Hirudinpolyalkylenglykolkonjugate
Beschreibung Die Erfindung betrifft neue Hirudinmuteine und deren Hirudinpolyalkylen- glykolkonjugate, deren Herstellung sowie deren Verwendung sowohl zur Prophylaxe und Therapie von kardiovaskulären Krankheiten als auch zur Modifikation makromolekularer Träger. Hirudin ist ein seit langer Zeit bekanntes, natürlich vorkommendes Protein mit blutgerinnungshemmenden Eigenschaften. Es ist der stärkste und selektivste bisher bekannte Thrombininhibitor (Naturwissenschaften, (1955) 42, 537; Hoppe-Sey lers Z. für Biol. Chemie, (1985) 366, 379). Das aus dem medizinischen Blutegel Hirudo medicinalis isolierbare Polypeptid besteht aus 65 Aminosäuren, enthält drei Disulfidbrücken und ist an Position Tyrosin 63 sulfatiert. Darüber hinaus existieren noch mehrere natürlich vorkommende Isoformen, die sich vom ursprünglichen Hirudin durch Aminosäureaustausch in verschiedenen Positionen unterscheiden (Folia Haematol. (1988), 115, 30). Ebenso sind gentechnologisch hergestellte Varianten bekannt (Biochemistry (1988), 27, 6517, FEBS-Lett. (1988), 229, 87).
Hirudin und verschiedene Varianten sind heute auf gentechnologischem Weg zugänglich, wobei den mit gentechnologischen Methoden hergestellten
Hirudinen der Sulfatrest an Aminosäure Tyr 63 fehlt (Biochemistry (1989), 28, 2941, DNA (1986), 5, 511). Die gute physiologische Verträg l i c hke i t dieses Gerinnungsinhibitors ist ebenfalls seit geraumer Zeit bekannt (Pharmazie (1981), 10, 653).
Trotz seiner günstigen pharmakodynami sehen Eigenschaften ist Hirudin aufgrund seiner geringen Halbwertzeit im Blut von ca. 50 min. für lang andauernde therapeutische Anwendungen weniger geeignet. Es ist bekannt, daß die Halbwertszeit von Proteinen durch Konjugation mit Makromolekülen verlängert werden kann (J. Biol. Chem. (1977), 252, 3582; Biochim.
Biophys. Acta (1981), 660, 293). Häufig wird nach einer solchen Derivatisierung mit z. B. Polyethylenglykol eine signifikante Verschlechterung der enzymatischen Aktivität beobachtet, was die Anwendbarkeit solcher modifizierter Proteine stark einschränkt (Cancer. Treat. Rep. (1979), 63, 1127; Chemistry Lett. (1980), 773). Im Falle von Hirudin konnte von Walsmann kürzlich gezeigt werden, daß durch Kopplung mit Dextran eine deutliche Halbwertszeitverlängerung von ca. 50 min. auf über 7 h erreicht werden konnte, allerdings unter drastischem Verlust an Aktivität (Pharmazie (1989), 44, 72). Einer therapeutischen Anwendung solcher Dextan-Hirudine steht trotz der günstig veränderten Halbwertszeit die sehr geringe Aus
beute an Produkt, die drastisch reduzierte spezifische Aktivität sowie die damit möglicherweise verbundenen Änderungen der pharmakodynami sehen Eigenschaften entgegen. Eine Konjugation von Proteinen mit Makromolekülen wird häufig über die Reaktion der Carboxylgruppen der Aminosäuren Asparaginsäure oder Glutaminsäure, über die Reaktion der Sulfhydrylgruppe der Aminosäure Cystein oder durch Umsetzung der Seitenketten-Aminogruppe der Aminosäure Lysin des entsprechenden Proteins erreicht. Häufig sind jedoch gerade die genannten Aminosäuren für die Funktion des entsprechenden Proteins von essentieller Bedeutung. Die Derivatisierung eines Proteins kann mit einer Veränderung der physikalisch/chemischen oder enzymatischen Eigenschaften bis hin zur Inaktivierung verbunden sein. Hirudin enthält mehrere Asparaginsäure- und Glutaminsäurereste, hauptsächlich im C-terminalen Bereich des Moleküls. Lysinreste, befinden sich in Position 27, 36 und 47 im Hirudinmolekül. Darüberhinaus wäre eine Kopplung über den C-Terminus oder den N-Terminus des Moleküls denkbar. Es ist jedoch bekannt, daß sowohl die sauren Aminosäuren im C-terminalen Bereich (FEBS. Lett. (1983), 164 307-313) als auch die basischen Lysinreste, insbesondere der im Molekül stark exponierte Lysinrest Nr. 47 an der Interaktion des Hirudins mit der Protease Thrombin entscheidend beteiligt sind (Biol. Chem. Hoppe-Seyler (1985), 366,
