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Verfahren zur Herstellung antibiotisch wirkender Stoffe
Die Erfindung
bezieht sich auf ein Verfahren zur Herstellung antibiotisch oder antitoxigen wirkender
Stoffe aus organischen, in der Natur vorkommenden Stoffen oder organischen, insbesondere
optisch aktiven Verbindungen.
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Die Erfindung besteht darin, daß die Ausgangssubstanz bzw. ihre Lösung
mit großer Geschwindigkeit von ihrer normalen, z. B. Raumtemperatur, auf eine höher
liegende Temperatur erhitzt wird (Steilaufheizung), worauf der zu behandelnde Stoff
gegebenenfalls bei der erreichten Höchsttemperatur kurzzeitig gehalten (Verweilzeit)
und im Anschluß an die Steilaufheizung oder Verweilzeit zweckmäßig schnell gekühlt
wird.
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Das neue Verfahren mit seinen weiteren Merkmalen und die damit gewonnenen
Versuchsergebnisse sollen am Beispiel des Traubenzuckers geschildert werden. Die
Übertragung dieser Ergebnisse auf andere Substanzen, z. B. andere Kohlehydrate oder
Eiweißstoffe ist dann für den Fachmann leicht möglich.
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Das erfindungsgemäße Verfahren ist eine Temperaturbehandlung mit
einer sehr hoch (in einer später zu erläuternden Größenordnung) liegenden
Aufheizgeschwindigkeit,
d. h. der Geschwindigkeit, mit der die Substanz von der Ausgangstemperatur auf die
Behandlungstemperatur aufgeheizt wird.
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Die Temperatur, auf die aufgeheizt werden muß, soll oberhalb etwa
750 C liegen, unter Umständen auch oberhalb ; I00° C. Die erreichte Temperatur soll
nur wenige Sekunden auf die Substanz einwirken. Diese Einwirkungsdauer soll Verweilzeit
genannt werden. Sie muß im allgemeinen kleiner als 10 Sekunden sein. Das Ende der
Temperaturbehandlung wird vorzugsweise durch eine schnelle Rückkühlung bestimmt.
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Zunächst sei der erfindungsgemäße Effekt bei einer i0loigen Traubenzuckerlösung
geschildert. Die behandelte Lösung entspricht einem bekannten synthetischen Nährboden
für Bact. coli mit I °/o Traubenzucker. Eine solche Lösung enthält außer dem Traubenzucker
geringe Zusätze anorganischer Salze. Sie wird mit etwa I00° C/sec auf eine Temperatur
von etwa 850 C aufgeheizt, etwa 5 Sekunden auf dieser Temperatur belassen und dann
schnell wieder auf etwa Raumtemperatur rückgekühlt. Nach dieser Behandlung wird
die Lösung mit einer Reinkultur eines Keimes (bei dem Versuch: Bact. coli) beimpft
und das Verhalten dieses Keimes durch Messung der Keimzahl in Abhängigkeit von der
Zeit bestimmt. Als Kontrolle wird die Lösung unbehandelt in der gleichen Weise beimpft
und ebenfalls das Wachstum durch Keimzählung bestimmt. Das Ergebnis des beschriebenen
Versuchs ist in der Fig. I dargestellt. Als Ordinate ist die Keimzahl je Kubikzentimeter
in logarithmischem Maßstab aufgetragen, als Abszisse die Zeit in Stunden nach der
Beimpfung der Lösungen.
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Die Kurve I zeigt das normale Wachstum in der unbehandelten Lösung,
die Kurve 2 das Verhalten der Keime in der behandelten Lösung. Die Darstellung zeigt
die durch die Behandlung der Traubenzuckerlösung erreichte Wirkung.
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Sehr wesentlich für die günstigste Umwandlung der zu behandelnden
Substanz, in dem gewählten Beispiel also Traubenzucker, ist die Feststellung der
notwendigen bzw. optimalen Aufheizgeschwindigkeit, vor allem auch in Abhängigkeit
von der zu behandelnden Konzentration. Diese Feststellung kann durch einige einfache
Versuchsreihen für jede Substanz getroffen werden, indem verschieden konzentrierte
Lösungen mit verschiedenen Aufheizgeschwindigkeiten und gegebenenfalls veränderten
Verweilzeiten behandelt und die entstandenen Wirkungen auf die Keime verglichen
werden.
