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Verfahren zur Verbesserung der Temperaturbeständigkeit von Kunstfäden
aus Polyvinylchlorid oder Mischpolymerisaten des Vinylchlorids Fäden aus Polyvinylchlorid
oder Mischpolymerisaten des Vinylchlorids mit anderen polymerisierbaren Verbindungen
zeichnen sich vor den auf Cellulosebasis hergestellten Fäden durch ihre hohe Naßfestigkeit
sowie ihre Unempfindlichkeit gegen alle Arten von Bakterien, Säuren und Laugen aus.
Ihre geringe Temperaturbeständigkeit und Anfärbbarkeit hat jedoch zur Folge, daß
ihre Anwendbarkeit nur auf bestimmte technische Gebiete beschränkt bleibt. Der schon
bestehende Vorschlag zur Erhöhung des Erweichungspunktes von Formkörpern aus Polyvinylchlorid
durch Nachbehandlung der fertigen Gebilde mit Chlor (britisches Patent 517 689)
ist wegen apparativer Schwierigkeiten technisch bisher noch nicht angewandt worden.
Wesentlich einfacher ist dagegen der Vorschlag technisch auszuführen, die Hitzebeständig,
keit plastischer Massen aus Polyvinylchlorid durch Zusatz von Glycerin-Phthalsäure-Harzen
vor der endgültigen Formgebung zu verbessern, (deutsches Patent Gor 323). Bei Übertragung
dieses Verfahrens auf Kunstfäden wird wohl in der Temperaturbeständigkeit eine gewisse
Verbesserung erzielt, aber die Festigkeit der Fäden wird dem Harzzusatz entsprechend
erniedrigt, so daB der Zusatz also nur das Gewicht der Fäden erhöht, ohne die Festigkeit
zu verbessern.
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Es wurde nun gefunden, daB die aus Polyvinylchlorid oder Mischpolymerisaten
des Vinylchlorids bestehenden Kunstfäden in ihrer Temperaturbeständigkeit
ohne
Verschlechterung anderer wertvoller Eigenschaften dadurch wesentlich verbessert
werden können, daß ihnen vor der endgültigen Verformung weniger als 50 °/o im gleichen
Lösungsmittel lösliche Cellulosederivate zugesetzt und sie nach der Verformung zu
Fäden auf ein Mehrfaches ihrer Länge verstreckt werden.
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Polymerisate aus Vinylchlorid oder Mischpolymerisate des Vinylchlorids
sind vielfach in dem gleichen Lösungsmittel löslich wie Cellulosederivate, z. B.
in. aliphatischen und hydroaromatischen Ketonen, Estern, heterocyclischen Äthern
usw., so daß man meistens ohne Schwierigkeiten homogen aussehende Lösungen aus dem
Gemisch herstellen kann. Es gelingt auch, diese Lösungen in geeigneter Konzentration
nach dem besonders für Acetatkunstseide technisch angewandten Trockenspinnverfahren
zu Fäden zu verspinnen. Im festen Zustande sind aber die Vinylchloridpolymerisate
mit Cellulosederivaten nicht mehr homogen mischbar, wie eine mikroskopische Betrachtung
der gesponnenen Fäden zeigt, sondern, es liegen Teile der einen Komponente neben
solchen der anderen vor, ohne miteinander in Verbindung zu stehen.
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Wegen dieser Inhomogenität hätte man keineswegs eine Verbesserung
der Temperaturbeständigkeit ohne wesentliche Verschlechterung von Festigkeit und
Dehnung erwarten sollen. Selbst bei einer homogeneren Verteilung der Cellulosederivate
sollte gübstigstenfalls eine Festigkeit vorhanden sein, die sich aus den Festigkeiten
von Fäden aus den beiden Komponenten entsprechend ihrer Konzentration zusammensetzt.
Die im Handel befindlichen, in organischen Lösungsmitteln löslichen technischen
Cellulosederivate, von denen hauptsächlich die Celluloseester und -äther in Betracht
kommen, haben nur einen Polymerisationsgrad von etwa Zoo. Dementsprechend haben
die daraus hergestellten Fäden eine wesentlich niedrigere Festigkeit als Polyvinylfäden.
Besonders die Naßfestigkeit beträgt meistens nur etwa ein Drittel von der der Polyvinylfäden.
Trotzdem bleibt überraschenderweise bei Zusatz solcher Cellulosederivate nach dem
vorliegenden Verfahren auch die Naßfestigkeit der Polyvinylfäden erhalten.
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Die Bruchdehnung der Fäden ist nach dem Spinnen zunächst wohl infolge
des oben geschilderten heterogenen Gefüges der Fäden stark herabgesetzt. Trotzdem
lassen sich die Fäden aber noch ebenso stark wie reine Polyvinylchloridfäden auf
ein Mehrfaches ihrer Länge verstrecken. Die verstreckten Fäden unterscheiden sich
dann in Festigkeit und Dehnung nicht 'mehr von den verstreckten Polyvinylchloridfäden.
