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Verfahren zur Herstellung von Chlor durch Umsetzung von Chlorwasserstoff
mit Sauerstoff Bei der katalytischen Oxydation von Chlorwasserstoff mit Luft oder
Sauerstoff zu Chlor und Wasser besteht eine besondere Schwierigkeit seit jeher darin,
daß die Katalysatoren, die praktisch stets Kupferchlorid als wesentlichen Bestandteil
enthalten, bei den Reaktionstemperaturen flüchtig sind. Um die Wirkungsdauer des
Katalysators zu verlängern und um Kupferverluste zu vermeiden, hat sich in der Praxis
als wirksamstes Mittel herausgestellt, die Strömungsrichtung des umzusetzenden Gasgemisches
von Zeit zu Zeit umzukehren. Diese Maßnahme ist bei einem technischen Betrieb lästig,
und es ergeben sich dabei um so mehr Schwierigkeiten, je höher konzentriert die
zur Umsetzung gelangenden Gase sind, denn bei der Verwendung von Sauerstoff oder
sauerstoffreichen Gasen zur Oxydation wirkt sich die Wärmetönung störender aus als
bei verdünnteren Gasen, und es bedarf großer Sorgfalt, um die gewünschte Reaktionstemperatur
genau einzuhalten. Dies ist aber besonders schwierig, wenn die Temperaturverhältnisse
des Reaktionsgefäßes durch das Umkehren der Strömungsrichtung immer wieder gestört
werden.
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Es wurde nun gefunden, daß diese Schwierigkeiten wegfallen, wenn man
die katalytisch wirkenden
Chloride als Schmelze verwendet. Es ist
dann kein Wechsel der Strömungsrichtung mehr notwendig, denn die Wirksamkeit des
Katalysators bleibt auch bei monatelang gleichbleibender Strömungsrichtung erhalten.
Die Wiedergewinnung etwa absublimierten Kupferchlorids bzw. des darin enthaltenen
Kupfers läßt sich in einfacher Weise bewerkstelligen. Die Bedienung ist durch die
konstanten Betriebsverhältnisse wesentlich vereinfacht. Auch der Aufbau der Reaktionsgefäße
ist einfacher; während bei dem bisherigen Verfahren, namentlich bei der Verarbeitung
konzentrierter Gase, Wärmeaustauschvorrichtungen notwendig sind, um an allen Stellen
des festen Katalysators eine gleichmäßige Temperatur aufrecht zu erhalten, erübrigen
sich hier derartige Vorrichtungen.
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Zur Katalyse der Umsetzung eignen sich alle Chloride, die auch in
festem Zustand, für sich oder auf Trägern verteilt oder in Gemischen, wirksam sind.
Es sind im wesentlichen die Chloride der in mehreren Wertigkeitsstufen vorkommenden
Metalle und solche, die Oxychloride bilden. Es sind aber auch solche Chloride, wie
Eisenchlorid, wirksam, die man in festem Zustand, wahrscheinlich zufolge ihrer großen
Flüchtigkeit, bisher nicht zur Katalyse der Chlorwasserstoffoxydation verwenden
konnte.
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In manchen Fällen empfiehlt es sich, die katalytisch wirksamen Chloride
oder ihre Gemische im Gemisch mit Chloriden anzuwenden, die für sich allein nicht
oder nurwenigkatalytisch wirken. Besonders vorteilhaft sind eutektische Gemische.
So ist bei der Verwendung eines eutektischen Gemischesvon Kupferchlorid und Kaliumchlorid
der Umsatz höher als bei Kupferchlorid allein. Zugleich wird durch Anwendung des
Eutektikums die Sublimation verringert. Ferner wird dadurch ein teuerer Stoff (Kupferchlorid)
durch einen wohlfeileren (Kaliumchlorid) teilweise ersetzt. Der niedrigere Schmelzpunkt
des Eutektikums bedeutet einen weiteren Vorteil.
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Für die praktische Durchführung des Verfahrens verwendet man zweckmäßig
ein mit Zu- und Ableitungen für die Gase versehenes Gefäß, das mit der Schmelze
nur teilweise gefüllt ist und zur Herbeiführung eines Temperaturgefälles von unten
nach oben am unteren Ende mit Heizung oder/und Wärmeisolierung und gegebenenfalls
am oberen Ende mit Kühlung versehen ist. Die zur Erzielung des besten Ergebnisses
jeweils zu ermittelnde Tauchtiefe der Einleitungsrohre kann durch einfache Vorversuche
festgestellt werden. Im allgemeinen wird man so viel Schmelze anwenden, daß sich
die eingeführten Gase vollständig in ihr umsetzen. Die Gase können vorgeheizt werden.
