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Verfahren zur Herstellung von quellbaren, künstlichen Gebilden, wie
Fäden, Fasern oder Filme, aus Acrylnitrilpolymeren Fasern und Flächengebilde aus
Polyacrylnitril zeichnen sich durch verhältnismäßig geringe chemische Reaktionsfähigkeit
aus. Für manche Verwendungen, namentlich für den Einsatz auf dem Gebiet der Bekleidungstextilien,
ist ein solch extremes Verhalten, z. B. hinsichtlich `'Wasseraufnahme, schon im
Hinblick auf die Färbbarkeit unerwünscht und einschränkend.
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Es wurde nun gefunden, daß man neue, in dieser Hinsicht verbesserte
Veredlungsoperationen, leichter zugängliche Fasern, Bänder, Filme u. dgl. aus Polyacrylnitrilverbindungen
erhält, wenn man Mischungen aus Mischpolymeren aus Acrylnitril und Vinylcarbonsäureamiden
einerseits und solchen aus Acrylnitril und Vinylcarbonsäuren andererseits, gegebenenfalls
noch unter Zusatz von reinem Polyacrylnitril, in an sich bekannter `'eise aus Lösungen
verformt und weiterbehandelt. Die amidierten Mischpolymeren, die als Komponenten
zur Herstellung der Fasern und Flächengebilde nach der Erfindung herangezogen werden,
können beispielsweise aufgebaut sein aus Acrylnitril einerseits und Acrylsäureamid,
Methacrylsäureamid, Acrylsäuremethylamid, Acrylsäure-ß diäthylaminoäthylamid, ferner
Acrylsäure-#-chloräthylamid andererseits bzw. aus Acrylsäurenitril und Acrylsäure,
Methacrylsäure, Acroylaminoessigsäure. Der Anteil an Fremdkomponenten in den Polyacrylnitrilverbindungen
kann beispielsweise bis zu 5o°/0, gegebenenfalls sogar noch darüber betragen. Vorzugsweise
verwendet man jedoch Mischpolymere, die etwa io bis 30°/o an Fremdkomponenten enthalten.
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Zur Verarbeitung auf Fasern und Flächengebilde, z. B. durch Vergießen,
Trocknen- oder Naßspinnen, werden die üblichen Lösungsmittel für Polyacrylnitrilverbindungen
:verwendet,
z. B. Dimethylformamid, Formylpyrrolidin, Tetramethylensulfon, Äthylencyanhydrin,
Butyrolacton, konzentrierte Rhodansalzlösungen.
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Die gegebenenfalls in üblicher Weise in der Hitze in thermoplastischem
Zustand nachgestreckten, evtl. noch geschrumpften . oder schrumpffest gemachten
Gebilde zeichnen sich gegenüber solchen aus reinem Polyacrylnitril durch mehr oder
weniger stark erhöhte Qucllbarkeit und verbesserte Färbbarkeit aus, so daß unter
Umständen selbst Chromkomplexfarbstoffe, wie die Palatinechtfarbstoffe des Handels,
zu Färbungen herangezogen werden können. Erforderlichenfalls kann die Farbaufnahme
auch durch Anwendung von überatmosphärischem Druck erhöht werden, ebenso durch Zusatz
von Quellungsmitteln für die Polyacrylnitrile.
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Die Quellbarkeit und Reaktionsfähigkeit kann gegebenenfalls weiterhin
noch dadurch erhöht werden, daß man die Gebilde, soweit sie primäre Amidgruppen
enthalten, in schwach alkalischem Medium, z. B. in Gegenwart von Soda oder einem
tertiären Amin, wie Triäthylamin und Vormaldehyd, behandelt, wobei die Amidgruppen
ganz oder teilweise in-Methylolgruppen verwandelt werden.
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Ferner kann man die amidgruppenhaltigen und besonders in alkalischem
Medium quellbaren Fasern nach der Erfindung durch Behandlung mit Formaldehyd und
Stickstoffbasen mit Wasserstoff an basischem Stickstoff oder Salzen von solchen,
namentlich mit sekundären Aminen, umsetzen, z. B. bei 5o bis ioo°, vorzugsweise
in Gegenwart von Feuchtigkeit, wobei Aminomethylamidgruppen gebildet werden, die
zu einer weiteren wesentlichen Steigerung der Affinität zu Farbstoffen mit sauren
Gruppen Veranlassung geben. Geeignete Stickstoffbasen sind z. B. Diäthylamin, Aminoäthanolamin,
N,N-Di-(ß-diäthylaminoäthyl)amin, Diäthylentriamin, Piperidin, Morpholin, Piperazin.
