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Verfahren zur Verbesserung der mechanischen Eigenschaften von Gips
Für die Verbesserung der mechanischen Eigenschaften von Gips sind schon die verschiedensten
Zusätze in Vorschlag gebracht worden, welche insbesondere die Festigkeit erhöhen,
die Ausdehnung vermindern und die Abbindezeit regulieren sollten.
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In jüngster Zeit wurde die Anwendung geringer Mengen von Harnstoff
als Zusatzmittel vorgeschlagen. Hiermit wird eine gewisse Verfestigung von Gips
erzielt, ohne daß das Ausdehnungsverhalten, wie bei manchen anderen Zusätzen, beeinträchtigt
wird; allerdings werden die Abbindezeiten etwas verkürzt. Dem älteren Vorschlag
war zu entnehmen, daß nur Harnstoff, keineswegs aber seinen Dcrivaten solche Wirkungen
zukommen. Denn man hat die überraschende Wirkung des Harnstoffes dadurch erklärt,
daß der Harnstoff in länglichen, nadelförmigen Kristallen, ähnlich clenen des Gipses,
kristallisiert. so daß sich eine Verfilzunri der Kristalle im Fertigerzeugnis ergibt,
während andere Kristallformen. ein Auseinanderdrängen der Gipsnadeln und eine Aufhebung
der sonst eintretenden Verfilzung bewirkten.
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Die beobachtete Wirkung des Harnstoffs wurde also unter rein physikalischen
Gesichtspunkten betrachtet. Die Reihe der wichtigsten Harnstoffderivate weist keinen
einzigen Stoff auf, der in Analogie zum Harnstoff selbst in länglichen, nadelförmigen
Kristallen, ähnlich denen des Gipses, kristallisiert. An eitle Verwendung von Harnstoffderivaten
wurde mithin bei jenem Vorschlag zufolge ihrer schädlichen Kristallformen nicht
gedacht.
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Mit der Verwendung von Harnstoff als Zusatz zu Gips sind nun aber
gewisse Nachteile verbunden. Nenn man die damit zu erzielender. Vorteile weitgehender
ausnutzen will, muß man doch ziemlich große Zusatzmengen, nämlich 3 bis 5()/o des
trockenen Gipses, anwenden. Derartige Gipsmassen besitzen aber Leine verstärkte
Wasserempfindlichkeit, was mit der hohen Wasserlöslichkeit von Harnstoff in Verbindung
zu bringen ist; sie neigen zum Feuchtwerden und Feuchtbleiben, und nach
einiger
Zeit kommt es zum Ausblühen voii Harnstoffkristallen, was bei vielen Verwendungszwecken
störend wirkt.
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Bei Versuchen, besser geeignete Zusatzmittel aufzufinden, wurde nun
auch die Eignun- von Derivaten des Harnstoffs geprüft, obwohl deren Verwendbarkeit
nach den bisher bekannten Erfahrungen keineswegs in Frage zu kommen schien.
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Hierbei wurde das überraschende Ergebnis erzielt, daß mit Derivaten
des Harnstoffs sogar eine Verbesserung der mechanischen Eigenschaften von Gips erzielt
werden kann, welche die mit Harnstoff zu erreichenden Wirkungen um ein erhebliches
übertrifft, und daß andererseits die Mängel, die der Verwen ; dung von Harnstoff
anhaften, den Derivaten des Harnstoffs weitgehend oder vollständig abgehen. Entgegen
den bisherigen Anschauungen erwies sich eine chemische Verbesserungswirkung der
Harnstoffgruppe, die von der Kristallform des Zusatzmittels völlig unabhängig ist.
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Es war z. B. nicht zu erwarten, daß Thioharnstoff. welcher in Form
derber quadratischer Kristalle anfällt, in einer Zusatzmenge von 2%, auf trockenen
Gips berechnet, diesem eine Erhöhung der Zugfestigkeit von rund 250j1ö verleiht,
während demgegenüber 2% Harnstoff nur eine Festigkeitszurahme von rund 14% bewirken.