379-385). Reaktionen am N-Terminus , wie z.B eine Verlängerung (Biochemistry (1989), 28, 10079) führen zu einer drastischen Abnahme der inhibitorischen Aktivität des Hirudins. Daher war nicht zu erwarten, daß eine Derivatisierung von Hirudin ohne signifikanten Aktivitätsverlust zu erreichen ist. Diese Erwartung wird durch die von Walsmann (Pharmazie (1989), 44, 72) durchgeführten Arbeiten zur Derivatisierung der Lysinreste des Hirudins mit Dextran deutlich belegt. Wegen der großen Zahl saurer Aminosäuren ist bei einer Konjugation von Makromolekülen mit den Carboxylseitenketten des Hirudins kein einheitliches Produkt zu erwarten. Selbst bei einer Derivatisierung nur der basischen Funktionen des Polypeptids wird ein Gemisch aus bis zu 32 verschiedenen Verbindungen erwartet. Bei den Mono-, Di- und Tri-substituier- ten Derivaten ist eine große Zahl von Stellungsisomeren denkbar, die sich in ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften weitgehend gleichen, jedoch in ihrer biologischen Aktivität unterschiedlich sind. Selbst wenn die Mehrzahl der theoretisch denkbaren Konjugate nur im Spurenbereich zur Gesamtmischung beitragen, muß mit erheblichen Problemen bei der Trennung von einem inhomogenen Produkt gerechnet werden.
Es wurde nun gefunden, daß die Konjugation von Polyalkylenglykolderivaten durch Einsatz geeigneter Hirudin-Muteine so gut zu steuern ist, daß mit
akzeptablem Reinigungsaufwand chemisch einheitliche Hirudin-Polymer- derivate erhalten werden können, überraschend war der Befund, daß Hirudin- Polyalkylenglykolderi vate der allgemeinen Formel I [A-(CH2)n-[O-(CH2)n]m-B-]p Hir I worin
A einen der Reste -OH, -NH2, -NH-CO-R, -O-R oder -O-CO-R (mit R in der Bedeutung einer C1-C4-Alkylengruppe) n die Zahl 2, 3 oder 4 m eine Zahl von 50 bis 500
B eine direkte kovalente Bindung oder ein Linker, p die Zahl 1, 2 oder 3 und Hir einen über die Aminogruppe(n) der Lysin-Seitenketten an den (die)
(A-(CH2)n-(O-(CH2)n)m-B-)p-Res'te gebundenen Hirudin-Rest bedeutet, deutlich verlängerte Bioverfügbarkeiten besitzen, wobei die biologische Wirksamkeit ganz oder weitgehend erhalten bleibt.
Als Hirudin-Muteine kommen die folgenden Verbindungen sowie deren Salze der allgemeinen Formel II
A-Tyr-Thr-Asp-Cys-Thr-Glu-Ser-Gly- Gln-Asn-Leu-Cys-Leu-Cys-Glu-Gly-Ser-Asn-
Val-Cys-Gly- B -Gly-Asn- C -Cys-Ile-Leu- II
D -Asn-Gln-Cys-Val-Thr-Gly-Glu-Gly-Thr- Pro- E -Pro-Gln-Ser-His-Asn-Asp-Gly-Asp- Phe-Glu- G -Ile-Pro-Glu-Glu-Tyr-Leu- F in Betracht, wobei
A = Val-Val
I le-Thr
Leu-Thr
Pro-Val
B = Gin oder Glu
C = Lys, Arg, Asn
D = -Lys-Gly- oder
-Gly-U-V-Gly-X-Y- mi t
U = Ser, Lys oder ei ne di rekte Bindung
V = Asp, Lys, Asn
X = Glu, Gin oder eine direkte Bindung
Y = Lys, Arg, Asn
E = Lys, Arg, Asn, Gin
F = Asp, Gin
G = Glu, Pro bedeutet. Als besonders geeignet für die Konjugation mit PEG erwiesen sich solche Muteine, bei denen die Region zwischen Lysin 30 bis Glutamin 38 verändert wurde. In diesem Bereich lassen sich ein oder auch zwei zusätzliche Lysine einfügen, die dann mit ähnlicher Effizienz koppeln wie Lysinrest 27.
