorik und/oder Aktorik umsetzbar sein. Ferner ist es eine Aufgabe der Erfindung, diesem entsprechend ein Computerprogramm, eine Recheneinheit oder eine Verarbeitungseinrichtung, und eine Sicherheitseinrichtung oder ein Sicherheitssystem für das Ego-Fahrzeug anzugeben.
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Offenbarung der Erfindung
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Die Aufgabe der Erfindung wird durch ein Verfahren zum automatischen Intervenieren in ein Ego-Fahrzeug bei einer Falschfahrt, insbesondere einer Geisterfahrt, auf einer Straße durch eine Sicherheitseinrichtung oder ein Sicherheitssystem des Ego-Fahrzeugs, gemäß Anspruch 1; mittels eines Computerprogrammprodukts gemäß Anspruch 9; mittels einer Recheneinheit oder einer Verarbeitungseinrichtung, bevorzugt einem Steuergerät oder einer Steuereinrichtung für ein Fahrzeug gemäß Anspruch 10; und mittels einer Sicherheitseinrichtung oder einem Sicherheitssystem für ein Fahrzeug, insbesondere einem Fahrerassistenzsystem für ein Kraftfahrzeug, gemäß Anspruch 11 gelöst. Vorteilhafte Weiterbildungen, zusätzliche Merkmale und/oder Vorteile der Erfindung ergeben sich aus den abhängigen Ansprüchen und der folgenden Beschreibung.
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Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren zum automatischen Intervenieren in ein bevorzugt fahrendes Ego-Fahrzeug bei einer Falschfahrt wird zunächst eine Falschfahrt des Ego-Fahrzeugs auf der Straße ermittelt, erkannt bzw. identifiziert, wobei das Ego-Fahrzeug bei der Falschfahrt im Wesentlichen automatisch, d. h. im Wesentlichen selbständig durch das Ego-Fahrzeug, in eine vergleichsweise sichere Lage auf einem vorderen/hinteren Ausweichbereich auf/bei der Straße verbracht werden soll. Die eigentliche Intervention (s. u.) in das Ego-Fahrzeug kann folgendes voraussetzen bzw. folgendermaßen bestimmt werden: positives Erkennen/Identifizieren einer Straßenkategorie der Straße bzw. eine Straße mit Relevanz für eine Falschfahrt, positives Erkennen/Identifizieren der Falschfahrt des Ego-Fahrzeugs auf dieser Straße und ggf. positives Erkennen/Identifizieren des vorderen/hinteren Ausweichbereichs für das Ego-Fahrzeug. – Das positive Erkennen/Identifizieren der Straßenkategorie heißt: Einfahren in oder Befahren einer baulich und/oder markiert abgegrenzten Fahrspur, bzw. Einfahren in oder Befahren einer Fahrspur unter einer Mehrzahl von baulich und/oder markiert abgegrenzten Fahrspuren in nur in eine einzige Fahrtrichtung.
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Das optionale Erkennen des Ausweichbereichs für das Ego-Fahrzeug kann durch ein Suchen nach einer vorderen/hinteren Ausweichfläche und/oder einem vorderen/hinteren Fluchtpunkt bzw. -bereich erfolgen, wobei bevorzugt eine Intervention mit einem geringen Gefährdungspotential für ein Fremd-Fahrzeug und/oder das Ego-Fahrzeug ausgewählt wird. So kann z. B. eine Umfeldsensorik des Ego-Fahrzeugs, insbesondere eine Video-, Radar- und/oder anderweitige Sensorik in Zusammenarbeit mit einem Navigationsgerät den Ausweichbereich und/oder den Fluchtpunkt bzw. -bereich analysieren und aussuchen. – Das Erkennen der Straßenkategorie und der Falschfahrt bzw. das Erkennen des Befahrens der baulich und/oder markiert abgegrenzten Fahrspur(en) in nur einer Fahrtrichtung kann ebenfalls mittels dieser Sensorik erfolgen, wobei ferner eine Verkehrsschilderkennung zum Einsatz kommen kann.
