DE10062848C1 - Wasserformbeständiges, thermoplastisches Stärkematerial, Verfahren zu dessen Herstellung und dessen Verwendung - Google Patents
Wasserformbeständiges, thermoplastisches Stärkematerial, Verfahren zu dessen Herstellung und dessen VerwendungInfo
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Abstract
Die Erfindung betrifft ein wasserformbeständiges, thermoplastisches Stärkematerial auf Basis nativer Stärke sowie ein Verfahren zu dessen Herstellung. Aus den erfindungsgemäßen Stärkematerialien lassen sich in Abhängigkeit von der Produktzusammensetzung auf konventionellen Thermoplast-Verarbeitungsmaschinen Spritzguß-, Tiefzieh- und Blasformteile sowie Folien herstellen. Erhältlich ist das wasserformbeständige, thermoplastische Stärkematerial durch Extrusion nativer Stärke mit einem Destruktierungsmittel mit einem Anteil von 30-60 Gew.-% in einem Doppelwellenextruder im Temperaturbereich von 65-120 DEG C, vorzugsweise 70-105 DEG C und einer anschließenden Lagerung zur Retrogradation.
Description
Die Erfindung betrifft ein wasserformbeständiges, thermoplastisches Stärkematerial auf
Basis nativer Stärke, ein Verfahren zu dessen Herstellung und dessen Verwendung. Aus den erfindungs
gemäßen Stärkematerialien lassen sich in Abhängigkeit von der Produktzusammenset
zung auf konventionellen Thermoplast-Verarbeitungsmaschinen Spritzguß-, Tiefzieh-
und Blasformteile sowie Folien herstellen.
In den letzten Jahren sind zahlreiche Verfahren zur Herstellung und Verformung von
thermoplastischer Stärke (TPS) allein oder in einer Polymermischung bzw. Polymer
schmelze oder Polymerblend bekannt geworden. Diese Arbeiten wurden mit dem Ziel
ausgeführt, neue bzw. erweiterte Einsatzfelder für nachwachsende Rohstoffe zu er
schließen.
Es ist bekannt, die körnige Struktur nativer Stärke zuerst mit definierten Anteilen an
Destrukturierungsmitteln (10-30 Gew-%) Wasser oder/und niederen polyfunktionellen
Alkoholen, wie Ethylenglykol, Propylenglykol, Glycerol, 1,3-Butandiol, Diglycerid,
entsprechende Ether, aber auch Verbindungen wie Dimethylsulfoxid, Dimethylforma
mid, Dimethylharnstoff, Dimethylacetamid und/oder anderen Zusatzstoffen thermome
chanisch zu thermoplastischem Material mit Hilfe von konventionellen Doppelwelle
nextrudern im Temperaturbereich von 120-190°C aufzuschließen.
Dieser Prozess wird in der Literatur (R. L. Shogren et al: Starch/Stärke 45 [1993] 276.
280) als Stärkedestrukturierung bezeichnet und ist durch den Verlust der Ordnung und
Kristallinität der nativen Stärke charakterisiert. Das so hergestellte reine thermoplastisch
verformbare Material hat sich aber als eigenständiger Konstruktionswerkstoff wegen
seiner begrenzten Verarbeitbarkeit, seiner ungenügenden Wasserformbeständigkeit und
seinen klimabedingten Veränderungen bisher als technisch unbrauchbar erwiesen.
Zur Verbesserung der Verarbeitbarkeit und Wasserformbeständigkeit befassen sich
zahlreiche Vorschläge mit der Zumischung synthetisch gewonnener wasserfester Poly
mere, wie z. B. Polyethylen, Polypropylen oder aliphatische (Co-)Polyester, alipha
tisch-aromatische Copolyester, Polyesteramide, Polyesterurethane und/oder Mischungen
als Mischungskomponente für Stärke. Dabei tritt aber das Problem auf, daß die Verträg
lichkeit zwischen den Polymerkomponenten ungenügend ist und die biologische Ab
baubarkeit bzw. auch die Kostenstruktur ungünstig werden.
Weitere Vorschläge beinhalten die Derivatisierung der Stärke, wie z. B. Stärkeacetat zur
Herstellung eines thermoplastischen Kunststoffes (DE 196 33 474, EP 0603837, DE 195 15 477,
DE 198 05 367, US 5,367,067). In Abhängigkeit vom Substitutionsgrad sind
Plastifikatoren erforderlich bzw. die biologische Abbaubarkeit ist nicht mehr gegeben.
