DE10120159A1 - NMDA-Antagonisten und NMDA-Agonisten zur Behandlung von Suchterkrankungen - Google Patents
NMDA-Antagonisten und NMDA-Agonisten zur Behandlung von SuchterkrankungenInfo
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Abstract
Die Erfindung betrifft die Verwendung von NMDA-Antagonisten für die Behandlung von Suchterkrankungen. Im Tierexperiment konnte durch die Verabreichung einer Verbindung mit der Formel II DOLLAR F1 eine deutliche Verringerung der Ethanolaufnahme bei alkoholabhängigen Ratten beobachtet werden.
Description
Die Erfindung betrifft die Verwendung von mindestens einem NMDA-
Antagonisten zur Herstellung eines Arzneimittels für die Behandlung von
Suchterkrankungen.
Suchterkrankungen, wie Alkohol- oder Opiatabhängigkeit stellen sowohl
für den Betroffenen und sein soziales Umfeld wie auch für die Gesellschaft
ein großes Problem dar. Durch die Kosten einer Entzugstherapie wie auch
durch den krankheitsbedingten Arbeitsausfall entsteht ein hoher volkswirt
schaftlicher Schaden. Neben diesen finanziellen Gesichtspunkten stehen
vor allem die sozialen Konsequenzen der Sucht im Vordergrund. Für den
Einzelnen bedeutet dies oft eine soziale Verelendung mit dem Verlust der
sozialen Bindungen. Die Allgemeinheit ist beispielsweise durch Beschaf
fungskriminalität und den Verlust von Wohnqualität in ganzen Stadtteilen
betroffen. Trotz der Entwicklung neuer Therapiekonzepte sind die Rück
fallquoten unbefriedigend hoch. Die Suchtabhängigen durchlaufen oft
Suchtkarrieren, die über mehrere Entzugsversuche und anschließende
Rückfälle oft zum vollständigen sozialen Abstieg führen. Inzwischen setzt
sich langsam auch außerhalb wissenschaftlicher Kreise die Erkenntnis
durch, dass die Abhängigkeit von Suchtmitteln als Krankheit anzusehen
ist, der Abhängige also eine umfassende medizinische und psychothera
peutische Betreuung benötigt, um seine Sucht überwinden zu können. In
jüngerer Zeit sind die biochemischen Vorgänge, die durch Suchtmittel
missbrauch ausgelöst werden, genauer untersucht worden. Es gilt inzwi
schen als weitgehend gesichert, dass bei den unterschiedlichen Sucht
mitteln im Körper ähnliche physiologische Prozesse ausgelöst werden.
Daraus ergibt sich, dass für unterschiedliche Suchtmittel gleiche oder ver
wandte Therapieansätze gewählt werden können.
Bei der Behandlung von Suchterkrankungen, wie der Alkoholabhängigkeit,
erfolgt zunächst ein körperlicher Entzug. Diese Entgiftung wird im allge
meinen in einem Zeitraum über mehrere Tage bis Wochen durchgeführt.
Die dabei auftretenden Komplikationen, wie Angstanfälle oder Delirium
tremens, lassen sich medikamentös, z. B. durch Gabe von Benzodiazepi
nen, recht gut beherrschen. An den körperlichen Entzug schließt sich eine
lang dauernde Therapie an, mit welcher der Patient vor einem Rückfall in
seine Suchtmittelabhängigkeit geschützt werden soll. Diese Therapie be
ruht zunächst auf einem psychotherapeutischen Ansatz, wobei der Patient
eine intensive Betreuung erfährt und Gelegenheit erhält, sich mit seiner
Abhängigkeit auseinander zu setzen. Die Therapie wird außerdem medi
kamentös unterstützt, da man inzwischen weiß, dass durch die Sucht phy
siologische Veränderungen im Belohnungssystem des Gehirns verursacht
werden. Durch die Gabe entsprechender Therapeutika versucht man, die
se Veränderungen zu kompensieren und so dem Patienten zu ermögli
chen, auch ohne Zufuhr von Suchtmitteln einen Zustand zu erreichen, in
dem sich ein psychisches Gleichgewicht einstellt. Ohne eine derartige
Therapie erfährt ein Suchtmittelabhängiger, z. B. ein alkoholabhängiger
Patient, auch nach dem körperlichen Entzug in bestimmten Situationen ein
nahezu unstillbares Verlangen nach Alkohol bzw. dem entsprechenden
Suchtmittel. Dieses Phänomen wird als "Craving-Syndrom" bezeichnet.