Darüber hinaus ist es im Interesse einer einfacheren Reaktionsführung und eines chemisch einheitlichen Produkts von Vorteil, Lysinreste bei denen eine Umsetzung mit PEG nicht gewünscht wird, durch andere, schwächer nucleophile Aminosäuren zu ersetzen. Als besonders günstig hat bei den obengenannten Muteinen der Austausch von Lys 47 gegen Arg 47 oder auch Gin 47 erwiesen. Die entsprechenden PEG-Mutein-Kopplungsprodukte besitzen ähnlich hohe spezifische Aktivitäten wie das underivatisiertes Mutein. Durch die Anzahl der vorhandenen bzw. neu eingefügten Lysinreste kann auf den Anteil des koppelbaren Polymers und damit auf das Molgewicht des Konjugates Einfluß genommen werden. Solche Hirudinmuteine lassen sich sehr gut auf gentechnologischem Weg herstellen. Zunächst stellt man die für das jeweilige Mutein kodierende Nukleinsäure synthetisch her. Diese synthetischen Gene lassen sich dann
mit geeigneten Regulatorsequenzen (Promotor, Terminator etc.) versehen und in heterologen Systemen zur Expression bringen (FEBS-Lett. (1986) 202, 373 (1986); Biol. Chem. Hoppe-Seyler (1986) 367, 731). Die Expression kann in eukaryontischen Systemen (Mammaliazellen, Hefen oder filamentösen Pilzen) oder in prokaryontischen Systemen (E. coli, Bacilli etc.) erfolgen. Die Expression in E. coli erfolgt bevorzugt über ein Fusionsprotein, aus dem das Hirudin freigesetzt und anschließend aktiviert werden kann (DNA (1986) 5, 511). In den folgenden Beispielen wird exemplarisch die Herstellung von nur e i n i gen der erf i ndungsmäßi g beanspruchten Mute i ne besc hr i eben , d i e übrigen Muteine sind analog zugänglich.
Als Linker B kommen folgende Gruppen in Betracht:
-X-CO-; -X-CO-NH-W-NH-CO-; -X- CO-CH
2-CH
2-CO- ; -X-CH
2-CO- oder
mit x in der Bedeutung von -S-, -O-, -NH- und W in der Bedeutung einer C2-C6-Alkylengruppe oder einer p-Phenylengruppe und
Y in der Bedeutung von -Cl, -OH, oder H. Die neuen Hirudinpolyalkylenglykolderivate lassen sich herstellen, indem man Hirudin-Muteine der allgemeinen Formel II umsetzt mit Polyalkylen- glykolderivaten der allgemeinen Formel III
A-(CH2)n-[O-(CH2)n]m-E III worin
A, m und n die bereits angegebene Bedeutung besitzen und E einen der Reste -X-CO-Z, -x-CO-NH-W-N=C=O, -X-CO-CH2-CH2-CO-Z,
-X-CH2-CO-Z, , oder -O-SO2-R
mi t X, W und Y in der angegebenen Bedeutung und Z in der Bedeutung von
Q in der Bedeutung von 1-3 Halogenatomen oder 1-2 Nitrofunktionen oder einer Acetyl-Gruppe und
R in der Bedeutung von Methyl, Ethyl, n-Propyl, i-Propyl, Phenyl, Tolyl oder Tresyl.
Die Umsetzung von III mit Hirudin-Mu-teinen geschieht wie folgt:
Das aktivierte Polyalkylenglykol der Formel III wird in stöchiometrischen Mengen oder mit einem Überschuß in einem geeigneten Puffer (pH 6-10), in Wasser, gegebenenfalls unter Zusatz einer Hilfsbase wie Natrium- oder Kalium-carbonat oder -hydrogencarbonat, Alkalihydroxid, Triethylamin, N-Methylmorpholin, Diisopropylamin oder Pyridin in einem organischen Lösungsmittel (Methanol, Ethanol, Isopropanol, Acetonitril, Dimethyl- formamid, N-Methylpyrrolidon, Dichlormethan, Dimethylsulfoxid, Tetrahydro- furan, 1,4-Dioxan, Toluol) oder in Gemischen der genannten Lösungsmittel bei Temperaturen zwischen -20°C und +100°C, bevorzugt bei Temperaturen zwischen 0°C und +60°C, mit Hirudin, Desulfatohirudin, einem Hirudin- Mutein zur Reaktion gebracht. Die entstandenen Konjugate werden isoliert und mit den in der Proteinchemie üblichen Methoden gereinigt und
charakterisiert.
