Verfahren zur Herstellung leicht löslicher Arzneimittelformulierungen und entsprechende Formulierungen
Die vorliegende Erfindung betrifft eine pharmazeutische Formulierung zur Verabreichung eines Wirkstoffs, insbesondere eines schwer löslichen und/oder eines schwer benetzbaren Wirkstoffs in hydrolisierter Form sowie ein Verfahren zu deren Herstellung.
Es sind zahlreiche pharmazeutische Wirkstoffe bekannt, die in Intestinalflüssigkeiten nur schwer löslich sind bzw. deren Benetzbarkeit und damit deren Löslichkeitsgeschwindigkeit in Intestinalflüssigkeiten ungenügend ist. Die Benetzbarkeit oder Löslichkeit eines Wirkstoffs beeinflusst auch die Gleichmäßigkeit der Resorptionsrate in den Körper oder die Wechselwirkung am gewünschten Wirkort, beispielsweise der Darmschleimhaut. Die Wirksamkeit der betreffenden Substanzen wird dadurch stark eingeschränkt und unsicher.
Insbesondere bei Wirkstoffen, die topisch an der Darmschleimhaut angewendet werden sollen, ist eine schnelle, großflächige und gleichmäßige Verteilung am Wirkort wichtig, da
die Verweilzeit des Wirkstoffs am vorgesehenen Wirkort, wie dem lokalen Entzündungsbereich der Darmschleimhaut, infolge der Darmmotilität und der Bewegung des Darminhalts naturgemäß kurz ist.
Dies gilt beispielsweise für 6-Thioguanin, das seit langem zur Behandlung von verschiedenen Formen der Leukämie bekannt ist (US 2,697,709). In neuerer Zeit werden die immunsuppresiven Effekte von 6-Thioguanin zur Induktion und Aufrechterhaltung der Remission von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen genutzt (M.C. Dubinsky, Gastroenterology 118, Nr. 4, Suppl. 2, A 891 , Abstract Nr. 4929 (2000)). Pharmakokinetikstudien zeigen, daß die Resorption ungenügend und von Patient zu Patient stark schwankend ist (Martindale, 32nd Ed., S. 566).
Eine weitere bekannte Klasse Wirkstoffe zur Behandlung von entzündlichen Darmerkrankungen sind die Corticosteroide, wie insbesondere Budesonid. Auch hier kommt es auf eine genügende, d.h. schnelle und gleichmäßige Verteilung und Verfügbarkeit über große Flächen (Wirkflächen) an.
Eine Reihe von Maßnahmen zur Verbesserung der Resorption bzw. Verfügbarkeit insbesondere von schwer löslichen oder schwer benetzbaren pharmazeutischen Wirkstoffen wurde bereits beschrieben. (Revue-Arbeit zu Cyclodextrin, Ch.E. Strattan, Pharm. Technol. Internat. 16 (1992) Teil I S. 45 - 49, Teil II S. 68 - 74.)
Es besteht jedoch weiterhin ein Bedürfnis nach pharmazeutischen Formulierungen, die die Resorption bzw. Verfügbarkeit von Wirkstoffen im Körper verbessern, insbesondere die Resorption bzw. Verfügbarkeit von schwer löslichen oder schwer benetzbaren Wirkstoffen.
Es ist somit eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung, eine pharmazeutische Formulierung zur Verabreichung eines Wirkstoffs zur Verfügung zu stellen, die die Nachteile der im Stand der Technik bekannten Formulierungen nicht aufweist. Es sollen insbesondere Formulierungen zur Verfügung gestellt werden, die eine rasche und gleichmäßige Resorption des Wirkstoffs in den Körper bzw. Verfügbarkeit des Wirkstoffs am Wirkort ermöglichen, selbst wenn der Wirkstoff an sich schwer löslich und/oder schwer benetzbar ist. Die Formulierungen sollen auch gute Voraussetzungen für eine optimale
topische Wirksamkeit des Wirkstoffs im Darmbereich durch eine möglichst großflächige Verteilung im Darmbereich schaffen.
Es wurde nun überraschend gefunden, daß durch Adsorption des Wirkstoffs an ein hydrophiles Dispergiermittel diese Aufgabe gelöst wird. Auch schwer lösliche Wirkstoffe können hierdurch schnell und gleichmäßig in feinstdisperser bzw. kolloidaler Form am Wirkort freigesetzt werden.
