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Die vorliegende Erfindung betrifft
einen Stabilisator für
Arzneimittel sowie ein Verfahren zur Stabilisierung eines Arzneimittels
mit einem derartigen Stabilisator.
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Durch die Entwicklungen auf dem Gebiet
der Biotechnologie gibt es eine immer größer werdende Vielfalt therapeutischer
Proteine und Peptide, die zur Verfügung stehen. Es steht zu erwarten,
dass die Anwendung dieser Proteine und Peptide in der Medizin zukünftig stark
anwachsen wird.
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Bei ihrer Herstellung werden therapeutische
Proteine und Peptide als wässrige
Lösungen
erhalten. Das Problem dabei ist es, dass Proteine und Peptide in
Lösung
im Normalfall nicht stabil sind. Als Folge davon geht die biologische
Aktivität
der Proteine und Peptide stufenweise verloren, so dass die Aufbewahrungs-
bzw. Lagerungsdauer dieser Produkte begrenzt sind. Verschiedene
chemische und physikalische Mechanismen sind für das Absinken der Aktivität verantwortlich.
Die chemischen Mechanismen sind u. a. Hydrolyse, Deaminierung, Oxidation,
Razemisierung und Disufid-Austausch. Die physikalischen Mechanismen
sind u. a. Aggregation, Gelierung, Denaturierung und Adsorption.
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Daraus kann gefolgert werden, dass
das Absinken der Aktivität
insbesondere mit der wässrigen
Umgebung der Proteine oder Peptide zusammenhängt. In anderen Worten, würde sich,
falls das Produkt in trockener Form erhalten werden könnte, die
Lagerbeständigkeit
des Produkts verlängern.
Proteine oder Peptide können
in trockener Form beispielsweise durch Gefrier-, Vakuum- oder Sprühtrocknung
erhalten werden. Allerdings werden die Proteine oder Peptide während der
Trocknungsverfahren mechanischen Kräften stark ausgesetzt (beispielsweise
während
dem Gefriervorgang einer Lösung
zur Durchführung
der Gefriertrocknung), wodurch auch das Protein oder Peptid beschädigt werden.
Diese Beschädigung
kann durch Zugabe einer stabilisierenden Hilfssubstanz zur Lösung verhindert
werden. Bei richtiger Wahl der Hilfssubstanz und des richtigen Trocknungsverfahrens
stabilisiert die Hilfssubstanz auch das Produkt in seiner trockenen
Form, wodurch die Lagerungsdauer noch weiter verlängert wird.
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Nicht nur therapeutische Proteine
und Peptide, sondern auch viele weitere Arzneien sind instabil.
Aus ähnlichen
Gründen
kann deren Lagerungsdauer durch Trocknung der Produkte in der Gegenwart
einer geeigneten Hilfssubstanz ebenfalls verlängert werden.
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Die meisten Arzneien werden zu nicht-intravenösen Verabreichungsformen
wie Tabletten, Kapseln, Suppositorien, Pastillen, Häuten und
Suspensionen für
subkutane oder intramuskuläre
Injektionen verarbeitet. Zur Erzielung einer angemessenen Bioverfügbarkeit
ist es notwendig, dass die Medizin gegebenenfalls in gelöster Form
an einer Adsorptionsmembran verfügbar
gemacht wird. Allerdings sind viele Arzneien in einem wässrigen
Medium nur wenig löslich.
Als Folge davon ist die Auflösungsgeschwindigkeit
im Normalfall niedrig, was dazu führt, dass die Bioverfügbarkeit
ebenfalls nur niedrig ist. Durch die Wahl einer geeigneten Hilfssubstanz
können
die Auflösungsgeschwindigkeit
und dadurch die Bioverfügbarkeit
gesteigert werden.
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Aufgabe der Erfindung ist es nun,
eine Hilfssubstanz bereitzustellen, die zur Stabilisierung empfindlicher
Arzneimittel verwendet wird. Die Gruppe empfindlicher Arzneimittel
erstreckt sich nicht nur auf Proteine und (Poly)peptide, sondern
auch auf weitere Wirksubstanzen wie bioaktive oder pharmazeutisch
aktive Substanzen, unter denen sich auch Vitamine befinden, deren
Stabilität
gefährdet
sein kann, wenn die Wirksubstanz in eine geeignete Verabreichungsform,
wie eine Tablette, verarbeitet wird. Es ist auch eine Aufgabe der Erfindung,
dass die betreffende Hilfssubstanz einen Beitrag zum Anstieg der
Bioverfügbarkeit
der Wirksubstanz leistet, die, zusammen mit der Hilfssubstanz, in
der entsprechenden Verabreichungsform vorliegt.