Der Stand der Technik ist umfassend im Schrifttum dokumentiert. Als Bezug sei auf die
Publikation von R. F. T. Stepto et al. "Injection Moulding of Natural Hydrophilic Poly
mers in the Presence of Water" Chimia 41 (1987) Nr. 3, S. 76-81 und die dort zitierte
Literatur sowie beispielhaft auf die Patente DE 41 16 404, EP 0327505, DE 40 38 732, US 5106890,
US 5439953, DE 41 17 628, WO 94/04600, DE 42 09 095, DE 41 22 212, EP 0404723
oder EP 407350 hingewiesen.
In zahlreichen Patentanwendungen, wie z. B. DE 40 32 732, DE 195 33 800, DE 197 50 846
werden Mischungen aus TPS mit einem wasserfesten Polymeren sowie die Her
stellung einer Komponente, die als Verträglichkeitsvermittler wirkt beschrieben.
Patentanmeldung DE 19 93 867.2 beinhaltet ein Verfahren zur Herstellung einer thermo
plastischen Stärkemischung durch reaktive Extrusion einer Mischung von nativer Stärke
in Gegenwart eines aciden Katalysators und wenigstens einem hydrophoben Polymer
unter Zusatz einer hydrolysierten Komponente auf Polyvinylacetat-Basis und von niede
ren polyfunktionellen Alkoholen oder/und Wasser, das zu einer wesentlichen Verbesse
rung von Produkteigenschaften und zur Erhöhung der Prozeßstabilität führt.
Wasserformbeständige Werkstoffe aus reiner Stärke mit niedermolekularen Hilfsstoffen
waren bisher nicht herstellbar. Wirtschaftlich relevante Stärkeprodukte erforderten die
chemische Derivatisierung der Stärke oder die Zumischung synthetischer Polymermate
rialien. Die Zumischung synthetischer Polymermaterialien bedurfte zudem einer Ver
träglichkeitsvermittlung, wobei der Stärkeanteil im Gesamtprodukt einen definierten
Anteil nicht überschreitet.
Ausgehend von den ökologischen Zielen, nachwachsende Rohstoffe noch stärker zu
nutzen und umweltverträgliche Produkte wirtschaftlich herzustellen, ist es deshalb Auf
gabe der Erfindung, ein wasserformbeständiges thermoplastisches Stärkematerial auf
Basis nativer Stärke zu schaffen.
Überraschend wurde gefunden, daß ein wasserformbeständiges, thermoplastisches
Stärkematerial durch Extrusion nativer Stärke mit einem Destrukturierungsmittel mit
einem Anteil von 30 bis 60 Gew-% bezogen auf die Einsatzmenge der nativen Stärke in
einem Doppelwellenextruder im Temperaturbereich von 65-120°C, vorzugsweise von
75-105°C und einer anschließenden Lagerung zur Retrogradation zur Ausbildung von
wasserbeständigen Überstrukturen erhältlich ist.
Die nativen Stärken basieren auf Knollenstärke, wie Kartoffelstärke, auf Getreidestär
ke, wie z. B. Mais- oder Weizenstärke oder auf Leguminosen, wie z. B. Erbsenstärke.
Erfindungsgemäß wird das wasserformbeständige thermoplastische Stärkematerial so
hergestellt, dass native Stärke mit einem Destrukturierungsmittel mit einem Anteil von
30 bis 60 Gew-% bezogen auf die Einsatzmenge und unter Berücksichtigung des Feuch
tegehaltes der nativen Stärke in einem Doppelschneckenextruder bei einer Zylindertem
peratur von 65-120°C, vorzugsweise von 75-105°C und einem spezifisch mechani
schen Eintrag (SME) von 200-1500, vorzugsweise 300-1000 kJ/kg zu einem Strang
extrudiert und nach dessen Granulierung zur Retrogradation dicht verschlossen bis zur
Weiterverarbeitung gelagert wird. Die Extrusion erfolgt dabei vorteilhaft bei einer
Verweilzeit von mindestens 2 min.
Zur Retrogradation, zur Ausbildung von wasserbeständigen Überstrukturen wird das
extrudierte und granulierte Stärkematerial bei hohen Luftfeuchten < 80% oder in dicht
verschlossenen Räumen oder Behältern ohne Luftaustausch und Lagerzeiten von 1 bis
24 h, vorzugsweise 5-10 h gelagert.
Als Destrukturierungsmittel werden Wasser und/oder niedere polyfunktionelle Alkoho
le, wie Ethylenglykol, Propylenglykol, Glycerol, 1,3-Butandiol, Diglycerid, entspre
chende Ether, aber auch Verbindungen wie Dimethylsulfoxid, Dimethylformamid, Di
methylharnstoff, Dimethylacetamid eingesetzt. Bei Verwendung von Wasser als Destrukturierungsmittel
wird der Wassergehalt der natürlichen Stärke bei der Berechnung
des Anteiles an Destrukurierungsmittel berücksichtigt.