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Eine wesentliche Steigerung der bakteriostatischen bzw. bakteriziden
Wirkung kann man in vielen Fällen erreichen, wenn man die Lösung der Substanz mehrmals
hintereinander dem erfindungsgemäßen Steilaufheizvorgang unterwirft, wobei es nicht
immer notwendig ist, die Substanz zwischen den einzelnen Durchläufen jeweils wieder
auf die Ausgangstemperatur abzukühlen, sondern es genügt unter Umständen, sie auf
ein bestimmtes Maß abzukühlen, um sie dann wieder auf die Behandlungstemperatur
mit der vorgeschriebenen Aufheizgeschwindigkeit aufzuheizen. Bei den beobachteten
Wirkungen lag es nahe, an durch die erfindungsgemäße Behandlung bewirkte Umlagerungen
(Isomerien) zu denken. Die durchgeführten Messungen des Polarisationswinkels vor
und nach der Behandlung haben gezeigt, daß solche Umlagerungen bei der Behandlung
jedenfalls stattfinden. Sie konnten nicht nur bei dem in der bisherigen Beschreibung
als Beispiel gewählten Traubenzucker, sondern auch bei anderen Substanzen, z. B.
Milchzucker, festgestellt werden. Auch die erwähnte Steigerung des Effektes durch
wiederholte Behandlung ließ sich in einer Zunahme der Änderung des Polarisationswinkels
feststellen.
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Ebenso wie es durch das erfindungsgemäße Verfahren gelingt, aus Kohlehydraten
Blockierungsstoffe für kohlehydratspaltende Fermente zu bilden, z. B. die oben ausführlich
behandelte Umwandlung des Traubenzuckers, kann man auch Eiweißverbindungen und ihre
Bausteine sowie Lipoide einer entsprechenden Behandlung unterziehen, um aus ihnen
Blockierungsstoffe für die entsprechenden Fermente zu erzeugen. Die Behandlungsbedingungen
sind hier im großen und ganzen dieselben.
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Auch die Vereinigung mehrerer verschiedener durch das erfindungsgemäße
Verfahren durch gemeinsame oder Einzelbehandlung erzeugter Substanzen ist ohne weiteres
möglich. So wurde beispielsweise ein kombinierter Nährboden für Tuberkelbazillen
nach dem erfindungsgemäßen Verfahren behandelt und dann mit Tuberkelbazillen beimpft.
Im Gegensatz zum unbehandelten Nährboden war ein Rückgang des Bakterienwachstums
deutlich feststellbar.
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Bei der therapeutischen Anwendung der durch die erfindungsgemäße
Behandlung von Traubenzucker gewonnenen Modifikation konnten recht gute Erfolge
erzielt werden, auch in Fällen, wo in vitro in eiweißhaltigen Nährlösungen keine
oder keine erhebliche bakteriostatische Wirkung beobachtet werden konnte. Dies läßt
darauf schließ'en, daß bestimmte toxische Wirkungen durch Blockierung des oder der
verantwortlichen Fermente ausgeschaltet werden können. Es ist also denkbar, daß
durch Blockierung bestimmter Fermente die krankheitserregende toxigene Wirkung ausgeschaltet
wird, ohne daß der Keim als solcher direkt geschädigt wird. Man könnte in diesem
Falle von einer antitoxigenen Wirkung sprechen.
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Das erfindungsgemäße Verfahren läßt sich sehr einfach durchführen,
indem man die zu behandelnde Substanz bzw. ihre Lösung durch ein Heizsystem hindurchlaufen
läßt, das die Forderung der Erfindung bezüglich der Aufheizgeschwindigkeit erfüllt.
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Die Bedingungen, denen diese Aufheizgeschwindigkeit zu gehorchen
hat, sind bereits den vorstehenden Ausführungen zu entnehmen und vom Erfinder an
anderer Stelle beschrieben und definiert.
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Es ist in jedem Fall notwendig, die Aufheizung der behandelten Substanz
über einen bestimmten Temperaturintervall von beispielsweise wenigstens 300 C mit
den angegebenen Aufheizgeschwindigkeiten zu bewirken, die wenigstens in der Nähe
von 1000 C/sec, aber auch bei mehreren 100 bis zu
IoooO C/sec liegen
können. Im wesentlichen kommen alle Aufheizsysteme, die mit Wärmezufuhr von außen
her, z. B. durch elektrische Beheizung, arbeiten, darauf hinaus, daß zur Erreichung
der verlangten hohen Aufheizgeschwindigkeit, für die das Verhältnis der zugeführten
Heizleistung zum Volumen des Heizraumes bestimmend ist, die Wärmeübergangsfläche
des Heizraumes im Verhältnis zur beheizten Fläche möglichst klein gemacht wird.
Man hat also große beheizte Flächen zu benutzen und die Wärme durch kleine Flächen
(kleinen Heizraumdurchmesser, z. B. Kapillaren) abzunehmen.