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Gemäß der Erfindung kann die Sicherheitseinrichtung oder das Sicherheitssystem des Ego-Fahrzeugs für die Intervention eine Trajektorie – insbesondere eine Fahrt innerhalb einer Fahrspur – oder eine Ausweichtrajektorie – insbesondere eine Fahrt über einer Markierung der befahrenen Fahrspur – bestimmen. Hierbei kann z. B. das Navigationsgerät einen Abstand zum nächstliegenden vorderen/hinteren Ausweichbereich berechnen. Die Sicherheitseinrichtung oder das Sicherheitssystem des Ego-Fahrzeugs kann dann die Trajektorie und/oder Ausweichtrajektorie ermitteln. – Die Intervention in das Ego-Fahrzeug kann in wenigstens einem automatisierten Lenk-, Brems- und/oder Beschleunigungseingriff bestehen, wobei das Ego-Fahrzeug automatisiert eine Vorwärtsausfahrt oder eine Rückwärtsfahrt durchführt sowie ggf. ein Ausweichmanöver fährt. D. h. das Ego-Fahrzeug wird bei dieser eigentlichen Fahrzeug-Intervention linear und/oder rotatorisch auf den vorderen/hinteren Ausweichbereich bewegt, was durch automatisiertes Lenken, Bremsen und/oder positives oder negatives Beschleunigen erfolgt.
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Gemäß der Erfindung erfolgt zeitlich vor einem Durchführen der eigentlichen Fahrzeug-Intervention – also der automatisierten Vorwärtsausfahrt oder der erfindungsgemäßen automatisierten Rückwärtsfahrt ggf. incl. des automatisierten Ausweichmanövers – durch die Sicherheitseinrichtung oder das Sicherheitssystem eine Situationsbewertung für das Ego-Fahrzeug, wobei eine Intervention mit einem geringen Gefährdungspotential ausgewählt wird. Ein geringes Gefährdungspotential bedeutet, dass es sich um ein geringes oder bevorzugt das geringste Gefährdungspotential für einen Fahrzeugführer und/oder einen anderen Insassen des Ego-Fahrzeugs bzw. das Ego-Fahrzeug selbst, und/oder einen Insassen eines Fremd-Fahrzeugs bzw. das Fremd-Fahrzeug selbst, und/oder einen dritten Verkehrsteilnehmer handelt. Beliebige Kombinationen davon sind in einer Gefährdungspotential-Analyse auswertbar und auswählbar. Anhand dieser Analyse kann das Verfahren durchgeführt werden.
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Ist eine Vorwärtsausfahrt mit einem geringen Gefährdungspotential möglich, so wird gemäß der Erfindung diese Option gewählt. Ein vorderer Ausweichbereich bzw. eine vordere Freifläche oder ein vorderer Fluchtpunkt für die Vorwärtsausfahrt kann ein Seitenstreifen, ein Randstreifen, eine Ausweichbucht, ein Mittelstreifen, ein Seitentrennstreifen, eine Leitplankenunterbrechung, ein Bankett, eine Böschung, eine Parkbucht, ein Parkplatz, eine Raststätte, eine Tankstelle, eine Einfahrt ggf. für Einsatzfahrzeuge, eine Ausfahrt und/oder ein sich mit dem falschfahrenden Ego-Fahrzeug mitbewegender Bereich der Straße, etc. sein. Wenigstens derjenige Abschnitt dieses Ausweichbereichs muss von einem Fremd-Fahrzeug zu demjenigen Zeitpunkt frei sein, wenn das Ego-Fahrzeug dort einen Abschnitt seiner Vorwärtsausfahrt und/oder eines Ausweichmanövers durchführt. Hierbei kann die Vorwärtsausfahrt und/oder das Ausweichmanöver automatisiert oder teilautomatisiert erfolgen.
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Ist eine Vorwärtsausfahrt mit einem geringen Gefährdungspotential nicht möglich, führe das Ego-Fahrzeug also z. B. direkt in einen entgegenkommenden Verkehr, so ist gemäß der Erfindung durch das Ego-Fahrzeug eine automatisierte Rückwärtsfahrt durchführbar. Hierbei wird die automatisierte Rückwärtsfahrt bevorzugt durch die Sicherheitseinrichtung oder das Sicherheitssystem des Ego-Fahrzeugs eingeleitet und durchgeführt. Die Sicherheitseinrichtung oder das Sicherheitssystem des Ego-Fahrzeugs bestimmt für die Rückwärtsfahrt eine Trajektorie und/oder eine Ausweichtrajektorie ggf. zu einem hinteren Ausweichbereich, einer hinteren Freifläche und/oder einem hinteren Fluchtpunkt. Gemäß der Erfindung wird die Rückwärtsfahrt im Wesentlichen mit einer maximalen Geschwindigkeit durchgeführt, wobei bevorzugt die Warnblinkleuchten und/oder ggf. andere optische und/oder akustische Warnsignale (z. B. flashendes Fernlicht) des Ego-Fahrzeugs aktiv sind. Zeitlich nach der Rückwärtsfahrt kann an den Fahrzeugführer des Ego-Fahrzeugs eine Aufforderung zur Fahrzeugübernahme und/oder zum Beschleunigen des Ego-Fahrzeugs ergehen.