Bisher standen für die medikamentöse Behandlung z. B. der Alkoholab
hängigkeit nur aversive Therapien, z. B. mit Disulfiram oder Kalziumcarbi
mid, zur Verfügung. Diese Therapien zeigten jedoch wegen der geringen
Bereitschaft der Patienten zur Mitarbeit (compliance) nur unzufriedenstel
lende Erfolgsquoten. Inzwischen versteht man jedoch die physiologischen
Vorgänge, die durch Missbrauch von Suchtmitteln wie Alkohol bedingt
werden, besser und hat auf Grundlage dieser Erkenntnisse neue medika
mentöse Therapiestrategien entworfen.
Man geht inzwischen davon aus, dass das Gehirn durch den Suchtmittel
missbrauch eine Konditionierung erhält. Wird zum Beispiel Alkohol kon
sumiert, um eine negative Stimmungslage zu überwinden, verfestigt sich
dieses Verhalten mit fortgesetztem Missbrauch. Es entwickelt sich eine
Abhängigkeit und der Abhängige reagiert regelmäßig auf negative Stim
mungszustände mit der Aufnahme von Ethanol. Ethanol scheint mit ver
schiedenen Elementen unterschiedlicher Neurotransmitter-
Rezeptorsysteme in Wechselwirkung zu treten, wobei diese Wechselwir
kungen für einen positiv-verstärkenden Effekt verantwortlich zu sein schei
nen. Betroffen zu sein scheinen Neurotransmitter und Rezeptorsysteme
wie das γ-Aminobuttersäure (GABA)-, das Glutamat-, und Serotoninsy
stem, wie auch das System der opium-ähnlichen Peptide, die alle Teile
des mesokortikolimbischen Dopaminsystems und dessen Verbindungen
zum Nucleus accumbens und zur Amygdala sind. Alkohol greift damit in
das Belohnungssystem des Gehirns ein. Bei fortwährendem Missbrauch
werden sich selbst verstärkende Anpassungsphänomene beobachtet. Der
Alkoholabhängige benötigt immer größere Dosen der Droge, um sich
"normal" zu fühlen (s. George F. Koob et al., Science 278, 1997, 52-58).
Diese Adaptionen bleiben auch nach der körperlichen Entgiftung erhalten.
Damit zeigt der Patient Verhaltensmuster, die durch die Störung des Be
lohnungssystems des Gehirns verursacht werden. Erfährt der Patient nach
dem körperlichen Entzug eine negative Stimmungslage, verspürt er als
Reaktion ein Verlangen nach Alkohol, um durch die Alkoholaufnahme das
Stimmungstief zu kompensieren. In derartigen Situationen unterliegt er al
so einem hohen Rückfallrisiko.
Man hat nun versucht, diesen Missbrauchskreislauf, der seine Ursache in
biochemischen Vorgängen im Gehirn hat, durch Gabe von Medikamenten
zu unterbrechen, also das Verlangen nach Alkohol bzw. einem anderen
Suchtmittel als Reaktion auf negative Stimmungszustände medikativ zu
unterdrücken.
Als aussichtsreiche Ansätze für die Behandlung der Alkoholabhängigkeit
wird die Gabe von Naltrexone, das vor allem in den USA eingesetzt wird,
sowie die Gabe von Acamprosat, das als Wirkstoff Kalzium-Acetyl-
Homotaurinat enthält, angesehen. Daneben werden noch weitere medi
kamentöse Therapieansätze verfolgt, die jedoch bisher zu keinen deutli
chen Erfolgen geführt haben.
Naltrexon ist ein Opioidrezeptorantagonist. In klinischen Studien konnte
eine niedrigere Rückfallquote bei Patienten nachgewiesen werden, die
Naltrexon erhalten hatten (O'Brian et al., Alcohol, 13, 1996, 35-39).
