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Vorrichtung zum Einschleusen von Schiffen bei niedrigen Wasserständen
Zur Überwindung von Höhenunterschieden zwischen verschiedenen Wasserstraßen dienen
der Schiffahrt Kammerschleusen, Hebewerke, Schrägaufzüge oder sonstige Einrichtungen,
die nach den Verkehrsbedürfnissen wie Verkehrsgröße und Abmessungen der Schiffsgefäße
für eine möglichst lange Lebensdauer (ioo Jahre und mehr) bemessen werden, damit
der große Bauaufwand für solche Wasserbauten wirtschaftlich vernünftig ist. Nachträgliche
Veränderungen solcher Bauwerke nach Länge, Breite oder Tiefe sind im allgemeinen
nicht durchführbar. Es obliegt daher dem Verkehrswasserbaufachmann eine große Verantwortung
in der weit vorausschauenden Planung solcher Anlagen, die entsprechend ihrer Lebensdauer
zwar reichliche Abmessungen erhalten müssen, deren übermäßige Dimensionierung andererseits
aber vermieden werden muß. Es sind nun Fälle eingetreten, daß neuzeitliche, sehr
aufwendige Schleusenbauwerke schon sehr vorzeitig ihrer Aufgabe nicht mehr gerecht
werden, weil nicht vorausgesehene Änderungen der Flußwasserstände eingetreten sind.
Als Folge von Stromregelungsarbeiten und durch natürliche Auswaschungen der Stromsohle
sind die mittleren und niedrigen Wasserstände abgesunken und werden sie weiter auf
Jahrzehnte hinaus unaufhaltsam absinken. Eine fortschreitende Sohlenvertiefung von
beispielsweise 3o bis 40 cm im Jahrzehnt macht einen beträchtlichen Teil des jetzt
üblichen Tiefgangs großer Binnenschiffe (2,0o bis 2,5o m) aus. Für die Eingangsschleuse
eines noch nicht 2o Jahre alten Großschiffahrtsweges ist jetzt bereits ein Ersatzbau
mit größeren Tiefen erforderlich geworden, weil die Schiffe bei Niedrigwasser nicht
mehr in die Schleuse gelangen können.
Die Erfindung zeigt nun ein
Verfahren, in solchen Fällen mit erheblich geringeren Bauaufwendungen, als sie sonst
ein Ersatz-Schleusenbau erfordern würde, zum Ziele zu kommen, und zwar durch die
Vorrichtung einer Niedrigwasservorschleuse. Ihr liegt der Gedanke zugrunde, daß
die vorhandene Kammerschleuse wie bisher bis herab zu solchen Wasserständen in der
unteren Haltung betrieben wird, für welche sie gebaut wurde, und daß bei niedrigeren
Wasserständen die Schleusungen mit Hilfe einer treppenförmig vorgeschalteten Vorschleuse
durchgeführt werden, deren Kammerwände und Unterhaupt nur um ein geringes Maß über
die Höhe der früheren unteren Haltung hinaus geführt werden und deren Oberhaupt
durch das Unterhaupt der vorhandenen Kammerschleuse gebildet wird. Zur Sicherung
der bei höheren Wasserständen passierenden Schiffe werden Dalben oder Leitwerke
oberhalb der Kammerwände der Vorschleuse angeordnet, deren Oberkante bis über den
höchsten schiffbaren Wasserstand hinausreicht.
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Das Verfahren und die Vorrichtung gemäß der Erfindung werden im einzelnen
wie folgt erläutert: A11. i zeigt schematisch im Längsschnitt eine Kammerschleuse
üblicher Art, Abb. 2 eine Kammerschleuse mit vorgeschalteter N iedrigwasservorschleuse.
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Die Kammerschleuse nach Abb. i ermöglicht den Schiffsverkehr zwischen
der dberen Haltung i und der unteren Haltung 5. Bei Binnenwasserstraßen (135o-t-Kahn)
liegt die Sohle 14 etwa 3,50 m unter dem Wasserspiegel io der oberen Haltung.