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Ein anschließendes, zweckmäßig isoliertes oder sogar ebenfalls beheiztes
Leitungsstück von zweckentsprechender Länge und zweckentsprechendem Querschnitt
kann sich anschließen. Dieses Leitungsstück hat nur die Aufgabe, die Behandlungsflüssigkeit
für eine solche Zeit auf der erreichten Temperatur zu halten, die von der Flüssigkeit
zum Durchfließen dieses Leitungsstückes gebraucht wird. Hier kann gleichzeitig eine
Temperaturmeßvorrichtung angeordnet sein, durch die der Grad der Erhitzung, die
Fließgeschwindigkeit und weitere Verfahrensbedingungen selbsttätig gesteuert werden
können. Anschließend gelangt die Flüssigkeit dann in eine Kühlvorrichtung von zweckentsprechender
Bauart, in der die Behandlungsflüssigkeit mit der erforderlichen Schnelligkeit und
um den notwendigen Betrag wieder zurückgekühlt wird. Andererseits kann die Aufheizung
auch in einem hoch- bzw. ultrahochfrequenten elektromagnetischen Wechsel feld vorgenommen
werden.
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Die Vorteile einer solchen Hochfrequenzerhitzung sind so allgemein
bekannt, daß sie hier nicht im besonderen auseinandergesetzt zu werden brauchen;
sie ermöglicht vor allem auch bei Substanzen schlechter Wärmeleitfähigkeit die Aufheizung
mit den erfindungsgemäßen Effekten durchzuführen.
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Die Hochfrequenzerhitzung ist darüber hinaus noch vorteilhaft, wenn
die Substanz nicht im Durchlauf, sondern in geschlossenen Gefäßen aus isolierendem
Material, z. B. Glasampullen, behandelt werden soll. Zweckmäßig ist es dann, diese
Gefäße in einem Hochfrequenzfeld (Spulen- oder Kondensatorfeld) mit so hoher Tourenzahl
rotieren zu lassen, daß die eingefüllte Flüssigkeitsmenge als dünner Film an der
Glaswand haftet. Da die Hochfrequenzleistung nur für die Dauer von größenordnungsmäßig
0,1 Sekunden benötigt wird, ist man nicht gezwungen, den Generator für Dauerbetrieb
auszulegen, sondern kann einen Generator mit wesentlich kleineren Senderöhren im
bekannten Hochtastbetrieb verwenden, so daß der Aufbau des notwendigen Generators
wesentlich vereinfacht und verbilligt wird.
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Die erforderliche Rückkühlung nach dem Aufheizvorgang ergibt sich
dann in diesem Falle sehr einfach, da die Gefäßwandung bei einem Material geringer
Hochfrequenzverluste, z. B. Glas, während der kurzen Behandlung kalt bleibt und
deshalb in der Lage ist, die der Flüssigkeit zugeführte Wärmemenge wieder aufzunehmen,
so daß die Flüssigkeitstemperatur schnell um einen großen Betrag herabgesetzt wird.
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Eine weitere Abkühlung der Flüssigkeit auf eine niedere Temperatur
kann dann von außen her erfolgen.
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Außer der Herstellung von Substanzen für therapeutische Zwecke ist
das erfindungsgemäße Verfahren aber auch für die Haltbarmachung von Lebens- und
Genußmitteln sowie von anderen durch Mikroorganismen und/oder Fermente verderblichen
Stoffen von Bedeutung, und zwar entweder durch Behandlung des betreffenden Gutes
selber, wenn dieses Stoffe enthält, die sich erfindungsgemäß umwandeln lassen, oder
durch Zusatz von erfindungsgemäß hergestellten und im Sinne der Erfindung wirkenden
Stoffen. Die Wirkung von nach dem erfindungsgemäßen Verfahren hergestellten Stoffen
erstreckt sich also nicht nur auf die Hemmung oder Abtötung von Mikroorganismen
durch Fermentblockierung, sondern auch auf die Blockierung und damit Unschädlichmachung
von Fermenten, die in pflanzlichem oder tierischem Zellgewebe vorhanden sind, und
von freien Fermenten.
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Die gegebene Erklärung für die beschriebenen Erscheinungen und den
überraschenden Effekt des erfindungsgemäßen Verfahrens ist, daß die behandelten
Substanzen eine sterische Umformung erfahren. Dies rechtfertigt die Annahme, daß
das beschriebene und beanspruchte Verfahren ganz allgemein geeignet ist, in der
präparativen Chemie sterische Umlagerungen organischer Körper, insbesondere zu ihrer
Uberführung in isomere Formen zu bewirken. Der erfindungsgemäße Wärmestoß übernimmt
hierbei gleichsam die Funktion der bekannten Umwandlungstemperatur. Ob eine bestimmte
chemische Verbindung oder ein in der Natur vorkommender Körper organischen Charakters
dazu geeignet ist, sich durch den erfindungsgemäßen Wärmestoß umformen zu lassen,
wird sich im Einzelfall durch einen oder einige orientierende Versuche leicht nachweisen
lassen. Schon die vorstehend gegebenen Richtlinien und Ausführungsbelispiele werden
darüber hinaus erkennen lassen, ob die Anwendbarkeit des erfindungsgemäßen Verfahrens
erwartet werden kann oder nicht.