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Bekannte Stabilisiermittel, die Arzneien
bei deren Trocknung schützen,
sind Zucker. Zucker schützen die
Arznei, weil die Hydroxylgruppen der Zucker die Wassermoleküle ersetzen,
die ihrerseits wiederum Wasserstoffbrücken mit den Arzneien bilden.
Dies wird manchmal als die "Wasseraustausch-Theorie" bezeichnet. In
gewisser Weise wird ein Überzug
aus Zuckermolekülen
um die Arznei herum bereitgestellt, welcher die Arznei vor schädlichen
Einflüssen
beim Trocknen schützt.
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In trockener Form ergibt ein Zuckerüberzug auch
einen Schutz für
die Arznei, falls der Zucker im Glaszustand vorliegt. Im Glaszustand
sind die Moleküle
mehr oder weniger beliebig zueinander orientiert, und die Beweglichkeit
der Moleküle
ist sehr niedrig. Wegen der beliebigen bzw. statistischen Orientation
wird dieser Zustand manchmal auch als amorpher Zustand anstatt als
Glaszustand bezeichnet. Weil die Orientation der Zuckermoleküle mehr
oder weniger statistisch oder beliebig ist, bleiben die Wechselwirkungen
zwischen den Hydroxylgruppen des Zuckers und der Arznei intakt,
wodurch die entsprechende Schutzwirkung aufrecht erhalten bleibt.
Die niedrige Beweglichkeit der Zuckermoleküle ist von großer Bedeutung,
da, als Folge davon, die Beweglichkeit der Arznei ebenfalls nur
sehr niedrig ist. Als Ergebnis werden jegliche Abbauvorgänge stark verzögert.
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Kristallisiert während des Trocknungsvorgangs
der Zucker, geht die Schutzwirkung verloren. Tatsache ist, dass
während der
Kristallisation eine Phasentrennung zwischen dem Zucker und der
Arznei eintritt und die Wechselwirkungen zwischen dem Zucker und
der Arznei gebrochen werden. Nicht nur geht dabei die Schutzwirkung
verloren, sondern es kann auch die Arznei beim Phasentrennungsvorgang
selbst beschädigt werden.
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Demzufolge werden besondere Vorkehrungen
beim Trocknungsverfahren getroffen, um somit eine Kristallisation
zu verhindern. In der Literatur sind oft kleine Zucker zur Verwendung
als Zucker-Glas beschrieben. Allerdings kristallisieren kleine Moleküle im Normalfall
viel schneller als große.
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Gemäß der vorliegenden Erfindung
wird ein spezifisches Fructan zur Bildung eines Zucker-Glases um eine
Wirksubstanz herum, wie um eine Arznei, verwendet. Es ist herausgefunden
worden, dass ein Fructan mit einem zahlendurchschnittlichen Polymerisationsgrad
von mindestens 6 eine besonders gute Stabilisierwirkung aufweist
und ergibt und auch die Bioverfügbarkeit
der Wirksubstanz positiv beeinflusst, welche in eine derartige Verabreichungsform
gebracht wird.
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Im Übrigen sei angemerkt, dass
es aus der internationalen Patentanmeldung 96/05809 bekannt ist, dass
sich besondere Zucker zur Stabilisierung einer Arznei eignen. In
dieser Veröffentlichung
wird ein Verfahren zur Stabilisierung bioaktiver Substanzen, wie
von Proteinen, beschrieben, worin eine wässrige Suspension oder Lösung eines
Zuckers und der bioaktiven Substanz beispielsweise durch Gefrier-,
Sprüh- oder Vakuumtrocknung
getrocknet wird. Als Beispiele geeigneter Zucker sind verschiedene
Substanzen und darunter Inulin als einziges Fructan genannt. Allerdings
werden weder Herkunft noch Eigenschaften des Inulins erwähnt. Viele im
Handel erhältliche
Inuline weisen einen zahlendurchschnittlichen Polymerisationsgrad
von weniger als 6 auf. Aus den beschriebenen Versuchen geht hervor,
dass das untersuchte Inulin nicht dazu befähigt ist, das Restriktionsenzym
Pst/ 7 Tage lang bei 37°C
aktiv zu halten.
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In
EP
0 383 569 ist offenbart, dass Materialien, die an sich
instabil sind, mittels eines Trägermaterials stabil
gehalten werden können,
welches in Wasser löslich
oder quellbar ist und in einem glas- oder gummiartigen Zustand vorliegt.
