Sattelbaum für einen Reitsattel und Reitsattel
Die Erfindung betrifft einen Sattelbaum für einen Reitsattel sowie einen Reitsattel mit einem entsprechenden Sattelbaum.
Im Stand der Technik sind insbesondere für die traditionelle Reitlehre geschaffene Reitsättel bekannt, die auf einem Sat telbaum aufbauen. Der starre Sattelbaum ist dabei so geformt, dass er an seiner Unterseite mit daran angeordneten Sattel polstern grundsätzlich an Pferderücken angepasst ist, um ins besondere Druck unmittelbar auf die Wirbelsäule der Pferde fernzuhalten und möglichst großflächig zu verteilen. Auf der Oberseite ist ein Sitz für den Reiter ausgeformt, der dem Rei ter einen stabilen, aufrechten Sitz ermöglicht.
Insbesondere bei kürzeren Pferden besteht das Problem, dass der hintere Teil klassischer Sättel regelmäßig bis in die Len denregion der Pferde hineinragt und die Pferde so in ihrer Be weglichkeit einschränkt. Daraus können orthopädische Probleme bei den Pferden auftreten und/oder es kommt zu teils gefährli chen Abwehrreaktionen, wie Bocken oder Steigen.
Für solche Fälle ist es bekannt, verkürzte Kissen oder franzö sische Sattelkissen unter klassischen Sattelbäumen anzuordnen, sodass die Kissen nicht im Lendenbereich der Pferde aufliegen, auch wenn der Sattelbaum dort hineinragt. Nachteilig hieran ist, dass die Belastung durch den Reiter ungleichmäßig in den Rücken der Pferde eingeleitet wird und insbesondere im hinte ren Bereich der Kissen Druckspitzen entstehen. Außerdem ergibt sich durch den nicht unmittelbar durch ein Kissen unterstütz ten hinteren Bereich des Sattelbaums ein Wippeneffekt (auch Trampolineffekt genannt) , der zu einer großen Unruhe des Sat tels und des Reiters führt, was wiederum eine Zusatzbelastung für das Pferd bedeutet.
Baumlose Sättel verzögern die Einwirkung des Reiters massiv. Außerdem können punktuell eingebrachte Belastungen, bspw. über die Steigbügel, nicht wirksam über die Länge des Sattels ver teilt werden, sodass es auch hier zu erheblichen Druckspitzen kommt .
Dieses Problem weisen grundsätzlich auch aus dem Stand der Technik bekannte flexible Sattelbäume (sog. Flex-Sattelbäume ) auf, bei denen der Sattelbaum in mehrere frei zueinander be weglichen Segmente unterteilt ist, wobei eine in ein bestimm- tes Segment eingebrachte Belastungen, wie bspw. über die
Steigbügel, regelmäßig nicht wirksam über die Länge des Sat tels verteilt wird.
Insbesondere Sättel mit bekannten Flex-Sattelbäumen weisen au ßerdem den Nachteil auf, dass sie dem Reiter kein Gefühl eines festen Sitzes vermitteln, sodass der Reiter regelmäßig keine korrekte Reithaltung einnimmt bzw. einnehmen kann.
Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, einen Sattelbaum für Reitsättel sowie einen Reitsattel zu schaffen, bei dem die aus dem Stand der Technik bekannten Nachteile nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang auftreten.
Gelöst wird diese Aufgabe durch einen Sattelbaum gemäß dem Hauptanspruch, sowie einen Reitsattel gemäß Anspruch 8. Vor teilhafte Weiterbildungen sind Gegenstand der abhängigen An sprüche . Demnach betrifft die Erfindung einen Sattelbaum für einen
Reitsattel mit einer sich in Längsrichtung von einem Vorder zwiesel zu einem Hinterzwiesel erstreckenden, mit seiner Ober seite einen Sitz für einen Reiter formenden Sattelbaumstruk tur, wobei der Sitz einen Kontaktbereich der Sitzbeine defi-
niert und die Sattelbaumstruktur im Bereich zwischen Kontakt bereich der Sitzbeine und Hinterzwiesel eine Schwenkachse quer zur Längsrichtung aufweist, um welche der Hinterzwiesel ausge hend von einer durch einen Anschlag vorgegebenen Nullposition gegenüber dem Vorderzwiesel in Richtung der Oberseite ver- schwenkbar ist.
Weiterhin betrifft die Erfindung einen Reitsattel umfassend einen erfindungsgemäßen Sattelbaum.
Zunächst werden einige in Zusammenhang mit der Erfindung ver wendete Begriffe erläutert.