Die vorliegende Erfindung betrifft somit eine pharmazeutische Formulierung, dadurch gekennzeichnet, daß der Wirkstoff an ein hydrophiles Dispergiermittel adsorbiert vorliegt.
Die Adsorption des Wirkstoffs an ein hydrophiles Dispergiermittel führt zu einer feinstdispersen oder kolloidalen Freisetzung des Wirkstoffs und damit zu der gewünschten raschen, feinstdispersten gleichmäßigen Verteilung des Wirkstoffs am vorgesehenen Wirkort. Hierdurch wird insbesondere eine optimale topische Wirksamkeit über weite Oberflächen der Darmschleimhaut bzw. über die gesamte Darmwandoberfläche erreicht.
Erfindungsgemäß können auch Wirkstoffe rasch kolloidal und gleichmäßig am Wirkort verteilt werden, die ansonsten unter den Bedingungen des Wirkorts nur schwer löslich oder benetzbar sind.
Unter "schwer löslicher oder schwer benetzbarer Wirkstoff" wird vorliegend jeder Wirkstoff verstanden, der in Intestinalflüssigkeiten zur Erreichung der gewünschten Wirkung nicht oder nicht ausreichend löslich ist (z.B. löslich im Verhältnis 1 :100 - 1 :10.000) bzw. dessen Löslichkeitsgeschwindigkeit aufgrund seiner schlechten Benetzbarkeit durch Intestinalflüssigkeiten zu gering ist, um die gewünschte Wirkung in der notwendigen Zeit zu erreichen. Für die Behandlung entzündlicher Darmerkrankungen wie Colitis Ulcerosa und Morbus Crohn gehören hierzu 6-Thioguanin und Corticosteroide wie beispielsweise Budesonid. 6-Thioguanin und Budesonid sind für die erfindungsgemäße pharmazeutische Formulierung bevorzugt.
Die vorliegende pharmazeutische Formulierung eignet sich jedoch nicht nur für die Verabreichung topisch wirksamer Arzneistoffe im Darm, sondern auch für die
Verabreichung anderer Arzneistoffe, die für die Entfaltung ihrer Wirksamkeit vom Körper resorbiert werden müssen, deren Resorption jedoch aufgrund ihrer ungenügenden Löslichkeit oder Löslichkeitsgeschwindigkeit nicht ausreichend ist.
Vorzugsweise liegt die erfindungsgemäße pharmazeutische Formulierung in Form eines peroral verabreichbaren, festen Arzneimittels vor.
In der erfindungsgemäßen pharmazeutischen Formulierung ist der Wirkstoff an ein hydrophiles Dispergiermittel adsorbiert. Die kolloidale Freisetzung des Wirkstoffs wird dadurch erreicht, daß er möglichst fein verteilt an ein geeignetes hydrophiles Dispergiermittel adsorbiert ist. Besonders bevorzugt ist der Wirkstoff kolloiddispers an dem hydrophilen Dispergiermittel adsorbiert.
Als hydrophiles Dispergiermittel eignet sich jedes pharmazeutisch verträgliche hydrophile Suspendierungshilfsmittel, das die Wirksamkeit des Wirkstoffs nicht negativ beeinflußt und das sich rasch in Intestinalflüssigkeiten verteilt, vorzugsweise löst. Als Dispergiermittel eignen sich beispielsweise hydrolysierte Stärke, Dextrin, Dextran, kolloidales Siliciumdioxid, hydrolysierte Gelatine und wasserlösliche Celluloseether (z.B. Na-Carboxymethylcellulose). Hydrolysierte Gelatine (vorteilhaft mit Molekulargewicht 5.000 - 30.000, vorzugsweise 7.000-20.000) wird erfindungsgemäß bevorzugt. Die hydrolysierte Gelatine liegt bevorzugt als feines, porenreiches, sprühgetrocknetes Pulver vor.
Das Mengenverhältnis von Wirkstoff zu hydrophilem Dispergiermittel kann vom Fachmann in Abhängigkeit von den gewünschten Eigenschaften der pharmazeutischen Formulierung frei gewählt werden. Beispielsweise kann das Gewichtsverhältnis von Wirkstoff zu hydrophilem Dispergiermittel im Bereich 1 :0,5 bis 1 :20 liegen, vorzugsweise im Bereich von 1:1 bis 1:10 und besonders bevorzugt von 1:1 bis 1:5.