Naltrexon ist in den USA zur Behandlung der Alkoholabhängigkeit zuge
lassen.
Ein weiterer therapeutischer Ansatz, der vor allem in europäischen Län
dern verfolgt wird, besteht in der Gabe von Acamprosat, das als Wirkstoff
Kalzium-Acetylhomotaurinat enthält. Man nimmt an, dass Acamprosat
über das glutamatergische System wirkt, wobei der genaue Wirkungsme
chanismus jedoch unbekannt ist. Acamprosat verringert in vitro die post
synaptische Wirksamkeit exzitatorischer Aminosäure-Neurotransmitter und
die neuronale Erregung im Neocortex der Ratte. Acamprosat beeinflusst
die Flüssigkeits- oder Nahrungsaufnahme nicht. Weiter verstärkt es die
akute oder chronische toxische Wirkung von Ethanol nicht und zeigt keine
hypnotische, antidepressive, anxiolytische oder muskelrelaxierende Wir
kung im Tierversuch. In klinischen Studien betrug die Abstinenzrate bei
Gabe von Acamprosat nach 6 bzw. 12 Monaten 35 bzw. 33% gegenüber
25 bzw. 21% bei einer Kontrollgruppe, die lediglich Placebos erhalten
hatte. Man nimmt an, dass Acamprosat antagonistisch auf die Aktivität ex
zitatorischer Aminosäuren, insbesondere auf die Aktivität von Glutamat
gegenüber NMDA-Rezeptoren wirkt und den Fluss von Calciumionen
durch spannungsgesteuerte Kanäle beeinflusst. Ein Überblick über das
pharmakologische und klinische Potential von Acamprosat bei der Be
handlung von Alkoholabhängigkeit ist beispielsweise in M. I. Wilde, A. J.
Wagstaff, Drugs, 53, 1997, 1038-1053 gegeben.
Als weitere Therapieansätze wurde die Gabe von selektiven Inhibitoren für
die Serotonin-Wiederaufnahme vorgeschlagen. Die Substanzen aus dieser
Wirkstoffklasse, Fluoxetine, Citalopram, Fluvoxamine, zeigen jedoch nur
geringe therapeutische Wirkung, bei teilweise geringer Verträglichkeit.
Bromocriptine, ein Dopaminagonist, zeigt bei länger dauernder Verabrei
chung durch Injektion keine Wirksamkeit bei der Vermeidung von Rück
fällen. Bei oraler Verabreichung scheint bei bestimmten Patientengruppen
das Craving-Syndrom vermindert werden zu können.
Die Serotonin-Antagonisten Ondansetron und Ritanserin zeigen nur gerin
ge Wirkung auf die Menge an Alkohol, die von Abhängigen aufgenommen
wird, so dass sie nur für die Therapie von Patienten mit schwachen Ab
hängigkeitssymptomen geeignet erscheinen. Ein Überblick über therapeu
tische Anwendungen von Ondansetron wird gegeben von M. I. Wilde, A.
Markhan: Drugs, 52, 1996, 773-794.
Mit psychotropen Substanzen, wie Desipramin, konnte in klinischen Ver
suchen einer als Begleiterscheinung des Entzuges auftretenden Depressi
on in messbarem Umfang begegnet werden, wobei auch eine Verbesse
rung der Rückfallquote im Vergleich zu einer Placebogruppe bei einem
Beobachtungszeitraum von 6 Monaten festgestellt werden konnte.
Buspirone, ein Serotoninagonist, ist zur Behandlung von Angstanfällen
eingesetzt worden, die als Begleiterscheinung von Alkoholmissbrauch auf
treten. Dabei konnte eine signifikante Verminderung der Angstzustände
und eine geringere Alkoholaufnahme im Vergleich zu einer mit Placebos
behandelten Gruppe beobachtet werden. Leiden die Probanden nicht un
ter Angstzuständen, hatte die Gabe von Buspirone keine Auswirkung auf
die Alkoholaufnahme.
