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Verfahren und Einrichtung zur Erhöhung der Zähigkeit von
Walz- und Schmiedestahl
Es ist bekannt, dass von Walz- und Schmiedestahl, insbesondere von legiertem und unlegiertem Bau- stahl, bei der praktischen Verwendung ein möglichst hoher Zähigkeitsgrad erwünscht ist.
Diese Forderung hat darum auch in den Werkstoffnormen für solche Stähle ihren Niederschlag gefun- den. So sind z. B. in den Normen neben den durch Zerreissproben gemessenen Festigkeitswerten wie Streckgrenze, Festigkeit und Kontraktion und Dehnung, sowie Kerbzähigkeitsproben auch noch zusätzli- che Biegeproben vorgeschrieben, welche entweder ein Zusammenbiegen der Proben um einen bestimmten
Dorndurchmesser auf 90 -180 , oder ein Zusammenbiegen um 450 - 900 und ein nachfolgendes Zurück- biegen vorsehen, welche Kaltverformung der Stahl ohne Rissbildung oder Sprödbruch ertragen muss.
Es sind seitens der Stahlverbraucher wiederholt Wünsche vorgebracht worden und auch Bestrebungen erfolgt, die Zähigkeit der Baustähle weiter zu erhöhen und die vorgesehenen Biege- und Rückbiegeproben zu verschärfen, um ihre Sicherheit gegen Bruch zu erhöhen. Angestrebt wurde z. B., den Biegewinkel auf
1800 zu erhöhen und erst dann den Rückbiegevorgang vorzunehmen und zu erreichen, dass die Proben auch von diesem grösseren Biegewinkel die Rückbiegung gewährleisten, ohne irgendwelche Anrisse zu zeigen, und diesl auch bei grösseren Abmessungen und höheren Streckgrenzen.
Zahlreiche Versuche haben jedoch ergeben, dass diese Forderung umso schwieriger einzuhalten ist, je grösser der Stabdurchmesser und je höher die Streckgrenze und Festigkeit liegt, weil bei grösseren Ab- messungen neben der linearen Beanspruchung in steigendem Masse der räumliche Spannungszustand mass- geblich hinzutritt und die Höhe der Beanspruchungen, denen das Material gewachsen sein muss, damit sehr wesentlich ansteigt.
Studien dieser, für die moderne Technik wichtigen Verhältnisse haben zu dem überraschenden Er- gebnis geführt, dass die Höhe der Spannungen, das Spannungsmaximum, welchem das Stabmaterial bei dem vermehrten Biegevorgang ausgesetzt ist und welche es ohne Bruch aushalten muss, wesentlich von der
Höhe der Ausgaugsspannjngen abhängt, welche in dem Walz- oder Schmiedestab nach Beendigung der
Warmformgebung und Abkühlung enthalten sind.
Es ist bekannt, dass durch Vornahme einer zusätzlichen Wärmebehandlung des Walz- oder Schmie- degutes, durch Glühen oder Vergüten mit anschliessender langsamer Abkühlung, neben einer Verbesse- rung des Gefügezustandes auch die Verformungsspannungen weitgehend entfernt werden können, womit eine Verbesserung der Zähigkeitseigenschaften des Stabstahls oder Schmiedestückes erreicht werden kann.
Ähnliche Entspannungsvorgänge können auch schon in geringerem Ausmasse durch Ablegen der Stä- be in schlecht Wärme leitenden Stoffen, wie Sand, Asche oder Schamotte oder aber durch eine kon- trollierte langsame Abkühlung in sogenannten Kühlbetten oder Kühlgruben erfolgen. Erfahrungen haben gezeigt, dass diese einfacheren und billigeren Entspannungsmassnahmen einen Grad der Ent- spannung erzielen lassen, welcher nur ausreicht, das Entstehen von Spannungsrissen an der Ober- fläche des Walzgutes und auch die Bildung von gewissen Innenrissen, wie z. B. Flocken, zu ver- meiden.
Der Spannungszustand, der in den Stäben nach der Warmformgebung enthalten ist, der die Zähigkeit derselben bei den Hin- und Her-Biegeproben beeintrachtigt und bei stärkeren Abmessungen infolge des räumlichenSpannungszustandes beim Biegen zu vorzeitigen Trennbrüchen führt, konnte durch diese langsame Abkühlung allein jedoch nicht behoben oder verbessert werden. Es hat sich im Gegenteil gezeigt, dass die verbleibenden Spannungen auch nach einer längeren Zeit von Wochen und Monaten noch vorhanden sind, so dass die Stäbe auch dann bei der Erprobung und Weiterverarbeitung beim Verbraucher nur knapp die in den bestehenden Normen gewährleisteten geringen Zähigkeitsgrade aufweisen.
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Da unlegierte und legierte Baustähle Massenerzeugnisse sind, die die durch einen Glüh- und Vergü- tevorgang entstehenden Mehrkosten in der Fabrikation nicht vertragen, ist es bisher nicht möglich gewe- sen, die erhöhten Forderungen der Stahlverbraucher nach billigen Baustählen mit weiter erhöhten Zähig- keitseigenschaften und besserer Biegefähigkeit zu erfüllen.
Die Erfindung zielt darauf ab, diesen Forderungen nachzukommen, und sie besteht im Wesen darin, dass der Stahl nach dem Fertigwalzen und Schmieden einem etwa 1/2 - 2 h dauernden Entspannungsvor- gang in kochendem Wasser ausgesetzt wird.
