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Einrichtung zur Behandlung örtlich begrenzter Gehirnpartien Bei der
Behandlung örtlich begrenzter Gehirnpartien oder sonstiger bestimmter im Schädel
eingeschlossener Organe mußte zur Gewährleistung der Exaktheit des Eingriffs entweder
unter unmittelbarer Röntgenkontrolle gearbeitet werden, oder es mußte das große
hirnchirurgische Verfahren angewendet werden. Beide Möglichkeiten erschweren weitgehend
die praktische Durchführung, und zwar aus technischen und menschlichen Erwägungen
heraus.
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Durch die Einrichtung gemäß der Erfindung sollen die Schwierigloeiten
und Nachteile beider Verfahren weitgehend vermieden werden, ohne die Exaktheit eines
Eingriffs zu gefährden. In vielen Fällen wird durch die erfindungsgemäße Einrichtung
sogar ein Eingriff ermöglicht, der mit den bisherigen Methoden nicht oder nur unvollkommen
durchgeführt werden konnte. Durch die erfindungsgemäße Einrichtung ist es möglich,
nach der Bestimmung der zu behandelnden Gehirnpartien mittels an sich bekannter
diagnostischer und encephalographischer Verfahren einen von außen nach mathematischen
Gesichtspunkten geführten und gezielten Eingriff vorzunehmen.
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Die neue Einrichtung wird an Hand ihrer Verwendung bei der Ausführung
der Leukotomie beschrieben, ohne daß damit ihre Anwendbarkeit erschöpft ist.
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Bei der Durchführung der Leukotomie soll nämlich nach den Forschungsergebnissen
der letzten Jahre ein Eingriff auf möglichst kleine H;irngebiete begrenzt werden,
um die früher bei solchen Eingriffen auftretenden schwerwiegenden postoperativen
Folgen in psychischer und somatischer Einsicht auf ein tragbares Maß zu beschränken.
Durch faseranatomische Forschungen ist Ider spezifische Wert
der
einzelnen Thalamus-Stirnhirnverbindungen in lokaler und funktioneller Beziehung
weitgehend erforscht, und es konnte auch bereits durch die Methode der Topektomie
erwiesen werden, daß Heilerfolge bei Psychosen erzielbar sind, ohne die Persönlichkeitsstruktur
des Patienten durch den operativen Eingriff schwerwiegend zu schädigen.
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Diese Methode erfordert jedoch Idas große hirnchirurgische Verfahren,
wodurch Idie praktische Anwendung weitgehend erschwert ist.
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Durch die Einrichtung gemäß der Erfindung sollen diese Sohwieri'gkeliten
weitgehend behoben werden, und zwar unter Erzielung des gleichen Endeffektes, so
Idaß also ebenfalls nur in solchem Maße eine Durchschneidung der Hirnsubstanz erfolgt,
wie eie nach den bisherigen Erfahrungen und Kenntnissen notwendigerweise erfolgen
muß. Damit werden operativ gesetzte Persönlichkeitsdefekte und somatische Schäden
gering gehalten und in den meisten Fällen ganz vermieden. Durch die Vermeidung des
großen hiruchirurgischen Verfahrens wird weiterhin wider operative Eingriff so schonend
wie möglich durchführbar, und vor allen Dingen wird der Eingriff in allen Punkten
vorher berechenbar, eo daß die technische Schnittführung nach mathematischen Gesichtspunkten
abläuft und gleichzeitig bei jedem Patienten ein Beleg darüber vorliegt, was bei
ihm an Hirnsubstanz durchgetrennt worden ist.
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Zu diesem Zweck besteht die neue Einrichtung aus einer am Schädel
fixierbaren Führung für eine in das Schädelinnere einführbare Sonde, Kanüle, Hohlnadel
od.dgl. in Verbindung mit Skalen und/oder Anschlägen an der Führung, mittels welcher
die Sonde od.dgl.auf vorbestimmte Punkte des Schädelinnern einstellbar ist.
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Zur genauen Fixierung ist der Bügel mit einer weiteren Skala für
einen an ihm verschiebbaren Zeiger zur äußeren Markierung !der Schädelmedianlinie
versehen, welche der Skala zur Einstellung der Eintrittstiefe der Sonde od. dgl.
gleichlaufend und mit ihr übereialstimmend geteilt ist, so daß bei Einstellung gleicher
Skalenwerte die Zeigerspitze miit Ider Spitze der Sonde in der gleichen Medianebene
liegt. Für die verschiedenen Bewegingen und Stellungen' der Sonde, Hohlnadel od.
dgl. sind also äußere Betätigungsgriffe, Skalen und/oder Anschläge vorgesehen, welche
eine mathematisch exakte Durchführung Ides Eingriffs ermöglichen.
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Bei der Verwendung der Einrichtung zur Leukotomie wird eie Hohlnadel
verwendet, nahe deren Spitze sich eine Nut befindet, aus welcher ein Federdraht
aus dem Umriß ,der Nadel schleifenförmig herausgespreizt werden kann und dadurch
als Schneide wirksam ist.
