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Eiweißersetzendes Futtermittel Es ist bekannt, Stickstoffverbindungen,
nichteiweißartiger Natur, z. B. Ammonsalze organischer oder anorganischer Säumen,
Harnstoff, Glykokoll, Asparagin u. dgl, als eiweißersetzende Futtermittel für Wiederkäuer
zu verwenden. Auch kann man für diesen Zweck Kondensationsprodukte aus Harnstoff
und Kohlehydraten, wie Stärke, oder höhermolekulare, aus Ammoniak oder dessen Derivaten
durch Vereinigung mit Carbons;äuren, Aldehyden, Ketonen oder ähnlichen reaktionsfähigen
Verbindungen gewonnene Stoffe gebrauchen.
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Bei der praktischen Verwendung der erwähnten Stickstoffverbindungen
ergeben sich jedoch gelegentlich Schwierigkeiten. So kann bei der -Verfütterung
von Ammonsahen anorganischer Säuren der nach der Assimilation. des Ammoniakstockstoffes
verbleibende Säurerest störend auf den Mineralstoffwechsel der Wiederkäuer wirken.
Harnstoff kann besonders bei falscher Anwendung, Überdosierung usw. durch den Ureasegehalt
des Belfutbers und des Panseninhaltes Ammoniak abspalten, welches die Entwicklung
der lebenswichtigen Mikroorganismen des Pansens schädigen und dadurch sowie durch
Neutralisation der zur Verdauung im Labmagen notwendigen S;a,1zsäure die Ausnutzung
des pflanzlichen Futters herabsetzen kann. Ähnliches gilt für viele Säureamide,
die der Spaltung durch--Amidasen unterliegen.
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Da die obengenannten Eiweißersatzstoffe meistens leicht in Wasser
löslich sind, können sie leicht mit dem aus dem Pansen dauernd abfließenden Säftestrom
in den Düundarm gelangen und der Assimilation durch die Mikroorganismen des Pansens
entgehen. Vielfach ergeben sich hierbei durch die Resorption der unveränderten Stickstoffverbindungen,
auch Schädigungen des Tieres. Aber auch wenn solche nicht eintreten, wie z. B. beim
Verfüttern von Aminosäuren oder von Kondensationsprodukten aus Kohlehydraten und
Ammoniakverbindungen, geht infolge der unvollständigen Umwandlung in das vom Wiederkäuer
allein ausnutzbare MikroorganismenkÖrpereiweiß bei schnellem Durchgang durch den
Pansen sein Teil der Futterstoffe verloren.
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Schließlich ist noch zu bedenken, daß bei manchen der Eiweißersatzstoffe,
insbesondere den organischen Ammonsalzen, den Säureamiden,
Aminosäuren
und den anderen, hochmolekularen Stickstoffverbindungen, zur Bindung je einer Aminogruppe
beträchtliche Mengen anderer organischer Stoffe, z. B. Säuren oder pflanzliche Stoffe,
erforderlich sind, die die Kosten der Eiweißersatzstoffe erhöhen und in vielen Fällen
wegen der mangelnden Rohstöffbasis die Herstellung der großen Mengen Eiweißersatzstoffe,
die für die praktische Durchführung der Eiweißersatzfütterung erforderlich sind,
unmöglich machen.
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Es wurde nun gefunden, daß die Abkömmlinge des Harnstoffes, des Guanidins
oder/ und des Formamids als Eiweißersatzstoffe die oben gekennzeichneten Nachbeile
nicht aufweisen, im Gegenteil eine außerordentlich günstige Ausnutzung des Stickstoffes
gewährleisten.
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Von den Harnstoffabkömmlingen sind in erster Linie die leicht herstellbaren
Ureide, z. B. Monoacetylharnstoff, und die Ureine, z. B. Acetylendiurein, geeignet,
als substituierte Harnstoffe ferner Carbonyldibarnstoff und der aus Amoniosorbit
und Phosgen erhältliche Disorbylharnstoff sowie die durch Umsetzen von Harnstoff
mit Formaldehyd erhältlichen Verbindungen Methylenharnstoff, Methylendiureid und
Dimethylentriureid.
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Von den Guanidinabkömmlingen kommt insbesondere das Glykocyamin (Guanidinoessigsäure)
mit einem Gehalt von 35,9°1o Stickstoff in Betracht. Es erfordert zu seiner Herstellung
ausschließlich einheimische Rohstoffe, nämlich Cyanamid, das leicht aus Kalkstickstoff
gewonnen wird, und Glykokoll, das aus Ammoniak, Formaldehyd und Blausäure, also
letzten Endes aus Kohlenoxyd und Ammoniak hergestellt werden kann.