Der Walz- und Schmiedevorgang verläuft bekanntlich in einem Temperaturbereich von Hellrotglut bis herunter zu 500 C, wo der Stahl seine Glühfarbe verloren hat.
Dieser Vorgang ist nach dem Warmverarbeiten und Abkühlen auf den Rollgängen, Kühlbetten und
Haspeln beendet. Eine Abkühlung auf Temperaturen unter diesem Temperaturbereich bringt keine Gefü- geveränderungen oder Härtevorgänge mehr. Nach dem Fertigwalzen und Schmieden kann der Stahl auch bis auf Temperaturen abgekühlt sein, die noch niedriger, etwa oberhalb 1000C liegen, er kann aber nach dem Schneiden auch vollständig, z. B, auf Raumtemperatur erkaltet sein. Im letzteren Fall muss zur
Durchführung des erfindungsgemässen Entspannungsvorganges das Wasser durch Wärmezufuhr in kochendem
Zustande erhalten werden, da es durch die eingelegten kalten Walzstäbe immer wieder unter 1000C ab- gekühlt wird.
Nach einer Ausführungsform der Erfindung kann aber auch die Eigenwärme der fertig ge- walzten Stäbe zur Erhaltung der Kochtemperatur herangezogen werden. Zu diesem Zwecke erfolgt die
Behandlung in kochendem Wasser sofort im Anschluss an den Verarbeitungsgang der gewalzten oder ge- schmiedeten Stäbe oder Stücke in der gleichen Hitze, wenn diese noch eine Temperatur über MO C be- sitzen, wobei das Wasser durch die Eigenwärme der Stäbe oder Stücke ständig aufgeheizt wird.
Der Kochvorgang bei Atmosphärendruck in Wasser von 1000C dauert etwa 1/2 - 2 h, je nach Stahl- qualität und Abmessung. Es kann zur Beschleunigung natürlich auch eine höhere Kochtemperatur Anwen- dung finden, z. B. bis 150 C, in welchem Falle in bekannter Weise dem Wasser Zusätze zur Erreichung dieser Kochtemperatur zugegeben werden.
Es scheint, als ob bei dieser Behandlung eine Entfernung von Wasserstoff aus dem Stahl erfolgen wür- de, jedenfalls hat sich gezeigt, dass der Wasserstoffgehalt hiedurch bis auf weniger als die Hälfte herab- gesetzt wurde. Gemäss der Erfindung ist es möglich, eine so vollständige Entspannung zu erreichen, dass die den Biegevorgang beeinträchtigenden, nach dem Walz- oder Schmiedevorgang im Stück enthaltenen
Spannungen so weitgehend entfernt sind, dass sie die höhere Zähigkeit und Biegefähigkeit des Stahls auch bei grossen Abmessungen von beispielsweise 35 mm Durchmesser und mehr gewährleisten.
So z. B. wurden Stähle mit 20 - 35 mmDurchmesserderStahlqualitätenSt 42 und St 50/60 mit Streck- grenzen von 40 - 50 kg, die normal bei einer Zusammenbiegung um 180 an der inneren Stauchseite be- reits Anrisse und beim anschliessenden Geraderichten in die Ursprungsstellung Sprödbruch zeigten und zu
Bruche gingen, einem einstündigen Auskochvorgang in Wasser von 100 C unterworfen und nach dieser entspannenden Behandlung der genannte Biegevorgang über 1800 und dieRückbiegung in die Ausgangsstel- lung ohne jede Rissbildung durchgeführt, wobei die Stähle den Vorgang des Hin- und Herbiegens nicht nur einmal, sondern je nach der Dimension mehrmals, ohne Rissbildung aushielten und erst beim dritten oder sogar vierten Aufbiegen zu Bruche gingen.
Während die unbehandelten Stäbe im Walzzustand gebogen, an der Innenseite die erwähnten Stauch- risse aufwiesen und damit durch diesen Anriss beim Aufbiegen einen kurzen Trennbruch (Sprödbruch) auf- wiesen, zeigten die erfindungsgemäss behandelten Stäbe bei dem erst nach wiederholtem Hin- und Her- bigen erfolgenden Bruch einen über den ganzen Bruchquerschnitt gehenden, ausgesprochen zähen und sehnigen Gewaltbruch, wie ein solcher bei Baustählen besonders erwünscht ist.
Das erfindungsgemässe Verfahren lässt sich im praktischen Betriebe der Walzwerke und Schmieden in sehr einfacher Weise an den üblichen Fabrikationsgang anschliessen, ohne höhere zusätzliche Fabrika- tionskosten zu verursachen.
Eine Ausführungsform kann z. B. so erfolgen, dass die nach dem Walzvorgang am Kühlbett im Aus- kühlen begriffenen Walzstäbe durch eine mechanische Hebevorrichtung in ein seichtes, längsliegendes
Wasserbecken gehoben werden und hier etwa 1 h verweilen und sodann mit einer weiteren Hebevorrichtung auf den Rollgang gehoben werden, der sie in üblicher Weise den Scheren und Adjustagen zuführt. Diese
Einrichtung verursacht nur geringe Investitionskosten und keine zusätzlichen Fabrikationskosten, weil das Wasser im Becken jeweils durch die Eigenwärme der fertig gewalzten Stäbe auf Kochtemperatur erhalten wird.