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Die
Erfindung bezieht sich insbesondere auf die Verwendung von Rivastigmin
zur Herstellung eines Arzneimittels für die Behandlung von Normaldruckglaukom.
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Der
Begriff Glaukom beinhaltet Symptome des Auges, die insbesondere
auf einen erhöhten
Intraokulardruck (IOD) zurückzuführen sind.
Häufig
führt eine
Obstruktion der Drainage des wässrigen
Humors zu einem erhöhten
Intraokulardruck. Ein chronisch erhöhter Intraokulardruck hat einen
schädlichen
Einfluss auf den Sehnerv und die Retina, was schließlich zur
Erblindung führen
kann. Zur Behandlung von Glaukom werden daher Wirkstoffe verwendet,
die typischerweise zur Erniedrigung des Intraokulardrucks befähigt sind.
Ein erhöhter
IOD kann beispielsweise mit bestimmten β-Adrenozeptorblockern behandelt
werden.
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Seit
kurzem ist das Phänomen
des sogenannten Normaldruckglaukoms – die Bezeichnungen Niederdruckglaukom
oder Normaldruckglaukom werden synonym verwendet – in der
Ophthalmologie klinisch etabliert [J. Flammer, Fortschr. Ophthalmol.
87, 187 (1990)]. Ein Normaldruckglaukom ist durch einen Intraokulardruck
gekennzeichnet, der typischerweise im normalen Bereich liegt, nämlich nicht
erhöht
ist, bei welchem aber die Sehnervpupille (Papilla nervi optici)
pathologisch exkaviert ist und das Gesichtsfeld beeinträchtigt ist. Die
pathogenen Faktoren sind insbesondere zirkulatorische Probleme in
den Blutgefäßen des
Auges, die beispielsweise verursacht werden können durch Atherosklerose,
Hypotension, Orthostase, funktionelle Vasospasmen und neurodegenerative
Faktoren.
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In
FR 2 611 707 A und
EP 0 193 925 A werden
Phenylcarbamate, die auch Verbindungen der vorliegenden Erfindung
einschließen,
als Acetylcholininhibitoren beschrieben, welche eine ausgeprägte Wirksamkeit
im Zentralnervensystem haben.
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In
US 4 900 748 A ,
WO 93 05 779 A und WO 93 06 105 A werden Derivate und Analoga von
Physostigmin als starke Inhibitoren von Acetylcholinesterase und
Butyrylcholinesterase beschrieben, die auch zur Behandlung von Glaukomen
brauchbar sein können.
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W.
Sneader beschreibt in Drug News Perspect. 12(7), Seiten 433 bis
437 (1999) unter anderem die Verwendung von Physostigmin zur Behandlung
eines Offenwinkelglaukoms.
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Es
wurde nun überraschenderweise
erkannt, dass Rivastigmin, sein Racemat, seine Analoga und/oder
seine pharmazeutisch annehmbaren Salze hoch wirksam sind zur Behandlung
von Normaldruckglaukomen.
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Ein
erster Aspekt der vorliegenden Erfindung bezieht sich daher auf
die Verwendung einer Verbindung der Formel (I)
worin
R1 für Wasserstoff,
Niederalkyl, Cyclohexyl, Allyl oder Benzyl steht,
R2 für Wasserstoff,
Methyl, Ethyl oder Propyl steht oder
R1 und R2 zusammen mit
dem Stickstoffatom, an das sie gebunden sind, eine Morpholino- oder
Piperidinogruppe bilden,
R3 für Wasserstoff oder Niederalkyl
steht,
R4 und R5 gleich oder verschieden sind und jeweils für eine Niederalkylgruppe
stehen und sich die Dialkylaminoalkylgruppe in der meta-, ortho-
oder para-Position befindet,
in Form der freien Base oder in
Form eines pharmazeutisch annehmbaren Säureadditionssalzes,
zur
Herstellung einer pharmazeutischen Zusammensetzung für die Behandlung
von Normaldruckglaukom.
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Bei
einer bevorzugten Ausführungsform
befindet sich die Dialkylaminoalkylgruppe in der meta-Position.
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Eine
bevorzugtere Verbindung der Formel (I) ist racemisches N-Ethyl-3-[(1-diethylamino)ethyl]-N-methylphenylcarbamat
in Form der freien Base und/oder eines Säureadditionssalzes.
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Eine
noch bevorzugtere Verbindung der Formel (I) ist (S)-N-Ethyl-3-[(1-diethylamino)ethyl]-N-methylphenylcarbamat
in Form der freien Base und/oder eines Säureadditionssalzes.
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Ein
bevorzugtes Säureadditionssalz
ist von Weinsäure
abgeleitet.