Obwohl dieses Trägermaterial
ein Zucker sein kann, sind synthetische Polymere wie Polyvinylpyrrolidon,
Polyacrylamid oder Polyethylenimin bevorzugt. In Beispiel 13 des
Dokuments ist die Verwendung eines Vakuum-getrockneten Inulins zur
Stabilisierung des Enzyms Lactat-Dehydrogenase beschrieben. Unklar
ist, welchen Wert der zahlendurchschnittliche Polymerisationsgrad
des Inulins aufweist. Ferner fällt
auf, dass die Bedingungen während
der Aufbewahrung bzw. Lagerung der beschriebenen Proben so ideal sind,
dass sogar ohne Trägermaterial
eine Destabilisierung nur kaum zu erwarten wäre. Die Proben wurden bei 25° und niedriger
Luftfeuchte aufbewahrt. Es fällt
auch auf, dass die beschriebenen Versuche keinen Vergleichstest,
d. h. einen Test des Enzyms ohne Trägermaterial, enthalten.
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Gemäß der Erfindung soll der Begriff
"Arznei" eine biologisch oder pharmazeutisch wirksame Substanz bedeuten.
Die Substanz ist dazu befähigt,
einen biologischen Effekt auszuüben.
Die Arznei kann natürlichen
Ursprungs sein, sie kann aber auch synthetisch oder halbsynthetisch
hergestellt worden sein. Es ist hier anzumerken, dass Zwischenproduktverbindungen
einer derartigen Herstellung ebenfalls unter das Konzept der Arznei
fallen. Beispiele von Arzneien sind Zellen, Viren, Plasmide, Nucleinsäuren wie
DNA und RNA, Nucleotide, Oligosaccharide, Proteine und Peptide,
Aminosäuren,
Vitamine, Lipide, Hormone, Enzyme, Wachstumsfaktoren, Antikörper und
Antigene. Metaboliten der genannten Substanzen, d. h. von Substanzen,
die in vivo durch einen Organismus nach der Verabreichung einer
oder mehrerer gebildeter Substanzen gebildet werden, sind ebenfalls
von dem Begriff der Arznei umfasst. Die Erfindung ist insbesondere
zur Stabilisierung von Peptiden und Proteinen anwendbar.
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Ein Fructan soll ein Oligo- oder
Polysaccharid bedeuten, welche eine Vielzahl von Anhydrofructan-Einheiten
enthalten. Die Fructane können
eine polydisperse Kettenlängenverteilung
mit gerader oder verzweigter Kette aufweisen. Verzweigte Fructane
werden oft als Glucane bezeichnet.
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Vorzugsweise enthalten die Fructane
hauptsächlich β-1,2-Bindungen, wie in
Inulin, sie können
aber auch β-2,6-Bindungen, wie in
Levan, enthalten. Geeignete Fructane können direkt aus einer natürlichen
Quelle stammen, sie können
aber auch modifiziert worden sein. Beispiele von Modifikationen
sind in diesem Zusammenhang an sich bekannte Reaktionen, die zu
einer Verlängerung
oder Verkürzung
der Kettenlänge
führen.
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Ein wichtiger Parameter der gemäß der Erfindung
geeigneten Fructane ist die durchschnittliche Kettenlänge (der
zahlendurchschnittliche Polymerisationsgrad DPn).
Er beträgt
mindestens 6 und ist im Normalfall nicht größer als 1000. Vorzugsweise
wird ein Fructan mit einem DPn von mindestens
7, bevorzugter von mindestens 10, noch bevorzugter von mindestens
14 und mit bis zu 60 verwendet. Gemäß der Erfindung kann der DPn mit Hochdruck-Flüssigchromatografie (Anionaustausch-HPLC)
bestimmt werden.
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Fructane, die gemäß der Erfindung geeignet sind,
sind, zusätzlich
zu natürlich
vorkommenden Polysacchariden, auch industriell hergestellte Polysaccharide,
wie Hyrolyseprodukte, die verkürzte
Ketten aufweisen, und fraktionierte Produkte mit einer modifizierten
Kettenlänge,
insbesondere mit einem DPn von mindestens
6. Die Hydrolysereaktion zum Erhalt eines Fructans mit verkürzter Kettenlänge kann
enzymatisch (z. B. mit Endoinulinase), chemisch (z. B. mit wässriger
Säure),
physikalisch (z. B. thermisch) oder durch Anwendung einer heterogenen
Katalyse (z. B. mit einem sauren Ionenaustauscher) durchgeführt werden.
Die Fraktionierung von Fructanen, wie von Inulin, kann u. a. durch
Kristallisation bei niedriger Temperatur, Trennung mit Säulenchromatografie,
Membranfiltration und durch selektive Ausfällung mit einem Alkohol bewerkstelligt
werden. Weitere Fructane, wie langkettige Fructane, sind z. B. durch
Kristallisation aus Fructanen erhältlich, aus denen Mono- und
Disaccharide entfernt worden sind, und Fructane, deren Kettenlänge enzymatisch
verlängert
worden ist, können
ebenfalls als Fructan dienen, das in der vorliegenden Erfindung
verwendet wird. Des Weiteren können
reduzierte Fructane verwendet werden. Diese sind Fructane, deren
reduzierenden Endgruppen, im Normalfall Fructosegruppen, z. B. mit
Natriumborhydrid oder Wasserstoff in der Gegenwart eines Übergangsmetall-Katalysators
reduziert worden sind. Fructane, die chemisch modifiziert worden
sind, wie vernetzte Fructane und hydroxyalkylierte Fructane, können ebenfalls
verwendet werden.
