Verfahren zur Herstellung von Treibmitteln Bei der Herstellung von Treibmitteln wie Geschütz- und Gewehrpulver und Treibsätzen für Raketen geht man bisher in der Weise vor, dass man ein Gemisch von Nitrocellulose, Nitroglyzerin oder einem oder mehreren ähnlichen nitrierten mehrwertigen Alkoholen (Salpetersäureestern mehrwertiger Alkohole) und Wasser auf beheizten Walzen entwässert und dabei durch die nitrierten mehrwertigen Alkohole eine Gelatinierung der Nitrocellulose bewirkt.
Die zu dünnen Fellen ausgewalzten gelatinierten Mischungen werden mit Hilfe einer Schneidvorrichtung in Streifen- oder Blättehenform übergeführt, während man zur Erzeugung von Röhrenpulver die gelatinierte Masse mittels einer Presse mit entsprechend geformter Düse in die gewünschte Form bringt.
Dieses Verfahren zur Erzeugung von Treibmitteln weist den Nachteil auf, dass die Walzarbeit zum Ent wässern der Pulvermischungen sehr viel Zeit und Energie in Anspruch nimmt und ausserdem ein grosses Gefahrenmoment in sich schliesst, weil die Massen bei erhöhter Temperatur reibungsempfindlich sind und deshalb leicht zünden. Auch haben die beim Walz- vorgang von den nitrierten Alkoholen entwickelten Dämpfe eine sehr starke Belästigung der das Walz werk bedienenden Personen zur Folge.
Auf dem Gebiete der Herstellung von Spreng stoffen, d. h. von rasch reagierenden explosiblen Ge mischen chemischer Verbindungen mit zertrümmernd und zersprengend wirkender Gasentwicklung, ist es bereits gelungen, die mit der Entwässerung des zu verarbeitenden Gemisches durch Walzen verbundenen Übelstände in einfacher Weise dadurch zu vermeiden, dass man die Sprengstoffbestandteile in geschmolze nem Zustand mischt und dann diese Schmelze in die Formen, z. B. für die Granaten oder Bomben, giesst.
Die Übertragung dieses Arbeitsprinzips auf die Er zeugung von Treibmitteln, d. h. von langsam reagie- renden explosiblen Gemischen chemischer Verbin dungen mit aus Gewehr-, Geschütz- oder Raketen rohren das Geschoss hinaustreibender Gasentwicklung, begegnet insbesondere bei mit Nitrocellulose und nitrierten mehrwertigen Alkoholen gebildeten Treib ladungen Schwierigkeiten, da beim Eintragen der in üblicher Weise bereiteten wasserhaltigen Mischung, z.
B. aus Nitrocellulose und Diglykoldinitrat, in ge schmolzenes Trinitrotoluol oder einen andern ge schmolzenen Nitrokörper nur ein Teil der Nitro- cellutose gelatiniert, ohne dass dabei die gewünschte homogene Lösung entsteht.
Auf Grund eingehender Versuche hat sich nun gezeigt, dass bei der Herstellung von geschmolzenen, Nitrocellulose und nitrierte mehrwertige Alkohole sowie Nitroverbindungen enthaltenden Pulvermischun gen für die Erzeugung von Treibmitteln die Erzielung homogener Lösungen voraussetzt, dass die mit den nitrierten mehrwertigen Alkoholen angereicherte Ni- trocellulose einen ganz bestimmten Wassergehalt auf weist, der mindestens 18 % betragen muss und vorzugs weise zu 20 bis 23'/'" zu bemessen ist.
Bei zu geringem Wassergehalt der Mischung bleiben beim Lösungs vorgang ungelöste Klümpchen zurück, die sich auf die Ballistik des Pulvers sehr ungünstig auswirken, und anderseits dauert bei zu hohem Wassergehalt der Schmelzvorgang zu lange, was nachteilig für die Stabilität des Endproduktes ist.
Die Versuche haben ferner erwiesen, dass die beim Vermischen der Nitrocellulose mit dem andern nitrierten mehrwertigen Alkohol einzuhaltende Tem peratur niedrig gehalten werden muss und eine Tempe ratur von 18 C nicht überschritten werden darf, um. ein Angelatinieren vor dem Einbringen der Nitro- cellulose in die Schmelze zu verhindern und die bei zu hoher Temperatur auftretende unerwünschte Klümp- chenbildung zu vermeiden.
Auf Grund dieser Feststellungen wird nach der Erfindung zur Herstellung von Treibmitteln so ver fahren, dass man aus Nitrocellulose und einem andern Salpetersäureester eines mehrwertigen Alkohols bei einer Temperatur von unter 18 C ein mindestens 18% Wasser enthaltendes Gemisch bereitet, dieses in eine geschmolzene Nitroverbindung einträgt und das Was ser zur Verdampfung bringt, so dass eine Gelatinierung der Nitrocellulose erfolgt.
