Beschreibung
Verwendung von Pyrimidin- und Purinnucleosiden zur Prophylaxe und /oder Behandlung von durch Adenoviren verursachten Infektionen
Die Erfindung betrifft die Verwendung von Pyrimidin- und Purinnucleosiden als Wirkstoffe zur Prophylaxe und/ oder Behandlung von durch Adenoviren verursachten Infektionen, insbesondere in der Humanmedizin.
Adenoviren verursachen fieberhafte Infektionen der Schleimhäute der oberen Luftwege oder des Intestinaltraktes , hämorrhagisσhe Zystitiden, das Pharyngokonjunktivitisfieber oder epidemisch auftretende langwierige Keratokonjunktivitiden. Von schweren durch Adenoviren verursachte Bronchopneumonien mit tödlichen Ausgang sind insbesondere Säuglinge und Kleinkinder mit herabgesetzter Immunabwehr betroffen. Auch bei AIDS-Patienten und Transplantatempfängern spielen Adenovirus infektionen eine zunehmend größere Rolle . Bisher gibt es keine wirksame antivirale Therapie . Einzig in EP 0305117 sind 5-substituierte 3 ' -fluormodif izierte Desoxyuridinderivate als potentielle Hemmstoffe von Adenovirusinfektionen beschrieben, wobei eine antivirale Wirksamkeit nur von 3 ' -Fluorthymidin nachgewiesen wurde , von dem aus einer Reihe anderer Untersuchungen bekannt ist , daß es auch die Zellvermehrung relativ stark beeinträchtigt (Matthes et al. Biochem. Biophys. Res. Commun. 153 , 825-831 (1988) ; Hartmann et al. . AIDS Res. and Human Retroviruses 4 , 457-466 (1988) ; Herdewijn et al. J. Med. Chem. . 30 , 1270-1278 (1987) . Damit verfügt es nicht über die hohe Selektivität, die für einen klinischen Einsatz bei Adenovirus infektionen erforderlich ist.
Die Erfindung hat die Aufgabe , pharmazeutische Mittel für die Prophylaxe und/oder die Behandlung entsprechender Infektionen bereitzustellen, die neben einer hohen Wirksamkeit eine gute Verträglichkeit und geringe Toxizität aufweisen.
Die Erfindung wird gemäß der Ansprüche 1, 4 , und 5 realisiert. Die ünteransprüche sind entsprechende Vorzugsvarianten. Erfindungsgemäß werden Pyrimidin- und Purinnucleoside mit den allgemeinen Formeln
I, II, III oder IV
denen R1 = Thymin, Cytosin, 5-Methylcytosin, 5-Ethylcytosin, 5-Formylcytosin, Adenin, 6-Monoalkyladenin (C1-C3), Guanin, 6-Chlorguanin, 6- Thioguanin, 6-Methoxyguanin, 2 - 6-Diaminopurin,
R2 = H, F, N3,
R3 = OH, O-Acetyl, O-Palmitoyl, O-Alkoxycarbonyl, Phosphonat, Mono-, Di-, Triphosphat bzw. andere Precursorgruppen für die 5-Hydroxylgruppe,
R4 = Guanin, 6-Chlorguanin, 6-Thioguanin, 6-Methoxyguanin, 2 ,6-Diaminopurin,
mit folgender Einschränkung:
wenn R1 = Thymin, dann ist R2 ≠ F
bedeuten als Wirkstoffe allein oder als Kombination mit üblichen Träger- und Verdünnungsmitteln verwendet.
Diese Pyrimidin- und Purinnucleoside stellen Wirkstoffe gegen Adenovirus infektionen dar, die als solche sowie in Form pharmazeutischer Mittel zusammen mit geeigneten Hilfsund/oder Trägerstoffen zur Behandlung und/ oder Prophylaxe von Adenovirus infektionen insbesondere in der Humanmedizin vorteilhaft eingesetzt werden können.
Als besonders wirksam erwiesen sich:
2',3'-Didesoxycytidin (I)
2',3'-Didesoxyadenosin (I)
2',3'-Didesoxyguanosin (I)
2',3'-Didesoxy-3'-fluorcytidin (I)
2',3'-Didesoxy-3'-fluor-5-methylcytidin (I)
2',3'-Didesoxy-3'-fluorguanosin (I)
3'-Azido-2',3'-didesoxyguanosin (I)
2',3'-Didehydro-2',3'-didesoxythymidin (II)
2',3'-Didehydro-2',3'-didesoxyadenosin (II)
carbozyklisches 2'-Desoxyguanosin (III)
carbozyklisches 2',3'-Didehydro-2',3'-didesoxyguanosin (IV)
Sie sind gegenüber den Verbindungen des Standes der Technik gut wirksam und weisen eine geringere Toxizität und weniger Nebenwirkungen auf.