Als Destrukturierungsmittel eingesetztes Wasser und Glycerin reduziert in Abhängigkeit
von der Konzentration die Glasübergangstemperatur der Stärke und beeinflussen die
Reorganisation der Stärkebestandteile Amylose und Amylopektin.
Während des Quellprozesses im Temperaturbereich von 70-105°C und z. B. 50 Gew.-%
Wasser bezogen auf die Einsatzmenge quillt das Stärkekorn und bildet ein verform
bares Gel bestehend aus einem dreidimensionalen Netzwerk von Amylose und Amylo
pektin. Während des Quellvorganges diffundiert die lineare Amylose aus dem granulä
ren Stärkekorn heraus, wird partiell angelöst und bildet an der Phasengrenze zum Amy
lopektin eine neue morphologische Struktureinheit. Während der Lagerung retrogra
diert das Material und erreicht einen Zustand höherer Organisation, der wasserformbe
ständig ist.
Anhand nachfolgender Ausführungsbeispiele wird die Erfindung näher erläutert:
In einem Schnellmischer wurden
In einem Schnellmischer wurden
- - 99,5 g native Kartoffelstärke mit einem Wassergehalt von 18% (Superior, Ems land-Stärke GmbH)
- - 0,5 g gefällte Kieselsäure (Tixosil 38AB, Rhodia GmbH)
zu einem gut rieselnden Pulver vermischt.
Die Pulvermischung und die flüssig dosierte Mischung aus 19,1 g Glycerin und 80,9 g
Wasser wurden im Masseverhältnis von 63,3 : 36,7 mit einem gleichlaufenden Dop
pelschneckenextruder (ZE 25, Fa. Berstorff, L = 32xD) bei einer Zylindertemperatur
von 90°C, einer Schneckendrehzahl von 100 min-1 und einem Massedurchsatz von 2,4 kg/h
zu einem kompakten Strang extrudiert. Nach der Granulierung wurde das Material
dicht verschlossen gelagert, um eine Veränderung des Wassergehaltes zu verhindern.
Das Granulat wurde mit dem oben beschriebenen Extruder, ausgerüstet mit einer Breit
schlitzdüse nach < 24 h bei einer Zylindertemperatur von 90-110°C reextrudiert und zu
einer Flachfolie verformt.
Das so hergestellte Stärkematerial sowie in gleicher Weise hergestellte Stärkemateria
lien entsprechend der in Tabellen 1 bis 3 aufgeführten Rezepturen und daraus hergestell
te Flachfolien wurden untersucht und bewertet.
Strangproben (Länge 30 mm, ∅ 3 mm) werden 24 h in Wasser bei Raumtemperatur
gelagert. Nach Abtupfen des oberflächlich anhaftenden Wassers wird die Massezunah
me der Probe ermittelt und unter Berücksichtigung der Trockenmasse der Probe die
Quellbarkeit berechnet. Die gequollenen Probe werden anschließend 12 h bei 120°C bis
zur Gewichtskonstanz getrocknet. Aus dieser Masse wird der im Wasser gelöste Anteil
der ursprünglichen Probe bestimmt.
Probestücke der Flachfolien (Länge = 100 mm, Breite 30 mm) werden 24 h im Wasser
bei Raumtemperatur gelagert und ihr Zustand visuell eingeschätzt. Die wasserbeständi
gen Folien sind etwas gequollen, zeigen jedoch noch ihre ursprüngliche Form, weisen
eine gewisse mechanische Festigkeit auf. Wasserunbeständige Proben quellen stark,
zerfallen bei der Lagerung im Wasser und weisen keinerlei mechanische Festigkeit auf.
Folgende Bewertungskriterien sind in den Tabellen 1 bis 3 aufgeführt:
++ = Folienprobe nahezu unverändert
+ = Quellung der Folie unter Erhalt mechanischer Stabilität
- = Quellung und Zerfall der Folie (Probe kann z. B. nicht unzerstört aus dem Wasser entnommen werden)
SME = Spezifischer mechanischer Energieeintrag
++ = Folienprobe nahezu unverändert
+ = Quellung der Folie unter Erhalt mechanischer Stabilität
- = Quellung und Zerfall der Folie (Probe kann z. B. nicht unzerstört aus dem Wasser entnommen werden)
SME = Spezifischer mechanischer Energieeintrag
Der spezifische mechanische Energieeintrag in das Extrusionsgut während der Extrusi
on kann bei gemessenem Drehmoment (Summe der Drehmomente beider Schnecken)
nach folgender Gleichung abgeschätzt werden.