Auf diese Weise wird nicht nur die sonst bei der Herstellung von Treibmitteln übliche Walzarbeit zum Entwässern der Pulver mischung vermieden, sondern es kann auch eine leicht vergiessbare, vollkommen gleichmässige Schmelze ohne jede Klümpchenbildung erhalten werden.
Vorteilhaft ist es, für die Herstellung des Ge misches aus Nitrocellulose und dem andern nitrierten Polyalkohol eine Nitrocellulose zu verwenden, deren Stickstoffgehalt unter 12,4% liegt, da eine Nitro- cellulose mit einem höheren Stickstoffgehalt als 12,4 Schmelzen ergibt, die selbst bei geringer Viskosität der Nitrocellulose sehr zähflüssig sind und daher nicht oder nur schwer in die gewünschte Form übergeführt und entlüftet werden können.
Weiterhin ist es günstig, die Geschwindigkeit der Verdampfung des im Gemisch von Nitrocellulose und anderem nitriertem mehr wertigem Alkohol enthaltenen Wassers so zu regeln, dass die Gelatinierung der Nitrocellulose mit der Ver dampfung des Wassers parallel geht und so eine rest lose Auflösung der Nitrocellulose in der Schmelze erfolgt.
Ferner kann der mit der Nitrocellulose zu mi schende nitrierte mehrwertige Alkohol zum Teil durch einen Weichmacher, z. B. Dibutylphthalat oder ein Urethan, ersetzt werden. Das Mengenverhältnis des geschmolzenen Nitrokörpers zu dem Gemisch von Nitrocellulose und nitriertem Polyalkohol wird zweck mässig zu 1:1 bis 3:2 gewählt. Die Einhaltung dieses Mengenverhältnisses ist insbesondere dann von Be deutung, wenn es sich um Pulverkörper von grossen Ausmassen, wie z.
B. Raketentreibsätze, handelt, bei denen die Bildung von zu Detonationen während des Abbrandes führenden Lunkerstellen unbedingt ver mieden werden muss und ausserdem die Erstarrungs- zeit der Schmelzen trotz der grossen Ausmasse nicht allzu lange dauern darf.
Wie nämlich die Praxis gezeigt hat, ist bei einem zu geringen Gehalt der Mischung an Nitrokörper, wie z. B. Trinitrotoluol, die Erzielung einer vollständigen Lösung der Nitrocellulose und infolgedessen auch eines vollkommen homogenen, leicht giessbaren Treib mittels sehr erschwert, und bei einem 60% über steigenden Gehalt der Mischung an Nitrokörper weist die Schmelze beim Abkühlen nach der Ver formung, besonders bei der Erzeugung von Pulver körpern grösserer Abmessungen, eine starke Neigung zur Lunker- oder Rissbildung auf, und ausserdem wird die erstarrte Masse leicht zu spröde und schon aus diesem Grunde praktisch unbrauchbar.
Diese Er scheinungen treten nicht nur bei Trinitrotoluol, son dern auch bei andern aromatischen Nitrokörpern, wie z. B. Trinitrophenylglykoläther oder Trinitromethyl- anilin, auf.
Die Abkühlung des durch die Auflösung der Nitro- cellulose in geschmolzenen Nitrokörpern erhaltenen Treibmittels wird zweckmässig unter Einhaltung einer Temperatur durchgeführt, die in kürzester Zeitdauer ein völlig lunkerfreies Erstarren der aus der homogenen Schmelze geformten Pulverkörper gewährleistet.
Das Eintragen des mindestens 10 ,ö Wasser ent haltenden Gemisches von Nitrocellulose und nitrier tem mehrwertigem Alkohol in den geschmolzenen Nitrokörper wird vorteilhafterweise unter Aufrecht erhaltung einer den Schmelzpunkt des Nitrokörpers um etwa 10 bis 20 überschreitenden Temperatur vor genommen, was die Auflösung der Nitrocellulose in dem geschmolzenen Nitrokörper vervollkommnet und beschleunigt. Auch empfiehlt es sich, die Lösung der Nitrocellulose im Vakuum unter Rühren zu be wirken, um die Entfernung der Luftblasen aus der Lösung zu erleichtern.
Als günstig hat es sich weiterhin erwiesen, die Temperatur der aus dem Nitrokörper und dem Ge misch von Nitrocellulose und Polyalkohol gebildeten Schmelze nach der Verdampfung des Wassers für kurze Zeit um etwa 10 C zu erhöhen, wodurch sich eine Verminderung der Viskosität der entstehenden Schmelze und damit eine leichtere Überführung der Schmelze in die gewünschte Form erreichen lässt und auch die restlos erfolgende Entfernung der Luftblasen aus dem Gemisch erleichtert wird.