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Eine
hoch bevorzugte Verbindung der Formel (II) ist (S)-N-Ethyl-3-[(1-diethylamino)ethyl]-N-methylphenylcarbamathydrogentartrat
(Rivastigmin)
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Eine
bevorzugte Art der Verabreichung einer erfindungsgemäßen Verbindung
ist die topische Verabreichung und bevorzugter die topische Verabreichung
an das Auge.
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Eine
bevorzugte Gruppe an Individuen ist der Mensch.
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Die
Angabe wiederholte Verabreichung bezieht sich insbesondere auf eine
wöchentliche
oder bevorzugter auf eine tägliche
Verabreichung, wobei der Wirkstoff in regelmäßigen Intervallen verabreicht
wird, die von 1 bis 10 mal, bevorzugter von 1 bis 6 mal, und noch
stärker
bevorzugt von 1 bis 3 mal, pro Tag reichen.
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Für die erfindungsgemäßen Zwecke
bezieht sich die Angabe Nieder im Zusammenhang mit Resten und Verbindungen,
sofern nichts anderes gesagt ist, insbesondere auf Reste und Verbindungen
mit bis zu 8 Kohlenstoffatomen und vorzugsweise bis zu 4 Kohlenstoffatomen.
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Niederalkyl
weist daher bis zu 8 Kohlenstoffatome auf und kann geradkettig oder
verzweigt sein, hat vorzugsweise bis zu 4 Kohlenstoffatome und ist
beispielsweise Methyl, Ethyl, Propyl, Isopropyl, Butyl, sec-Butyl,
tert-Butyl, Pentyl, Hexyl oder Isohexyl.
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Alkyl
hat bis zu 18 Kohlenstoffatome und kann geradkettig oder verzweigt
sein. Geeignete Beispiele hierfür
sind Octadecyl, Undecyl, Octyl, Hexyl, Pentyl, Butyl, Propyl, Ethyl
und dergleichen.
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Materialien und Methoden
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1. Tiere
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Bei
dieser Studie werden männliche
und weibliche ausgewachsene Burgunder-Kaninchen (2,6 bis 4,4 kg)
verwendet. Die Tiere werden in Einzelkäfigen unter wohl definierten
und standardisierten Bedingungen gehalten (einem bezüglich Feuchtigkeit
und Temperatur kontrollierten Raum mit einem Zyklus von 13 h Licht
und 11 h Dunkelheit), wobei sie standardisiertes Trockenfutter und
Wasser ad libitum erhalten. Alle Tiere sind an das Verfahren zur
Messung des Intraokulardrucks (IOD) gewöhnt, wobei bei diesen Studien
aber nur die Tiere verwendet werden, deren diesbezügliche Protokolle
stabil sind. Alle Versuche werden in Übereinstimmung mit der ARVO
Resolution für
den Einsatz von Tieren in der ophthalmischen Forschung und der Forschung über Sehvorgänge durchgeführt und
sind von den staatlichen und lokalen ethischen und landwirtschaftlichen
Komitees genehmigt.
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2. Wirkstoffe
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Hierbei
handelt es sich um Verbindungen der oben angegebenen Formel (I)
und insbesondere um (S)-N-Ethyl-3-[(1-diethylamino)ethyl]-N-methylphenylcarbamat.
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Eine
topische Anästhesie
der Cornea wird mit Augentropfen eingeleitet, die 0,2 % Novocain
enthalten (Apotheke des Inselspitals).
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Lösungen eines
zu prüfenden
Arzneimittels werden vor jedem Versuch frisch hergestellt durch
jeweilige Auflösung
in einer sterilen abgeglichenen Salzlösung (Balanced Salt Solution – BSS) (Alcon
Pharmaceuticals Ltd, Forth Worth, Texas, USA) in den erforderlichen
Konzentrationen unter sterilen Bedingungen. Ein Tropfen von 50 μl der Versuchslösung wird
topisch in das rechte Auge verabreicht, während das kontralaterale Auge
nur den Träger
BSS erhält.
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3. Messungen des Intraokulardrucks
(IOD)
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Der
IOD wird mit einem TonoPen XL (Mentor, Norvel, MA, USA) gemessen,
wobei diese Vorrichtung täglich
nach den Instruktionen des Herstellers geeicht wird. Das erste Messergebnis
mit einem Variationskoeffizient von <5% wird aufgezeichnet. Messwerte von
unter 5% werden solange wiederholt, bis ein Variationskoeffizient
von <5% erreicht
ist. Die Corneas werden durch topische Anwendung eines Tropfens
von 50 μl,
der 0,2% Novocain enthält,
vor jeder Messung des IOD anästhesiert.