„Vorder- und Hinterzwiesel" eines Sattelbaums erstrecken sich quer zur Längsrichtung des Sattels und dienen dazu, im Verwen dungszustand des auf der Sattelbaumstruktur aufgebauten Sat tels Belastungen von der Wirbelsäule des Pferdes fernzuhalten, indem der Sattel zu beiden Seiten der Wirbelsäule, nicht aber unmittelbar im Bereich der Wirbelsäule auf dem Pferderücken aufliegt. Der Vorderzwiesel bildet dabei den im Verwendungszu stand des Sattels dem Kopf des Pferdes zugewandten Bereich, während der Hinterzwiesel nahe oder im Lendenbereich des Pfer des angeordnet ist. Vorder- und Hinterzwiesel können über im Verwendungszustand des Sattels zu beiden Seiten der Wirbel säule verlaufende Trachten miteinander verbunden sein. Es ist aber auch möglich, dass Vorderzwiesel und Hinterzwiesel in ei ner durchgehenden Kunststoffschale einstückig ausgeformt sind.
Die Oberseite des Sattelbaums bzw. seine Struktur formen be reits grundsätzlich den Sitz für den Reiter des auf dem Sat telbaum aufgebauten Sattels. Somit ist bereits durch den Sat telbaum die ordnungsgemäße Sitzposition für einen Reiter vor gegeben, aus der sich unmittelbar auch die Lage der Beine des Reiters ergeben. In der Folge lässt sich problemlos am Sattel-
bäum derjenige Bereich ermitteln, an dem bei dem späteren fer tigen Sattel auf Basis des Sattelbaums die Beine des Reiters anliegen werden. Dieser Bereich wird als „Kontaktbereich der Sitzbeine" bezeichnet. In diesem Bereich sind beim späteren Sattel regelmäßig die „Sattelblätter" befestigt, welche das Fell des Pferdes vor den Beinen des Reiters schützen.
Die Erfindung hat erkannt, dass durch eine gewisse Verschwenk- barkeit des hinteren Teils des Sattelbaums gegenüber dessen vorderen Teil eine erhebliche Entlastung eines Pferdes in des sen Lendenbereich erreicht werden kann, ohne dass es an ande ren Stellen zu unerwünschten hohen Druckspitzen auf den Pfer derücken kommt. Auch wird der Halt für den Reiter nicht oder zumindest nicht maßgeblich reduziert.
Um dies zu erreichen, ist der hintere Teil des Sattelbaums er findungsgemäß um eine Schwenkachse, die zwischen dem Kontakt bereich der Sitzbeine und dem Hinterzwiesel quer zur Längs richtung des Sattels verläuft, ausgehend von einer Nullposi tion nach oben hin verschwenkbar, während ein Verschwenken in die andere Richtung über die Nullposition hinaus durch den, die Nullposition definierenden Anschlag verhindert wird.
Die Nullposition kann dabei insbesondere so gewählt sein, dass sich in dieser Nullposition im Wesentlichen eine Form des er findungsgemäßen Sattelbaums ergibt, wie sie grundsätzlich von traditionellen Reitsätteln bekannt ist. Sitzt ein Reiter un mittelbar auf dem durch den Sattelbaum geformten Sitz auf, be findet sich der Sattelbaum des Reiters in der Regel zwangsläu fig in der Nullposition, da der hintere Teil aufgrund des Ge wichts des Reiters bis zum Anschlag und somit in die Nullposi tion verschwenkt wird. Das Gewicht des Reiters kann dann über die gesamte Länge des Sattelbaums verteilt in den Rücken des Pferdes eingeleitet werden, ohne dass unerwünschte Druckspit zen entstehen.
Gleichzeitig kann, wenn der Reiter aufgrund von Reitbewegungen den eigentlichen Sitz wenigstens kurzzeitig entlastet, der hintere Teil des Sattelbaums und somit des Sattels nach oben verschwenken, womit die Beweglichkeit des Pferdes im Lendenbe reich im Vergleich zu einem klassischen Sattel mit starrem Sattelbaum zu diesen Zeiten deutlich erhöht wird.
Es kann ein Rückstellelement vorgesehen sein, welches den Hin terzwiesel bei Auslenkung aus einer Ruheposition in die Ruhe position zurückdrängt. Die Ruheposition ist damit diejenige Position, in die der Hinterzwiesel von dem Rückstellelement gebracht wird, wenn keine äußeren Kräfte - wie bspw. die Ge wichtskraft des Reiters - auf den Sattelbaum bzw. den darauf aufgebauten Sattel einwirken.
