-
Entsäuerung von Abwässern In vielen Fabrikationszweigen der Industrie
fallen regelmäßig große Mengen von sauren Abwässern an, in denen die Säurekonzentration
so gering ist, daß die Wiedergewinnung der Säuren bisher nicht möglich bzw. nicht
lohnend war. Mangels eines wirtschaftlichen Verfahrens zur Ausnutzung bzw. Wiedergewinnung
werden daher die Wässer meist nach vorheriger Neutralisation mit Kalk und nachfolgender
Klärung in Vorfluter abgeleitet. Die hierbei- entstehenden Verluste an Säuren sind
bedeutend; sie betragen beispielsweise bei der Nitrocellulosefabrikation rund 1
t Mischsäure (Salpeter-Schwefel-Säure) für jede Tonne Nitrocellulose. Zu diesen
Verlusten kommen noch die Kosten für die Neutralisation mittels Kalk. die Überwachung
der Neutralisationsanlagen sowie die Kosten für die Ausräumung und Abfuhr der erheblichen
Schlammengen aus den Klärbecken und ferner die Amortisationsbeträge für die kostspieligen
und weitläufigen Bauten der Klär- und Neutralisationsanlagen und ihrer technischen
Ausrüstung.
-
Es hat nicht an Versuchen gefehlt, diese Verluste zu beseitigen oder
zu verringern. So ist beispielsweise für salpetersäurehaltige Abwässer vorgeschlager:
worden, diese über Eisen (II)-sulfidhaltige Massen zu leiten, wobei sich Stickoxyde
bilden, welche abgesaugt und durch Berieselung mit Wasser oder Laugen in Absorptionstürmell
in Form von Säure effiler Salzen wiedergewonnenen werden. Das Verfahren ist jedoch
nie in die Praxis eingeführt worden, unter anderem deswegen nicht, weil auf diese
Weise bedeutende Eisenmengen in die Flüsse gelangt wären.
-
Es ist ferner mit teilweisem Erfolg versucht worden, die bei der Nitrocellulosefabrikation
entstehenden Säureverluste dadurch zu verringern, daß das nach dem Abschleudern
des Nitrierbades noch mit Säure behaftete faserige Nitriergut stufenweise mit Säuren
abnehmender Konzentration ausgewaschen wurde.
-
Nach Erreichen einer bestimmten Konzentration wurde die Waschsäure
stärkster Anreicherung aus dem Prozeß abgezweigt und konnte in besonderen Anlagen
hochkonzentriert werden. Obwohl der Auswaschprozeß in der letzten Stufe mit reinem
Wasser erfolgt, kann er aus wirtschaftlichen Gründen nicht bis zur völligen Entfernung
der Haftsäure durchgeführt werden. Es verbleiben stets beträchtliche Mengen von
Haftsäure in der Nitrocellulosefaser, die erst durch langwierige Koch- und Waschprozesse
entfernt werden müssen. Auch hierbei entstehen große Mengen saurer Abwässer, deren
Gehalt an freien Säuren im Gesamtdurchschnitt etwa 10 gel beträgt. Diese Wässer
mußten trotz der vorbeschriebenen Wiedergewinnungseinrichtung neutralisiert werden,
ehe sie in die Flüsse abgeleitet werden konnten. Es ist bisher
noch kein Verfahren
bekanntgeworden, welches gestattet, in wirtschaftlicher Weise die in diesen oder
anderen Abwässern vorhandenen Säuren wiederzugewinnen.
-
Das vorliegende Verfahren beseitigt diesen Mangel und erübrigt die
bisher notwendige Neutralisation mit Kalk. Gleichzeitig bewirkt es eine so weitgehende
Reinigung des Abwassers, daß dieses in den eigentlichen Fabrikationsprozeß zurückgeführt
und aufs neue verwendet werden kann. Es bedient sich der an sich bekannten Arbeitsweise,
die Anionen säurehaltiger Wässer durch Behandlung mit Anionenaustanschern an diese
zu binden, während die H-Ionen mit den O OH-Gruppen des Austausehbarzes die Austauschersäule
als neutrales Wasser verlassen. Nach Absättigung des Harzes mit Anionen gehen diese
bei der Regenerierung mit Laugen, d. h. bei der Neubeladung des Harzes mit OH-Gruppen,
als Salze in Lösung.