Tiapride ist ein selektiver Dopamin D2-Rezeptorantagonist, der in klini
schen Studien eine positive Wirkung auf die Einschränkung der Trinkge
wohnheiten von Probanden zu zeigen scheint. Ferner scheint es die psy
chische Anspannung während des Alkoholentzuges zu vermindern und
abstinentes Verhalten zu fördern. Die Substanz verursacht bei Verabrei
chung höherer Dosen Nebenwirkungen wie z. B. Dyskinesien. Einen Über
blick über die Verwendung von Tiapride bei der Therapie von Alkoholab
hängigkeit gibt D. H. Peters, D. Faulds; Drugs, 47, 1994, 1010-1032.
Zusammenfassungen über die derzeit üblichen Methoden zur Behandlung
der Alkoholabhängigkeit werden beispielsweise gegeben in J. C. Garbutt
et al., JAMA, 281, 1999, 1318-1324; R. Spanagel et al., TiPS 18, 1997,
54-59; J. Moncrieff, D. C. Drummond, Addiction, 92, 1997, 939-947; A.
Schaffer, C. A. Naranjo, Drugs, 56, 1998, 571-585.
Es sind zwar inzwischen etliche vielversprechende neue Therapieansätze
gefunden worden, die auch zur Entwicklung von Medikamenten wie Naltr
exon oder Acamprosat geführt haben. Die Rückfallquoten bei der Be
handlung Suchtabhängiger sind jedoch noch immer unbefriedigend hoch.
Es besteht daher weiterhin ein Bedürfnis nach neuen Therapieansätzen
bzw. neuen Arzneimitteln.
Aufgabe der Erfindung ist es daher, neuartige Arzneimittel für die Therapie
von Suchterkrankungen, insbesondere der Alkoholabhängigkeit, zur Ver
fügung zu stellen, welche neuartige Therapieformen ermöglichen.
Die Aufgabe wird gelöst durch die Verwendung von NMDA-Antagonisten
zur Herstellung eines Arzneimittels für die Behandlung von Suchterkran
kungen.
Für die Definition, was unter einer Suchterkrankung zu verstehen ist, sind
in der Literatur verschiedene Ansätze beschrieben. Diese stützen sich
meist auf die Menge der Droge und die Häufigkeit, mit der die Droge kon
sumiert wird, oder auf Fragen zum sozialen Umfeld. Beispiele sind MAST
(Michigan Alcoholism Screening Test; Selzer M. L., Am.]. Psychiatry 127,
1971, 89-94) oder CAGE (Mayfield D et al., Am.]. Psychiatry 131, 1974,
117-126).
Im Zusammenhang mit der hier beschriebenen Erfindung werden allge
mein Abhängigkeit von Stoffen wie Alkohol, Opiaten oder Arzneimitteln
verstanden, wobei sowohl leichte als auch schwere Formen der Abhängig
keit umfasst sind.
Der NMDA-Rezeptor ist Teil des glutamatergen Neurotransmitterrezeptor-
Systems, des sogenannten NMDA-Rezeptor/Ionen-Kanal Komplexes. Die
ser besteht aus verschiedenen Bindungsstellen (NMDA, Kainat, AMPA,
metabotroper Rezeptor), die sich ausserhalb und innerhalb des durch die
sen Komplex modulierten Ionenkanals befinden. Der NMDA-Rezeptor
weist wiederum unterschiedliche Bindungsstellen (Subrezeptoren) auf.
Diese sind zum Teil nach den bevorzugten Liganden benannt: Ifenprodil-,
Glutamat-, Glyzin-, Polyamin- und Dizocilpin-(Kanal)-Bindungsstelle, die
verschiedene funktionelle Eigenschaften haben (E. H. F. Wong et al., Annu.
Rev. Pharmacol. Toxicol., 31, 1991, 401; M. Masu et al., Ann. NY Acad.
Sci. 707, 1993, 153-164; S. Nakanishi et al., Annu. Rev. Biophys. Bio
mel. Struct., 23, 1994, 319).
Unter einem NMDA Antagonisten wird eine Substanz verstanden, die an
einen der oben beschriebenen NMDA-Subrezeptoren bindet und hem
mende Eigenschaften auf die jeweilige Funktion des nachgeordneten Ef
fektors zeigt.
