-
Verfahren zur Herstellung von plastischen Massen aus öligen Stoffen
Man hat schon vorgeschlagen, Kohleextrakte oder Kohlehydrierungsprodukte als Weichmacher
oder Füllstoffe für Kunststoffe zu verwenden. Die öligen Stoffe werden dabei in
Mengen von 5 bis 5o%, bezogen auf Kunststoff, angewandt. Man hat auch schon kohlenstoffreiche
Erdölbestandteile mit einer größeren Menge eines halogenhaltigen Filmbildners, z.
B. Polyvinylchlorid, verknetet, um säure-und alkalibeständige plastische Massen
zu erhalten. In allen diesen Fällen ist der Gehalt der hergestellten plastischen
Masse an Kunststoff höher als an öligen Bestandteilen.
-
Es wurde nun gefunden, daß man mit verhältnismäßig wenig Kunststoff
große Mengen öliger Stoffe in plastische Massen umwandeln kann, indem man solche
öligen Stoffe, die ganz oder zum großen Teil aus cyclischen, insbesondere naphthenischen,
Verbindungen bestehen, mit etwa 15 bis 5o%, vorteilhaft 15 bis 30%, eines oder mehrerer
Polymerisationsprodukte von ungesättigten aliphatischen Halogenkohlenwasserstoffen,
z. B. von Vinylchlorid oder unsymmetrischem Dichloräthylen, vermischt und während
des Mischens oder danach auf höchstens r5o°, insbesondere 8o bis r5o°, erhitzt.
Man erhält so ein Vielfaches des Polymerisationsproduktes an plastischer Masse,
und diese zeigt eine überraschend hohe Elastizität und Zähigkeit. Gibt man dagegen
zu roo Teilen Öl mehr als 5o Teile Polymerisationsprodukt, so erhält man eine plastische
Masse von nur geringer Festigkeit.
-
Man hat Anthracenöl oder Teer auch schon getrennt oder in Mischung
mit geringen Mengen, z. B.
3 bis 8 %, Polyvinylchlorid etwa 2o bis
30 Stunden auf Temperaturen von 15o bis 2oo° erhitzt und korrosionsschützende Überzugsmassen
erhalten. Es war demgegenüber überraschend, daß sich bei Temperaturen bis höchstens
i5o° bei wesentlich kürzerer Umsetzungszeit wertvolle plastische Massen herstellen
lassen, wenn man cyclische Verbindungen enthaltende ölige Stoffe mit 15 bis 5o Gewichtsprozent
an Polymerisationsprodukten von ungesättigten aliphatischen Kohlenwasserstoffen
behandelt.
-
Als ölige cyclische Verbindungen enthaltende Ausgangsstoffe eignen
sich solche, die in flüssigem Zustand feste Kunststoffe aus Polymerisationsprodukten
von ungesättigten aliphatischen Halogenkohlenwasserstoffen, wie Polyvinylchlorid,
zur Ouellung bringen, z. B. die durch Hoch- oder Tieftemperaturverkokung, Druckextraktion
oder Hydrierung von Stein- oder Braunkohle, Torf, Holz, Olschiefer, Asphalt oder
Pech oder durch Destillation, selektive Zerlegung, Hydrierung oder Spaltung von
insbesondere asphaltbasischen Erdölen, Teeren oder Druckhydrierungs- öder Extraktions=
produkten von Kohle gewonnenen Öle. Auch asphalthaltige Massen, die bei der Destillation
als Rückstände verbleiben oder durch Fällung gewonnen wurden, z. B. Hydrier- oder
Spaltrückstände, die zweckmäßig von festen Bestandteilen befreit wurden, aus Schieferölen,
Erdölen oder deren Spaltprodukten ausgefällte Asphalte, natürliche Asphalte oder
Mischungen dieser Stoffe mit anderen Ölen, z. B. Produkten der Verschwelung von
Kohlehydrierungsrückständen, kommen als Ausgangsstoffe in Betracht.