Wenn die erfindungsgemäße pharmazeutische Formulierung zur Verabreichung eines topisch an der Darmschleimhaut wirkenden Arzneistoffs bestimmt ist, kann sie beispielsweise mit einem enterischen Überzug versehen sein, um eine vorzeitige Freisetzung des Wirkstoffs im Magen zu verhindern. Magensaftresistente Überzugslacke für enterische Arzneimittel sind im Stand der Technik bekannt (z.B. EP-A-0 453 001).
Alternativ oder zusätzlich kann die erfindungsgemäße pharmazeutische Formulierung das Wirkstoffadsorbat in Mischung mit einem magensaftunlöslichen, darmsaftlöslichen Bindemittel enthalten. Entsprechende Bindemittel sind beispielsweise (Meth)acrylsäure- Copolymere, Celluloseacetatphthalat, Methylhydroxypropylcellulosephthalat,
Methylhydroxypropylcellulosesuccinat und Polyvinylacetatphthalat. Diese Bindemittel bilden eine Matrix, aus der das Wirkstoffadsorbat verzögert freigesetzt wird. Weitere geeignete matrixbildende Polymere sowie Verfahren zur Herstellung entsprechender Formulierungen sind beispielsweise in der DE 197 32 903 A1 offenbart.
Die erfindungsgemäße pharmazeutische Formulierung eignet sich insbesondere zur Behandlung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa, sowie der collagenen Colitis und der mikroskopischen oder lymphocytären Colitis in deren aktiver und chronischer Phase und zur Behandlung von Folgeerkrankungen und Begleiterkrankungen wie der primären sklerosierenden Cholangitis (PSC) und zur Verhinderung des Wiederauftretens dieser Erkrankung (Remissionserhalt). Des weiteren eignet sich diese Formulierung zur Therapie autoimmuner Lebererkrankungen wie autoimmune Hepatitis (AIH), primär biliäre Zirrhose (PBC), primär sklerosierende Cholangitis (PSC) und autoimmune Cholangitis (AIC), sowie deren Overlap-Syndrome (AIH-PBC, AIH-PSC, AIH-AIC) insbesondere auch in der Kombination mit Ursodeoxycholsäure und/oder Glucocorticosteroiden. Durch die besonders gute Verteilung des Wirkstoffs im Darm ist es zudem möglich, die zur Behandlung der Erkrankung notwendige Menge des Wirkstoffs zu erniedrigen und somit die Zahl und Schwere der auftretenden Nebenwirkungen zu verringern.
Die vorliegende Erfindung betrifft somit auch die Verwendung des vorstehend beschriebenen Wirkstoff-Adsorbats zur Herstellung eines Medikaments zur Behandlung von entzündlichen Darmerkrankungen, zur Prävention dieser Erkrankungen und zur Verhinderung des Wiederauftretens dieser Erkrankungen oder daraus entstehender Folgeerkrankungen sowie möglicher Begleiterkrankungen.
Zur Herstellung des erfindungsgemäßen hydrophilen Adsorbats wird zunächst der Wirkstoff möglichst fein verteilt an das hydrophile Dispergiermittel adsorbiert. Hierfür kann der Wirkstoff zunächst in einem geeigneten Lösungsmittel wie z.B. Aceton, Ethanol,
Methylenchlorid etc. gelöst werden. Diese Lösung kann mit der geeigneten Menge des gewünschten hydrophilen Dispergiermittels versetzt werden, wodurch der Wirkstoff auf das Dispergiermittel aufgezogen bzw. an dieses adsorbiert wird. Hierdurch wird die erfindungsgemäß bevorzugte kolloiddisperse Adsorption des Wirkstoffs an dem hydrophilen Dispergiermittel erreicht. Das feuchte Adsorbat kann anschließend durch Trocknen vom Lösungsmittel befreit werden.
