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Verfahren und Ultrazentrifugenzelle zur Bestimmung von Molekulargewichten
makromolekularer Substanzen Eines der wichtigsten Mittel zur Bestimmung von Molekulargewichten
makromolekularer Substanzen ist die Svedbergsche Geschwindigkeitsultrazentrifuge.
In dieser beobachtet man, wie schnell sich unter dem Einfluß der Zentrifugalbeschleunigung
ein gelöstes Teilchen vom Meniskus zum Boden der Ultrazentrifugenzelle bewegt. Dieser
Bewegung überlagert sich die Diffusion der Partikel, sie verwischt allmählich die
ursprünglich scharfe Sedimentationsgrenze zwischen dein noch Partikel enthaltenden
Teil der Lösung und dem oberhalb desselben befindlichen Teil, aus dem die Partikel
bereits herausgewandert sind. Durch die . Diffusion war bisher der Meßbereich der
Geschwindigkeitsultrazentrifuge auf Mol;ekulargewichte oberhalb to ooo beschränkt,
da die Diffusion bei kleineren Molekulargewichten die Sedimentationsgrenze schneller
verwischen läBt, als sie vom Meniskus, freikommt.
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Es sind nun bereits zwei Verfahren bekannt, die es erlauben, den Molekulargewichtsbereich
nach unten zu erweitern, indem in der Mitte der Ultrazentrifugenzelle zu Beginn
des Versuches eine »synthetische Grenzschicht« zwischen Lösung und
Lösungsmittel
gebildet wird. Dadurch lassen sich alle am Meniskus auftretenden Komplikationen
vermeiden.
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Die eine Zelle ist von Kegel-es in der Zeitschrift Journal- Am. Chem.
Sec. 74, 5532 (I952) beschrieben worden. Diese Zelle enthält neben dem eigentlichen
Meßteil insgesamt vier Durchbohrungen. In dieser erfolgt unter dem Einfluß der Zentrifugalkraft
eine Grenzschichtbildung in der Zellenmitte, wobei Lösungsmittel durch zwei oberhalb
der Zellenmitte liegende Bohrungen zufließt. Gleichzeitig fließt Flüssigkeit durch
zwei unterhalb der Zellenmitte gelegene Bohrungen ab. Hierbei bildet sich die Grenzschicht
aus.
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Einen anderen Typ geben Pickels, E. G., Harrington, W. F. und Schachmann,
H. K., in der Zeitschrift Proc. Nat. Acad. Sci. USA. 38, 943 (I952) an. In dieser
Zelle befindet sich oberhalb des sektorförmigen Meßausschnittes, der Zur Hälfte
mit Lösung gefüllt wird, ein Vorratsgefäß für reines Lösungsmittel. Dieses Gefäß
hat im Boden ein kleines Loch, das durch ein Gummistückchen abgedichtet wird. Der
Gummi wird durch die Zentrifugalkraft schon bei- niedrigen Drehzahlen der Ultrazentrifuge
zusammengedrückt, so daß das Lösungsmittel aus dem Vorratsgefäß langsam austritt
und über die Lösung läuft. Hierbei würde die Grenzschicht sehr stark verwirbelt
werden, wenn nicht auf der Lösung eine dünne Schicht Öl schwimmen würde. Durch dieses
Öl tr-i-tt d-as Lösungsmittel langsam hindurch, das Öl ermöglicht durch seine Bremswirkung
eine saubere Überschichtung.
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Die Erfindung betrifft nun ein Verfahren und eine Zelle zur Durchführung
des Verfahrens, bei dem nicht mehr Lösungsmittel über die Lösung geschichtet wird,
sondern die Lösung langsam unter das Lösungsmittel tritt. Erfindungsgemäß geschieht
das so, daß in einem sektorförmigen Ausschnitt einer U1trazentrifugenzelle@ die
Lösung unterhalb des Lösungsmittels allmählich zufließt und das Lösungsmittel bis
an den oberen Rand der Zelle gedrückt wird und je nach den Erfordernissen als Lösungsmittel
Wasser oder eine organische Flüssigkeit verwendet wird. Gegenüber dem Kegeles-Typ
ergibt- sich der Vorteil, daß beim Füllen der Zelle nicht wie bei dieser die die
Zelle abdichtenden Bergkristillscheiben jedesmal abgenommen zu werden brauchen.
Das Füllen bei Kegeleserfordert größere Geduld, da sich Luftblasen, die nicht auftreten
dürfen,. in den Bohrungen nur schwer vermeiden lassen. Das jedesmalige Festschrauben
der Bergkristallscheiben ist ein großer Nachteil, da die Hauptschwierigkeit bei
der hohen Zentrifugalkraft darin liegt, ein Auslaufen der Zelle zu vermeiden. Es
müssen daher die Scheiben jeweils so fest angezogen werden, daß die Zelle dicht
ist, die Scheiben aber gerade noch nicht springen. Aus diesem Grunde ist es unbedingt
wünschenswert, die Scheiben nur einmal festschrauben zu müssen und dann für alle
Versuche die Füllung durch Einfüllöffnungen im Zellklotz '.vornehmen zu können.
Die Zelle von P i ck e 1 s arbeitet gut und hat sich in der Praxis bewährt: Sie
kann jedoch nur für wäßrige Lösungsmittel angewandt werden, da es nicht möglich
ist,- eine auf dem organischen Lösungsmittel schwimmende Substanz zu finden, die
das Abbremsen- des Lösungsmittels beim Auftreffen auf die Grenzschicht übernimmt,
wie das Öl beim Wasser. Organische Lösungsmittel haben ein niedriges spezifisches
Gewicht, daher gibt es keine Substanz, die auf ihnen schwimmt, sich nicht in ihnen
löst und schließlich weder Zelle noch Lösung angreift.