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Während man bei der Umsetzung an festen Katalysatoren beispielsweise
etwa 400° anwendet, kommen bei dem vorliegenden Verfahren in manchen Fällen Temperaturen
zwischen 55o und 6oo°, vorzugsweise 58o°, in Betracht. Bei der Anwendung von Manganchlorid
wird ein guter Umsatz erst bei etwa 8oo° erzielt. Magnesiumchlorid erfordert ebenfalls
Temperaturen um 8oo°.
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Im oberen Teil des Umsetzungsgefäßes wird zweckmäßig eine Temperatur
eingehalten, bei der sich der in den umgesetzten Gasen enthaltene Wasserdampf teilweise
kondensiert. Ist diese Temperatur höher, so sinkt nicht nur der Umsatz, sondern
es tritt auch eine unerwünschte Verflüchtigung ein. Es setzen sich dann an den oberen
Teilen des Umsetzungsgefäßes feste Krusten an, die unter Umständen zu Verstopfungen
der Abteilungen führen können.
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Es ist nicht immer gleichgültig, wie groß der Gasraum über der Schmelze
ist, der bei einem bestimmten Durchsatz zur Verfügung steht. Beispielsweise gelingt
es, bei Verwendung einer Kupferchlorid-Kaliumchlorid-Schmelze allein durch Vergrößerung
des Gasraumes auf das Doppelte unter Beibehaltung der übrigen Bedingungen den Umsatz
beträchtlich zu erhöhen.
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Es ist in manchen Fällen vorteilhaft, einen gewissen Überschuß von
Sauerstoff über das stöchiometrische Verhältnis von Chlorwasserstoff zu Sauerstoff
hinaus anzuwenden.
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Nach einem schon vor langer Zeit gemachten, technisch aber nicht durchgeführten
Vorschlag soll man an Stelle der bei dem ursprünglichen Deaconverfahren als Katalysator
verwendeten, mit Kupferchlorid imprägnierten porösen Tonkörper solche verwenden,
die mit einem Gemisch von Kupferchlorid und Chlornatrium oder anderen Chloriden
imprägniert sind. Dadurch soll die Flüchtigkeit des Kupferchlorids verringert und
es soll ermöglicht werden, die Reaktionstemperaturen bis über 5oo° hinaus zu steigern,
ohne daß sich wesentliche Mengen Kupferchlorid verflüchtigen. Wie Versuche gezeigt
haben, treten aber auch bei diesem Verfahren so hohe Verluste an Kupfersalz auf,
daß die Leistungsfähigkeit des Katalysators nicht konstant bleibt. Über den, wie
erwähnt, hergestellten Katalysator wurde ein Gemisch von 130 g Chlorwasserstoff
und 23 g Sauerstoff je Stunde bei 5oo° geleitet. Das Katalysatorvolumen betrug 70o
ccm. Der Umsatz blieb zunächst einige Wochen im wesentlichen konstant. Nach 39 Tagen
sank der Umsatz plötzlich stark ab, und er erholte sich auch nicht wieder. DerVersuch
wurde nach45 Tagen abgebrochen. Der Katalysator wurde daraufhin dem Rohr entnommen
und zwar in 5 gleichen Teilen, welche im Rohr längs der Achse vom Eintritt der Gase
zum Ausgang angeordnet gewesen waren. Die Analyse ergab folgendes
Schicht i 1 Schicht 2 1 Schicht 3 1 Schicht 4 1 Schicht |
°/° Kupfer o,16 5,26 7,14 7,91 12,18 |
°/° Natrium 5,11 4,98 4,89 4,95 5,24 |
°/° Chlor 19,63 28,37 32,02 3358 4390 |
Danach muß die Ursache für das Absinken des Umsatzes im Absublimieren der Katalysatorsubstanz
nach dem Ausgang zu liegen. Bei Anwendung des vorliegenden Verfahrens dagegen ist
auch nach
weiteren Wochen noch keine Verminderung des Umsatzes des
Chlorwasserstoff-Sauerstoff-Gemisches zu beobachten. Bei dem bekannten Verfahren
werden die Chloride nicht als Schmelze angewendet. Der Trägerstoff und die absorptiv
gebundenen Chloride stellen physikalisch eine einheitliche feste Phase dar, die
auch bei sehr hohen Temperaturen einheitlich und fest bleibt. Daß ein absorbierender
fester Körper mit den absorbierten Stoffen eine einheitliche feste Phase bildet
und nicht beide nebeneinander frei existieren, geht aus dem Beispiel der Absorption
von Gasen an festen Körpern besonders deutlich hervor, denn die von einem hochaktiven
Absorptionsmittel, z. B. Kieselsäuregel, absorbierten Gase können schon im Hinblick
auf ihr Volumen nicht gasförmig im Absorptionsmittel vorhanden sein.