Dass NMDA Antagonisten zur Behandlung von Abhängigkeit geeignet
sind, lässt sich aus folgenden Überlegungen ableiten. Chronische Exposi
tion mit verschiedenen Substanzen, wie Alkohol, Nikotin, Opioiden,
Cannabinoiden oder Sedativa wie Benzodiazepine und Barbiturate führt
zur physischen Abhängigkeit. Glutamat-Rezeptoren sind im gesamten
Körper verteilt und spielen eine wesentliche Rolle bei der neuronalen Pla
stizität, d. h. sie befinden sich an den meisten, wenn nicht sogar allen we
sentlichen Positionen, die in der Entwicklung und Manifestation der neuro
anatomisch begründbaren Merkmale physischer Abhängigkeit beteiligt
sind. Insbesondere für den NMDA-Rezeptorkomplex gilt, dass sich dessen
Eigenschaften in verschiedenen Hirnarealen während chronischer Exposi
tion mit Abhängigkeit erzeugenden Stoffen verändern (für Opioide siehe
z. B. C. Jang et al., Brain Res., 845, 1999, 236-241; für Ethanol siehe
z. B. P. A. Hardy et al., Brain Res. 819, 1999, 33-39; für Benzodiazepine
siehe z. B. M. Tsda et al., Neurosci. Lett., 240, 1998, 113-115; , für Bar
biturate siehe z. B. C. G. Jang et al., Brain Res. Bull. 48, 1999, 99-102).
Einige wenige tierexperimentelle Arbeiten haben ferner gezeigt, dass die
gleichzeitige Verabreichung von NMDA-Antagonisten und von Abhängig
keit erzeugenden Substanzen nach Absetzung der Verabreichung zu einer
geringeren physischen Abhängigkeit führt, d. h. die Entzugssymptomatik
war abgeschwächt (P. Gonzales et al., Eur. J. Pharmacol., 332, 1997, 257
-262; M. E. Fundytus et al., Br. J. Pharmacol., 113, 1994, 1215-1220;
J. M. Kofet al., Pharmacology, 55, 1997, 217-227). In anderen tierexpe
rimentellen Untersuchungen wurde ferner gezeigt, dass NMDA-
Antagonisten der Toleranzentwicklung entgegenwirken oder eine bereits
bestehende Toleranz reduzieren (K. A. Trujillo and H. Akil, Science, 251,
1991, 85-87; C. E. Inturrisi, Semin. Neurosci., 9, 1997, 110-119; P. Po
pik und E. Kozela, Pol. J. Pharmacol., 51, 1999, 223-231).
Man hat zwar inzwischen Mechanismen erkannt, die allgemein für ver
schiedene Suchterkrankungen gültig zu sein scheinen. Dennoch existieren
Unterschiede in den physiologischen Mechanismen der verschiedenen
Suchterkrankungen, was die unterschiedliche Wirksamkeit eines be
stimmten Arzneimittels bei der Anwendung für verschiedene Suchterkran
kungen erklärt.
Besonders wirksam sind solche NMDA-Antagonisten, die selektiv an der
Ifenprodil-Bindungsstelle binden.
Die erfindungsgemäßen Arzneimittel zeigen insbesondere eine Wirksam
keit bei der Bekämpfung der Alkoholabhängigkeit. Sie eignen sich in be
sonderer Weise für eine Anwendung in einem Therapieabschnitt, welcher
der körperlichen Entgiftung folgt. Im Tierversuch an Ratten, konnte nach
gewiesen werden, dass durch NMDA-Antagonisten das "Craving-Syndrom"
deutlich abgeschwächt werden konnte.