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In einer bevorzugten Ausführungsform
ist das Fructan, das gemäß der Erfindung
verwendet wird, Inulin. Inulin ist ein Polysaccharid, das aus β-1,2-gebundenen
Fructose-Einheiten mit einer α-D-Glucopyranose-Einheit
am reduzierenden Ende des Moleküls
besteht. Die Substanz kommt u. a. in den Wurzeln und Knollen von
Pflanzen der Liliaceae- und Compositae-Familien vor. Die wichtigsten Quellen
zur Produktion von Inulin sind die Jerusalem-Artischocken-, Dahlien-
und die Chikoree-Wurzel. Die industrielle Produktion von Inulin geht
hauptsächlich
von der Chikoree-Wurzel aus. Der Hauptunterschied zwischen Inulin,
das aus den natürlichen
Quellen stammt, besteht im Polymerisationsgrad, der von 6 in Jerusalem-Artischocken
bis 10 bis 14 in Chikoree-Wurzeln und bis höher als 20 in der Dahlie schwanken
kann.
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Inulin ist ein Oligosaccharid, das
in amorphem Zustand günstige
physikochemische Eigenschaften zur Anwendung als Hilfssubstanz für pharmazeutische
Verabreichungsformen aufweist. Diese physikochemischen Eigenschaften
sind: (einstellbare) hohe Glasübergangstemperatur,
niedrige Hygroskopizität,
keine (reduzierenden) Aldehydgruppen und wahrscheinlich eine niedrige
Kristallisationsgeschwindigkeit. Außerdem ist Inulin nicht toxisch
und nicht teuer.
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Wird eine Lösung von Inulin, z. B. durch
Gefrier-, Vakuum- oder
Sprühtrocknung,
getrocknet, kann amorphes Inulin erhalten werden. Es ist herausgefunden
worden, dass, falls ferner eine Arznei in der Lösung vorhanden ist, diese durch
Inulin vor schädlichen
Einflüssen
während
der Trocknung geschützt
wird, und dass nach dem Trocknungsverfahren die Arznei von einem
Schutzüberzug
aus amorphem Inulin umgeben ist. Als Ergebnis davon wird es ermöglicht,
die Lagerungszeit instabiler Arzneien, wie therapeutischer Proteine
und Peptide, deutlich zu verlängern.
Außerdem
wurde mit solch einem Überzug
die Bioverfügbarkeit
gering löslicher
Arzneien deutlich gesteigert.
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Es kann gefolgert werden, dass amorphes
Inulin großes
Interesse als Hilfssubstanz für
Zubereitungen zur Verabreichung über
die Lunge, zur oralen Verabreichung, parenteralen Verabreichung,
für Suppositoren, Klistiere
und für
Zubereitungen als Häute
gewinnt.
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Die Erfindung wird nun unter Bezug
auf das Fructan Inulin noch weiter erläutert. Dies soll allerdings keine
Einschränkung
der Erfindung darstellen.
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Wie oben bereits erwähnt, können nur
gering lösliche
Arzneien eine nur niedrige Bioverfügbarkeit auweisen, wenn sie
in Tabletten zur z. B. oralen oder rectalen Verabreichung eingebracht
sind. Wird eine solche Arznei in einem Inulin-Glas eingeschlossen, wird jedes Arzneimolekül mit einem Überzug aus
amorphem Inulin versehen. In anderen Worten, liegt die Arznei in
einer monomolekularen Form vor. Da sich amorphes Inulin rasch auflöst, ist
die Auflösungsgeschwin digkeit
der eingeschlossenen Arznei ebenfalls stark erhöht. Als Folge davon sind dann
auch die Absorptionsgeschwidigkeit und somit die Bioverfügbarkeit
erhöht.
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Die hohe Auflösungsgeschwindigkeit kann auch
Vorteile in anderen Verabreichungsformen ergeben, z. B. bei einer
Verabreichung über
die Lunge, wobei eine sehr rasche Aufnahme angestrebt wird.
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Wird geschmolzener Zucker langsam
abgekühlt,
tritt eine Kristallisation bei einer besonderen Temperatur ein.