Die Feuchtigkeitsempfindlichkeit von Thiohanistoffgips ist ungleich geringer, ein
Ausblühen von Kristallen wird nicht beobachtet, was mit der relativ geringen Löslichkeit
von Thioharnstoff erklärt werden muß. Die Abbindedauer von Gips bleibt bei Thioharnstoffzusatz
praktisch unverändert, während Harnstoff bekanntlich die Erhärtungsdaueretwas verkürzt.
Die Ausdehnungsverhältnisse sind befriedigend.
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Andere Harnstoffderivate wirken noch erlieblich vorteilhafter. Es
sind in d"esem Zusammenbange nur noch diejenigen von Interesse, welche zu so günstigem
Preise erhältlich sind, daß eine praktische Verwendung in Frage kommt. Dies trifft
nur noch zu für Methylolharnstoff und Zuckerharnstoff, welche beiden Produkte entsprechend
ihrer variablen Zusammensetzung natürlich in den verschiedensten Modifikationenangewandtwerden
können.
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Methylolharnstoff, eine wohldefinierte monomolekulare Verbindung,
die sich aus Harnstoff bzw. Harnstoffderivat und Formaldehyd in der Kälte bildet
und in derben Prismen kristallisiert, ist bekannt als Ausgangssubstanz für Harnstofformaldehydkunstharz.
D-eser Zusammenhang spielt in vorliegendem Falle keine Rolle, denn bei der erfindungsgemäßen.
Verarbeitung von Gips ist keine Gelegenheit zur Bildung von Kunstharz aus Methylolharii-Stoli
geboten. Hierzu bedürfte es, da Gips keine wirksamen Kondensationskatalysatoren
enthält, der Anwendunz#, von Wärme; eine Wärmebehandlung wird n vorliegendem Verfahren
aber nicht in Anspruch. genommen. Bei Zusatz von Methylolharnstoff zu Gips beobachtet
man z. B. bei einer Zusatzmenge von 2(),/o des Produktes aus Thioharnstoff und Formaldehyd
eine 30%ige Steigerung der Zugfestigkeit. Auffallend ist die g_e:chzeitige erhebliche
Verlangsamung des Abbindeprozesses. Bei Anwendung von 5 0!ö Methylolharnstoff tritt
bereits eine Verdoppelung der Abbindedauer ein, das Produkt aus Harnstoff und Formaldehyd
verhält sich analog. Stärkere Zusätze bewirken entsprechend höhere Festi-keiten
und Abbindezeiten. M&hylolharnstoff scheint daher ein besonders geeignetes Zusatzmittel
zu sein, um beste mechanische Eigenschaften bei nach Bedarf einzustellender Abbin.dedauer
zu erzielen.
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Stärksten Einfluß auf die Abbindedauer betätigt indessen Zuckerhanistoff.
Glucoseharnstoff, eine prismatisch kristallisierende Substanz, bewirkt schon in
Form eines 2o'oigen Zusatzes eine Verdoppelung der Abbindedauer, die Festigkeitszunahme
beträgt bei dieser Anwendungsmenge rund 150!o. Die Feuchtigkeitsunempfindlichkeit
ist befriedi--end. Wegen des vorherrschenden Einflusses auf die Abbindedauer ist
Zuckerharnstoff besonders zweckmäßig in Kombination mit den vorherrschend auf die
Festigkeitszunahme einwirkenden Harnstoffderivaten anzuwenden; etwa in Kombination
mit Harnstoff oder Thioliarnstoff.
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Die Zumiscbung der erfindungsgemäßen Stoffe erfolgt zweckmäßig durch
Auflösen im Anmischwasser. Die praktisch in- Frage kominenden Zusatzmengen der Stoffe
sind auf einen Bereich innerhalb i bis 8011o, auf den trockenen Gips berechnet,
zu bemessen, vorzugsweise kommen Mengen zwischen 2 und 5 0;o in Anwendung. Das Verfahren
gestattet die Anwendung aller für die Verarbeitung von Gips gebräuchlichen Füllstoffe,
Farbstoffe u. dgl. Überhaupt können zur Erzielung spezieller Eigenschaften die hierfür
bekanntgewordenen Mittel zur Verbesserung von Gips mit herangezogen werden.