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In der Zeichnung ist das Gerät an einem schematischldargestellten
Schäden angesetzt gezeigt. Das Gerät soll tim wesentlichen an Hand seiner Wirkungsweise
beschrieben werden.
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Zum Verständnis sei zunächst auf die erforderlichen vorbereitenden
Arbeiten einer Leukotomie eingegangen. Der Verlauf der Bahnen zwischen 'rhalamus
und Stirnhirn unterliegt bei jedem Menschen gewissen Abweichungen, die durch die
verschiedenen Schädel- -und Kernformen bedingt sind. Diese physiologischen Varianten
können durcoh Idie Lufbdarstellung gder Vorderhörner der Seitenventrikel weitgehend
erfaßt werden. Der Vorderhörnerbezirk dient damit als Orientierung tfür die bezweckte
Unterbrechung weißer Hirnsubstanz. Er wird röntgenologisch in ein Meßkreuz hineinproj
iziert, das wobei der Aufnahme der vorderen seitlichen Schädelwand an bestimmten
Punkten anliegt. Die auf diese Weise an den luftgefüllten Schädelbildern gewonnenen
Fixierpunkte können auf !die seitliche Kopffläche des Patienten durch Anlegen des
Meßkreuzes an den feststehenden Markierungen übertragen werden. Die gedachte Verbindung
der beiden Markierungen ergibt z. B. eine Gerade, die von ,der rechten Schläfe an
der vordersten und untersten Begrenzung beider Vorderhörner vorbei zur linken Schläfe
zieht. Diese Linie kann hinsichtlich ihrer Orientierung zum Vorderhorn beliebig
festgelegt werden, indem sie höher, tiefer, mehr nach vorn oder mehr nach hinten
gelegt wird, und stellt die Leitlinie für die geplante Leukotomie dar, auf Idie
das Gerät in jedem Punkt berechenbar eingestellt werden kann. Es werden also vor
der Operation die im Encephalogramm mittels des Meßkreuzes ermittelten Festpunkte
an beiden Schläfen des Patienten an gleicher Stelle markiert.
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An einer Sohläfenseite wird in Höhe der erfolgten Markierung ein
zylindrisches Bohrloch von etwa 10 mm Durchmesser angelegt. Dieses Bohrloch dient
zur Einführung einer Buchse I, welche geteilt ist, wobei beide Hälften mittels der
federnden Ausleger 2 und 3 an einem Rahmen 4 festgelegt sind. Die beiden Träger
besitzen Zapfen 5 und 6 mit SGewindebohrungen, in welchen eine Spindel 7 mit zwei
gegenläufigen Gewinden geführt ist, so daß durch Drehen des Knopfes 8 die Hälften
der Buchse I gespreizt oder zusammengezogen werden können. Die Schiene 4 trägt ferner
zwei durch Schrauben verstellbare Anschläge g und I0, durch welche eine genaue Anlage
an die Schädeldecke erreicht wird, so Idaß die Anordnung an der einen Schläfenseite
durch die drei Punkte 1, 9 und Ic festgelegt ist. Die Schiene 4 trägt ein Zahnsegment
II, auf welchem ein Schlitten 12 verschiebbar ist; diese Verstellung erfoLgt dadurch
einen Zahntrieb I3 mittels des Knopfes I4, welcher an dem Schlitten 12 gelagert
ist. Der Schlitten 12 sitzt am unteren Ende eines Doppelzahnsegments I5, das zu
dem Zahnsegment II senkrecht steht, und welches seinerseits wiederum in einem Schlitten
I6 geführt ist, welcher mittels des Knopfes I7 durch zwei kleine Ritzel auf den
Zahnsegmenten 15 verschoben werden kann. An dem Schlitten I6 ist der Bügel I8 mit
der Schiene 19 starr befestigt. Das andere Ende 20 des Bügels bildet eine Führung
für einen Stift 21, welcher am inneren Ende eine Kugel 22 trägt und am äußeren Ende
einen Griff 23.
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Nach Fixierung der Buchse I in und der Stifte 9 und I-0 an der Schädeldecke
kann durch Betätigung
der Knöpfe 14 und I7 der Bügel Ig so weit
gedreht und geschwenkt werden, bis sich die Kugel 22 mit dem Fixierungspunkt an
der anderen Schläfenseite in Deckung bringen läßt. Nach Einstellung lassen sich
sämtliche Verstellungen durch Stellschrauben 24, 25 und 26 festlegen. An der Längsseite
27 des Bügels ist ein Schlitten 28 an Hand einer Skala 29 beweglich und Idurch eine
Stellschraube 30 feststellbar. Dieser Schlitten 28 trägt einen senkrecht zur Verschieberichtung
des Schlittens 28 schwenkbaren Zeiger 31, welcher zur äußeren Fixierung der Schädelmedianlinie
ldilent. Die Anordnung und Teilung der Skala 29 stimmt mit der zu i'hr parallel
liegenden Skala 32 überein, welche die Eingriffstiefe der Hohlnadlel 33 bestimmt.