Wird dagegen geschmolzener Zucker rasch abgekühlt, wird die Glasübergangstemperatur
(Tg) durchschritten. Die Tg ist immer niedriger als die Kristallisations-
oder Schmelztemperatur. Der Glasübergang ist
durch einen starken Abfall der Beweglichkeit der Moleküle gekennzeichnet,
während
die Orientation der Moleküle
unverändert
bleibt. Die Kristallstruktur ist thermodynamisch stabiler als der
Glaszustand. Allerdings ist die Beweglichkeit der Moleküle in Glas
so niedrig, dass die Kristallisation nur so langsam fortschreitet,
dass dies nicht messbar ist. Wird allerdings die Temperatur über die
Tg, aber unter die Schmelztemperatur angehoben, ist die Beweglichkeit
der Moleküle
derartig, dass die Kristallisation ziemlich rasch eintreten und
ablaufen kann.
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Es ist daher von großer Bedeutung,
dass die Temperatur einer in einem Zucker-Glas gelagerten Arznei niedriger
als die Tg ist, um die Kristallisation des Zuckers zu verhindern
und somit die Schutzwirkung zu bewahren. Nun ist die Tg eines Zuckers
im Normalfall höher
als die Raumtemperatur. Wie in der Literatur beschrieben, werden
insbesondere kleine Zucker, wie Sucrose, Trehalose und Mannit, als
Material für
Zucker-Gläser genannt.
wegen der hohen Tg (120°C)
tritt Trehalose in vielen wissenschaftlichen Veröffentlichungen als aussichtsreicher
Kandidat auf (die meisten Zucker weisen eine niedrige Tg auf). Die
Tg der Fructane und insbesondere von Inulin erhöht sich mit steigendem Molekulargewicht,
so dass innerhalb von besonderen Grenzen, die Tg festgelegt werden
kann. In Versuchen wurden Werte von 140 und 155°C für Inuline mit einem zahlendurchschnittlichen/gewichtsdurchschnittlichen
Polymerisationsgrad (DPn/DPw)
von 14,2/19,4 bzw. 23,0/26,2 ermittelt. In anderen Worten, sind
die Tg's einiger Inuline ganz klar höher als diejenigen von Trehalose.
Dies zeigt, dass Inuline sehr aussichtsreich zur Bildung eines Zucker-Glases zur Stabilisierung
von Wirksubstanzen, wie von Arzneien, sind.
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In der Praxis ist ein Zucker-Glas
niemals vollständig
wasserfrei. Dies ist beispielsweise eine Folge der Aufnahme von
Wasser aus der Luft. Die Aufnahme von Wasser übt einen wesentlichen Effekt
auf die Tg aus. Die Tg wird stark erniedrigt, je mehr Wasser aufgenommen
wird. Das Ausmaß der
Wasseraufnahme hängt
von der Hygroskopizität
des Materials und dem relativen Grad der Luftfeuchte ab. Es wurde
herausgefunden, dass Trehalose-Glas, das bei 20°C einer relativen Luftfeuchte
von 45% ausgesetzt war, zuerst zerfloss (d. h., die Tg fällt unter
20°C) und
dann kristallisierte. Dagegen wurde mit Gläsern, die aus Inulin mit einem
DPn/DPw von 14,2/19,4
hergestellt waren, die Lagerung unter diesen Bedingungen ermöglicht,
ohne dass ein Zerfließen
beobachtet wurde. Inulin-Gläser
mit einem DPn/DPw von
23,0/26,2, die bei 20°C
stehen gelassen wurden, blieben bei einer relativen Luftfeuchtigkeit
von so hoch wie 60% intakt.
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Daraus kann gefolgert werden, dass
Inulin-Gläser
bei einem viel höheren
relativen Grad der Luftfeuchtigkeit, verglichen mit Trehalose, gelagert
werden können,
ohne dass die Tg durchschritten wird.
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Zur Bildung eines Zucker-Glases auf
Basis eines Fructans können
verschiedene Verfahren befolgt werden.
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Im Fall einer Gefriertrocknung wird
eine Lösung
rasch abgekühlt,
so dass nur die Kristallisation von Wasser (Eisbildung) erfolgt.
Während
diesem Verfahren wird die restliche Lösung mehr und mehr aufkonzentriert.
Dieses Verfahren wird auch als "Gefrier-Konzentrierung" bezeichnet.
An einem gewissen Punkt durchschreitet die aufkonzentrierte Lösung die
Glasübergangstemperatur.
Dieser wird auch als Tg' bezeichnet. Es wird somit ein Glas aus
einem Teil Zucker und einem Teil Wasser gebildet. Danach wird der
Druck so herabgesetzt, dass zuerst das Wasser aus den Eiskristallen
und dann das Wasser aus dem Glas sublimiert. Dies ergibt einen porösen Kuchen,
der aus einem Zucker-Glas besteht. Ein poröser Kuchen ist erwünscht, weil
er rasch rekonstituiert werden kann.