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Von den sonstigen Eigenschaften, die trotz des Gehalts an Cellulosederivaten
erhalten bleiben, ist noch die gute Beständigkeit der gemäß vorliegender Erfindung
hergestellten Fäden gegen alle Arten von Bakterien, insbesondere gegen die sehr
aggressiven Fäulnis-und Bodenbakterien zu erwähnen. Die mit Zusatz von Cellulosederivaten
temperaturbeständiger gemachten Fäden aus Polyvinylchlorid werden noch nicht angegriffen,
während Vergleichsfäden aus dem reinen Cellulosederivat unter denselben Bedingungen
so weit zerstört werden, daß ihre Festigkeit nicht mehr gemessen werden kann. In
einigen Lösungsmitteln lösen sich Vinylchlöridpolymerisate nur in der Wärme auf
und ergeben bei Zimmertemperatur eine dicke Gallerte, so daß die Spinnlösung nur
bei erhöhter Temperatur aufbewahrt und durch geheizte Rohrleitungen der Spinnmaschine
zugeführt werden muß (vgl. amerikanisches Patent 161766). Auch in dieser
Beziehung wirkt sich der Zusatz von Cellulosederivaten günstig aus, indem mit ihrem
steigenden Zusatz die Gelierung von Polyvinylchloridspinnlösungen vermindert wird.
Hierdurch wird eine wesentliche technische Vereinfachung beim Spinnprozeß erreicht.
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Die durch die vorgeschlagene Arbeitsweise bezweckte Erhöhung der Temperaturbeständigkeit
der Fäden zeigt sich am besten in der Schrumpfung der Fäden beim Erhitzen. Das vorliegende
Verfahren kann selbstverständlich sinngemäß auch auf andere formbare Gebilde aus
Polyvinylchlorid oder dessen Mischpolymerisaten, z. B. auf Borsten, Folien, Filme
u. dgl., übertragen werden.
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Die folgenden Beispiele zeigen die durch Zusatz von Cellulosederivaten
erreichte Erhöhung der Temperaturbeständigkeit.
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Beispiel z 19,5 Teile eines Vinylharzes, das durch Mischpolymerisation
von Vinylchlorid mit Vinylacetat mit einem Gehalt von 87 °/o Polyvinylchlorid hergestellt
worden ist, werden zusammen mit 8,4 Teilen technischem Celluloseacetat in 72,1 Teilen
Aceton gelöst. Diese Spinnlösung wird in der für die Herstellung von Acetatkunstseide
üblichen Weise filtriert und zu Fäden versponnen. Die Fäden werden gezwirnt und
beim Durchleiten durch go bis 95° heißes Wasser auf das Z,gfache ihrer Lär!ge verstreckt.
Die Kunstseide wird anschließend auf der Spule 3 Stunden bei go° getrocknet.
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Aus dem gleichen Mischpolymerisat wird auch eine Kunstseide ohne den
Zusatz von Celluloseacetat gesponnen und ebenso verstreckt. Es werden folgende Reißfestigkeitswerte
erhalten:
Bruch- Bruch- |
festigkeit |
dehnung |
Vor der Verstreckung: |
ohne Zusatz . . . . . . . . . . . . . 0,59 g/den 16o
o% |
mit 3o °/o Celluloseacetat ... 0,55 g/den 490/, |
Nach der Verstreckung: |
ohne Zusatz . . . . . . . . . . . . . 1,6 g/den 320/" |
mit 30')/o Celluloseacetat ... 1,6 g/den 34 °/o |
Die Naßfestigkeit beträgt in beiden Fällen 1o2 °/o der Trockenfestigkeit. Die Temperatur,
bei der ein ohne Spannung aufgehängter Faden um 1o °/o schrumpft, liegt bei go°
für den Faden mit Celluloseacetat, während sie für den ohne Zusatz gesponnenen Faden
bei 72° liegt.
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Werden diese Fäden zusammen mit Acetatkunstseide 6 Wochen lang in
25° warme, feuchte, halbverrottete Komposterde eingelegt, so zeigen sie noch keine
merkliche Festigkeitsabnahme, während die Acetatkunstseide schon so stark von Bakterien
angegriffen
ist, daß ihre Festigkeit mit den üblichen Prüfgeräten
nicht mehr gemessen werden kann.
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Beispiel 2 18,75 Teile eines durch Emulsionspolymerisation erhaltenen
Polyvinylchlorids und 6,25 Teile Äthylcellulose mit 48 °/o Äthoxyl werden in 75
Teilen Tetrahydrofuran gelöst und zu Fäden versponnen. Die erhaltenen Fäden werden
in go bis g5° heißem Wasser auf das 3,2fache ihrer Länge verstreckt und bei go°
getrocknet. Die stark mattierten Fäden haben eine mittlere Reißfestigkeit von 1,9
g/den und 13 °/o Dehnung. Die relative Naßfestigkeit beträgt 96 bis Zoo °/o.
Die gleichen Werte für Festigkeit und Dehnung werden auch für Fäden aus Polyvinylchlorid
erhalten, welche keine Äthylcellulose enthalten, aber sonst ebenso hergestellt worden
sind. Die Fäden mit Zusatz von Äthylcellulose haben einen Erweichungspunkt, der
um Z5° höher liegt als der von Fäden, ohne diesen Zusatz.
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Außer der Verbesserung der thermischen Beständigkeit, welche sich
beispielsweise beim Waschen und Bügeln von Geweben äußert, zeigen die Fäden auch
eine erhöhte Anfärbbarkeit mit Farbstoffen und eine ausgezeichnete Beständigkeit
gegen konzentrierte Alkalilaugen.