Ihre Herstellung erfolgt nach an sich bekannten Verfahren. Die Pyrimindinnucleoside des Typs I werden im Zuckerteil modifiziert durch den nucleophilen Austausch bzw. die Hydrogenolyse geeigneter Gruppen. Der Heterocyclus kann durch Aminierung leicht in der C-4-Position bzw. durch Bromierung einer Methylgruppe und nachfolgender Hydrolyse am C-5-Atom verändert werden.
Purinnucleoside, deren 3'-Position modifiziert ist, werden durch Übertragung des entsprechenden Zuckerrestes eines
Pyrimidinnucleosids auf das jeweilige Purin erhalten.
Aus geeigneten 3'-Sulfonyloxyverbindungen werden in Eliminierungsreaiktionen die 2',3'-Didehydro-2',3'-didesoxynucleoside vom Typ II erhalten, die durch katalytische Hydrogenolyse in die 2',3'-Didesoxynucleoside überführt werden.
Die carbocyclischen 2',3'-Didehydro-2',3'-didesoxy-2,6-di¬substituierten Purinnucleoside werden aus 2-Amino-4,6-dichlorpyrimidin und (cis-4-C-hydroxymethyl) cyclopentylamin über (±cis-[4-[C2,5-Diamino-6-chlorpyrimidinyl)amino]-2-cyclopentenyl] carbinol als Zwischenstufe synthetisiert.
(R.VINCE and M. HUA, J. Med. Chem. -1990, 33, 17-21)
Die Wirksamkeit einiger der erfindungsgemäßen Verbindungen wird wie folgt belegt:
a) Antivirale Aktivität
Vero-Zellen wurden passagiert im Verhältnis 1:6 in Wachstumsmedium MEM unter Zusatz von 8% fötalem Kälberserum, und einer 0,075%igen Natriumbikarbonatlösung und 100 U Penicillin G und 100 μg Streptomycin/ml Medium.
Diesen Zellkulturen wurden Suspensionen des Adenovirus Typ 5 zugesetzt, die nach einstündiger Adsorption entfernt und durch das obengenannte Medium ersetzt wurden. Die Inkubation erfolgte bei 37°C über einen Zeitraum von 4 Tagen bis zur Ausbreitung eines kompletten zytopathischen Effektes. Nach 3 maligem Frieren und Tauen der Zellkultur wurde der virushaltige Überstand durch Zentrifugation gewonnen und bei - 70°C bis zum Versuchsbeginn aufbewahrt. Die Titerbestimmung der Suspension ergab 105'5 TCID50/0,1 ml.
Die Bestimmung der antiviralen Wirksamkeit der erfindungsgemäßen Verbindungen erfolgte in 2 verschiedenen Testverfahren. Test 1: Hierbei wurden die Substanzen mit den Zellen (200000 /ml) für 30 Minuten vor inkubiert und danach die Virussuspension in einer konstanten Dosis von 30 TCID50 hinzugefügt. Das Auftreten des virus induzierten zytopathischen Effektes wurde bis zu 7 Tage nach Inkubationsbeginn verfolgt. Das Ausmaß des zytopathischen
Effektes unter Einwirkung der Substanzen wurde in Relation zu dem der unbehandelten Kontrollen gesetzt . In einer 2. Testvariante wurden Zellen, Viren und die zu testenden Substanzen gleichzeitig inkubiert.
Zytotoxische Wirkungen auf die Vero-Zellen wurden erst bei Konzentrationen > 100 μM gefunden.
Tabelle
Hemmung der Vermehrung des Adenovirus Typ 5 durch einige der erfindungsgemäßen Verbindungen.
Wiedergegeben sind die Konzentrationen ( 10-XM) , die nach einer 4-tägigen Inkubation zu einer 50% Hemmung des zytopathischen Effektes führen (ID50) .