Als besonders wirksamer NMDA-Antagonist hat sich eine Verbindung der
Formel I erwiesen,
worin
R1 H, Halogen oder eine Nitrogruppe;
R2 eine unsubstituierte oder durch ein Halogenatom am Aro maten substituierte Benzylgruppe in 2-, 3- oder 4-Stellung des Piperidin-Rings, mit der Maßgabe, dass R2 ungleich 4- Benzyl ist, wenn X = -CO-, Y und Z = -CH2- und R1 = H be deuten;
R3 H oder A;
X -CO- oder -SO2-;
Y -CH2-, -NH-, -O-, -S-, oder auch -CO-, wenn X = -CO- und Z = -N H-, -NA-;
Z -CH2-, -C(A)2-, -CH2CH2-, -CH=CH-, -CO-, -NH-, -NA-, -O-, oder eine Bindung;
wobei einer der Reste X, Y und Z = -O-, -S- oder -NH sein kann, jedoch X-Y bzw. Y-Z nicht -O-O-, -S-S-, -NH-O-, -O-NH-, -NH-NH-, -O-S-, -SO- ist,
A eine Alkylgruppe mit 1 bis 6 Kohlenstoffatomen;
B O, H oder OH;
Halogen F, Cl, Br oder I; und
n 0, 1, 2
bedeuten,
sowie deren physiologisch unbedenklichen Salze.
R1 H, Halogen oder eine Nitrogruppe;
R2 eine unsubstituierte oder durch ein Halogenatom am Aro maten substituierte Benzylgruppe in 2-, 3- oder 4-Stellung des Piperidin-Rings, mit der Maßgabe, dass R2 ungleich 4- Benzyl ist, wenn X = -CO-, Y und Z = -CH2- und R1 = H be deuten;
R3 H oder A;
X -CO- oder -SO2-;
Y -CH2-, -NH-, -O-, -S-, oder auch -CO-, wenn X = -CO- und Z = -N H-, -NA-;
Z -CH2-, -C(A)2-, -CH2CH2-, -CH=CH-, -CO-, -NH-, -NA-, -O-, oder eine Bindung;
wobei einer der Reste X, Y und Z = -O-, -S- oder -NH sein kann, jedoch X-Y bzw. Y-Z nicht -O-O-, -S-S-, -NH-O-, -O-NH-, -NH-NH-, -O-S-, -SO- ist,
A eine Alkylgruppe mit 1 bis 6 Kohlenstoffatomen;
B O, H oder OH;
Halogen F, Cl, Br oder I; und
n 0, 1, 2
bedeuten,
sowie deren physiologisch unbedenklichen Salze.
Diese Verbindungen sind aus der EP 0 709 384 A1 bekannt. Sie eignen
sich zur Behandlung von neurogedenerativen Erkrankungen. Insbesonde
re wird die Verwendung der Verbindungen I und ihrer physiologisch unbe
denklichen Salze zur Bekämpfung von Krankheiten, insbesondere von
Schmerzzuständen, aber auch zur Minderung der Folgeschäden nach ei
ner Ischämie beschrieben. Danach eignen sich diese Verbindungen be
sonders zur Behandlung von neurodegenerativen Erkrankungen bzw. von
Erkrankungen, die durch eine Fehlfunktion an der Glycin-, Polyamin- oder
Glutamat-Bindungsstelle des NMDA-Rezeptors hervorgerufen werden.
Als besonders wirksam hat sich eine Verwendung des NMDA-
Antagonisten der Formel II
oder eines seiner physiologisch unbedenklichen Salze erwiesen.
Es wurde gefunden, dass die Verbindung der Formel II eine Wirkung auf
den Alkoholkonsum alkoholabhängiger Ratten hat. Die Wirkung ist dabei
besser als die des Standardtherapeutikums Acamprosat.
Die Verwendung der Verbindung der Formel II für die Therapie von Krank
heiten ist bekannt aus der WO 98/18793. Sie wird beschrieben als exzita
torischer Aminosäure Antagonist zur Bekämpfung von neurodegenerativen
Erkrankungen einschließlich cerebrovaskulärer Krankheiten, Epilepsie,
Schizophrenie, der Alzheimer-, der Parkinson- bzw. der Huntington-
Krankheit, cerebraler Ischämien, Infarkten oder Psychosen.
Die Bindungsaffinität der Verbindung der Formel II zum NMDA-Rezeptor
wird beschrieben in J. Leibrock, H. Prüchner, W. Rautenberg Pharmazie,
52, 1997, 6.
Die Erfindung wird anhand eines Beispiels näher erläutert.