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Der hintere Ausweichbereich bzw. die hintere Freifläche oder der hintere Fluchtpunkt für die Rückwärtsfahrt des Ego-Fahrzeugs kann analog zu oben ein rückwärtiger Seitenstreifen, ein rückwärtiger Randstreifen, eine rückwärtige Ausweichbucht, ein rückwärtiger Mittelstreifen, ein rückwärtiger Seitentrennstreifen, eine rückwärtige Leitplankenunterbrechung, ein rückwärtiges Bankett, eine rückwärtige Böschung, eine rückwärtige Parkbucht, ein rückwärtiger Parkplatz, eine rückwärtige Raststätte, eine rückwärtige Tankstelle, eine rückwärtige Einfahrt ggf. für Einsatzfahrzeuge, eine rückwärtige Ausfahrt und/oder ein sich mit dem falschfahrenden Ego-Fahrzeug mitbewegender, rückwärtiger Bereich der Straße, etc. sein. Wenigstens derjenige Abschnitt dieses rückwärtigen Ausweichbereichs muss von einem Fremd-Fahrzeug zu demjenigen Zeitpunkt frei sein, wenn das Ego-Fahrzeug dort einen Abschnitt seiner Rückwärtsfahrt, einen Spurwechsel und/oder ein Ausweichmanöver durchführt.
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Die Intervention kann in wenigstens einem Brems-, Beschleunigungs- und/oder Lenkeingriff in das Ego-Fahrzeug bestehen, wobei das Ego-Fahrzeug bevorzugt automatisiert bremst, automatisiert die Rückwärtsfahrt einleitet und durchführt, und ggf. beim Bremsen und/oder bei der Rückwärtsfahrt automatisiert einen Spurwechsel und/oder automatisiert ein Ausweichmanöver durchführt. – Die automatische oder automatisierte Rückwärtsfahrt des Ego-Fahrzeugs kann z. B. auf Basis einer Frontfahrkamera, einer Rückfahrkamera, LIDAR (Light detection and ranging, Methode zur optischen Abstands- und Geschwindigkeitsmessung), ToF-Sensorik (Time-of-Flight Sensor, Sensor zur Lichtlaufzeitmessung) und/oder aufgrund zusätzlicher Umfeldsensoren wie Radar etc. erfolgen. Dies kann durch kartenbasierte Navigation unterstützt werden. – Die Rückwärtsfahrt kann auch auf Basis von nur einer Frontkamera erfolgen, wobei die Trajektorie oder die Ausweichtrajektorie aus einem Verlauf einer Fahrbahnmarkierung der befahrenen Straße geschätzt wird. Eine Rückwärtsfahrt (Trajektorie und/oder Ausweichtrajektorie) zum Seitenstreifen o. ä. kann ebenfalls auf Basis der Fahrbahnmarkierung erfolgen. Eine solche Fahrbahnmarkierung ist bevorzugt ein Seitenstreifen.
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Sofern keine Frontkamera oder Frontsensorik existiert kann der Fahrzeugführer selbst die Möglichkeit zum Wechseln der Fahrspur (kein Gegenverkehr auf die zu wechselnde Fahrspur) der Sicherheitseinrichtung bzw. dem Sicherheitssystem anzeigen, z. B. durch vergleichsweise kurzes Anziehen des Lenkrads seines Fahrzeugs o. ä. Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren kann ein Zustand des Fahrzeugführers ausgewertet und miteinbezogen werden, z. B. aufgrund einer Information des Fahrzeugführers zum automatisierten Eingriff (siehe eben, andere Möglichkeiten sind natürlich anwendbar) und/oder aufgrund einer Innenraumsensorik. Ferner kann eine Information über die eigentliche Intervention bzw. den eigentlichen Eingriff, bzw. die geplante, eigentliche Intervention bzw. den geplanten, eigentlichen Eingriff, also die Rückwärtsfahrt, an nachgeordnete Einrichtungen und Verkehrsteilnehmer, insbesondere in der Nähe befindliche Fremd-Fahrzeuge bzw. deren Fahrzeugführer, erfolgen.