ID50; 10-XM
Verbindung Test 1 Test 2
2',3'-Didehydro-2',3'- 5,5 5,7didesoxythymidin
2',3'-Didesoxycytidin 5,4 5,5
2',3'-Didesoxy-3'-fluor4,3 4,5 cytidin
2',3'-Didesoxy-3'-fluor- 4,6 4,9 5-methylcytidin
2',3'-Didesoxyadenosin 4,5 4,4
2',3'-Didesoxyguanosin 4,5 4,6
2',3'-Didesoxy-3'-fluor5,4 5,7 guanosin
b) Zytotoxizität der Nucleosidanaloga
Im Hinblick auf eine mögliche Anwendung der Verbindungen beim Menschen wurden ihre möglichen antiprolif erativen Wirkungen außerdem auf die blutbildenden Stammzellen des Knochenmarks untersucht und damit auf diejenigen Zellen, die sich als besonders empfindlich gegenüber antiproliferativen Nebenwirkungen von Virostatika erwiesen haben (z.B. des Azidothymidins). In diesem Test wurde die Koloniebildung von Zellen des Knochenmarks (CFU-GM) der Maus durch 2',3'-Didesoxy-3'-fluorcytidin und 2',3'- Didesoxy-3'-fluor-5-methylcytidin so gut wie nicht beeinträchtigt. Die konzentrationsabhängige Wirkung weiterer Verbindungen auf die Koloniebildung von CFU-GM der Maus ist aus der Abbildung zu ersehen.
Abbildung
Die Wirkung modifizierter Nucleoside auf die Koloniebildung von Knochenmarkzellen der Maus (CFU-GM). Abkürzungen: FCdR = 2',3'-Didesoxy-3'-fluorcytidin; FMetCdR = 2',3'-Didesoxy-3'-fluor-5-methylcytidin; ddG = 2',3'-Didesoxyguanosin; FGdR = 2',3'-Didesoxy-3'-fluorguanosin; ddA = 2',3'-Didesoxyadenosin; ddeT = 2,,3,-Didehydro-2'-3'-didesoxythymidin.
Nachstehend wird die Erfindung an Beispielen näher erläutert, die die Erfindung jedoch nicht beschränken sollen.
Beispiel 1
1-(2,3-Didesoxγ-3-fluor-ß-D-ribofuranosyl)cytosin
(2',3'-Didesoxy-3'-fluorcytidin)
Die Verbindung wird nach G. Kowollik et al., J. Prakt. Chem.
1973, 315, 895-900, gewonnen.
F. 230°C (Zers.) (Ethanol).
Beispiel 2
1-(2,3-Didesoxy-ß-D-glycero-pent-2-enofuranosyl)adenin
(2',3'-Didesoxyadenosin)
Aus Adenosin wird nach M. M. Mansuri et al., J. Org. Chem. 1989, 54, 4780-4785, die Titelverbindung erhalten.
F. 191 - 193°C.
Beispiel 3
2',3'-Didesoxyguanosin
N2-Isobutyryl-2',3'-didehydro-2',3'-dideoxyguanosin (C.K CHU et al., J. Org. Chem. 1989, 54, 2217-2225) wird in Ethanol mit Palladium/Kohle (10%) hydrogenolysiert und mit Ammoniak/Methanol (gesättigt bei 0°C) behandelt. Nach dem Entfernen des Lösungsmittels wird der Rückstand an Celite säulenchromatographisch mit der oberen Phase des Systems Essigester/i-Propanol/Wasser (4/1/2) als Elutionsmittel gereinigt. Aus den entsprechenden Fraktionen wird 2',3'-Didesoxyguanosin isoliert.
F. > 250°C.
Beispiel 4
9-(2.3-Didesoxy-3-fluor-ß-D-ribofuranosyl)-6-thioquanin
(2',3'-Didesoxy-3'-fluor-6-thioguanosin)
200 mg (0,7 mmol) 1-(5-O-Acetyl-2,3-didesoxy-3-fluor-ß-D-ribo-furanosyl)thymin werden in 15 ml Acetonitril mit 203 mg
(0,5 mmol) N2-Palmitoyl-6-thioguanin und 1 ml (4,06 mmol)
Bis-trimethylsilylacetamid für 30 min unter Rückfluß erhitzt. Anschließend werden 0,06 ml Trifluormethansulfonsäuretrimethylsilylester hinzugegeben und die Lösung wird für weitere 4 Std. zum Sieden erhitzt. Die abgekühlte Lösung wird in 500 ml Ethanol/ wässrigem Ammoniak, 4:1 (V/V) für 10 Std. aufbewahrt. Nach dem Vertreiben des Lösungsmittels i.Vak. verbleibt ein Rückstand, der an Kieselgel (200 g Kieselgel 40, 0,63-0,2 mm) mit 0,3 1 Chloroform, 3 1 Chloroform (2% bzw. 3% Methanol) und 1,7 1 (10% Methanol) als Elutionsmittel säulenchromatographisch getrennt wird.