Grundsätzlich ist es möglich, wenn die Ruheposition der Null position entspricht. Der Hinterzwiesel kann dann aufgrund der Bewegungen im Lendenbereich des Pferdes aus der Ruheposition bewegt werden, wenn der Reiter nicht unmittelbar auf dem Sitz aufsitzt, womit die Beweglichkeit des Pferdes gegenüber einem Sattel mit traditionellem Sattelbaum deutlich gesteigert ist.
Besonders bevorzugt ist es aber, wenn die Ruheposition von der der Nullposition abweicht. In diesem Fall liegt der Hinter zwiesel im Normalfall nicht auf dem Pferderücken auf, sondern wird nur in die Nullposition verschwenkt, wenn ein Reiter tat sächlich auf den durch den Sattelbaum geformten Sitz aufsitzt und diesen mit seinem Gewicht belastet. In diesem Fall wird das Gewicht des Reiters über den gesamten Sattelbaum verteilt in den Rücken des Pferdes eingebracht. In den übrigen Fällen bleibt der Lendenbereich des Pferdes vom Sattelbaum unbelas tet, womit eine hohe Beweglichkeit des Pferdes in diesem Be reich gewährleistet ist.
Das Rückstellelement kann vorzugsweise wenigstens eine stab- oder blattförmige Biegefeder, die sich über die Schwenkachse erstreckt, umfassen. Über die Ausgangsform der Biegefeder und deren Anbindung an die Sattelbaumstruktur kann auf einfache Weise die Ruheposition definiert werden. Insbesondere bei meh reren parallel angeordneten Biegefedern sind in der Regel keine zusätzlichen Gelenk- oder sonstige Schwenkelemente ent lang der Schwenkachse erforderlich. In diesem Fall ist auf grund der Einfachheit der Konstruktion und der Biegefedern selbst der Sattelbaum praktisch wartungsfrei.
Es ist bevorzugt, wenn der Anschlag auf einer Seite der
Schwenkachse an der Sattelbaumstruktur fest ist und sich zur Bildung einer Anschlagfläche über die Schwenkachse erstreckt. Durch diese Ausgestaltung des Anschlags ist der Bereich der Schwenkachse an der Unterseite des Sattelbaums wenigstens teilweise abgedeckt, sodass bspw. die in diesem Bereich häufig angeordnete Decken zum Schutz der Pferde nicht in den unmit telbaren Schwenkbereich des Sattelbaums geraten und die erfin dungsgemäß vorgesehene Schwenkbewegung einschränken oder voll ständig blockieren können. Dabei ist besonders bevorzugt, wenn der Anschlag sich über die gesamte Breite des Sattelbaums im Bereich der Schwenkachse erstreckt, den Bereich der Schwenk achse also vollständig abdeckt.
Die Sattelbaumstruktur kann aus Holz oder Kunststoff herge stellt sein.
Zur Erläuterung des erfindungsgemäßen Reitsattels wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen.
Die Erfindung wird nun anhand einer vorteilhaften Ausführungs form unter Bezugnahme auf die beigefügten Zeichnungen weiter beispielhaft beschrieben. Es zeigen:
Figur 1 : eine schematische Darstellung eines ersten Aus führungsbeispiels eines erfindungsgemäßen Sattel baums ;
Figur 2: eine Draufsicht auf den Sattelbaum aus Figur 2;
Figur 3a, b: Schnittansichten des Sattelbaums aus Figuren 1 und 2 entlang der Längsrichtung aus Figur 2 in Nullposition und Ruheposition des Hinterzwiesels ; und
Figur 4a, b: ein auf dem Sattelbaum gemäß Figuren 1 bis 3 auf gebauter Reitsattel in Nullposition und Ruheposi tion des Hinterzwiesels .
In Figur 1 und 2 ist ein erfindungsgemäßer Sattelbaum 1 ge zeigt. Der Sattelbaum 1 umfasst eine aus Kunststoff gefertigte Sattelbaumstruktur 2, die sich von einem Vorderzwiesel 3 ent lang einer Längsrichtung 4 zu einem Hinterzwiesel 5 erstreckt. Die Sattelbaumstruktur 2 formt einen Sitz 6 für den Reiter, der sich auch in einem auf der dargestellten Sattelbaumstruk tur 2 aufgebauten Sattel wiederfindet . Aus der Ausformung des Sitzes 6 ergeben sich unmittelbar zu beiden Seiten der Sattel baumstruktur 2 angeordneter Kontaktbereich 7, an denen die Beine eines Reiters bei ordnungsgemäßen Sitz an der Sattel baumstruktur 2 bzw. dem darauf aufgebauten Sattel anliegen.