Die erfindungsmäßig beschriebenen Polyalkylen-Hirudin-Konjugate zeigen ein im Vergleich zu Hirudin günstigeres pharmakologisches Wirkprofil. Sie besitzen nicht nur die vorteilhaften pharmakodynamisehen Eigenschaften des Hirudins, sondern weisen darüber hinaus eine erheblich verlängerte biologische Wirksamkeit und eine bessere Bioverfügbarkeit auf. Darüber hinaus zeigen Polyalkylglykol-Hirudin-Konjugate im Vergleich zum Hirudin eine deutlich geringere Antigenität. Aufgrund dieser Eigenschaften sind die beschriebenen Polyalkylen-Konjugate Hirudin, Heparin und niedermolekularem Heparin bei der Therapie und Prophylaxe thromboemboli scher Erkrankung überlegen. Sie lassen sich zum Beispiel erfolgreich bei Myocardinfarkt, bei tiefer Venenthrombose, peripherer arterieller Verschlusskrankheit, Lungenembolie sowie bei extracorporaler Zirkulation z.B. Hämodialyse oder
dem cardio-pulmonarer Bypass verwenden. Darüber hinaus können die Poly- alkylenglykol-Hirudin-Konjugate zur Verhinderung der Reocclusion nach Wiedereröffnung arterieller Gefäße durch mechanische Methoden oder Lyse verwendet werden. Weiterhin können die neuen Hirudin-Polyalkylenglykol- Derivate erfolgreich zur Beschichtung von künstlichen Oberflächen wie z.B. Hämodialysemembranen und den dazu erforderlichen Schlauchsystemen, bei Gefäßersatz oder bei Herz-Lungenmaschinen eingesetzt werden.
Die erfindungsgemäßen Verbindungen können in üblicher Weise oral oder parenteral (subkutan, intravenös, intramuskulär, intraperitoneal) verabfolgt werden.
Die Dosierung hängt vom Alter, Zustand und Gewicht des Patienten sowie von der Applikationsart ab. Je nach Applikationsform und Indikation beträgt die tägliche Wirkstoffdosis in der Regel zwischen etwa 20 bis
40.000 ATU/kg Körpergewicht.
Die neuen Verbindungen können in den gebräuchlichen galenischen Applikationsformen fest oder flüssig angewendet werden, z.B. als Lösungen, Salben, Cremes oder Sprays. Diese werden in üblicher Weise hergestellt. Die Wirkstoffe können dabei mit den üblichen galenischen Hilfsmitteln wie Füllstoffen, Konservierungsmitteln, Fließreguliermitteln, Netzmitteln, Dispergiermitteln, Emulgatoren, Lösungsmitteln und/oder Treibgasen verarbeitet werden (vgl. H. Sucker et al: Pharmazeutische Technologie,
Thieme-Verlag, Stuttgart, 1978).
Beispiel 1
Herstellung der Hirudin-Muteine a) Konstruktion des Vektors
Der Protein A-Vektor pRIT 2T (Abb. 1) ist kommerziell erhältlich und ausführlich beschrieben (Pharmacia Bestell Nr. 27-4808-01). Mit seiner Hilfe lassen sich Peptide und Proteine als Fusionsprotein mit Protein A aus Staphylococcus aureus in E. coli herstellen. Dazu muß die zu exprimie- rende Nukleinsäure unter Beibehaltung des Protein A-Leserasters in den Poly linker des Vektors pRIT 2T eingesetzt werden. Die pRIT 2T DNA wurde mit den Restriktionsendonukleasen Eco RI und Sal I nach Angaben der Her- steller geschnitten, der Spaltungsansatz über ein niedrigschmelzendes Agarosegel aufgetrennt und das größere Vektorfragment aus dem Gel in reiner Form isoliert. Die grundlegenden Techniken der Gentechnologie, sowie ausführliche Arbeitsanweisungen finden sich in Sambrook et al.