-
Nach dem bisherigen Stand der Kenntnisse über Austauscherharze, insbesondere
die Anionenaustauscherharze, nahm man an, daß die zulässige Säure-bzw. Alkalikonzentration
in den pH-Grenzen von 2 bis 14 liege. Entgegen dieser Auffassung wurde aber gefunden,
daß auch solche sauren Abwässer, deren Mineralsäurekonzentration höher liegt, als
dem pH-Wert 2 entspricht, mit Anionenaustauschern ohne Beeinträchtigung der Dauerwirksamkeit
behandelt und dadurch entsäuert werden können. Die mit Anionen beladenen Austauscher
werden in bekannter Weise mit Basen, vorzugsweise mit Kalilauge, Ammoniumhydroxyd
oder gasförmigem Ammoniak, regeneriert, wobei die angewendeten Kationen mit den
an den Austauscher gebundenen Anionen wertvolle Salze bilden.
-
Besonders überraschend ist hierbei, daß auf diese Weise auch salpetersäurehaltige
Wässer behandelt werden können. Von der Fachwelt wurde bisher die Auffassung vertreten,
daß Austauscher mineralischer sowie organischer Natur gegen Salpetersäure empfindlich
seien. Demgegenüber wurde gefunden, daß einige Anionenaustauscher, z. B. Amin- oder
Acrylnitrilharze, von Salpetersäure in einer sogar den pF-Wert 2 erheblich übersteigenden
Konzentration nicht angegriffen werden. Diese Feststellung gestattet die fast restlose
Nutzbarmachung der in den Abwässern in einer Konzentration von etwa 1 0/o vorliegenden
freien Säuren, beispielsweise Salpetersäure oder Schwefelsäure, bei gleichzeitiger
Gewinnung hochgereinigten Wassers für den Fabrikationsprozeß.
-
Die obenerwähnte Regenerierung der mit den Anionen beladenen Austauscher
mit Basen wird in weiterer Ausgestaltung der Erfindung zwar, wie üblich, mit konzentrierter,
vorzugsweise 100/oiger Lauge begonnen, die weiteren Regenerierungen aber werden
mit den jeweils entstandenen und mit starker Lauge bzw. wasserfreier Base aufgefrischten
Salzlösungen durchgeführt. Hierbei ist es erforderlich, die Konzentration der Regeneriermittel
in den Salzlösungen derart einzustellen, daß die bei der Regenerierung neugebildeten
Salze nicht schließlich während der Regenerierung im Austauscher, sondern erst außerhalb
desselben, nach Zugabe der weiteren Regeneriermittel ausfallen und laufend entfernt
werden.