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Bevorzugt besteht die automatisierte Rückwärtsfahrt in wenigstens einem Spurwechsel zum hinteren Ausweichbereich, insbesondere hin zu einem Seitenstreifen oder einer sicheren Fahrstrecke bzw. einem sicheren Bereich, wobei in einem zeitlichen Anschluss bevorzugt eine weitere automatisierte Rückwärtsfahrt bis hin zu einer sicheren Position erfolgen kann. D. h. z. B. bis zu einer Parkposition, aus der heraus eine weitere Rückwärtsfahrt eine höhere potentielle Gefahr darstellt als diese vergleichsweise sichere Parkposition. In einer solchen Situation kann das Ego-Fahrzeug wieder dem Fahrzeugführer übergeben werden. – Die Rückwärtsfahrt kann natürlich auch dann eingeleitet werden, wenn (noch) kein hinterer Ausweichbereich ermittelt worden ist. Dieser kann ggf. erst bei der Rückwärtsfahrt detektiert werden. Es geht bei der Durchführung des Verfahrens zunächst um eine möglichst schnelle Reduzierung einer Relativgeschwindigkeit für eine potenzielle Kollision.
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Gemäß der Erfindung kann das Interventions-Verfahren in einem Fahrerassistenzsystem eines Fahrzeugs zum Erhöhen der Verkehrssicherheit verwendet werden. Das erfindungsgemäße Computerprogramm weist Programmcodemittel auf, welche ausgebildet sind ein erfindungsgemäßes Interventions-Verfahren durchzuführen, wenn die Programmcodemittel auf einer Verarbeitungseinrichtung ablaufen und/oder einem computerlesbaren Datenträger gespeichert sind. – Die erfindungsgemäße Recheneinheit oder die Verarbeitungseinrichtung, bevorzugt das Steuergerät oder die Steuereinrichtung, ist derart ausgebildet, dass dadurch ein erfindungsgemäßes Interventions-Verfahren durchführbar ist und/oder ein erfindungsgemäßes Computerprogramm abarbeitbar ist.
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Die erfindungsgemäße Sicherheitseinrichtung oder das erfindungsgemäße Sicherheitssystem für ein Fahrzeug, insbesondere ein Fahrerassistenzsystem für ein Kraftfahrzeug, ist derart eingerichtet, dass dadurch ein erfindungsgemäßes Interventions-Verfahren zum Durchführen einer Rückwärtsfahrt bei einer Falschfahrt abarbeitbar ist. Ferner kann die Sicherheitseinrichtung oder das Sicherheitssystem ein erfindungsgemäßes Computerprogrammprodukt und/oder eine erfindungsgemäße Recheneinheit oder eine erfindungsgemäße Verarbeitungseinrichtung aufweisen. Eine solche Sicherheitseinrichtung in einem Fahrerassistenzsystem kann z. B. in einem Falschfahrtassistent implementiert sein.
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Eine automatisierte Intervention in das Ego-Fahrzeug, also das Abarbeiten des erfindungsgemäßen Interventions-Verfahrens, kann automatisch bei Erkennen der Falschfahrt des Ego-Fahrzeugs durch die Sicherheitseinrichtung bzw. das Sicherheitssystem selbst ausgelöst werden. Ein Auslösen bzw. ein vollständiges Durchführen des Interventions-Verfahrens kann dem Fahrzeugführer des Ego-Fahrzeugs auch durch die Sicherheitseinrichtung bzw. das Sicherheitssystem angeboten und/oder angezeigt werden. Ferner kann das Interventions-Verfahren derart eingerichtet sein, dass das vollständige Durchführen des automatischen Interventions-Verfahrens durch den Fahrzeugführer bestätigt werden kann bzw. muss. – Während des Durchführens des Interventions-Verfahrens kann der Fahrzeugführer über die automatisch ablaufenden Schritte und/oder einen zeitlich daran anschließend durch ihn durchzuführenden Schritt akustisch, optisch und/oder haptisch informiert werden.