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Das Verfahren und die Ultrazentrifugenzelle nach der Erfindung vermeidet
alle Unbequemlichkeiten des Zellentyps von Kegeles und ist im Gegensatz zur Zelle
von' Pickels nicht auf wäßrige Lösungsmittel beschränkt.
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In der Zeichnung ist eine Ausführungsform der Ultrazentrifugenzelle
nach der Erfindung schematisch dargestellt.
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Fig. i zeigt einen Längsschnitt zur Darstellung der einzelnen Teile;
Fig. 2 ist ein Querschnitt nach der Linie A-B gleich C-D der Fig. i.
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Nach der Ausführungsform gemäß Fig. i besteht die Zelle aus einem
äußeren Zylindermantel i und dem eigentlichen Kern 2, der entweder aus dem gleichen
Material wie der Mantel i besteht, wobei Mantel und Kern eine Einheit bilden können,
oder aus einem anderen Material, beispielsweise Kunststoff.
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Der Kern 2 wird von beiden Seiten durch je eine Bergkristallscheibe
3 flüssigkeitsdicht abgeschlossen, die durch die Schraubringe 4-gegen den Kern :2
gepreßt werden.
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Wie aus Fig. z hervorgeht, ist der Kern 2 mit einem sektorförmigenAusschnitt
5 versehen. Dieser sektorförmige Ausschnitt 5 wird nicht wie bisher mit der Lösung,
sondern bis zur Hälfte mit dem Lösungsmittel gefüllt.. Oberhalb des sektorförmigen
Ausschnittes 5, d. h. näher zur Rotationsachse der Ultrazentrifuge, befinden sich
die beiden Vorratsräume 6. Diese werden mit der Lösung gefüllt.
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Das Einfüllen von Lösung und Lösungsmittel erfolgt durch- drei Bohrungen
7, 8 die sich in der Ebene E-F der Fig. i befinden und in der Fi.g. 2 gestrichelt
dargestellt sind.
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Die mittlere Bohrung 7 dient zum Einfüllen des Lösungsmittels, die
beiden seitlichen `Bohrungen 8 zum Einfüllen der Lösung. Die Bohrungen 7 und 8 werden
durch Schrauben verschlossen.
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Der sektorförmige Ausschnitt 5 steht mit den Vorratsräumen 6 durch
Rillen 9 in Verbindung, so daß beim Zentrifugieren die Lösung durch diese 'Rillen
9 im Zellkern unter den Bergkristallscheiben 3 hindurchläuft und unterhalb des Lösungsmittels
in den Sektor 5 eintritt. Zum Druckausgleich ist ferner zwischen den Vorratsräumen
6 eine Rille io und eine Bohrung i i, die auf die Einfüllbohrung 7 trifft, vorgesehen.
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An Stelle der Rillen 9 und io an der Oberfläche des Zellkerns 2 unterhalb
der Bergkristallscheiben 3
können auch Bohrungen innerhalb des Zellkerns
ä angeordnet sein.
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Die Wirkungsweise der Zelle ist folgende: Zunächst werden die Vorratsräume
6 mit der zu untersuchenden Lösung gefüllt und die Füllöffnungen 8 mit den dazugehörigen
Schrauben verschlossen. Hierauf wird das Lösungsmittel. durch die Bohrung 7 so weit
in den sektorförmigen Ausschnitt 5 eingefüllt, bis dieser zur Hälfte gefüllt ist.
Die Bohrung 7 wird hierauf ebenfalls verschlossen.
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Die Zelle wird nunmehr in den Zentrifugenrotor eingesetzt, wobei als
Gegengewicht eine Blindzelle dient.
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Bei Drehzahlen zwischen 5oo und 5000 Umdr./ Min. läuft jetzt
durch die Rillen 9 unter dem Einfluß der Zentrifugalkraft die Lösung zum Zellenboden
und schiebt sich unter das Lösungsmittel: Die Geschwindigkeit der Unterschichtung
läßt sich durch die Tiefe der feinen Rillen und die Drehzahl variieren. Eine am
Zellenboden befindliche, z. B. pulverförmige unlösliche Substanz kann zur Verbesserung
der Qualität der Grenzschicht dienen, ist jedoch im allgemeinen nicht erforderlich.
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Die Beobachtung des Wanderns der synthetisch erzeugten Grenzschicht
erfolgt - anschließend * bei höheren Drehzahlen vor etwa 5o bis 6o ooo Umdr./ Min.
nach bekannten optischen Methoden.
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Das Verfahren und die neue Zelle geben die Möglichkeit, in einfacher
Weise die bisher bekannten Untersuchungsmethoden der Ultrazentrifuge zur Bestimmung
von Molekulargewicht und Struktur makromolekularer Substanzen auf den bisher nicht
erfaßbaren hemikolloiden Bereich auszudehnen, und zwar nunmehr auch für die große
Gruppe nichtwasserlöslicher Substanzen, zu denen z. B. fast alle Kunststoffe gehören,
die nur in organischen Lösungsmitteln löslich sind.
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Der Molekulargewichtsbereich erstreckt sich bis herunter zu niedermolekularen
Größen, d. h. einem Molekulargewicht von etwa 300. Die Untersuchungen an Polymeren
in diesem Bereich sind von großer wissenschaftlic'hier und technischer Bedeutung,
da fast alle Eigenschaften eines Stoffes eine Funktion seines Molekulargewichtes
sind und man dieses deshalb sehr oft benötigt.