-
Die öligen Stoffe werden mit den angegebenen Mengen eines oder mehrerer
der genannten Polymerisationsprodukte, zweckmäßig in der Wärme und gegebenenfalls
unter Druck, vermischt. Dies kann in einer Knetmaschine oder auf einer Mischwalze,
gegebenenfalls unter Zusatz von Farbstoffen, Riechstoffen, Harzen, Füllstoffen,
Weichmachern, Antioxydationsmitteln oder Polymerisationsmitteln, z. B. Schwefel,
Aluminiumchlorid oder Borfluorid, geschehen. Bei Verwendung sehr hochmolekularer
Kohlenwasserstofföle ist es vorteilhaft, einLösungsmittel für das öl zuzusetzen.
-
Die Erhitzungsdauer schwankt zwischen 1/4 Stunde und io Stunden. Sie
hängt von den gewünschten Eigenschaften des Erzeugnisses und von der angewandten
Temperatur ab. Je tiefer die letztere liegt, desto länger muß erhitzt werden. Bei
einer Temperatur von i2o bis 14o° genügt in der Regel eine Erhitzungsdauer von etwa
5 Stunden.
-
Die Polymerisationsprodukte können auch in wäßriger Emulsion angewandt
werden; zweckmäßig unter Verwendung von Emulgierungsmitteln, z. B. Alkalisalzen
alkylierter Naphthalinsulfonsäure oder von Fettsäuren, wie der Palmitin- oder Oleinsäure.
In diesem Fall kann bei etwas tieferer Temperatur, z. B. 3o bis ioo°, gearbeitet
werden.
-
Die öligen Ausgangsstoffe können vor dem Vermischen mit dem Polymerisationsprodukt
mit Luft oxydiert oder mit konzentrierter Schwefelsäure oder mit Chlor vorbehandelt
werden. Enthalten sie gesättigte aliphatische Kohlenwasserstoffe, insbesondere Paraffin,
so ist es zweckmäßig, diese vorher zu entfernen. Sauerstoffhaltige Verbindungen,
z. B. Phenole oder Basen, wie Pyridin, brauchen aus den Kohlenwasserstoffölen vor
der Behandlung nicht abgetrennt zu werden; in manchen Fällen kann dies jedoch von
Vorteil sein.
-
Die den ölen zuzusetzenden Polymerisationsprodukte können verschieden
stark polymerisiert sein. Je nach dem Polymerisationsgrad, der durch den K-Wert
(= Eigenviskosität, s. »Cellulose-Chemie« d932], S. 58ff. und 71 ff.) gekennzeichnet
wird, entstehen plastische Massen von verschieden hoher Elastizität.
-
Außer den genannten Polymerisationsprodukten kann man den öligen Ausgangsstoffen
vor oder während der Erhitzung noch andere polymerisierbare Stoffe, wie Butadien,
Styrol, Acrylsäurenitril, Acrylsäureester oder deren Polymerisationsprodukte oder
Gemische dieser Stoffe zusetzen.
-
Die so hergestellten Produkte lassen sich wie Kautschuk für viele
Zwecke verwenden, so z. B. für hochelastische Lacküberzüge, für Kaschierungen, zum
Auskleiden von Gefäßen, zum Imprägnieren von Bekleidungsstücken, zur Herstellung
von Fahrzeugreifen oder -schlauchen, für Schuhsohlen oder -absätze, für Kabelisolierungen
oder Dichtungen.
-
Es ist nicht notwendig, die plastischen Massen vor der Verwendung
zu vulkanisieren; man kann dies jedoch nach den bei der Kautschukherstellung bekannten
Methoden tun. So setzt man z. B. Zinkoxyd, Schwefel und Ruß, Vulkanisationsbeschleuniger
und Antioxydationsmittel zu und erhitzt auf Temperaturen von ioo bis i8o°, zweckmäßig
ioo bis i2o°. Man kann auch mit Hilfe von Natriumpolysulfid vulkanisieren, was insbesondere
bei plastischen Massen, die unter Verwendung chlorierter Kohlenwasserstoffe als
öliger Komponente hergestellt wurden, sehr elastische Erzeugnisse liefert.