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Gemäß der Erfindung kann ein bereits bestehendes Verfahren zum Erkennen einer Falschfahrt eines Ego-Fahrzeugs durch das erfindungsgemäße Verfahren zum automatischen Intervenieren in ein Ego-Fahrzeug ergänzt und somit sicherer gemacht werden. Das erfindungsgemäße Interventions-Verfahren kann in einen bereits bestehenden Falschfahrtassistenten integriert werden oder mit einem betreffenden Verfahren zusammenarbeiten, um dessen Effizienz zu erhöhen. Das erfindungsgemäße Interventions-Verfahren kann sicher und zuverlässig arbeiten und ist in dessen Umsetzung kostengünstig, da das Interventions-Verfahren mit einer bereits in einem Kraftfahrzeug verbauten Sensorik und Aktorik umsetzbar ist.
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Der Vorteil der erfindungsgemäßen automatischen oder automatisierten Rückwärtsfahrt in eine sicherere Lage gegenüber einer reinen Zwangsbremsung des Ego-Fahrzeugs ist ein erreichter Zustand des Ego-Fahrzeugs in ggf. eine Position mit Handlungsoption durch dessen Fahrzeugführer, bzw. resultiert geringstenfalls in einer vergleichsweise deutlichen Verringerung einer Relativgeschwindigkeit gegenüber einem potentiellen Unfallgegner. – Bei einer Zwangsbremsung wird das Ego-Fahrzeug lediglich automatisch gebremst (Vollbremsung), dessen Führer ist passiv und geschockt, und steht im Endzustand frontal im entgegenkommenden Verkehr. Im Fahrzeugführer herrscht ein existenzbedrohendes Gefühl der Hilflosigkeit vor. Aufgrund der Hilflosigkeit und der extremen Stresssituation kann es zu Fehlhandlungen und/oder Kurzschlussreaktionen des Fahrzeugführers kommen, wie z. B. ein Ausweichen in nicht erkannten Gegenverkehr oder ein Aussteigen in den Gegenverkehr. All dies kann gemäß der Erfindung sicher verhindert werden.
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Kurzbeschreibung der Figur
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Die Erfindung wird im Folgenden anhand von Ausführungsbeispielen unter Bezugnahme auf die beigefügte Zeichnung näher erläutert. Die einzige Figur (Fig.) der Zeichnung zeigt eine schematische Draufsicht auf zwei voneinander getrennte Fahrbahnen einer Straße, mit jeweils drei Fahrspuren, wobei auf einer linken Fahrspur der rechten Fahrbahn ein Fahrzeug eines Falschfahrers (oben) ein erfindungsgemäßes Verfahren zum automatischen Intervenieren bei dessen Falschfahrt, insbesondere dessen Geisterfahrt, durchführt (Interventions-Verfahren).
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Ausführungsformen der Erfindung
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Eine kartenbasierte Navigation, meist GPS in Verbindung mit elektronischen Karteninformationen, bildet eine Grundlage für eine aktuelle Ortsbestimmung eines fahrenden oder stehenden Kraftfahrzeugs 20, 30, wobei Zusatzinformationen in die Karteninformation integriert sind. Ferner stehen dem Kraftfahrzeug 20, 30 sensorbasierte oder anderweitig basierte Informationen, z. B. eine Umfelderfassung (Umfeldsensorik), eine Detektion einer Straßenkategorie (Straßenklasse), eine Verkehrsschilderkennung etc., zu Verfügung. Diese Informationen stehen einer Sicherheitseinrichtung oder einem Sicherheitssystem eines hier betrachteten Ego-Fahrzeugs 20 zu Verfügung, wobei die Sicherheitseinrichtung oder das Sicherheitssystem ein Fahrerassistenzsystem für das Ego-Kraftfahrzeug 20 sein kann.
