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Die Erfindung beschreibt eine Vorrichtung zur Aufnahme und Fixierung von Gewebezüchtungs-(in der Fachsprache „Tissue Engineering“)Konstrukten. Die Vorrichtung kann durchgängig für alle Phasen der Herstellung und Lagerung, einschließlich einer Konservierung bei längerer Lagerung, bis hin zur Transplantation der Konstrukte verwendet werden. Sie dient damit auch der gezielten Einleitung von Kälte und Wärme in das Gewebezüchtungs-Konstrukt.
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Der allgemein gebräuchliche englische Fachbegriff „Tissue Engineering“ bedeutet in deutscher Übersetzung „Gewebezüchtung“, wobei hier nicht nur die reine Züchtung von Gewebe gemeint ist, sondern der Begriff auch im Sinne von gezielter Formung und/oder Herstellung von Gewebe mit speziellen Eigenschaften zu verstehen ist. Im Folgenden werden die Begriffe „Gewebezüchtung“ und „Tissue Engineering“ synonym verwendet.
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Die Transplantation von natürlichen Organen und natürlichem Gewebe ist eine seit langem bekannte und etablierte Methode, um die Funktion eines geschädigten Organs oder Gewebes zu erhalten, wiederherzustellen bzw. dieses ganz zu ersetzen. Das Organ bzw. das Gewebe wird zu diesem Zweck entweder einem anderen Spender oder, falls möglich, dem Patienten selbst entnommen. Es herrscht jedoch ein ständiger Mangel an geeigneten Spendergeweben und -organen. Außerdem besteht das Risiko von Abstoßungsreaktionen und einer Übertragung von Krankheiten vom Spender auf den Empfänger; infolgedessen wird fortwährend nach praktikablen und sicheren Alternativen gesucht.
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Eine Alternative zur Verwendung von natürlichem Spendergewebe ist die immer mehr an Bedeutung gewinnende Methode des Tissue Engineering, bei der einem Organismus eine kleine Menge lebender Zellen (Biopsie) entnommen und diese anschließend in vitro, d. h. im Labor, vermehrt und weiterkultiviert sowie anschließend auf einem Trägermaterial angesiedelt wird. Zur Erhaltung und Wiederherstellung von Gewebefunktionen wird das auf diese Weise gezüchtete Gewebe in der Regel in den Organismus, aus dem ursprünglich die Zellen entnommen wurden, implantiert.
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Eine weitere wichtige Anwendung des Tissue Engineering ist die Anwendung in der Grundlagenforschung. Dort dient gezüchtetes Gewebe zur Aufklärung zellulärer Mechanismen. Eine der wichtigsten Fragen, die dort noch geklärt werden muss, ist die, warum spezifizierte Zellen durch das Züchten ihre Funktionalität verlieren können und wie dies zu vermeiden ist.
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Für die Durchführung des Tissue Engineering wird ein strukturelles Gerüst aus biologischem oder synthetischem Material, wie z. B. ein Kollagenschwamm, in ein Kulturgefäß, in dem sich zellkulturrelevante Medien befinden, eingebracht und mit Zellen besiedelt. Üblicherweise werden dafür entweder Petrischalen oder Multiwellplatten, in welche Nährflüssigkeiten eingebracht werden, oder Perfusionskulturgefäße, in denen ein dynamischer Medienwechsel erfolgen kann, verwendet. Tissue Engineering Konstrukte werden auch auf Netzen hergestellt, die eine bessere Handhabung des Gewebes während der Züchtung und bei der Vorbereitung und Durchführung der Transplantation ermöglichen.
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Tissue Engineering Konstrukte sind ohne Konservierung nur für einen begrenzten Zeitraum haltbar. Für die Anwendung als Implantat muss das Gewebe jedoch mindestens bis zur entsprechenden Operation haltbar sein. Insbesondere für die Grundlagenforschung ist es wichtig, dass die Konstrukte über einen längeren Zeitraum gelagert werden können. Dies ist mit Hilfe der Kryotechnik möglich. Hierbei kann das Einfrieren in 2 Schritten erfolgen. Zuerst das Voreinfrieren bei ca. –80°C und anschließend die Lagerung üblicherweise in der Gasphase bei ca. –180°C. Seltener erfolgt eine Lagerung im flüssigen Medium bei –196°C. In jedem Fall werden hierzu spezielle, tieftemperaturbeständige Probenhalter benötigt.
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Für Probenträger zum kryotechnischen Konservieren von Tissue Engineering Konstrukten sind bereits mehrere Lösungsvorschläge bekannt.