Männliche Long Evans Ratten mit einem Körpergewicht von 180 ± 20 g zu
Beginn des Versuchs wurden in Einzelkäfigen unter Standardbedingungen
(21°C Raumtemperatur, 12 h Tag/Nachtrhythmus) gehalten mit freiem
Zugang zu Futter während des gesamten Versuchs. Zur Induktion der Al
koholabhängigkeit (Gewöhnungsphase) hatten die Tiere über einen Zeit
raum von 14 Tagen lediglich Zugang zu einer 10%-igen (v/v) Ethanollö
sung, die aus 95%-igem Ethanol und Wasser zubereitet war. An diese
Gewöhnungsphase schloss sich eine 14-tägige Phase an (Beginn des ei
gentlichen Versuchs, Tag 1-14, im Folgenden mit "Vor Behandlung" be
zeichnet), in der die Alkoholabhängigkeit der Tiere überprüft wurde. Wäh
rend dieser Phase hatten die Tiere freie Auswahl zwischen der Ethanollö
sung und Wasser. Um eine Auswahl auf der Grundlage der Position der
einzelnen Flaschen zu vermeiden, wurde die Position der Trinkflaschen
nach dem zwei Flüssigkeiten-/drei Flaschenverfahren jeden zweiten Tag
vertauscht. Jeden zweiten Tag wurde die absolut konsumierte Trinkmenge
bestimmt und hieraus der Ethanolkonsum pro Tag in Gramm reines Etha
nol pro Kilogramm Körpergewicht berechnet.
Für den weiteren Verlauf des Versuchs (Wirkstoffverabreichung) wurden
nur alkoholabhängige Ratten ausgewählt, definiert als diejenigen Ratten,
die während der 14-tägigen Phase (Vor Behandlung) mit freier Wahl zwi
schen Ethanol und Wasser mit der Trinkflüssigkeit pro Tag mindestens 4-
5 g reines Ethanol pro kg Körpergewicht aufnahmen. Der durchschnittliche
tägliche Ethanolkonsum während dieser Phase (Tag 1-14) diente als
weiterer Vergleichswert für die sich anschließende Wirkstoffbehandlungs
phase.
Den alkoholabhängigen Ratten wurde für die nächsten 2 Wochen (Tag 15
-28, im Weiteren mit "Während Behandlung" bezeichnet) zweimal täglich
(bid) die in Tabelle 1 angegebene Wirkstoffmenge intraperitoneal verab
reicht. Eine weitere Gruppe diente als Kontrolle und erhielt lediglich das
Lösungsmittel (physiologische Kochsalzlösung) der Wirkstoffe. Der Wirk
stoff EMD 95885 entspricht der Verbindung der oben gezeigten Formel II.
An die Behandlungsphase schloss sich eine Beobachtungsphase von ei
ner Woche an (Tag 29-35, im Weiteren als "Nach Behandlung" bezeich
net), in der die Ratten keine Behandlung mit Wirkstoff oder Lösungsmittel
mehr erhielten.
Auch während und nach der Behandlung wurde die Position der Flaschen
geändert, die absolut konsumierte Trinkmenge bestimmt und hieraus der
Ethanolkonsum pro Tag in Gramm reines Ethanol pro Kilogramm Körper
gewicht berechnet.
Die Verläufe des Ethanolkonsums wurden mittels Varianzanalyse ausge
wertet. Es ergab sich ein hochsignifikanter Unterschied des Alkoholkon
sums zwischen der Kontrollgruppe und den Wirkstoffbehandlungsgruppen
[F = 19,54; p = 0,0002].
Die Ergebnisse sind in Tabelle 2 zusammengefasst.
Mittelwerte der täglich konsumierten reinen Ethanolmenge [g/kg Körper
gewicht] vor Behandlung (Mittelwert über 14 Tage), während der Behand
lung mit den Wirkstoffen (Mittelwert über 14 Tage), und nach Absetzen der
Behandlung (Mittelwert über 7 Tage).
Unter Behandlung (Tag 15-28) nahm der durchschnittliche Alkoholkon
sum in allen Behandlungsgruppen deutlich ab, und zwar sowohl im Ver
gleich zur unbehandelten Kontrollgruppe als auch im Vergleich zum Alko
holkonsum vor der Behandlung; am stärksten war die Reduktion des Alko
holkonsums unter Behandlung mit einer Dosis von 20 mg/kg EMD 95885
ausgeprägt.