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Die Hohlnadel 33 ist in dem Schlitten I6 auf die Kugel 22 zu verschiebbar
geführt und drehbar und trägt an ihrem hinteren Ende eine Scheibe 34, welche mit
Gradteilung versehen ist. An Hand der Skala 32 und der Skala 34 läßt sich die Hohlnadel
33 in ihrer Tiefe und in ihrer Umfangswinkelstellung genau einstellen. Zusätzlich
ist noch ein Schieber 35 mit der Feststellschraube 36 als Axialanschlag für die
Scheibe 34, id. h. die Hohlnadel 33, vorgesehen, während die Drehung der Hohlnadel
33 durch eine Stellschraube 37 fixierbar ist. Nahe dem Ende der Hohlnadel befindet
sich eine Nut 3s, aus welcher ein Stahldraht 39 durch einen in der Hohlnadel geführten
Kolben 40 oder die Verlängerung des Drahtes 39 bogenförmig elastisch herausgedrückt
werden kann, wie in der Zeichnung dargestellt ist. An der Scheibe 34 ist eine Füihrungsschiene
41 mit einer Skalenteilung befestigt, an welcher ein Knopf 42 geführt ist, welcher
das Ende des Kolbens 40 bildet, oder an dem das Ende des Drahtes 39 befestigt ist.
Zwei feststellbare Anschläge 43 und 44 begrenzen dile beiden Grenzstellungen des
Knopfes 42 und damit die Ruhestellung und Ausbiegung des Stahldrahtes 39.
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Hat nun das Encephalogramm und die Art des Falles ergeben, daß die
Schnittführung z. B. 1 cm vor der Mittellinie beginnen soll, so wird die Hohlnadel
33 bis auf das Maß I cm vor dem Medianlinienwert vorgeschoben, der durch den Zeiger
31 bzw. dessen Skala 29 bestimmt ist. Soll der entsprechende Punkt durch Weiterführen
der Nadel in die andere Hirnhälfte erreicht werden, so müßten dem Medianlinienwert
I plus 3 cm zugerechnet werden, wenn z. B. der Führungskanülenschlitz 3 cm lang
ist. Da der Zeiger3I im Beispiel auf 6 cm eingestellt ist, müßte die Scheibe 34
auf den Wert 6-1 = 5 cm bzw. 6 + 4 = 10cm eingestellt werden. Praktisch wird allerdings
zur sicheren Vermeildung arterieller Verletzungen die Leukotomie mit dem Gerät für
die beiden Stirnhälften getrennt von je einer Trepanationsöffnung aus durchgeführt,
also die Hohlnadel nicht über die durch den Zeiger 3I bestimmte Medianlinie hinausgeführt.
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Die Durchtrennung der Hirnsubstauz erfolgt durch bogenförmiges Aufbiegen
des Stahldrabtes 39 durch Verschieben -des Knopfes 42. Durch Verwendung verschiedener
Hohllnadeln mit unterschiedlicher Länge der Nutenöffnungen in den auswechselbaren
Hohlnadeln 33 lassen sich verschieden breite und durch entsprechendes Aufbiegen
des Stathldrahtes 39 entsprechend mehr oder weniger tiefe Schnitte führen. Die Spannung
des Drahtes ist voll ausreichend, um die weiche Hirnsubstanz zu durchschneiden.
Das Ausmaß der Auswölbung des Drahtes an Hand der Skala 41 richtet sich nach dem
vorher geplanten Eingriff, wobei Höhe und Breite des Stahldrahtbogens dem zu durchtrennenden
Bezirk empirisch angepaßt und die sich ergebenden Werte für den operativen Eingriff
durch den Anschlag 43 festgelegt werden. Durch Drehung ender Hohlnadel 33 mittels
der Skaleuteilung 34 ist jede radiale Schnittrichtung möglich. Es können auch kreisförmige
Durchtrennungen ausgeführt werden, wenn zuerst bei oO und dann nach Drehung der
Nadel auf Iso nochmals geschnitten wird.
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Der eigentliche Eingriff der Leukotomie vom Anlegen des Gerätes in
die Trepanationsöffnung bis zu seiner Abnahme nach Durchführung der Schnitte dauert
etwa IO Minuten.
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Die Einrichtung wurde im wesentlichen an Hand ihrer Verwendung zur
Leukotomie beschrieben.
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Es ist einleuchtend, daß an Stelle der Hohlnadel mit einem Schneidedraht
auch andere Instrumente in Verbindung mit der beschriebenen Einrichtung mit Vorteil
verwendet werden können, so z. B.
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Injektionskanülen, magnetische Stifte, Elektroden usw.
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PATENTANSPRCCHE: I. Einrichtung zur Behandlung örtlich begrenzter
Gehirnpartien oder sonstiger im Schädel eingeschlossener Organe durch mechanische,
physikalische oder chemische Beeinflussung, gekennzeichnet durch eine am Schädel
fixierbare Führung (I6) für eine in das Schädelinnere einführbare Sonde (33) od.
dgl. und Skalen (32, 34) und/oder Anschläge (35) an der Führung, mittels welcher
die Sonde(33) od. dgl. auf vorbestimmte Punkte des Schädelinnern einstellbar ist.