Zwischen dem Kontaktbereich 7 und dem Hinterzwiesel 5 - und somit im Bereich des Sitzes 6 - ist die Sattelbaumstruktur 2 unterbrochen, um eine Schwenkachse 8 zu bilden, die senkrecht zur Längsrichtung 4 der Sattelbaumstruktur 2 verläuft. Über den Bereich der Schwenkachse 8 und mit der Sattelbaumstruktur 2 zu beiden Seiten verbunden, erstrecken sich drei blattartig ausgestaltete Biegefedern 9, welche als Rückstellelemente eine Schwenkbewegung des Hinterzwiesels 5 gegenüber dem vorderen
Teil der Sattelbaumstruktur 2 ermöglichen, ohne dass hierfür weitere Gelenke o. Ä. entlang der Schwenkachse 8 erforderlich wären .
Über die gesamte Breite der Sattelbaumstruktur 2 im Bereich der Schwenkachse 8 ist weiterhin ein Anschlag 10 vorgesehen, dessen genaue Ausgestaltung und Funktionsweise nachfolgend an hand der Figuren 3a und 3b erläutert wird.
In Figuren 3a und 3b ist der Sattelbaum 1 gemäß Figuren 1 und 2 jeweils in einer Schnittdarstellung entlang der Längsrich tung 4 der Sattelbaumstruktur 2 (vgl. Figur 2) dargestellt, wobei Figur 3a die Sattelbaumstruktur 2 bzw. den Hinterzwiesel
5 in Nullposition zeigt, während in Figur 3b die Sattelbaum struktur 2 in Ruheposition dargestellt ist. Die Figuren sind jeweils um eine Detaildarstellung des Bereichs um die Schwenk achse 8 ergänzt.
Der Anschlag 10 ist auf der Seite des Hinterzwiesels 5 entlang der Schwenkachse 8 fest an der Sattelbaumstruktur 2 befestigt und ragt vollständig über dem Bereich der Schwenkachse 8, so- dass der Anschlag 10 mit dem durch das Bezugszeichen 11 ange deuteten Anschlagsbereich 11 derart an der Sattelbaumstruktur 2 auf der gegenüberliegenden Seite der Schwenkachse 8 an, dass ein Verschwenken des Hinterzwiesels 5 in die in Figur 3a durch den Pfeil 90 angedeuteten Richtung verhindert wird. Die in Fi gur 3a gezeigte Position ist also durch den Anschlag 10 ein deutig definiert und wird als Nullposition bezeichnet.
Die Nullposition wird immer dann erreicht, wenn ein Reiter mit einem Gewicht im durch die Sattelbaumstruktur 2 geformten Sitz
6 sitzt.
Lastet kein Gewicht auf dem Sitz 6, wird die in Figur 3b ge zeigte Ruheposition erreicht, in welcher der Hinterzwiesel 5
gegenüber der Nullposition aus Figur 3a nach oben verschwenkt ist. Die Ruheposition wird automatisch eingenommen, da die Biegefedern 9 als Rückstellelement entsprechend vorgeformt und an der Sattelbaumstruktur 2 angeordnet sind, dass die gezeigte Ruheposition der Hinterzwiesel 5 der Ruhelage der Biegefedern 9 entspricht. Ausgehend von der Ruheposition kann die Hinter zwiesel 5 gegen die durch die Biegefedern 9 erzeugte Rück stellkräfte in die Nullposition gemäß Figur 3a verschwenkt werden. Es ist aber auch grundsätzlich möglich, dass der Hin- terzwiesel 5 noch weiter nach oben verschwenkt wird.
In Figur 4a und 4b ist analog zu den Figuren 3a und 3b ein auf dem beschriebenen Sattelbaum 1 aufgebauter Reitsattel 20 ge zeigt. Der Sattelbaum 1 ist dabei im Innern des aus Leder ge fertigten Reitsattels 20 angeordnet und weist auf seiner Un- terseite Sattelpolster 21 zur Auflage auf einem Pferderücken auf. Das Sattelpolster 21 erstreckt sich dabei über die ge samte Länge des Reitsattels 20 und somit auch über den Bereich der Schwenkachse 8 des Sattelbaums 1.
Im Kontaktbereich 7 für die Beine eines Reiters im Sitz auf dem Sattel 20 ist auf beiden Seiten des Sattels 20 jeweils ein Sattelblatt 22 vorgesehen.
Der Reitsattel 20 ist derart ausgebildet, dass der Sattelbaum 1 die in Zusammenhang mit Figuren 3a und 3b erläuterten Posi tionen - Nullposition (Figur 4a) und Ruheposition (Figur 4b) - einnehmen kann. Insbesondere ist der Sattel 20 also im Bereich der Schwenkachse 8 des Sattelbaums 2 derart flexibel gestal tet, dass die erfindungsgemäß vorgesehene Schwenkbarkeit ge währleistet bleibt.