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Eine Gefriertrocknung kann auf zwei
Wegen falsch verlaufen. Erstens: wenn die Lösung zu langsam abgekühlt wird,
kristallisieren nicht nur das Wasser, sondern auch der Zucker. Wenn
eine instabile Arznei vorliegt, geht als Ergebnis die Schutzwirkung
verloren. Zweitens: wenn eine Sublimation bei einer Temperatur höher als
die Tg' erfolgt, wird kein Glas gebildet. Nach der Sublimation von
Wasser aus den Eiskristallen verdampft Wasser (keine Sublimation!)
aus der durch Gefrieren auf konzentrierten Lösung. Als Ergebnis kollabiert der
Kuchen, wie er war, und der Zucker kann immer noch kristallisieren.
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Letzteres wurde in Versuchen mit
Trehalose und Inulin getestet. Eine Gefriertrocknung wurde bei einer Probentemperatur
von –16°C durchgeführt. Mit
Trehalose wurde ein kollabierter Kuchen gefunden, während in
Inulin mit DPn/DPw von
14,2/19,4 ein feiner poröser
Kuchen gebildet wurde. Dies zeigt, dass die Tg' von Trehalose ganz
klar niedriger liegt als für
Inulin mit DPn/DPw von
14,2/19,4. Demzufolge kann Inulin unter weniger stringenten Bedingungen
gefriergetrocknet werden.
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Bei Vakuumtrocknung wird der Druck über einer
Lösung
bei Raumtemperatur erniedrigt, so dass das Wasser verdampft. Weil
während
der Verdampfung Wärme
aus der Umgebung abgezogen wird, muss die Temperatur sauber konditioniert
werden, um ein Gefrieren zu verhindern. Ausserdem muss verhindert
werden, dass unter dem Einfluss des niedrigen Drucks die Lösung zu
sieden beginnt. Tatsache ist es, dass, wenn ein Protein vorliegt,
wegen der erhöhten
Flüssigkeit/Luft-Oberfläche Denaturierung
rasch eintritt. Die große
Gefahr dieser Verfahrenstechnik ist es, dass anstatt einer Glasbildung
eine Kristallisation erfolgen kann. Der Vorteil von Inulin ist es
hier, dass die Kristallisation hier weniger leicht als in kleinen
Zuckern eintritt.
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Bei der Sprühtrocknung wird eine Lösung in
einem Strom heißer
Luft atomisiert. Durch die Verdampfung von Wasser werden kleine
Partikel gebildet. Diese können
eine Größe von 1
bis 5 μm
aufweisen und eignen sich daher zur Verabreichung über die
Lunge. Es ist bekannt, dass Trehalose eine Verbindung ist, die nur schwierig
sprühgetrocknet
werden kann. Dagegen kann Inulin rasch und leicht sauber sprühgetrocknet
werden.
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Die mit den oben beschriebenen Verfahrenstechniken
erhaltenen Produkte, d. h., in denen eine Wirksubstanz in ein Zucker-Glas
aus einem Fructan eingebracht ist, können ganz ausgezeichnet zu
geeigneten Verabreichungsformen verarbeitet werden. Die Fachleute
sind in der Lage, die an sich bekannten Formgebungsverfahren den
Eigenschaften des Zucker-Glases, wo dies notwendig wird, anzupassen.
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Viele Zucker wie Glucose und Lactose
enthalten Aldehydgruppen. Diese reduzierenden Gruppen können mit
Amingruppen von z. B. Proteinen und Peptiden reagieren, wodurch
sich eine Schiff-Base bildet. Diese anfängliche Reaktion kann zu einer
Kaskade von Reaktionen führen,
die auch als Maillard-Bräunung
bekannt sind. Die Maillard-Reaktion
kann dazu führen,
dass die Bioaktivität
der Arznei ernsthaft beeinflusst wird, was in hohem Maße unerwünscht ist.
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Ein wichtiger Vorteil von Fructanen
und insbesondere von Inulin beruht darauf, dass wegen der spezifischen
Kupplung der Monosaccharid-Einheiten in den Oligosaccharid-Ketten
keine Aldehydgruppen vorhanden sind und deshalb die Maillard-Bräunung nicht
ablaufen kann.