(1989) "Molecular Cloning" 2nd edition, CSH-Press.
b) Die für die erfindungsmäßig beanspruchten Hirudinmuteine kodierenden Sequenzen wurden mit Hilfe eines DNA-Synthesegerätes der Fa. Applied Biosystems, Modell 380A nach Vorschrift und mit den Chemikalien des Herstellers synthetisiert. Die komplette kodierende Region wurde dabei aus 3 Teilsequenzen zu je zwei komplementären Oligonukleotiden zusammengestellt. Die zueinander komplementären Oligonucleotide wurden zusammengegeben, für 5 Minuten auf 90°C erhitzt und über einen Zeitraum von 30 Minuten auf Raumtemperatur abgekühlt. Die dabei entstehenden doppel- strängigen Fragmente wurden an ihren 5'-Enden kinasiert und zusammen- ligiert. Das so gebildete Hirudingen konnte in die Eco RI und Sal I Stelle des linearisierten Expressionsvektors pRIT 2T in der richtigen Orientierung und unter Beibehaltung des Protein A-Leserasters eingefügt werden.
Zur Herstellung der verschiedenen Muteine wurden folgende Sequenzen (Abb. 2) miteinander kombiniert:
Die nach der Ligation entstehenden Chimären Plasmide (pRIT 2T-Hir) werden zur DNA Amplifikation in einen Lambda-Lysogenstamm transformiert, DNA aus Einzelklonen isoliert und durch DNA-Sequenzanalyse auf das Vorliegen der korrekten Sequenz hin überprüft.
Beispiel 2
Expression des Fusionsproteins Das jeweilige Expressionsplasmid pRIT 2T-Hir wurde in den Stamm E.coli N 4830-1 (Pharmacia Bestell-Nr. 27-4808-01) transformiert. Dieser Stamm enthält chromosomal den thermosensitiven Lambda-Repressor Cl 857.
In einem 1 1 Erlenmeyerkolben mit Schikanen wurden 100 ml MIM-Medium (MIM = 32 g Trypton, 20 g Hefeextrakt, 6 g Na2HPO4, 3 g KH2PO4, 0, 5 g NaCl, 1 g NH4Cl pro Liter und 0,1 mM MgSO4 sowie 0,001 mM FeCl3) sterilisiert und Ampicillin (ad 100 μg/ml) zugegeben. Das Medium wurde mit 1 ml einer frischen Über-Necht-Kultur des Stammes pRIT 2TA-Hir/N 4830-1 angeimpft und unter Schütteln so lange bei 28°C bebrütet, bis die Absorption bei 550 nm 0,6 betrug. Dann wurden 100 ml 65°C warmes frisches MlM/amp- Medium zugegeben und weitere 4 h bei 42°C bebrütet. In dieser Zeit wurde das gewünschte Fusionsprotein synthetisiert. Durch Zugabe von Lysozym zu 75 mg/l und Inkubation (3h, 37°C) wurde die Zellwand enzymatisch entfernt. Die Zellen konnten dann mechanisch (Manton-Gaulin Presse, Einfrierzyklus, heftiges Rühren), durch einen Hitzeschock bis 80°C oder eine hypotone Lyse aufgeschlossen und das lösliche Fusionsprotein ins Medium freigesetzt werden.
Beispiel 3
Reinigung des Fusionsproteins
Die Zellbruchstücke wurden durch Zentrifugation entfernt und der klare überstand über eine igG-Sepharose-Säule (IgG-Sepharose® 6 "Fast Flow", Pharmacia, Best. Nr. 17-0969-01) gepumpt. Die Lagerung des Säulenmaterials, Vorbereitung und Auslegung der Säule, Auftragsbedingungen und Flußraten richten sich nach den Angaben des Herstellers. So wurden für 6 1 überstand ein Gelbett von 200 ml und eine Flußrate von ca. 3 1/h verwendet. Bei diesem Schritt wurde das Fusionsprotein über seinen IgG-bindenden Protein A-Teil reversibel an die Gelmatrix gebunden (Ausbeute ca. 95 %) . Nach dem Auftrag wurde die Säule mit 10 Bettvolumina TST (50 mM Tris-HCl pH 7,6; 150 mM NaCl und 0,05 % Tween®20) gewaschen. Die Elution erfolgte mit 0, 5 M Acetatpuffer pH 2,8.