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In
DE 102 03 940 B3 wird ein Kryoprobenträger zur Kryokonservierung vorgeschlagen, der aus einem Basisteil aufgebaut ist, in das mehrere Substratteile, die ähnlich wie eine Schublade aufgebaut sind, eingeschoben werden können. Die Substratteile sind Ihrerseits mit mehreren Probenreservoiren versehen und können optional mit einem Informationsträger zum Speichern der Probendaten versehen werden. Mit Hilfe dieser Lösung können sehr kleine Proben mit großer Packungsdichte gelagert werden.
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Des Weiteren wird in
DE 103 32 296 B3 eine Vorrichtung für die Kryokonservierung, die aus einem Stapel von Substraten, die übereinander angeordnet und über eine Verankerungsachse schwenkbar verbunden sind, beschrieben. Hierbei zeigt die Achse in Richtung des Stapels und tritt jeweils im Eckbereich der Substrate durch. Jedes Substrat enthält seinerseits mehrere Probenreservoire, so dass in dem Substratstapel eine Vielzahl von Proben gelagert werden können. Durch ein Ausschwenken des entsprechenden Substrates, ist eine separate Entnahme der einzelnen Proben möglich.
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WO 2002/087760 A1 offenbart ein Verfahren und eine Anordnung zur Speicherung und Dosierung von kleinen Flüssigkeitsmengen basierend auf einem Stapel identischer Platten, die jeweils eine Vielzahl von Kapillaröffnungen aufweisen. Die einzelnen Kapillaröffnungen der übereinander gestapelten Platten formen jeweils einen durchgehenden Kanal im Plattenstapel. Durch Abnahme einer Platte vom Stapel können die in den Kanälen bzw. Kapillaröffnungen gespeicherten Flüssigkeiten gleichzeitig in beispielsweise eine Testplatte transferiert werden, wobei eine Dosierung im µl-Bereich ermöglicht ist.
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Für eine Aufbewahrung von Biopsie-Proben und deren Halterung während der Präparation mit einem Mikrotom wird in
WO 2000/19897 A1 eine Sektionalkassette beschrieben. Mit Hilfe dieser Sektionalkassette ist eine automatisierte Probenpräparation ermöglicht, wobei der dabei verwendete Probenträger im Mikroskop unsichtbar bleibt.
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Ein Gerät und ein Verfahren zum Einfrieren und Präparieren von Gewebeproben ist in
US 2006/0236703 A1 offenbart. Hierzu wird eine Mehrzahl von Proben auf eine kreisförmige Scheibe gelegt, markiert, mittels eines durch die Scheiben zirkulierenden Kältemittels eingefroren und automatisiert auf einen Probenträger transferiert.
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US 6,945,056 B2 beschreibt eine Vorrichtung zum Einfrieren, Aufbewahren und Auftauen von biopharmazeutischem Material. Die Vorrichtung umfasst einen Kasten, in welchen Behälter mit biopharmazeutischem Material einführbar sind. Weiterhin umfasst die Vorrichtung Thermoplatten, die in Kontakt zu den Behältern gebracht werden können, um Kälte oder Wärme zu übertragen. Zusätzlich kann eine Antriebseinheit vorgesehen sein, mittels derer die Vorrichtung hin und her bewegbar ist, wodurch die Behälter mit biopharmazeutische Material durchgeschüttelt werden.
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Eine Vorrichtung zur Züchtung und zum Transport von dreidimensionalen Gewebekulturen ist in
US 5,843,766 A gezeigt. Eine ein Wachstumssubstrat beinhaltende, aseptisch versiegelte Kammer weist demnach einen Einlass, einen Auslass und einen Verteiler für ein Fluid auf. Durch die Ausgestaltung des Verteilers ist eine Beeinflussung der dreidimensionalen Struktur der in der Kammer heranwachsenden Gewebekultur ermöglicht. Nach vollendetem Wachstum verbleiben die Gewebekulturen in der Kammer und können tiefgekühlt verschickt werden.
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Aus einer Zusammenschau des Standes der Technik kann jedoch keine Lösung entnommen werden, die es ermöglicht, mit Hilfe einer einzigen Aufnahmevorrichtung Tissue Engineering Konstrukte sowohl zu kultivieren als auch kryotechnisch zu konservieren.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, die Nachteile des Standes der Technik zu beseitigen. Es ist also eine Vorrichtung zu schaffen, mittels derer Tissue Engineering Konstrukte kultiviert und anschließend kryokonserviert werden können, ohne dass dazu das Konstrukt umgelagert werden muss. Die Vorrichtung soll außerdem ein unkompliziertes Einbringen und Entnehmen der Konstrukte, insbesondere auch in biologischen Sicherheitswerkbänken, ermöglichen. Zudem soll ein strukturelles Gerüst (Trägermaterial oder Scaffold), z. B. ein Kollagenschwamm, nachdem es in die Vorrichtung eingebracht wurde, in einfacher Weise, beispielsweise mittels Kanülen, wie sie z. B. in Spritzen oder Pipetten enthalten sind, mit Zellen besiedelt werden können.