Eine besondere Ausführungsform dieser Aminierung besteht darin, daß man erst die
Carboxylgruppen in den Gebilden mit einer Stickstoffbase absättigt und dann Formaldehyd
einwirken läßt, zweckmäßig in der Wärme. An Stelle der Aminbasen kann, wenn schon
mit schwächerer Wirkung, auch Ammoniak verwendet werden. Eine weitere Variante besteht
darin, daß man an Stelle von Formaldehyd und Aminen Aminomethanole bzw. Methylendiamine
verwendet, vorzugsweise solche, die sich von sekundären Aminen ableiten, wie z.
B. Dimethylaminomethanol, Tetramethylmethylendiamin, Methylenbispyrolidin, Umsetzungsprodukte
aus Formaldehyd und Aminoäthanol.
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Die Affinität zu sauren Farbstoffen kann auch durch Carboxylgruppen
gegenüber zur Alkylierung (Veresterung) befähigten basischen stickstoffhaltigen
Heterocyclen verbessert werden, z. B, mit Verbindungen wie Äthylenimin, N-Methyläthylenimin,
Oxidopropyltrimethylammoniumchlorid, dem diquaternären Salz, das entsteht, wenn
man N,N'-Di-y-chlor-@-oxypropylpiperazin der spontanen Umlagerung überläßt. Auch
wenn die Polyacrylnitrilverbindungen schon von Hause- aus basische Komponenten,
z. B. Acrylsäure-ß-diätylaminoäthvlester oder Acrylsäure-;3-diäthyläminoäthylamid
enthalten, steigt dieAffinität für Farbstoffe und andere wasserlösliche Behandlungsmittel
durch die Kombination mit Polyacrylnitrilverbindungen mit anteiligen sauren Bausteinen
nach der Erfindung. _ Die Gebilde nach der Erfindung zeigen auch, besonders wenn
sie primäre Amidgruppen enthalten, die interessante Eigenschaft, durch Erhitzen
schon bei verhältnismäßig niederer Temperatur, z. B. bei Temperaturen zwischen 140
und 170J, durch Vernetzung unlöslich zu werden. Hierdurch werden die thermoplastischen
Eigenschaften vermindert bzw. die Wärmefestigkeit gesteigert. Solche Vernetzungen,
mit denen man die Quellbarkeit und das färberische Verhalten z. B. hinsichtlich
der Echtheitseigenschaften in gewissen Grenzen regeln kann, können in jedem beliebigen
Stadium der Verarbeitung der Fäden oder Fasern vorgenommen werden, z. B. nach einem
Verzwirnen, Färben oder nach einer Verarbeitung auf Gewebe oder Gewirke. Man kann
also auf diese Weise die Quellbarkeit auch nach ihrer Ausnutzung für Veredlungszwecke
wieder weitgehend reduzieren.
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Sehr ähnliche Wirkungen können auch dadurch erreicht werden, daß man
die Amidgruppen und Carboxylgruppen enthaltenden Gebilde in Gegenwart von Säuren,
gegebenenfalls in statu nascendi mit Aldehyden, insbesondere Formaldehyd oder mindestens
bifunktionell wirksamen Derivaten desselben, wie z. B. Dimethylolharnstoff, Tetramethylolacetylendiurein,
Tetramethylolmelamin, Hexamethylolmelaminmethyläther, bei erhöhter Temperatur umsetzt.
An Stelle von Formaldehyd kann man mit gleichem Erfolg Glyoxal oder Glyoxalsulfit
verwenden. Als saure Katalysatoren können die üblichen verwendet werden, z. B. Ammonsalze,
y-Chlorbuttersäure, Phthalimid.