Die aus dem Nitrokörper und dem Gemisch von Nitrocellulose und Polyalkohol gewonnene Schmelze kann auch unter ihre Erstarrungstemperatur abge kühlt werden und in diesem unterkühlten Zustand in die gewünschte Form übergeführt werden, was den Vorteil bietet, dass der Erstarrungsvorgang, der bei diesen geschmolzenen Pulvermischungen, vor allem im Falle der Herstellung von Pulverkörpern mit grossen Abmessungen oder grösseren Wandstärken, sehr lange Zeit, z. B. manchmal 20 bis 30 Stunden, dauert, weitgehend, z.
B. auf einige Minuten, gekürzt und trotzdem die bei zu schneller Abkühlung auf tretende Gefahr der Bildung von Lunkerstellen und Unregelmässigkeiten in der Kristallisation, welche die Ballistik des Pulvers ungünstig beeinflussen, mit Sicherheit vermieden werden kann.
Dieser Schmelzunterkühlung liegt die durch ein gehende Versuche gewonnene Feststellung zugrunde, dass die geschmolzenen Pulvermischungen die Eigen schaft besitzen, bei Abkühlung unter den Erstarrungs- punkt für vorübergehende Zeit in einen instabilen Zustand überzugehen, in welchem sie eine zähflüssige Beschaffenheit besitzen und deshalb noch leicht ver formbar sind. Die Formgebung der in halbplastischem Zustand befindlichen Schmelze kann in üblicher Weise mit Hilfe von Strangpressen und ähnlichen Vorrichtungen vorgenommen werden.
Vorzugsweise wird die geschmolzene Pulvermischung kurz vor ihrer Erstarrung in die gewünschte Vorm gebracht, so dass der geformte Körper sich ohne weitere Form- änderung bei Raumtemperatur verfestigen kann. Zweckmässig werden die gebildeten Formlinge kurze Zeit bei Raumtemperatur sich selbst überlassen.
Als Nitrocellulose eignet sich für das Verfahren nach der Erfindung vor allem eine einer Viskositäts- erniedrigung durch Druckkochung im Autoklaven unterworfene Nitrocellulose. Die Druckkochung wird dabei unter solchen Bedingungen durchgeführt, dass die Viskosität 15 bis 25 Sekunden beträgt, und die Viskosität wird dadurch bestimmt, dass eine 10%ige Lösung der Nitrocellulose in einem Gemisch von Butanol, Butylacetat und Toluol im Verhältnis 3:4:
5 im Cochius-Viskosimeter (7 mm) bei 18 C gemessen wird.
Für den Nitrokörper, der im geschmolzenen Zu stand zur Auflösung der mit einem andern nitrierten Polyalkohol gemischten Nitrocellulose dient und dessen Schmelzpunkt daher unter der Zersetzungs temperatur der Nitrocellulose, d. h. unter 130 C, liegen muss, eignen sich insbesondere aromatische oder aliphatische Nitroverbindungen.
Beispielsweise ver wendet man als aromatische Nitrokörper Di- oder Trinitrotoluol, Di- oder Trinitrobenzol, Di- oder Trinitrophenol, Di- oder Trinitrophenylglykoläther- nitrat, Tetranitromethylanilin, Mononitronnaphtha- lin, Trinitronaphthalin, Dinitrooxytoluol, Pentanitro- diphenylamin,
Trinitrophenilglycin, Trinitrophenil- äthanolamin und als aliphatische Nitrokörper Di- nitrodiäthanolnitratoxamid, Tetranitropentaerytrit, Di- oxyäthylsulfodinitrat. Auch Gemische dieser alipha- tischen und aromatischen Nitrokörper können für die Gelatinierung der Nitrocellulose benutzt werden.
Als mit der Nitrocellulose zu vermischende Salpetersäure ester mehrwertiger Alkohole kommen z. B. Nitro- glycerin, Diglykoldinitrat und ähnliche Alkoholnitrate in Betracht.
<I>Beispiel I</I> 53 kg Trinitrotoluol werden in einem mit Heiz- mantel versehenen Kessel geschmolzen. Ferner werden 28 kg Nitrocellulose mit einem Stickstoffgehalt von 12,1 % und einer Viskosität von 20 Sekunden, gemessen in 3%iger acetonischer Lösung nach Cochius, innig bei 14 C mit 18 kg Diglykoldinitrat in wässriger Emulsion vermischt. Dieses Gemisch wird in einer Zentrifuge so weit vom überschüssigen Wasser be freit, dass es noch eine Feuchtigkeit von 22% besitzt.