SME = (2π.M.n)/m
SME . . . Spezifischer mechanischer Energieeintrag
M . . . Drehmoment in Nm
n . . . Schneckendrehzahl in min-1
m . . . Durchsatz in kg/h
M . . . Drehmoment in Nm
n . . . Schneckendrehzahl in min-1
m . . . Durchsatz in kg/h
Tabellen 1 und 2 beinhalten Ergebniswerte von Stärkematerial auf Basis Kartoffelstär
ke mit unterschiedlichen Anteilen an Stärke und Destrukturierungsmittel.
Rezeptur: 51,7% Kartoffelstärke (absolut)/41% Wasser/7%
Glycerin/
0,3% Tixosil 38AB
Tabelle 3 beinhaltet Ergebniswerte von Stärkematerialien auf Basis unterschiedlicher
Stärkearten.
Rezeptur: 51,7% Stärke (absolut)/41% Wasser/7% Glycerin/
0,3% Tixosil 38AB
Extrusionstemperatur = 90°C
Extrusionstemperatur = 90°C
Claims (12)
1. Wasserformbeständiges, thermoplastisches Stärkematerial auf Basis nativer
Stärke, erhältlich durch Extrusion nativer Stärke mit einem Destrukturierungs
mittel mit einem Anteil von 30-60 Gew-% in einem Doppelwellenextruder im
Temperaturbereich von 65-120°C und einer an
schließenden Lagerung zur Retrogradation.
2. Thermoplastisches Stärkematerial nach Anspruch 1, dadurch
gekennzeichnet, daß der Temperaturbereich 70-105°C beträgt.
3. Thermoplastisches Stärkematerial nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß
es im weiteren Streckmittel, Füllstoffe, Gleitmittel, Fließmittel, Farbstoff, Pig
mente oder Mischungen davon enthält.
4. Verfahren zur Herstellung eines wasserformbeständigen, thermoplastischen
Stärkematerials dadurch gekennzeichnet, dass native Stärke mit einem Destruk
turierungsmittel mit einem Anteil von 30-60 Gew-% bezogen auf die Einsatz
menge und unter Berücksichtigung des Feuchtegehaltes der nativen Stärke in
einem Doppelschneckenextruder bei einer Zylindertemperatur von 65-120°C
und einem spezifisch mechanischen Eintrag (SME)
von 200-1500 zu einem Strang extrudiert, gra
nuliert und zur Retrogradation, zur Ausbildung von wasserbeständigen Über
strukturen, gelagert wird.
5. Verfahren nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, daß
die Zylindertemperatur 70-105°C beträgt.
6. Verfahren nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet,
daß der spezifische mechanische Eintrag (SME) 300-1000 kJ/kg
beträgt.
7. Verfahren nach Anspruch 4-6, dadurch gekennzeichnet, dass die Extrusion bei
einer Verweilzeit von mindestens 2 min erfolgt.
8. Verfahren nach Anspruch 4 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß als Destruktu
rierungsmittel Wasser und/oder niedere polyfunktionelle Alkohole, wie Ethylen
glykol, Propylenglykol, Glycerol, 1,3-Butandiol, Diglycerid, entsprechende E
ther, aber auch Verbindungen wie Dimethylsulfoxid, Dimethylformamid, Dime
thylharnstoff, Dimethylacetamid eingesetzt werden.
9. Verfahren nach jeweils einem der Ansprüche 4 bis 8, dadurch gekennzeichnet,
daß bei Verwendung von Wasser als Destrukturierungsmittel der Feuchtegehalt
der nativen Stärke berücksichtigt wird.
10. Verfahren nach jeweils einem der Ansprüche 4 bis 9, dadurch gekennzeichnet,
daß als native Stärke Kartoffelstärke, Maisstärke, Weizenstärke oder
Erbsenstärke eingesetzt wird.
11. Verfahren nach jeweils einem der Ansprüche 4 bis 10, dadurch gekennzeichnet,
daß zur Ausbildung von wasserbeständigen Überstrukturen das extrudierte und
granulierte Stärkematerial bei hohen Luftfeuchten < 80% oder in dicht ver
schlossenen Räumen oder Behältern ohne Luftaustausch und Lagerzeiten von 1
bis 24 h, vorzugsweise 5-10 h gelagert wird.
12. Verwindung einer thermoplastischen Stärke nach jeweils einem der Ansprüche
1 bis 3 für die Herstellung von Spritzguß-, Tiefzieh- oder Blasformteilen, Folien
oder Faserrohstoffen sowie als Material für Schmelzebeschichtungen.
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