-
Vor der Vulkanisation oder vor der weiteren Verarbeitung der plastischen
Massen kann man die darin enthaltenen, nicht gebundenen Öle ganz oder teilweise
mit Hilfe eines Lösungsmittels, z. B. Benzin oder Benzol, herauslösen.
-
Beispiel i ` Eine zwischen Zoo und 300° siedende Fraktion von Hochtemperaturteer
wird mit 2o °/o Polyvinylchlorid mit dem K-Wert 2o 2 Stunden auf ioo° erhitzt. Nach
Abkühlen des Gemisches erhält man eine elastische, zusammenhängende Masse, die beim
2stündigen Erhitzen mit i o/o Mercaptobenzothiazol, 3'/o Schwefel, 51/9 Zinkoxyd
und 2o % aktivem Ruß auf i2o° in ein kautschukartiges Erzeugnis übergeht.
-
Beispiel 2 Durch Schwelung von oberschlesischer Steinkohle gewonnener
Teer wird mit 25-0/9 Polyvinylchlorid mit einem K-Wert 40 1 Stunde auf i2o°
erhitzt.
Die Mischung wird nach Zusatz von 30% eines Polymerisats aus Butadien unter Verwendung
der im Beispiel i angegebenen Vulkanisationsmittel geknetet, gewalzt und 2 Stunden
auf 130° erhitzt, wodurch ein kautschukartiges Erzeugnis entsteht. Beispiel 3 Eine
zwischen Zoo und 35o° siedende Fraktion eines aus oberschlesischer Steinkohle gewonnenen
Schwelteeres wird mit Natronlauge von Phenolen befreit, mit io Gewichtsprozent Chlor
behandelt, mit 2o % eines mit Hilfe von Propan aus Erdöl abgeschiedenen Asphaltes
versetzt und bis zum vollkommenen Lösen des Asphaltes erhitzt. Hierauf werden 200/a
Polyvinylchlorid mit dem K-Wert 30 zugesetzt und 2 Stunden auf ioo° erliitzt.
Es entsteht eine elastische Masse, die mit 3'10 Zinkoxyd, 81/o Natriumtetrasulfid
und io % aktivem Ruß verknetet und zu Fellen ausgewalzt wird. Aus diesen erhält
man durch 3stündiges Erhitzen auf 12o° ein unbrennbares, kautschukartiges Erzeugnis
von großer Zähigkeit.
-
Beispiel 4 65 Gewichtsteile eines aus Ölschiefer gewonnenen Schwelteeres
werden mit 35 Gewichtsteilen Polyvinylchlorid mit dem K-Wert 5o bei 40° vermischt
und mit o,5 Teilen Farbstoff und 5 Teilen Schwerspat gut verknetet. Das Gemisch
wird in Formen gepreßt und auf 13o° erhitzt. Man erhält Icautschukartige, zähe Gegenstände
von großer Kerbfestigkeit und guter Formbeständigkeit.
-
Beispiel s 7o Gewichtsteile einer von 250 bis 400° siedenden
Fraktion eines Steinkohledruckhydrierungsproduktes werden mit .einer Emulsion von
3o Gewichtsteilen Polyvinylchlorid mit dem K-Wert 4o in 3oo Teilen Wasser, die 5
Teile Natriumsalze von Fettsäuren, die durch Paraffinoxydation gewonnen wurden,
und 2 Teile Kaliumpersulfat enthält, 5 Stunden lang bei 6o° geschüttelt. Die dabei
entstehende plastische Masse wird nach Zusatz von 5o Gewichtsteilen Kochsalz vom
Wasser abgetrennt, gewaschen, getrocknet und unter Zusatz von i,5 % Mercaptobenzothiazol,
5% Schwefel, 70/0 Zinkoxyd und 15 % aktivem Ruß zu einem Fell verwalzt. Durch Erhitzen
auf i4o° wird dieses kautschukartig und elastisch.