Etwa die gleiche Wassertiefe ist in der unteren Haltung zwischen Sohle 15 und Wassersp:
,gel i i vorhanden. Das nutzbare Schleusengefälle ist also die Differenz zwischen
den Wasserspiegeln io und i i. Die Kammerschleuse ist ein Bauwerk von beträchtlicher
länge, bei 135o-t-Kähnen beträgt die Nutzlänge etwa 225 m. Sie gliedert sich in
die Hauptbauteile Oberhaupt 2, Kammer 3 und Unterhaupt 4. Der Drempel 18 des Oberhauptes
liegt in Höhe der Sohle 14 der oberen Haltung, die Kammersohle i9 in Höhe der Sohle
15 der unteren Haltung. Zum Abschluß des Oberhauptes dient das Schleusentor 23,
zum Abschluß des Unterhauptes das Tor 24. Die Art der Torausbildung kann hier außer
Betracht bleiben. Der Schleusungsvorgang ist folgender: Bei f;leichem Wasserstand
in der Kammer und in der unteren Haltung wird das Tor 24 geöffnet, die Schiffe fahren
ein. Nach Schließung des Tores 24 wird vom Oberwasser her die Kammer aufgefüllt,
bis die Wasserstände ausgeglichen sind. Nach Öffnen des Tores 23 fahren die Schiffe
aus der Kammer. In umgekehrter Weise vollzieht sich das Durchschleusen von der oberen
in die untere Haltung.
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Die vorgeschaltete Niedrigwasservorschleuse nach A11. 2 ermöglicht
das Schleusen auch dann noch, wenn die Unterwasserstände unter die Haltung i i absinken,
etwa bis zu einem niedrigsten Wasserstand 13. Die Sohle 2o der Vorschleusenkammer
liegt in Höhe der zukünftig äußerst zu erwartenden Sollsohle 16 des Flusses. Das
Unterhauet 4 der vorhandenen Kammerschleuse ist zum Mittelhaupt 6 der neuen, treppenförmigen
Schleusengruppe derart umgebaut worden, daß ein dichter Abschluß gegen den Wasserdruck
vom Oberwasser erreicht ist. Das Tor 24 bleibt wie bisher in Betrieb. Die Kammerlänge
7 der Vorschleuse ist etwa die gleiche wie die der Kammer 3. Das Unterhaupt 8 der
Vorschleuse ist mit einem Tor 25 versehen. Der Schleusungsvorgang ist folgender:
Bei gleichem Wasserstand in der Vorschleuse und in der untersten Haltung wird das
Tor 25 geöffnet, die Schiffe fahren in die Kammer der Vorschleuse ein. Nach Schließung
des Tores 25 wird von der Kammerschleuse bzw. vom Oberwasser her die Vorschleusenkammer
bis zur Wasserspiegelhöhe i i aufgefüllt und die Wasserstände in beiden Kammern
in dieser Höhe ausgeglichen. Nach öffnen des Tores 24 fahren die Schiffe in die
Kammerschleuse ein. Alsdann wird Tor 24 geschlossen und die Kammer vom Oberwasser
her aufgefüllt, bis die Wasserstände in Höhe des Wasserspiegels io ausgeglichen
sind. Tor 18 wird geöffnet, und die Schiffe verlassen die Schleuse. In umgekehrter
Weise vollzieht sich das Durchschleusen von der oberen in die unterste Hal= tung.
Wesentlich bei dieser Anordnung ist, daß die Vorschleuse nur bei Wasserständen unterhalb
. Spiegelhöhe i i betrieben wird. Bei höheren Unterwasserständen bleibt das Tor
25 geöffnet, und die Schiffe passieren die Vorschleuse in glatter Durchfahrt. Die
Oberkante der Vorschleusenkammerwände 22 liegt um ein geringes Maß höher als der
Unterwasserspiegel i i. Dalben 26 oder Leitwerke oberhalb der Vorschleusenkammerwände
reichen bis über den. schiffbaren Wasserstand 12 hinaus. Von der Ausbildung des
Tores 25 hängt es ab, ob auf dem Unterhaupt 8 noch Aufbauten für Torantriebsmaschinen
oder für die Toraufhängung angeordnet werden.