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Schließlich kann man die in großer Zahl bekannten, sich nicht vom
Formaldehyd ableitenden di- oder polyfunktionellen Mittel verwenden, die mit reaktionsfähigem
Wasserstoff an Amid- oder Carboxylgruppen zur Umsetzung befähigt sind, z. B. di-
und polyfunktionelle Isocyanatabspalter, Verbindungen aus Di- und Polyisocyanaten
und Äthylenimin, z. B. die, Umsetzungsprodukte aus Hexamethylendiisocyanat und Äthylenimin
oder aus Cyanurchlorid und Äthylenimin sowie das Umsetzungsprodukt aus Äthylenimin
und Oxalsäuredialkylestern. Soweit diese Verbindungen, wie die als Diisocyanatabspalter
brauchbaren Alkylenbiscarbamidsäurediacrylester in den zu verarbeitenden Lösungen
stabil sind, können sie bereits diesen zugefügt werden. Die Wirkung wird dann durch
späteres Nacherhitzen z. B. auf 14o bis 16o° ausgelöst. Beispiel Man löst 9 Teile
eines lNlischpolymerisats aus 75 Teilen Acrylnitril und 25 Teilen Acrylsäureamid
und 8 Teile eines Mischpolymerisats aus 88 Teilen Acrylnitril und 12 Teilen Acrylsäure
in 83 Teilen Dimethylformamid und verspinnt die sorgfältig fil-_ trierte Lösung
durch eine Spinndüse mit 6o Loch von o,1 mm Durchmesser in auf 130g geheiztes Glycerin.
Die Fäden werden dann bei 18o" im Verhältnis 1 : 8 gestreckt, woraus man sie wieder
bei gleicher Temperatur um 15°/o schrumpfen läßt.
Die Fäden wurden
anschließend bei 3o bis 40° in geschlossenem Gefäß mit 250/'o vom Fasergewicht Äthylenimin
in Gegenwart von feuchtem Kochsalz 12 Stunden bei 50° gelagert. Nach Wässern und
Absäuern in Essigsäure zeigten die Fäden starke Affinität zu sauren Farbstoffen,
wie Alizarindirektblau A (Handbuch der Färberei von Dr. Ing. A. S ch ä f f e r,
Bd. II, Wissenschaftl. Teil, S. 71) und Alizarinreinblau FFB (Schultz Farbstofftabellen,
7. Aufl., Erg. Bd. I I, S. 114) und Palatinechtschwarz WAN (Schultz Farbstofftabellen,
7. Aufl., Erg. Bd. II, S. 226).
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Vor der Behandlung mit Äthylenimin lassen sie sich auch mit basischen
Farbstoffen färben. Auch Naphthole können zum Färben benutzt werden.
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2. Nach Beispiel i erhaltene Fasern wurden im geschlossenen Gefäß
über feuchtem Kochsalz mit 3o0/0 Tetramethylendiamin - berechnet auf das Fasergewicht
- versetzt und 16 Stunden über Nacht auf 6o0 gehalten. Nach dem Spülen mit Wasser
und Absäuern mit verdünnter Essigsäure zeigten sie starke Affinität zu sauren Farbstoffen.
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3. Nach Beispiel i erhaltene Fasern wurden i Stunde bei 30° in der
15fachen Menge einer 2°/°igen wäßrigen Lösung von Morpholin behandelt. Nach dem
Spinnen und Trocknen wurden sie im geschlossenen Gefäß über konzentrierter Formaldehydlösung
8 Stunden auf 75'
erwärmt. Die so veränderte Faser färbte sich mit Alizarinreinblau
FFB (Schultz Farbstofftabellen, 7. Aufl., Erg. Bd. II, S.114) in saurer Flotte kräftig
an.
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4. Nach Beispiel i erhaltene Fasern wurden über Nacht im Flottenverhältnis
i : 1g eingelegt in eine auf 40° gehaltene wäßrige Lösung, die 2% Trimethylamin
und 80/0 Formaldehyd enthielt. Die Fäden zeigten eine stärkere Wasseraufnahme als
vor der Behandlung. Durch 2stündige Erhitzung auf iio° werden die Fäden in Dimethylformamid
unlöslich.
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g. Nach Beispiel i hergestellte, mit 20/0 Alizarinreinblau FFB (Schultz
Farbstofftabellen, 7.Aufl., Erg.-Bd. II, S.114) gefärbte Fasern wurden i'.".= Stunden
auf 15o° erhitzt. Die Echtheit der Färbung gegen alkalische. Wäsche war deutlich
verbessert.