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Die
Messungen werden immer zur gleichen Zeit (08:00 Uhr früh) eingeleitet,
wobei den Tieren zwischen den Versuchen eine ausreichende Erholungsdauer
von wenigstens 7 Tagen gewährt
wird. 10 min vor der Instillation des zu prüfenden Arzneimittels in das
rechte Auge und des Trägers
in das linke Auge werden Kontrollablesungen vorgenommen. Der IOD
wird in Zeitabständen
von jeweils 1 h während
insgesamt 8 h aufgezeichnet. In ähnlicher
Weise werden auch stündlich
Grundlinienmessungen bei allen Tieren vor der Behandlung gemacht,
um die Diurnalrythmen (9) zu überwachen.
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4. Pupillendurchmesser
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Die
Pupillendurchmesser werden horizontal bei beiden Augen unter Verwendung
einer Pupillenmesslehre gemessen, die unter diffusen Beleuchtungsbedingungen
dicht an die Cornea angelegt wird.
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5. Prüfung mit einer Schlitzlampe
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Vor
der Verabreichung des Arzneimittels und jeweils 4 h und 8 h danach
wird von einem geübten
Ophthalmologen eine Schlitzlampen-Biomikroskopie durchgeführt. Es
erfolgt auch eine Überprüfung der
Augen bezüglich
einer konjunktivalen Rötung
und eines Katarrhs, einer Integrität des Corneaepitheliums und
eines Fehlens oder eines Vorhandenseins von Blendungsgefühl – Flare – (wobei
Protein in der Vorderkammer ein Anzeichen für ein Versagen der Schranke
zwischen Blut und Wasser ist).
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6. Statistische Analyse
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Die
jeweils erhaltenen Daten werden gemäß dem U-Test von Mann-Whitney
nach den gemäß den erhaltenen
IOD-Werten vor und nach Anwendung von Rivastigmin oder des Arzneimittelträgers analysiert
und beim gleichen Auge verglichen, wobei Unterschiede eines Fehlers
erster Ordnung von P < 0,05
als statistisch signifikant angesehen werden.
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Ergebnisse
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Rivastigmin
führt zu
einer signifikanten Erniedrigung des IOD beim behandelten Auge.
Maximale mittlere Erniedrigungen des IOD sind zeitversetzt entsprechend
der Konzentration der angewandten Arzneimittellösung und treten auf bei 1 h,
3 h und 5 h nach Anwendung von 5% (3,5 ± 1,2 mm Hg), 2% (2,2 ± 0,8 mm
Hg) und 1% (2,6 ± 1,2
mm Hg) Rivastigmin. Nach Verabreichung der Lösung mit 1% Rivastigmin wird
der längste und
den IOD signifikant erniedrigende Effekt während 5 h bei den behandelten
Augen (Tabelle 1A) beobachtet. Bei den unbehandelten Augen sind
maximale mittlere Erniedrigungen des IOD zeitversetzt zu beobachten,
die bei 1 h, 3 h und 5 h nach Behandlung mit 5%, 2% und 1% Rivastigmin
bei den jeweils gegenüberliegenden Augen
auftreten. Hierbei ist aber nur der bei 5% Rivastigmin eingeleitete
Effekt signifikant (Tabelle 1B). Bei den behandelten und den nicht
behandelten Augen erniedrigt sich der maximale IOD jeweils bei 1h
nach Behandlung mit der 5% Wirkstoff enthaltenden Lösung.
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Bei
einigen mit Wirkstoff behandelten Augen ist auch eine insignifikante
miotische Pupillenreaktion festzustellen. Es gibt aber keine Anzeichen
einer auf Rivastigmin zurückzuführenden
lokalen Toxizität.
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Tabelle
1A Daten
des rechten Auges (behandelt)
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Tabelle
1B Daten
des linken Auges (unbehandelt)
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Die
obigen Tabellen 1A und 1B zeigen Grundlinienmessungen (positive
SD – Standardabweichungen) und
mittlere IOD Messungen, welche nach topischer Anwendung eines einzelnen
Tropfens von 50 μl
mit 1 % (n = 8) (negative SD), 2% (n = 4) und 5% (n = 6) Rivastigmin
nach topischer Anwendung bei den rechten Augen (A) und einem ähnlichen
Volumen des Arzneimittelträgers
bei den linken Augen (B) von normotensiven ausgewachsenen Kaninchen
erhalten worden sind. Bei der mit Wirkstoff behandelten Gruppe treten
maximale Effekte auf nach 1 h (5% Rivastigmin), 3 h (2% Rivastigmin)
und 5 h (1 % Rivastigmin). Bei den unbehandelten Augen kommt es
zu maximalen Erniedrigungen des IOD bei 1 h, 3 h und 4 h nach Verabreichung
von 5%, 2% und 1% Rivastigmin an die gegenüberliegenden Augen. (**P < 0,05)
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Die
neuroprotektive Wirkung von Rivastigmin – nach einer topischen Anwendung – zusätzlich zur
vom Auge gut vertragenen hypotensiven Wirkung macht diese Substanz
zu einer Verbindung der Wahl bei der Behandlung von normotensivem
Glaukom.