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Diese Aufgabe wird durch die Merkmale des Anspruches 1 gelöst; weitere vorteilhafte Ausführungen bzw. Verwendungen der Erfindung ergeben sich aus den Ansprüchen 2 bis 5 bzw. 6 bis 9.
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Nach Maßgabe der Erfindung umfasst die aus tieftemperaturbeständigem Material bestehende Vorrichtung zur Fixierung und Aufnahme von Tissue Engineering Konstrukten zwei Trägerscheiben, von denen zumindest eine Scheibe einen oder mehrere nadelförmige Stifte (Pins) trägt, die senkrecht zu der sie tragenden Scheibe stehen. Die Stifte dienen zum einen dem Halten eines strukturellen Gerüstes (Trägermaterial oder Scaffold), z. B. einer Kollagenstruktur, das später mit den zu züchtenden Gewebezellen besiedelt wird und zum anderen der gezielten Kälte- bzw. Wärmeeinleitung, wenn eine Konservierung erfolgen soll. Zur Befestigung wird das Gerüst auf die Pins geschoben, wobei diese das Trägermaterial durchstechen. Wird als Gerüst ein Kollagenschwamm verwendet, so wird er in trockenem Zustand auf die Pins gedrückt und anschließend mit Nährmedium getränkt.
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Erfindungsgemäß tragen vorzugsweise beide Scheiben jeweils einen oder mehrere Passstifte, die auf der zweiten, gegenüberliegenden Scheibe lösbar in formschlüssige Aussparungen eingreifen. Hierdurch können auf einfache Weise beide Scheiben parallel beabstandet und kraftschlüssig miteinander verbunden werden. Zudem besteht so der notwendige thermische Kontakt zwischen den beiden Scheiben.
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In einer vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung weist mindestens eine der Scheiben Durchbrüche auf, durch die das Trägermaterial mittels Gerätschaften, die Kanülen enthalten, z. B. mittlels Spritzen oder Pipetten, gleichmäßig mit Zellen besiedelt werden kann. Es können lokal auch verschiedene Zelltypen auf ein Gerüst aufgebracht werden. Die Scheiben müssen hierzu nicht voneinander getrennt werden. Außerdem ermöglichen die Durchbrüche den Austausch von flüssigen und gasförmigen Medien, wie z. B. Nährflüssigkeiten, welche die Zellstrukturen umgeben. Optional kann die Vorrichtung auch für Kulturen mit einem dynamischen Medienwechsel eingesetzt werden.
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Des Weiteren ist es vorteilhaft, dass beide Scheiben Pins aufweisen und die gegenüberliegenden Pins, wenn beide Scheiben miteinander verbunden sind, horizontal zueinander versetzt und zudem so lang sind, dass sie einen thermischen Kontakt zwischen den beiden Scheiben herstellen. Zum Einbringen des Gerüstes wird dieses zuerst auf die Pins der einen Scheibe gedrückt und beim Zusammensetzen der Scheiben zwangsläufig auf die Pins der anderen Scheibe geschoben. Dadurch wird eine einfache Handhabung und ein guter Halt des Gerüsts erreicht.
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Um ein optimales Zellwachstum zu erreichen, kann außerdem die Verteilung und die Ausgestaltung der vorzugsweise kreisförmigen Durchbrüche und der Pins an die verschiedenen Gewebetypen angepasst werden. Die Vorrichtung besteht aus einem tieftemperaturbeständigen Material, welches das Wachstum der Zellen nicht beeinflusst. Hierzu eigenen sich besonders Cr, Mo, Ni-Stähle, wie z. B. der medizintechnische Edelstahl 1.441.
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Die erfindungsgemäße Vorrichtung ermöglicht auch die Durchführung von Konservierungen, insbesondere der Kryokonservierung, da, wenn sie aus Metall besteht, die Kälte der Einfriereinheit (Gefrierschrank oder Automatisches Einfriergerät) ohne Weiteres auf das zu konservierende Konstrukt übertragen werden kann.