Die so mit nitriertem mehrwertigem Alkohol ange reicherte Nitrocellulose wird nun in üblicher Weise vor zerkleinert und dann in das geschmolzene Trinitrotoluol langsam unter kräftigem Durchmischen eingeführt. Hierauf wird der Schmelzkessel geschlossen und unter Vakuum gesetzt, so dass das Wasser allmählich ver dampft. Dabei wird für parallelen Ablauf der beiden Vorgänge der Verdampfung des Wassers und der Gelatinierung der Nitrocellulose Sorge getragen, da eine zu schnelle Verdampfung des Wassers für die Gelatinierung hinderlich ist.
Die gewonnene homogene, leicht vergiessbare Schmelze wird in üblicher Weise in die gewünschte Pulverkörperform übergeführt. <I>Beispiel</I> 1I 530 kg Trinitrotoluol werden in einem mit Heiz- mantel versehenen Schmelzkessel bei 80 C geschmol zen und 260 kg Nitrocellulose mit einem Stickstoff gehalt von 12,1 % mit 180 kg Diglykoldinitrat in wässriger Emulsion innig bei einer Temperatur von 13 C vermischt.
Die mit Diglykoldinitrat angerei cherte Nitrocellulose wird in einer Zentrifuge so weit vom überschüssigen Wasser befreit, dass sie noch eine Feuchtigkeit von 221/1, besitzt. Die wasserfeuchte mit Diglykoldinitrat angereicherte Nitrocellulose wird dann in üblicher Weise vorzerkleinert und hierauf langsam in das geschmolzene Trinitrotoluol unter kräftigem Rühren eingetragen. Schliesslich wird der Schmelzkessel geschlossen und unter Vakuum gesetzt, so dass das Wasser aus der Nitrocellulose verdampft und diese gelöst wird.
<I>Beispiel</I> III In einem Kessel von 300 Liter Inhalt, der mit einem Rührwerk versehen und von einem mit heissem Wasser gespeisten Heizmantel umgeben ist, werden 100 kg Trinitrotoluol geschmolzen, das einen Schmelz punkt von etwa 80 C hat. In die Schmelze gibt man in abgemessenen aufeinanderfolgenden Teihnengen 70 kg einer mit Dinitrodiglykol im Verhältnis von 3:2 bei 16 C angereicherten und im Gemisch mit diesem 30 /o Wasser enthaltenden Nitrocellulose mit 12% Stickstoff.
Durch Einhaltung einer Temperatur von 100 wird das Wasser zur Verdampfung gebracht, in dem Masse, wie das Wasser verdampft, geht die Nitrocellulose in Lösung, so dass nach dem voll ständigen Verdampfen des Wassers eine homogene Schmelze entsteht.
Zur Formgebung lässt man die geschmolzene Masse in eine auf eine Temperatur von z. B. 25 gebrachte Form einlaufen und hält diese Temperatur während des Erstamens und auch bei der Abkühlung der Masse auf recht. Bei Pulverkörpern grossen Ausmasses, z. B. zylindrischen Raketentreibsätzen grossen Durchmes sers und erheblicher Länge, ist es ausserdem zweck mässig, zur Vermeidung der Bildung von Hohlräumen im Körper seine Abkühlung von unten nach oben und von aussen nach innen erfolgen zu lassen.
<I>Beispiel IV</I> 53 Teile Trinitrotoluol mit einem Schmelzpunkt von etwa 80 C werden in einem mit Heizmantel und Rührwerk versehenen Schmelzkessel durch Erwärmen auf 80 C geschmolzen, und aus 28 Teilen Nitro- cellulose mit 120/" Stickstoff, 18 Teilen Diglykol- dinitrat sowie 1 % Stabilisator wird bei 16 C ein Ge misch mit einem Wassergehalt von 23 % bereitet. Dieses Gemisch wird dann in das geschmolzene Tri- nitrotoluol eingetragen und das Ganze in eine homo gene Schmelze bei 80 C übergeführt.
Diese einen Schmelzpunkt von etwa 60 C besitzende Schmelze wird auf etwa 30 C in einer vom Schmelzgefäss ab gezweigten, gekühlten Rohrleitung innerhalb einer Zeitspanne von etwa 10 Minuten abgekühlt. Nach dieser Abkühlung weist die Mischung noch plastische Eigenschaften auf und stellt somit physikalisch eine in jede Form überführbare Flüssigkeit dar. Beispiels weise kann sie mit Hilfe einer Strangpresse in Röhren form gebracht werden, was in fortlaufendem Ver fahrensgang geschehen kann.
Die so gebildeten Pulverröhren werden in die ge wünschte Länge unterteilt und noch kurze Zeit, etwa wenige, z. B. 5, Minuten bei der Raumtemperatur von 20 C sich selbst überlassen. Dabei geht der in stabile Zustand der Masse der Röhrenwandung in den stabilen Zustand über. Es empfiehlt sich, diese Übergangszeit so kurz als möglich zu halten, um eine Verformung der geformten Pulverkörper durch rest liche Plastizität zu verhindern.