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Beispiel i Ein Gemisch von 66 Raumteilen Chlorwasserstoff und 5o Raumteilen
Sauerstoff wird bei einer Temperatur von 58o° durch eine Cuprochloridschmelze in
einer nach den obigen Angaben gestalteten Vorrichtung geleitet. Das Umsetzungsgefäß
wird an seinem oberen Ende soweit gekühlt, daß sich dort wässerige Salzsäure kondensiert.
Der Umsatz in dem die Vorrichtung verlassenden Gasgemisch, bezogen auf Chlorwasserstoff,
beträgt etwa 74 °/o.
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Beispiel 2 Ein Gemisch von 66 Raumteilen Chlorwasserstoff und 5o Raumteilen
Sauerstoff wird unter den Bedingungen des Beispiels i durch eine Schmelze aus 720/,
Cuprochlorid und 280/, Kaliumchlorid geleitet. Der Umsatz beträgt etwa 810/,;
er geht in mehrere Monate dauerndem Betrieb nicht zurück.
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Beispiel 3 66 Raumteile Chlorwasserstoff werden unter Zumischung verschiedener
Sauerstoffmengen unter den Bedingungen des Beispiels i und 2 durch eine Schmelze
von Cuprochlorid und Kaliumchlorid geleitet. Die Umsätze betragen bei 16,5 Raumteilen
Sauerstoff etwa 40 0/0, bei 25 Raumteilen etwa 61 0/, bei 5o Raumteilen etwa
81 °/o, bei 66 Raumteilen etwa 9o °/o. Beispiel 4 Ein Gemisch von 66 Raumteilen
Chlorwasserstoff und 25 Raumteilen Sauerstoff wird unter den Bedingungen des Beispiels
i und 2 durch eine Schmelze von Cuprochlorid und Kaliumchlorid geleitet. Der Umsatz
beträgt 61 °;l,. Der Gasraum über der Schmelze ist dabei 2,3mal so groß wie das
Volumen der Schmelze. Der Umsatz erhöht sich bei Vergrößerung des Gasraumes über
der Schmelze im Verhältnis i zu 1,7 auf etwa 72 °/o. Erhöht man die Temperatur der
Schmelze auf 65o°, so steigt der Umsatz von 61 °/o auf etwa 67 °/o. Beispiel 5 Ein
Gemisch von 66 Raumteilen Chlorwasserstoff und 55 Raumteilen Sauerstoff wird durch
eine Schmelze aus 8o % Manganchlorid und 20 °/o Kaliumchlorid geleitet. Die Temperatur
der Schmelze beträgt 79o°. Der Umsatz beträgt 460;:',. Beispiel 6 Ein Gemisch von
66 Raumteilen Chlorwasserstoff und 5o Raumteilen Sauerstoff wird durch eine 75o°
heiße Schmelze aus io % Chromichlorid, 400/, Natriumchlorid und 500/, Kaliumchlorid
geleitet. Der Umsatz beträgt etwa 280/,.
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Beispiel 7 Das im Beispiel 6 angegebene Gemisch wird durch eine Schmelze
aus 40 % Magnesiumchlorid und 6o °/o Kaliumchlorid bei einer Temperatur von 78o°
geleitet. Der Umsatz beträgt 8 °/o.
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Beispiel 8 Ein Gemisch von 33 Raumteilen Chlorwasserstoff und 62,5
Raumteilen Luft wird unter den Bedingungen des Beispiels i und 2 durch eine Schmelze
von Cuprochlorid und Kaliumchlorid geleitet. Der Umsatz beträgt etwa 58 %. , Beispiel
9 In einem turmartigen Gefäß befindet sich eine Schmelze aus 720/, Cuprochlorid
und 280/, Kaliumchlorid bei einer Temperatur von 58o°. Der Gasraum über der
Schmelze ist doppelt so groß wie das Volumen der Schmelze. Durch ein Rohr wird wenig
über der Oberfläche der Schmelze ein Gemisch von 66 Raumteilen Chlorwasserstoff
und 50 Raumteilen Sauerstoff eingeführt. Die umgesetzten Gase werden im oberen
Teil des Gefäßes abgenommen. Der dabei erzielte Umsatz beträgt 24 %.
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Beispiel io In ein 5 m hohes turmartiges Gefäß, das bis zu einer Höhe
von 4 m mit einer Schmelze aus 70 °/o Ferrichlorid und 30 °/o Kaliumchlorid gefüllt
ist, wird unten ein Gasgemisch von 66 Raumteilen Chlorwasserstoff und 17 Raumteilen
Sauerstoff eingeleitet. Die umgesetzten Gase werden im oberen Teil des Gefäßes abgeführt.
Man erhält bei einer Temperatur von 43o° in der Schmelze einen Umsatz von 70 %.