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Ein Ziel der Erfindung ist eine automatisiert, d. h. selbstständig durch das Ego-Fahrzeug 20, durchführbare Überführung 22 des Ego-Fahrzeugs 20 in eine für einen Fahrzeugführer des Ego-Fahrzeugs 20 sicherere Position, z. B. auf einem vorderen Ausweichbereich (nicht dargestellt) oder einem hinteren Ausweichbereich 14 bzgl. des Ego-Fahrzeugs 20. – Sofern eine Vorwärtsausfahrt des Ego-Fahrzeugs 20 in eine sicherere Position auf dem vorderen Ausweichbereich nicht möglich ist, kann gemäß der Erfindung durch eine Bremsung, insbesondere eine Vollbremsung, und eine zeitlich nachfolgende negative Beschleunigung eine Rückwärtsfahrt 22 des Ego-Fahrzeugs 20 eingeleitet werden und ein Unfall ggf. verhindert werden bzw. eine Differenz- bzw. Relativgeschwindigkeit ∆v für einen Unfall vermindert und damit eine Unfallschwere verringert werden.
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Hierfür kann die Sicherheitseinrichtung oder das Sicherheitssystem des Ego-Fahrzeugs 20 folgende Schritte bevorzugt positiv erkennen bzw. identifizieren: a) eine Kategorie (Definition) einer Straße 10, 12 mit einer Relevanz für Falschfahrt, b) eine Fahrbewegung des Ego-Fahrzeugs 20 in eine falsche Richtung auf einer Fahrspur 12 der Straße 10 bzw. der Straße 10 und c) den vorderen Ausweichbereich und/oder den hinteren Ausweichbereich 14. Hierbei ist der Schritt c) optional; nur für eine Vorwärtsausfahrt des Ego-Fahrzeugs 20 sollte der vordere Ausweichbereich erkannt werden. Die Schritte a) und b) sind Basis für einen automatisierten Eingriff in eine Fahrzeugführung des Ego-Fahrzeugs 20 bevorzugt unter Ignorieren von Eingriffen durch den Fahrzeugführer des Ego-Fahrzeugs 20.
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D. h. liegen die Schritte a) und b) positiv vor, so wird dem Fahrzeugführer des Ego-Fahrzeugs 20 bevorzugt für die Dauer des erfindungsgemäßen Interventions-Verfahrens seine Herrschaft über sein Fahrzeug 20 bevorzugt vollständig entzogen. – Die Schritte a) und b) lassen sich z. B. auf Basis der Umfeldsensorik, einer erweiterten Sensorik (Videodaten, Radardaten und/oder Datenfusion) mit einer Navigation (GPS), einer Car-to-X-Kommunikation, ggf. mit Cloud-Daten, und/oder einer Beobachtungssensorik der Insassen durchführen. Ferner lassen sich die Schritte a) und b) durch eine Erkennung von Verkehrsschildern und weiteren Merkmalen zur Detektion der Straßenkategorie durchführen.
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Gemäß der Erfindung kann in einem Schritt d) eine Situationsbewertung zum Einleiten der automatisierten Intervention in das Ego-Fahrzeug 20 erfolgen. Hierbei wird, falls eine Wahl möglich ist, bevorzugt diejenige Intervention ausgewählt, welche ein geringstes Gefährdungspotential besitzt. So analysiert z. B. ein Navigationsgerät einen Abstand zum nächstgelegenen vorderen Ausweichbereich und/oder zum nächstgelegenen hinteren Ausweichbereich 14, und/oder die Videosensorik, die Radarsensorik und/oder die Navigation (in SDF) analysieren den vorderen Ausweichbereich und/oder den hinteren Ausweichbereich 14 für eine Vorwärtsausfahrt und/oder eine Rückwärtsfahrt 22 des Ego-Fahrzeugs 20. Hierbei wird die diejenige Intervention mit dem geringstem Gefährdungspotential ausgewählt.
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Sofern eine Vorwärtsausfahrt mit geringerem Risiko als eine Rückwärtsfahrt 22 des Ego-Fahrzeugs 20 möglich ist, erfolgt automatisiert oder teilautomatisiert eine Vorwärtsausfahrt zum vorderen Ausweichbereich. Sofern eine Gefährdungsminderung durch eine Vorwärtsausfahrt nicht möglich ist, wird gemäß der Erfindung die automatisierte Rückwärtsfahrt 22 ggf. durch den Fahrzeugführer des Ego-Fahrzeugs 20 eingeleitet. Zunächst erfolgt eine einfache automatisierte Bremsung, insbesondere eine Vollbremsung, bei gleichzeitiger Minimierung einer Frontalaufprallfolge, z. B. einem Austritt des Ego-Fahrzeugs 20 aus einem Fahrschlauch z. B. an einer Leitplanke.