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Die erfindungsgemäßen Teile dienen auch beim Auftauprozess nach der Konservierung der gezielten Einleitung der Wärme zwecks Erreichen einer homogenen Temperaturverteilung im aufzutauenden Konstrukt.
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Neben den o. g. Vorteilen ermöglicht die erfindungsgemäße Vorrichtung das Züchten und das kryotechnische Konservieren von Tissue Engineering Konstrukten in derselben Vorrichtung, wodurch das sonst notwendige Umlagern der Konstrukte entfällt. Infolgedessen wird das Risiko einer Kontamination mit Fremdstoffen oder Keimen nachhaltig verringert. Da das Tissue Engineering Konstrukt nur durch die schmalen Pins gehalten wird, kann es außerdem gut mit medizintechnischen Instrumenten, üblicherweise mit einer Pinzette, gegriffen werden.
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Die Erfindung ist ebenso für andere zu fixierende und zu konservierende, auch nichtbiologische Objekte geeignet, wenn sich diese mit Hilfe der Pins fixieren lassen.
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Damit beide Scheiben auch in einer biologischen Sicherheitswerkbank problemlos zusammengesetzt werden können, kann vorteilhafterweise eine Hilfsvorrichtung verwendet werden.
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Die Erfindung wird nachfolgend anhand eines Ausführungsbeispiels näher erläutert; hierzu zeigen:
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1: eine Trägerscheibe
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2: Hilfsvorrichtung mit zwei Trägerscheiben
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Die in 1 dargestellte kreisrunde Trägerscheibe 1 hat zehn kreisrunde Durchbrüche 2 und trägt drei Pins 3. Durch die vergleichsweise große Anzahl der Durchbrüche 2 wird das gleichmäßige Besiedeln eines eingelegten Trägermaterials mit einem oder mehreren Zelltypen ermöglicht. Im Falle eines dynamischen Medienwechsels wird darüber hinaus auch ein guter Medienaustausch gewährleistet.
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Die Pins 3 sind so angeordnet, dass es möglich ist, zwei identische Trägerscheiben 1 jeweils um 180° zueinander gedreht und mit zueinander gewandten Pins 3 derart zusammenzusetzen, dass die Pins 3 beider Scheiben 1 zueinander versetzt sind. Man erhält dadurch weitere Fixierungspunkte für das Trägermaterial.
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Die Arretierung und Fixierung der beiden Scheiben 1 erfolgt form- und kraftschlüssig mittels der Passstifte 4 und der Passstiftaufnahme 5. Die Passung ist so gewählt, dass sich die scheibenförmigen Teile 1 der Vorrichtung mit geringem Kraftaufwand voneinander lösen lassen.
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Die Scheiben 1 sowie deren Pins 3 und die Passstifte 4 bestehen aus dem medizintechnischen Edelstahl 1.4441, der tieftemperaturbeständig ist und das Wachstum der für das Tissue Engineering verwendeten Gewebezellen nicht beeinflusst.
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Die ersten Schritte zur Kultivierung von Tissue Engineering Konstrukten werden, um eine sterile Arbeitsumgebung zu gewährleisten, üblicherweise in biologischen Sicherheitswerkbänken durchgeführt. In 2 ist eine Hilfsvorrichtung abgebildet, die das problemlose Zusammensetzen des Oberteils 9 und des Unterteils 10, die aus den jeweiligen Scheiben 1, den jeweiligen Pins 3 und den jeweiligen Passstiften 5 bestehen, ermöglicht.
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Die Hilfsvorrichtung 7 besteht aus einem plattenförmigen PEEK-Material, das an seiner Oberseite einen Passstift 8 trägt. Zum Zusammensetzen der Vorrichtung wird zunächst das Unterteil 10 mit nach oben stehenden Pins 3 auf dem PEEK-Material fixiert, anschließend das Oberteil 9 mit nach unten orientierten Pins 3 um 180° zum Unterteil 10 gedreht daraufgesetzt. Die Teile 9, 10 sind durch den Passstift 8 und die Aufnahmeöffnungen 6 geführt. Die zusammengesetzte Vorrichtung kann anschließend als Ganzes von der Hilfsvorrichtung 7 entnommen werden.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Trägerscheibe
- 2
- Durchbruch
- 3
- Pin/nadelförmiger Stift
- 4
- Passstift
- 5
- Aufnahme für Passstift
- 6
- Aufnahmeöffnung/Hilfsvorrichtung
- 7
- Hilfsvorrichtung
- 8
- Passstift/Hilfsvorrichtung
- 9
- Oberteil
- 10
- Unterteil