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Der Schleusenbetrieb mit Hilfe der Niedrigwasservorschleuse dürfte
praktisch allen Anforderungen gerecht werden. Die Anlagekosten sind bei weitem niedriger
als bei einer Vollschleuse. Einmal werden die hohen Kammerwände vermieden, die für
vollen Wasserdruck bei gefüllter Kammer und niedrigstem Außenwasser zu dimensionieren
wären. In entsprechender Weise verringern sich die Baukosten für Sohle und Unterhaupt;
ferner die Bau- und Betriebskosten für das Untertor. Die vorhandene Kammerschleuse
kann wirtschaftlich für die Schleusungen innerhalb der früher entwurfsmäßig vorgesehenen
Spiegeldifferenz zwischen oberer und unterer Haltung weiter betrieben werden. Es
wird Aufgabe der Planung sein, durch geeignete Baumethoden und konstruktive Gestaltung
der Bauglieder zu erreichen, daß der Schiffahrtsweg durch den Bau der Vorschleuse
nur kurzfristig unterbrochen und sonst möglichst wenig beeinträchtigt wird.
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Ein weiterer Gegenstand der Erfindung ist die Anwendung des gleichen
Prinzips, nämlich der Anordnung einer Niedrigwasserschleuse mit beschränkter Bauhöhe,
wenn es sich darum handelt, in Binnenhäfen einen gewissen Mindestwasserstand
zu
halten, wenn im Strom die niedrigen Wasserstände infolge fortschreitender Sohlenvertiefung
abgesunken sind oder weiter absinken. Dadurch würde man kostspielige Ufersicherungs-
und Hafenvertiefungsarbeiten vermeiden. Es .handelt sich dann beispielsweise darum,
im Hafen etwa 3,00 m Wassertiefe ständig zu halten, ohne die Hafensohle zu
vertiefen. Die Niedrigw#asserbinnenhafenschleuse gemäß der Erfindung würde also
im Oberhaupt diese Wassertiefe aufweisen und in der Kammer nebst Unterhaupt eine
um soviel größere \\'assertiefe, als die Wasserstandsabsenkung infolge der Stromsohlenerosion
ausmacht. Ist ein Schleusenvorhafen vorhanden oder kann ein solcher geschaffen werden,
dann kann an Stelle der N iedrigw-asservorschleuse (Abb. 2) eine solche Niedrigwasserbinnenhafettschleuse
angeordnet werden, wodurch sich die Schleusungszeiten verkürzen.
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Das Verfahren und die Vorrichtung gemäß der Erfindung werden im einzelnen,
soweit sie nicht schon aus den vorstehenden Ausführungen entnommen werden können,
wie folgt erläutert: :\1t1>.3 zeigt schematisch im Längsschnitt eine solche N iedrigwasserbinnenhafenschleuse.
In Abb. 4 ist ein Querschnitt durch Kammer und Oberhaupt sowie den anschließenden
Hafenkanal dargestellt, entsprechend Schnitt 36-36 der Grundrißskizze _\h1). 5.
I)ie Wasserstands- und Sohlenhöhen sowie die Bauwerksteile sind in den Abb. 3 bis
5 durch Zittern bezeichnet. die für gleiche Teile Aden Ziffern irr _\1tlt. 2 entsprechen.