-
Die Arbeitsweise des neuen Verfahrens ist beispielsweise die folgende:
Man leitet 100 1 saures Abwasser mit einem Gehalt von etwa 5 g HNO/l und 8g H2S04/l,
dessen pn-Wert demnach erheblich unter 2 liegt, nach einer Grobfiltration über Kies,
Sand, Zellenfilter usw. durch 12 1 Austauscherharz, welches vorher durch Behandlung
mit verdünnten Laugen mit OH-Gruppen beladen worden ist. Der Durchfluß wird unterbrochen,
sobald im abfließenden Wasser wieder Säure nachzuweisen ist. Da die in der Zwischenzeit
durchgeströmte Wassermenge infolge Bindung der Anionen an das Harz völlig säurefrei
ist bzw. nur noch die im ursprünglichen Abwasser etwa vorhanden gewesene Kohlensäure
und Kieselsäure enthält, kann es ohne weitere Nachbehandlung als wiedergewonnenes
Reinwasser in den Fabrikationsbetrieb zurückgeführt oder in den Vorfluter abgelassen
werden. Die nunmehr nötig gewordene Regenerierung des Harzes erfolgt mittels etwa
12 1 100/oiger Kalilauge und stellt gleichzeitig die Wiedergewinnung der gebundenen
Anionen dar, indem diese in Form von Kaliumsulfat und -nitrat nunmehr in angereicherter
Form in Lösung gehen. Die alsdann noch im und am Harz haftende Salzlösung wird beim
Anlaufen mit reinem Wasser restlos ausgewaschen. Danach beginnt wieder die Beladung
des Harzes mit Anionen durch Zufluß von Sauerwasser. Die danach wieder notwendig
werdenden Prozesse der Regenerierung und Auswaschung erfolgen mittels der mit etwa
1,2 g Ätzkali in festem oder gelöstem Zustand aufgefrisch ten ersten Regenerierlauge
und danach mit dem bei der ersten Periode angefallenen Waschwasser. Die alsdann
noch haftengebliebene Salzlösung wird durch das beim neuen Beladungsprozeß entstandene
Neutralwasser vorsichtig ausgewaschen. Der so erläuterte
Wechselprozeß von Säurebeladung
und Regenerierung mit jeweils aufgefrischter Salzlösung, wird so lange fortgesetzt,
bis beim Zusatz der Kalilauge kristallinisches Kaliumsulfat ausfällt. Dieses ist
fast chemisch rein, so daß es nach dem Ahschleudern der Nilutterlauge nur noch kurz
gedeckt werden muß. I Diese Ausfällung tritt beim vorliegenden Reispiel erstmalig
nach der zweiten Auffrischung ein.
-
Im weiteren Verlauf des Verfahrens wird auch der Gehalt der Lauge
an Kaliumnitrat erhöht, und zwar bis zu einer Konzentration von etwa 20O/o. Es ist
zweckmäßig, die Lösung bei diesem Gehalt zur Aufbereitung abzuzweigen. da ein weiterer
NTerhleb im Kreislauf zwar eine Erhöhung des Volumens, aber keine Konzentrationssteigerung
bringt.
-
Die zur Regenerierung angewendete Kaliumhydroxydmenge ist so gewählt
daß das bei der Neutralisation am Austauscher g&iildete Kaliumsulfat nicht im
Austauscherbett auskristallisiert. sondern erst außerhalb desselben bei Zugabe der
neuen Regeneriermittelmenge. Es ist dies eine über raschende und den Kreislaufprozeß
in diesem Falle überhaupt erst ermöglichende Tatsache, daß, obwohl die verwendete
Regenerierlauge mit I<aliumsulfat gesättigt ist, im Austauscher selbst keine
Ausfällung des schwerlöslichen Isaliumsulfats erfolgt. Das Kaliumnitrat bleibt auf
Grund sciner größeren Löslichkeit hierbei immer in Lösung.
-
In gleicher Weise kann die Regenerierung mit Ammoniak an Stelle von
Kalilauge vorgenommen werden, wobei jedoch eine etwa 300/oige Salzlösung, bestehend
ans Aninionnitrat ur?d Ammonsulfat, als Endprodukt anfällt. Hierbei fällt wegen
der größeren Löslichkeit der Ammonsalze kein festes Salz aus; die entstehende Lösung
kann eingedampft werden.
-
Die aus dem Kreislaufprozeß für die Salzgewinnung abgezweigte Nienge
des Konzentrats wird durch eine entsprechende Menge des inzwischen angefallenen
Waschwassers ersetzt.
-
PATENTANSPHOCHE 1. Anwendung des Verfahrens zum Entsiiuern von Abwässern
durch Behandlung mit Anionenaustauschern in der Hvdroxvlform, welche nach Regenerierung
mit Basen, vorzugsweise Kalilauge, Ammoniumbydrnxyd oder gasförmigem Ammoniak wiederverwendet
werden, auf Abwässer, insbesondere salpetersäurehaltige Abwässer, mit einem pH-Wert
von weniger als 2.