Alternativ kann die Adsorption des Wirkstoffs an dem gewünschten hydrophilen Dispergiermittel beispielsweise auch durch intensives Verreiben des Wirkstoffs mit dem Dispergiermittel erfolgen. Hierzu eignen sich beispielsweise bekannte Taumelmischer, Turbula-Mischer und Trommelmischer, in denen der Wirkstoff und das hydrophile Dispergiermittel beispielsweise für 2-30 Minuten, vorzugsweise 5-15 Minuten intensiv miteinander vermischt werden.
Vorzugsweise liegt die erfindungsgemäße pharmazeutische Formulierung als Granulat oder Aggregat vor, da diese sich noch vor der Freisetzung des Wirkstoffs im Darm verteilen und so zu einer großflächigen Verteilung des Wirkstoffs beitragen.
In einer weiteren Ausführungsform können die Granulate oder Aggregate in Tabletten oder Gelatinekapseln enthalten sein.
Das erfindungsgemäße Wirkstoffadsorbat kann entweder direkt zu der gewünschten pharmazeutischen Formulierung weiterverarbeitet werden oder vorzugsweise in einer zweiten Stufe, beispielsweise um eine verzögerte Freisetzung dieses hydrophilisierten, normalerweise schlecht löslichen Wirkstoffs zu erreichen, in eine magensaftunlösliche, darmsaftlösliche Matrix eingebettet werden. Hierdurch wird erreicht, daß der normalerweise schwerlösliche Wirkstoff durch die Hydrophilisierung kolloidal freigesetzt wird und die Geschwindigkeit dieser Freisetzung durch die magensaftunlösliche, darmsaftlösliche Matrix gesteuert wird.
Fig. 1 zeigt die Dissolutionsgeschwindigkeit von Budesonid aus einer erfindungsgemäßeri Budesonid-Gelita Sol-Formulierung im Verhältnis 1 :2,5.
Fig. 2 zeigt die Dissolutionsgeschwindigkeit von Budesonid aus einer erfindungsgemäßen Budesonid-Gelita Sol-Formulierung im Verhältnis 1 :5.
Fig. 3 zeigt die Dissolutionsgeschwindigkeit von Budesonid aus einer nicht erfindungsgemäßen Budesonid-Lactose-Formulierung im Verhältnis 1:1.
Die nachfolgenden Beispiele sollen die Erfindung näher erläutern, ohne sie jedoch darauf einzuschränken.
Beispiel 1
100 g fein pulverisiertes Thioguanin oder Budesonid werden in einem geeigneten Taumelmischer (Turbula-Mischer, Trommelmischer, etc.) während 2 Minuten bis zu einer halben Stunde, vorzugsweise 5 Minuten bis zu einer Viertelstunde, intensiv mit 400 g (oder 100 g bis 1.000 g) hydrolysierter, sprühgetrockneter Gelatine (Gelita Sol) mit einem Molekulargewicht von ca. 10.000 (oder 5.000 bis 10.000 oder 13.000 bis 20.000) gemischt und anschließend durch ein Sieb von 0,8 mm Maschenweite (oder 0,6 bis 1 ,0 mm) gesiebt.
Beispiel 2
Die Wirkstoffe, z.B. Thioguanin oder Budesonid werden in einem geeigneten Lösungsmittel, z.B. Methylenchlorid gelöst. Hydrolysierte Gelatine wird mit dem gelösten Wirkstoff im Verhältnis 5:1 befeuchtet. Das Lösungsmittel wird abgedampft. Das erhaltene Wirkstoff-Adsorbat kann zu beliebigen pharmazeutischen Formulierungen wie z.B. Tabletten, Granulaten, Kapseln, etc. weiter verarbeitet werden.
Beispiel 3
Die Dissolutionsgeschwindigkeit verschiedener gemäß Beispiel 1 hergestellter Budesonidformulierungen wurden im 900 ml Phosphatpuffer bei pH 6,8 nach der USP paddle-Methode (50 Upm, 37°C, n = 6) bestimmt. Als erfindungsgemäße Formulierungen wurden Adsorbate von Budesonid an Gelita Sol im Verhältnis 1 :2,5 und 1:5 getestet, als Vergleichsformulierung eine Budesonid-Lactose-Verreibung im Verhältnis 1 :1.
Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind in den Fig. 1-3 dargestellt. Man erkennt, daß die Dissolutionsgeschwindigkeit des Budesonids in Gegenwart von hydrolysierter Gelatine signifikant erhöht ist.