Beispiel 4
Spaltung des Fusionsproteins Das Säuleneluat aus Beispiel 3 wurde lyophilisiert und bei -20°C gelagert, Zur Spaltung wurde es in 70 %iger Ameisensäure zu einer Proteinkonzentration von ca. 25 g/l aufgenommen. Nach Spülen mit Argon wurde zur Abspaltung des Hirudins 1 g BrCN als Feststoff pro g Fusionsprotein zugegeben. Die Spaltung erfolgte unter Argon bei 37°C in ca. 4 h. Das überschüssige Bromcyan, das Lösungsmittel und weitere flüchtige Bestandteile wurden durch Lyophilisation entfernt. Anschließend wurde dreimal mit Wasser gewaschen.
Beispiel 5
Renaturierung und Reinigung von Hirudin oder Hirudinmuteinen
Das Lyophilisat wurde zu 1-100 mg/ml Protein in 6 M Guanidin-HCl, 0, 1 M Tris/HCl pH 8,5, 0, 2 M DTT aufgenommen. Nach einer Inkubationszeit von 2 h wurde die Probe durch G-10-Ausschlußchromatographie (äquilibriert mit 10 mM HCl) entsalzt. Die entsalzte Probe wurde 1:20 in 0,1 M Tris/HCl, 5 mM GSH/0,5 mM GSSG, 1 mM EDTA, pH 8,7 verdünnt und 1 h inkubiert (GSH ist reduziertes und GSSH oxidiertes Glutathion). Durch diese Behandlung stieg die spezifische Aktivität des Hirudins um den Faktor 3-5. Nach Einstellen des pH-Wertes auf pH 7,6 mit HCl, Zugabe von NaCl auf 150 mM und Tween®20 auf 0,05 % wurde die Chromatographie über IgG-Sepharose wiederholt (Beispiel 3). Während der Protein A-Fusionspartner und ungespaltenes Fusionsprotein an die Säule banden, befand sich das aktive Hirudin mit einer Reinheit von > 90 % im Durchlauf. Es konnte durch klassische proteinchemische Verfahren bis zur klinischen Reinheit weiter aufgereinigt werden.
Beispiel 6 Darstellung des Methoxy-polyethylenglykol (8000)-N-succinimido-carbonats a) N-Succinimido-chloroformiat
In eine Lösung von ca. 30 g Phosgen in 200 ml Dichlormethan werden bei 0°C innnerhalb von 30 Minuten 21.0 g N-Hydroxysuccinimid-Kaliumsalz eingetragen und das Gemisch 2 h bei 0°C gerührt. Anschließend wird für 1 h Stickstoff durch die Suspension geleitet, um überschüssiges Phosgen abzu-
blasen (Waschturm!). Die Suspension wird filtriert und das Filtrat im Vacuum zur Trockene eingeengt. Die 10.6 g N-Succinimido-chloroformiat liegen als gelbliches öl vor und sind mit anorganischen Salzen und Di- succinimido-carbonat verunreinigt. Das Rohprodukt kann ohne weitere Reini- gung für die Umsetzung mit Polyalkylenglykolen eingesetzt werden, oder durch Lösen in 150 ml Diethylether, Filtration und erneutes Einengen von anorganischen Salzen befreit werden. b) Methoxy-polyethylenglykol (8000)-N-succinimido-carbonat
10.0 g Methoxy-PEG(8000)-OH werden durch leichtes Erwärmen in 20 ml trockenem Pyridin gelöst. Nach dem Abkühlen auf Raumtemperatur wird die Lösung mit 890 mg N-Succinimido-chloroformiat versetzt und über Nacht gerührt. Nach Zugabe von einem Überschuß Diethylether wird das Gemisch 30 min im Eisbad gerührt, der ausgefallene Feststoff abfiltriert, 2 mal aus Isopropanol umkristallisiert, aus Diethylether gefällt, filtriert und getrocknet. 8.10 g Methoxy-polyethylenglykol (8000)-N-succinimido-carbonat fallen als farbloser Feststoff an. Beispiel 7
Darstellung von Methoxy-polyethylenglykol (8000)-4-nitrophenyl-carbonat a) 4-Nitrophenyl-chloroformiat
In eine Suspension von 20.0 g Nitrophenol in 60 ml Toluol werden bei 0°C ca. 43 g Phosgen eingegast. Das Gemisch wird 4-5 h bei 0°C gerührt. Anschließend wird bei -15°C langsam eine Lösung von 20 ml Triethylamin in 20 ml Toluol zugetropft und über Nacht im auftauenden Kältebad gerührt. überschüssiges Phosgen wird durch Stickstoff ausgeblasen und das Reaktionsgemisch anschließend filtriert. Das Filtrat wird im Vakuum bis zur Trockene eingeengt. Die 33.7 g öliger, bräunlicher Rückstand enthalten neben 4-Nitrophenol-chloroformiat noch Lösungsmittel und Salz. Das Gemisch kristallisiert im Kühlschrank und kann ohne weitere Reinigung eingesetzt werden. b) Methoxy-polyethylenglykol (8000)-4-nitrophenyl-carbonat
Darstellung und Reinigung analog zu Beispiel 6.