Es erübrigt sich daher hier die Erl:iuterung vier Ziff. 7, 8, 9, 1i, 12,
13, 20, 22, 25, 20. Die Sohle Bier oberen Haltung 27 liegt in li(*ilie
des Drempels am Oberhaupt 30 mit dem Sclilcusctttor 28. Die Niedrigwasserhinnenhafenschleuse
wird nur bei Flußwasserständen benutzt, die tiefer als der Mindestwasserstand i
i im Hafen liegen. 1)icser @vird also durch das Schleusentor 28 und durch eine Stauanlage
31 im Hafenkanal, deren Höhe durch den Mindesthafenwasserstand bestimmt ist,
gehalten. Der Schleusungsvorgang vollzieht sich in bekannter `''eise. Bei Flußwasserständen
höher als i i bleiben die Schleusentore 25 und 28 geöffnet, und die Schiffe können
glatt durchfahren.
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Ein besonderer Gegenstand der Erfindung ist die :\nordnung und Ausbildung
der Stauanlage 31. Sie ist beweglich und kann nach Art eines.beweglichen Wehres
vollständig altgesenkt, niedergelegt oder in sonstiger Weise beseitigt werden, wenn
die Wasserstände über die Höhe i i hinausgehen. Auf diese Weise wird die gesamte
Breite des Hafenkanals neben der Schleuse für die Schiffsdurchfahrt schon bei (lern
'lindesthafenwasserstand ii frei. In Abb.4 bezeichnet Ziff. 29 die Höhe des gewöhnlichen
liafetiw-asserstatides, Ziff. 12 den höchsten schiffbaren Wasserstand. Das Beispiel
läßt erkennen, daß infolge der geringen Bauhöhe der Niedrigwasserbinnenhafenschleuse
und der Stauanlage eine betr:ichtliche Baukostenersparnis gegenüber den für eine
Schleuse aufzuwendenden Kosten zu erzielen ist, die bis zur Hochwasserhöhe reichen
würde. Die Startanlage 3 i, deren Schwelle 34 bei geöffnetem Stau in Höhe der Hafensohle
27 liegt, wird zweckmäßig im Anschluß an das Oberhaupt der Schleuse angeordnet.
Für die sichere Führung der Schiffe sind Leitwände 32 oder Leitwerke 33 vorgesehen.
Die Führungen 26 reichen bis über den höchsten schiffbaren Wasserstand 12.
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Für den Abschluß der Niedrigwasserbinnenhafenschleuse dienen, wie
bereits gesagt, die Tore 25 und 28. Sie können in verschiedener Weise ausgebildet
werden, z. B. auch als Klapp- oder als Segmentsenktore, die bekannt sind. Erfindungsgemäß
wird die Verwendung neuartiger Dachhubtore oder Sektorhubtore als Unterwassertore
vorgesehen. Sie werden nach Art der 'bekannten Dachwehre bzw. Sektorwehre durch
Wasserdruck bewegt bzw. in Staustellung gehalten. Für das Oberhaupttor 28 besteht
eine Kanal- oder Rohrverbindung mit dem Oberwasser (Hafen) wie auch mit dem Unterwasser
(Kammer), für das Unterhaupttor 25 eine solche mit dem Oberwasser (Kammer) wie auch
mit dem Unterwasser (Flußwasser). Das Neuartige ist, daß das Hubtor, das bei geöffneter
Durchfahrt unter Drempeloberkante abgesenkt ist, bei beiderseits ausgeglichenen
Wasserständen bis zum Wasserspiegel durch seinen Auftrieb gehoben werden muß, und
daß das Unterhaupttor 25 bei Füllung der Schleusenkammer sich selbsttätig mit dem
Oberwasserstand weiter hebt. Das Senkender Tore bei ausgeglichenen Wasserständen
wird durch Verringerung des Torauftriebs bewirkt. Das Auffüllen der Kammer vom Oberwasser
her vollzieht sich durch geringfügiges Senken des Tores 28, dessen Oberkante dann
wie bei einem Wehr überströmt wird, ebenso das Entleeren der Kammer durch Senken
des Tores 25. Die Energievernichtung hierbei ist kein besonderes Problem (vgl. z.
B. die Anlagen bei den Schleusen des neuen Oder-Gleiwitz-Kanals). Die bewegliche
Stauanlage 3i.wird in entsprechender Weise ausgebildet.