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Fructane könnten gut in einer großen Vielfalt
von Verabreichungsformen angewandt werden. Bei Sprühtrocknung
sind kugelförmige
Partikel mit einem Durchmesser von 1 bis 5 μm erhältlich. Diese Partikelgröße ist ideal
für Pulver
zur Verabreichung über
die Lunge. Demzufolge kann durch Sprühtrocknung einer Lösung von
Inulin und einer Arznei eine Verabreichungsform für die Lungen
entwickelt werden. Des Weiteren ist hier die Einbringung von Inulin-Gläsern, in
die die Arzneien eingeschlossen werden, in Zubereitungen zur oralen,
pulmonären
und parenteralen Verabreichung in Betracht zu ziehen. Geeignete
Beispiele sind u. a. Suppositorien, Klistiere, Tabletten, Kapseln,
Pastillen, Häute
und Stäbe
oder Suspensionen für
subkutane oder intramuskuläre
Injektionen.
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Fructane und insbesondere Inulin
bilden nicht-toxische Produkte und sind in der Pharmacopeia genannt.
In der derzeitigen klinischen Praxis werden Fructane bereits verwendet,
u. a. als Tracer-Material, um die Nierentätigkeit bei Patienten zu testen.
Demzufolge sind, aus toxikologischer Sicht, Probleme bezüglich der Akzeptanz
von amorphem Inulin als Hilfssubstanz für pharmazeutische Verabreichungsformen
nicht zu erwarten.
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Die Erfindung wird nun noch weiter
in und durch die folgenden Beispiele erläutert.
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Beispiel I
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Bestimmung des
Molekulargewichts
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Das als zahlendurchschnittlicher
Polymerisationsgrad (DPn) und als gewichtsdurchschnittlicher
Polymerisationsgrad (DPw) ausgedrückte Molekulargewicht
wurde mittels Anionaustausch-HPLC
bestimmt. Zu diesem Zweck wurden eine CarboPac® PA1
(4 × 250
mm)-Säule
und eine CarboPac® PA (4 × 50 mm)-Vor-Säule angewandt.
Eluiert wurde mit einem Lineargradient von 60 min mit einer Mischung
aus Lösungen
von Natriumhydroxid und Natriumacetat in Wasser, deren Verhältnis von
0,10 : 0,025 Mol/L auf 0,10 : 0,40 Mol/L variiert wurde. Das System
(DIONEX) enthielt einen Gepulsten Elektrochemischen Detektor. Die
angewandte Puls-Spannung betrug 0,1, 0,6 und 0,6 V für 0,5, 0,1
bzw. 0,05 s. Das Signal wurde zwischen 0,3 und 0,5 s nach Beginn
des Pulses integriert. Das System wurde mit Lösungen von Oligomeren bekannter
Kettenlängen und
Konzentrationen geeicht.
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Herstellung
gefriergetrockneter Proben
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Alkalische Phosphatase mit und ohne
Stabilisator wurde in einer 0,05 M 2-Amino-2-methyl-1,3-propandiol-Lösung in
Wasser, pH = 9,8, gelöst.
Die Konzentration der alkalischen Phosphatase betrug 2,5 mg/mL in
allen Fällen.
Angewandt als Stabilisator wurden: Inulin SC 95, Inulin RS und Inulin
EXL 608. Trehalose und Glucose wurde als Positiv- bzw. Negativ-Vergleich angewandt.
Das Gewichtsverhältnis
von alkalischer Phospatase zu Stabilisator betrug 1 : 9 in allen
Fällen.
Von den Lösungen
wurden 2 mL in Glasprobengefäße mit einem
Durchmesser von 2 cm überführt. Die
Probengefäße wurden
unter flüssigen
Stickstoff gebracht. Nachdem die Lösung vollkommen gefroren war,
wurden die Probengefäße in einen
Christ-Gefriertrockner,
Modell Alpha-2,4, bei einer Plattentemperatur von –30°C überführt, worauf
bei einer Kondenser-Temperatur von –53°C und einem Druck von 0,220
mBar 18 h lang gefriergetrocknet wurde. Dann wurden während 6
h die Plattentemperatur und der Druck stufenweise auf 20°C bzw. 0,520
mBar angehoben. Danach wurde das Gefriertrocknungsverfahren weitere
20 h lang fortgesetzt.
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Konditionierung
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2 Versuchsreihen wurden durchgeführt. In
der ersten Reihe wurden die Proben 6 Tage lang bei 0% relativer
Feuchte (RH) und 60°C
stehen gelassen, worauf die Aktivität des Proteins bestimmt wurde.
In der zweiten Versuchsreihe wurden die Proben in einem Exsikkator über Kieselgel
(0% RH) oder in Schränken
mit gesteuerter Klimatisierung (45% und 60% RH) bei 20°C stehen
gelassen. Zu verschiedenen Zeitpunkten wurde die Aktivität des Proteins
bestimmt.