Be i spi el 8
Darstellung von Methoxy-polyethylenglykol (8000)-2,4,5-trichlor-phenyl- carbonat a) 2, 4, 5-Trichlorphenyl-chloroformiat
In eine Lösung von 10.0 g 2, 4, 5-Trichlophenol in 50 ml Dichlormethan werden bei 0°C ca. 7 g Phosgen eingegast und das Gemisch 15 min bei 0°C gerührt. 7.2 ml Chinolin in 20 ml Dichlormethan werden innerhalb von 30 min zugetropft und die orangefarbene Suspension noch 1 h im Eisbad gerührt. Anschließend wird 1 h Stickstoff durch die Suspension geleitet, um überschüssiges Phosgen abzublasen (Waschturm). Das Gemisch wird anschließend filtriert, das Filtrat 2 mal mit Wasser gewaschen, getrocknet, erneut filtriert und im Vakuum bis zur Trockene eingeengt. Die 4.45 g öliger, bräunlicher Rückstand sind relativ sauberes 2,4, 5-Trichlorphenyl- chloroformiat, das im Kühlschrank kristallisiert und ohne weitere
Reinigung eingesetzt werden kann. b) Methoxy-polyethylenglykol (8000)-2,4,5-trichlor-phenylcarbonat
Darstellung und Reinigung analog zu Beispiel 6.
Beispiel 9
Herstellung von PEG1-Hirudin durch Umsetzung von Methoxy-polyethylenglykol (8000)-4-nitrophenylcarbonat mit Hirudin
40 mg Desulfatohirudin (spezifische Aktivität: 8000 ATU/mg) werden in 20 ml 0,1 M Boratpuffer, pH 8,0 gelöst und mit 80 mg Methoxy-polyethylenglykol (8000)-4-nitrophenylcarbonat versetzt und für 3 Stunden bei 25°C inkubiert. Nach Abstoppen der Reaktion mit einem 100 fach molaren Überschuß an Tri s Base wi rd der Reaktionsansatz gegen 20 mM Tri s/HCL, pH 8.0 dialysiert und die entstandene Produktmischung auf einer HP-Q-Sepharose®- Säule (Pharmacia®) aufgetragen. Die Säule wird mit einem linearen NaCl Gradienten von 0 bis 400 mM NaCl in 20 mM Tris/HCl, pH 8.0 entwickelt. Das PEGi-Hirudin-Konjugat eluiert bei 200 mM NaCl.
Die Ausbeute an PEG1-Addukt im Kopplungsansatz liegt bei ca. 50 %, die verbleibenden 50 % des Hirudins liegen als PEG2-Derivat oder underivati- siert vor.
Die spezifische Aktivität des aus dem Kopplungsansatz gereinigten PEG1- Hirudin-Konjugats betrug 8000 U/mg Protein (bestimmt durch Thrombin- inhibitionstest mit dem chromogenen Substrat S 2238 (Kabi ), (FEBS-Lett. (1983), 164, 307), Protein durch BCA-Test mit Serumalbumin als Standard (Pieree) bestimmt), das Molgewicht des Konjugates 15000 Da (Superose®-12- Chromatographie, Pharmacia).