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Besonders gut ist Kreatin (N-Methylguanidinoessigsäure) als eiweißersetzendes
Futtermittel brauchbar; es läßt sich in technisch @einfacher Weise aus Guanidin,
Methylamin, Formaldehyd und Blausäure herstellen.
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Das Formamid wird zweckmäßig nach Festlegung z. B. an Kohlehydrate
etwa durch 3 Stunden langes Erhitzen mit hydrolysierter Frischkartoffelmasse angewandt.
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Sofern einzelne in Frage kommende Verbindungen für sich eine gewisse
toxische Wirkung haben, wie z. B. der Carbonyldiharnstoff, kann diese durch eine
Kondensation mit geringen Mengen Aldehyd, z. B. Formaldehyd, der in verdünnter saurer
Lösung angewandt wird, beseitigt werden. Der notwendige Grad dieser entgiftenden
Kondensation ist leicht im Tierversuch festzustellen.
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Um nötigenfalls die Löslichkeit der zu verwendenden Stickstoffverbindungen
herabzusetzen, ist vielfach ihre Überführung in Salze, z. B. Calciumsalze, vorteilhaft.
Gegebenenfalls können auch einem kleinen Bruchteil der Eiweißersatzstoffe physiologisch
wichtige Stoffe, wie z. B. Schwefel oder Jod, in geeigneter Form beigemischt werden.
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Die Anwendung der beschriebenen Eiweißersatzstoffe erfolgt in bekannter
Weise dadurch, daß bis zu .etwa 1 '4 des gesamten Futtereiweißbedarfs des Wiederkäuers
durch eine dem Stickstoffgehalt entsprechende 1Ienge der vorgeschlagenen Verbindungen
ersetzt wird. Zweckmäßig werden diese mit anderen Futterstoffen gemrischt oder in
lockere pflanzliche Trägerstoffe aufgenommen, auch ist es vielfach vorteilhaft,
die erforderliche Stickstoffmenge in mehreren verschiedenen Bindungsformen anzuwenden.
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Die beschriebenen Eiweißersatzfuttermittel enthalten keine schädlichen
Bestandteile, wie z. B. anorganische Säurereste; sie unterliegen auch nicht schneller
enzymatischer Aufspaltung, und es sind daher selbst bei Überdosierung keine Schädigungen
durch abgespaltenes Ammoniak möglich. Ihr Stickstoffgehalt wird vorzüglich ausgenutzt,
teils auf Grund der besonderen Bindungsart des Stickstoffes, teils wegen der verhältnismäßig
geringen Löslichkeit dieser Stoffe. Die letztere bewirkt, besonders wenn die Verbindungen
mit geeigneten lockeren Materialien, die lange im Pansen verweilen, gemischt oder
darin aufgenommen sind, daß die Stickstoffverbindungen nur langsam in die Pansenflüssigkeit
hineindiffundieren und somit den assimilierenden Mikroorganismen auch noch lange
nach der Futteraufnahme zur Verfügung stehen.
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Es sind Versuche bekanntgeworden, den Eiweißgehalt von Grünfutter
dadurch anzureichern, daß man bei der Einsäuerung des Grünfutters Harnstoffphosphat
zusammen mit Phosphorpentachlorid zusetzt. Ein solches Verfahren steht in keiner
näheren Berührung mit den vorliegenden Futtermitteln, bei denen es sich um eine
unmittelbare Verwendung schwer löslicher Abkömmlinge des Harnstoffes u. dgl. als
eiweißersetzende Mittel handelt, die vor der Verfütterung nicht erst biologischen
Umsetzungen (Silage) unterworfen werden müssen.
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Beispiel 70k- Glykocyamin und 3o kg Methylendiureid werden
unter Zusatz von 81 Wasser gemischt und in einer Brikettpress° zu zylindrischen
Pillen von i o mm Durchmesser und 5 mm Dicke geformt. Nach dem Trocknen werden die
Pillen in einer Mischschnecke mit i kg fettem Öl oder auch einem Mineralöl, wie
rohem Paraffinöl, besprüht. Bei Verfütterung an Milchkühe in Mengen von zoo g
je
Ration fanden sich noch rz Stunden nach der Fütterung ungelöste Reste der Pillen
im Pansen.