Aus den entsprechenden Fraktionen werden 22 mg der Titelverbindung erhalten.
F. > 290°C.
UV (Wasser): max 349,2 nm (e 19100).
MS m/z (180°C, 70 eV): 285 (M+) .
1H-NMR (d6-DMSO/TMS) : δ 11,97 (s, 1H, H-N1).
8,18 (s, 1H, H-8), 7,13 (dd, 1H, H-1',
J1',21 = 6'59 Hz), 649 (s, 2H, NH2), 5,28
(m, 1H, H-3'), JF ,3, = 54,1 Hz), 5,02
(+, 1H, OH-5'), 4,76 (m, 1H, H-4', JF,4, = 26,1 Hz),
345 (m, 2H, H-5'), 3,37 - 3,55 (m, 2H, H-2'a, H-2'b).
Beispiel 5
9-(2,3-Didesoxy-3-fluor-ß-D-ribofuranosyl)guanin
(2',3'-Didesoxy-3'-fluorguanosin)
Gemäß dem Beispiel 4 werden aus 200 mg (0,7 mmol) 1-(5-O-
Acetyl-2,3-dideoxy-3-fluor-ß-ribofuranosyl)thymin und 3 mmol
N2-Palmitoylguanin (DD WP 209197, 21.5.1981; Chem.Abstr.
101, 171660 Y, 1984) nach säulenchromatographischer Trennung des Reaktionsgemisches 25 mg der Zielverbindung erhalten.
F. > 269°C.
MS m/z (300°C, 70 eV) : 269 (M+).
ERSATZBLATT
Beispiel 6
9-(3-Azido-2.3-didesoxy-ß-D-ribofuranosyl)guanin
(2',3'-Didesoxy-3'-azidoguanosin)
Die Verbindung wird nach dem von M. Imazawa und F. Eckstein,
J. Org. Chem. 1973, 43, 3044-3048, beschriebenen Verfahren dargestellt.
F. > 300°C.
Beispiel 7
2',3'-Didesoxycytidin
Aus N-Benzoyl-2'-desoxycytidin (G.S.TI, B.L. Gaffney and
R.A. Jones, J.Am.Chem.Soc. 1982, 104, 1316-1319) wird das entsprechende 3',5'-Di-O-mesylderivat hergestellt. Über die
3',5'-Epoxy-Verbindung als Zwischenstufe wird in Eliminierungsreaktionen zunächst das 2',3'-ungesättigte Produkt erhalten, das durch Hydrogenolyse mit Palladium/Kohle (10%) in das 2',3'-Didesoxycytidin überführt wird.
F. 214°C.
Beispiel 8
(+)-2-Amino-1.9-dihydro-9[(1α. 3ß. 4α)-3-hydroxy-4-(hydroxymethyl)cyclopentyl]-6-H-purin-6-on
Aus dem entsprechenden 2-Amino-6-chlorpurinderivat wird durch alkalische Hydrolyse die Titelverbindung erhalten (Y.F. Shealy, CA. O'Dell, W.M. Shannon and G. Arnett, J. Med. Chem. 1984, 27, 1416-1421).
F. 243-247°C.
Beispiel 9
Iniektionslösung
Wirkstoff 10 mg
physiologische NaCl-Lösung auf 20 ml
Der Wirkstoff wird in physiologischer NaCl-Lösung unter geringem Schütteln aufgelöst. Diese Lösung wird unmittelbar vor der Applikation zubereitet.
Beispiel 10
Tablettenformulierung
mg/Tablette
Wirkstoff 100
Lactose 200
Stärke 50
Der Wirkstoff wird mit Lactose/ Stärke zu Tabletten oder Drageekernen verpreßt, die mit einem magensaftresistenten Überzug entweder durch Überziehen der Tabletten mit z .B.
Latex oder durch Dragierung der Drageekerne versehen werden.
Beispiel 11
Augentropfen
Wirkstoff 20 mg
Zephirol (Benzalkoniumchlorid) 1 mg
isotonischer Phosphatpuffer pH 7 zu 10 ml
In einem Teil des Puffers wird der Wirkstoff gelöst, Zephirol und der Rest der Pufferlösung werden zugesetzt. Die Lösung wird durch einen Sterilfilter filtriert und in eine sterile Augentropf enf lasche gefüllt.