Beispiel 10 Herstellung von PEG2-Hirudin
40 mg Desulfatohirudin werden in 10 ml 0,05 M Natriumborat- oder Natrium- carbonatpuffer, pH 8,0 gelöst und mit einer Lösung von 240 mg 2,4,5-Tri- chlorphenyl- oder 4-Nitrophenyl-aktiviertem Methoxypolyethylenglykol (8000 Da) in H2O oder 1,4 Dioxan versetzt und für 3 Stunden bei 25°C inkubiert. Nach Abstoppen der Reaktion mit einem 100 fach molaren Überschuß an Tris Base wird der Reaktionsansatz gegen 20 mM Tris/HCl, pH 8.0 dialy- siert. Die entstandene Produktmischung wird auf eine HP-Q-Sepharose®-Säule aufgetragen und die Säule dann mit einem linearen NaCl Gradienten von 0 bis 400 mM NaCl entwickelt. Der PEG2-Hirudin-Komplex eluiert bei
120-130 mM NaCl.
Der Anteil an PEG2-Hirudin betrug im Kopplungsansatz ca. 50%, der Rest des Hirudins verteilte sich auf PEG-Derivate mit 1 und 3 gebundenen PEG- Resten.
Die spezifische Aktivität des gereinigten PEG2-Konjugates wurde wie bei Beispiel 9 beschrieben ermittelt und betrug 6200 U/mg Protein, das
Molgewicht des Konjugates 22000 Da - 23.000 Da (Superose®-12).
Beispiel 11
Umsetzung des Hirudinmuteins HL 14B mit Methoxy-polyethylen-glykol (8000)- 4-nitrophenylcarbonat
10 mg des Hirudinmuteins HL 14B (spezifsiche Aktivität 8900 ATU/mg) wurden gemäß Beispiel 10 zu einer Konzentration von 20 mg/ml in 0,1 M Natrium- carbonat, Puffer pH 8,0 gelöst, mit 80 mg 4-Nitrophenyl-aktiviertem Methoxypolyethylenglykol (8000 Da), gelöst in 0,5 ml 1,4 Dioxan, versetzt und für 3 Stunden bei 25°C inkubiert. Die Reaktion wird dann durch Zusatz eines 100 fachen Überschusses an Tris-Base abgestoppt, freigesetztes 4-Nitrophenol durch Extraktion entfernt und das Hirudin-PEG Konjugat durch Anionenaustauschchromatographie (siehe Beispiel 9) gereinigt.
Der Anteil des gewünschten PEG2-Deri vates im Kopplungsansatz lag bei ca. 80-85 %; der Anteil der ungewünschten PEG1- und PEG3-Derivate betrug jeweils maximal etwa 5-10%. Die spezifische Aktivität des gereinigten PEG2-HL 14B-Konjugates betrug 8300 U/mg Protein. Das Molgewicht wurde durch Superose®-Gelfiltration zu 22000-23000 Da bestimmt.
Beispiel 12
Pharmakokinetik von PEG2-Hirudin-Konjugaten
2 Gruppen von Hunden (Beagle-Hunde, je 4 Tiere pro Gruppe) wurden jeweils 4000 U/kg PEG2-Hirudin intravenös oder subkutan appliziert (0.2 ml Vol). 0,25, 0,5, 1, 2, 3, 4, 6, 8, 24, 32, 48, 56, 72 und 80 h nach der Injektion wurden je 2 ml Blut in 0,1 M Na-Citrat entnommen. Anschließend wurde plättchenarmes Plasma durch eine 10 minütige Zentrifugation bei 4000 g hergestellt und die plasmatische PEG-Hirudin Konzentration durch die Thrombinhemmung im chromogenen Substratassay mit S 2238 (Kabi) ermittelt. Zum Vergleich wurden dieselben Hunde in einem weiteren Experiment mit Hirudin behandelt. Der zeitliche Verlauf der Plasma-Hirudinkonzentration wurde anschließend wie oben beschrieben bestimmt. in Abbildung 3 und 4 ist der Zeitverlauf der Ant i -Faktor- I I a-Akt i v i täten nach intravenöser und subkutaner Applikation von PEG2-Hirudin und underi- vatisiertem Hirudin dargestellt. Aus den Ablsolutwerten und dem zeitlichen Verlauf der Eliminierungskurve ist die deutlich verlängerte biologische Wirkdauer sowie die bessere Bioverfügbarkeit des PEG2-Hirudin-Derivates ersichtlich.