Nach Beendigung der Behandlung (Tag 29-35) nahm der durchschnittli
che Alkoholkonsum der Ratten, die mit EMD 95885 behandelt waren, noch
weiter ab, während unter Acamprosat-Behandlung keine weitere Abnah
me, sondern sogar wieder ein leichter Anstieg zu beobachten war.
Die Daten zeigen im Vergleich zu Acamprosat, dass bei den erfindungs
gemäßen NMDA-Antagonisten während der Behandlungsphase die Redu
zierung des Alkoholkonsums stärker ist und auch nach der Behandlung
nicht nur anhält, sondern weiter abnimmt.
Claims (6)
1. Verwendung von NMDA-Antagonisten zur Herstellung eines Arznei
mittels für die Behandlung von Suchterkrankungen.
2. Verwendung nach Anspruch 1, wobei der NMDA-Antagonist selektiv
an der Ifenprodil-Bindungsstelle bindet.
3. Verwendung nach Anspruch 1 oder 2, wobei die Suchterkrankung Al
koholabhängigkeit ist.
4. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 3 zur Behandlung des
Craving-Syndroms.
5. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 4, wobei der NMDA-
Antagonist eine Verbindung der Formel I ist,
worin
R1 H, Halogen oder eine Nitrogruppe;
R2 eine unsubstituierte oder durch ein Halogenatom am Aro maten substituierte Benzylgruppe in 2-, 3- oder 4-Stellung des Piperidin-Rings, mit der Maßgabe, dass R2 ungleich 4- Benzyl ist, wenn X = -CO-, Y und Z = -CH2- und R1 = H be deuten;
R3 H oder A;
X -CO- oder -SO2-;
Y -CH2-, -NH-, -O-, -S-, oder auch -CO-, wenn X = -CO- und Z = -NH-, -NA-;
Z -CH2-, -C(A)2-, -CH2CH2-, -CH=CH-, -CO-, -NH-, -NA-, -O-, oder eine Bindung;
wobei einer der Reste X, Y und Z = -O-, -S- oder -NH sein kann, jedoch X-Y bzw. Y-Z nicht -O-O-, -S-S-, -NH-O-, -O- NH-, -NH-NH-, -O-S-, -SO- ist,
A eine Alkylgruppe mit 1 bis 6 Kohlenstoffatomen;
B O, H oder OH;
Halogen F, Cl, Br oder I; und
n 0, 1, 2
bedeuten,
sowie deren physiologisch unbedenklichen Salze.
worin
R1 H, Halogen oder eine Nitrogruppe;
R2 eine unsubstituierte oder durch ein Halogenatom am Aro maten substituierte Benzylgruppe in 2-, 3- oder 4-Stellung des Piperidin-Rings, mit der Maßgabe, dass R2 ungleich 4- Benzyl ist, wenn X = -CO-, Y und Z = -CH2- und R1 = H be deuten;
R3 H oder A;
X -CO- oder -SO2-;
Y -CH2-, -NH-, -O-, -S-, oder auch -CO-, wenn X = -CO- und Z = -NH-, -NA-;
Z -CH2-, -C(A)2-, -CH2CH2-, -CH=CH-, -CO-, -NH-, -NA-, -O-, oder eine Bindung;
wobei einer der Reste X, Y und Z = -O-, -S- oder -NH sein kann, jedoch X-Y bzw. Y-Z nicht -O-O-, -S-S-, -NH-O-, -O- NH-, -NH-NH-, -O-S-, -SO- ist,
A eine Alkylgruppe mit 1 bis 6 Kohlenstoffatomen;
B O, H oder OH;
Halogen F, Cl, Br oder I; und
n 0, 1, 2
bedeuten,
sowie deren physiologisch unbedenklichen Salze.
6. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 5, wobei der NMDA-
Antagonist eine Verbindung der Formel II
oder eines ihrer physiologisch unbedenklichen Salze ist.
oder eines ihrer physiologisch unbedenklichen Salze ist.
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