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Bestimmung der
Aktivität
von alkalischer Phosphatase
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Die Aktivität der alkalischen Phosphatase
wurde wie folgt bestimmt. Die gefriergetrockneten Proben wurden
mit Wasser rekonstituiert. Zu 50 μL
der erhaltenen Lösung
wurden 905 μL
einer 0,05 M 2-Amino-2-methyl-l,2-propandiol-Lösung in Wasser, pH = 9,8, und
20 μL einer
100 mM MgCl2-Lösung in Wasser gegeben. Als
nächstes
wurden 50 μL
einer frisch zubereiteten Lösung
von 10 mg Phosphatase-Substrat (p-Nitrophenylphosphat) pro mL Wasser
zugegeben. Die Mischung wurde verwirbelt und dann bei 37°C inkubiert.
Nach 30 min wurde die Reaktion durch Zugabe von 5,0 mL einer 0,1
N Lösung
von NaOH in Wasser gestoppt. Die Extinktion der erhaltenen Lösung wurde
bei 405 nm gemessen. Eine Eichgerade wurde mit frisch zubereiteten Lösungen alkalischer
Phosphatase in 0,05 M 2-Amino-2-methyl-l,3-propandiol in Wasser,
pH = 9,8, bekannter Konzentrationen aufgestellt.
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Ergebnisse
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Wie aus Tabelle I ersichtlich, führte die
Gefriertrocknung der alkalischen Phosphatase-Lösung zu einem dramatischen
Absinken der Aktivität.
Als 3 verschiedene Inuline sowie der Positiv- und Negativ-Vergleich als
Stabilisator verwendet wurden, trat allerdings kein signifikantes
Absinken der Aktivität
auf.
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Nach 6 Tagen Lagerung der gefriergetrockneten,
Inulin SC 95, Trehalose und Glucose enthaltenden Proben bei 0% RH
und 60°C
war die Aktivität
des Proteins vollständig
verschwunden (siehe Tabelle I). Die Aktivität der alkalischen Phosphatase
der Proben mit Inulin RS und mit Inulin EXL 608 war dagegen nach
6 Tagen unter diesen Bedingungen immer noch wesentlich (siehe Tabelle
I).
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Nach 4 Wochen Lagerung aller gefriergetrockneter
Zuckerhaltiger Proben bei 0% RH und 20°C wurde die Aktivität des Proteins
vollständig
bewahrt. I zeigt die Aktivität gefriergetrockneter
alkalischer Phosphatase-Proben nach Lagerung bei 0% RH und 20°C als Funktion
der Lagerungszeit. Die Daten sind Durchschnittswerte von 2 unabhängigen Versuchen.
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Dies trifft auch für die Inulin
RS, Inulin EXL 608 und Trehalose enthaltenden Proben, die 4 Wochen lang
bei 45% und 60% RH stehen gelassen wurden (siehe II und III).
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II zeigt
die Aktivität
alkalischer Phosphatase in gefriergetrockneten Proben nach Lagerung
bei 45% RH und 20°C
als Funktion der Lagerungszeit. Die Daten sind Durchschnittswerte
von 2 unabhängigen Versuchen.
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III zeigt
die Aktivität
alkalischer Phosphatase in gefriergetrockneten Proben nach Lagerung
bei 60% RH und 20°C als
Funktion der Lagerungszeit. Die Daten sind Durchschnittswerte von
2 unabhängigen Versuchen.
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Die Lagerung der Proben mit Inulin
SC95 und mit Glucose unter diesen Bedingungen führte allerdings zu einem wesentlichen
Absinken der Aktivität.
Bei 45% RH sank die Aktivität
stufenweise im Laufe von 4 Wochen auf 72,3 ± 0,1% und auf 57,9 ± 3,1%
für Inulin
SC 95 bzw. Glucose ab. Bei 60% RH betrug, nach 4 Wochen, die Aktivität 38,8 ± 6,5%
bzw. 46,3 ± 16,1%
für Inulin
SC 95 bzw. Glucose.
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Beispiel II
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Eine Lösung von 9,0 Gew.% Inulin RS
(DPn = 14,2; DPw =
19,4) und von 1,0 Gew.% alkalischer Phosphatase wurde in 0,05 M
2-Amino-2-methyl-l,3-propandiol (Ammediol), pH = 9,8, zubereitet,
die Lösung
wurde in einem Büchi
190-Mini-Sprühtrockner
sprühgetrocknet.
Die Lösung
wurde mit einer Geschwindigkeit von 5 mL/min gepumpt und mit einem
Luftstrom von 600 L/h verdunstet. Der Dunst wurde mit einem Luftstrom
von 600 L/min und einer Eingangstemperatur von 120 bis 150°C getrocknet.
Diese Bedingungen ergaben eine Ausgangstemperatur von 50 bis 80°C. Das Produkt,
ein sehr feines weißes
Pulver, wurde in einem Exsikkator über Kieselgel aufbewahrt.