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Falls Gegenverkehr involviert ist, erfolgt dabei ein Erkennen einer Fahrtrajektorie eines potentiellen Unfallgegners mit hoher und/oder höchster Unfallwahrscheinlichkeit, wobei das Ego-Fahrzeug 20 durch seine Sicherheitseinrichtung oder sein Sicherheitssystem ein automatisiertes Ausweichmanöver durchführt. Unter einem Ausweichmanöver des Ego-Fahrzeugs 20 soll hier insbesondere ein Spurwechsel, zwei im Wesentlichen direkt aufeinander folgende Spurwechsel in dieselbe oder entgegengesetzte Richtungen, ein wie auch immer geartetes Ausweichen in Bezug auf ein Hindernis, insbesondere ein Fremd-Fahrzeug, eine Fluchtwende etc. verstanden werden. Ein automatisiertes Ausweichmanöver kann zeitlich bei oder vor der Rückwärtsfahrt 22 bzw. zeitlich bei oder vor der Vorwärtsausfahrt durchgeführt werden.
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In einem zeitlichen Anschluss daran erfolgt die automatisierte Rückwärtsfahrt 22 des Ego-Fahrzeugs 20, z. B. mit Spurwechsel(n) hin zu einem Seitenstreifen 14 oder zu einer sicheren Fahrstrecke 14 (rückwärtiger Ausweichbereich). Bevorzugt erfolgt in einem zeitlichen Anschluss daran eine weitere Rückwärtsfahrt 14 bis hin zu einer sicheren oder einer sichersten Parkposition; z. B. bis zu einer Position aus der heraus eine weitere Rückwärtsfahrt 22 des Ego-Fahrzeugs 20 eine höhere potentielle Gefahr für das Ego-Fahrzeug 20 und/oder andere Verkehrsteilnehmer darstellt als diese Parkposition.
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Gemäß der Erfindung kann während des Verfahrens ein Zustand des Fahrzeugführers des Ego-Fahrzeugs 20 ausgewertet und in das erfindungsgemäße Interventions-Verfahren miteinbezogen werden. Dies kann z. B. aufgrund von Informationen des Fahrzeugführers zur automatisierten Intervention erfolgen. Ferner kann eine Information über den Eingriff bzw. die Intervention, oder den geplanten oder unmittelbar bevorstehenden Eingriff bzw. die geplante oder unmittelbar bevorstehende Intervention an nachgeordnete Einrichtungen und Verkehrsteilnehmer, insbesondere in der Nähe befindliche Fremd-Fahrzeuge 30 erfolgen. Darüber hinaus können beim Erkennen bzw. Identifizieren durch die Sicherheitseinrichtung oder das Sicherheitssystem die Schritte a) und b) durch den Schritt b) ersetzt bzw. im Schritt b) umgesetzt sein.
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Die erfindungsgemäße Rückwärtsfahrt 22 verringert die Relativgeschwindigkeit ∆v für eine Kollision und damit quadratisch eine Intrusionsenergie. Die automatisierte Rückwärtsfahrt 22 ermöglicht dies generell, da ein Falschfahrer in einer Situation entgegenkommender Fremd-Fahrzeuge 30 unter extremster Stressbelastung steht. Ein natürlicher Fluchtreflex des Menschen blockiert eine Blickabwendung nach hinten und erzeugt einen ‚Flucht-nach-vorn-Reflex’. Zudem kann ein selbstständiger Rückwärtsfahrer einen Seitenstreifen 14 nur dann erreichen, wenn er – einmal auf der Überholspur 12 – die Fahrspuren 12 wechselt. Dies ist aber nur möglich, wenn er gleichzeitig in Richtung seines Ego-Fahrzeugs 20 wieder nach vorn sieht – also ein weiterer Blickwechsel erfolgt, was eine extreme Überforderung darstellt. Die erfindungsgemäße Rückwärtsfahrt 22 ermöglicht eine Bewegung zum Seitenstreifen 14 ohne manuelle Wende, welche eine extreme Risikosituation (Seitencrash) erzeugt.