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Verzugsfähiger Kunstseidefaden nebst Verfahren zu seiner Herstellung
Nachdem es gelungen ist, der Kunstfaser eine der natürlichen Wollfaser ähnliche
Struktur zu geben, um sie auch für solche Zwecke verwendbar zu machen, für welche
Naturwolle ausschließlich oder vorwiegend verwendet wird, erbebt sich die Frage
ihrer Weiterbehandlung zur Gewinnung eines dem Wollgarn ähnlichen Garnes.
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Hierbei erscheint es dann natürlich und selbstverständlich, daß man,
um von dem gleichen Ausgangsprodukt zu dem gleichen Erzeugnis als Arbeitsziel zu
gelangen, auch das gleiche Verfahren, dieselben Einrichtungen und Arbeitsmethoden
anwendet. Es erscheint daher gegeben und entspricht auch der Übung, den Kunstfaden
in verhältnismäßig kurze, etwa der Länge der Wollfaser entsprechende Stücke zu zerschneiden
und in diesem Zustand allein oder mit Wolle gemischt dem Krempelprozeß zu unterwerfen,
um hierdurch zunächst den Flor, das ist ein schleierartiges Gebilde in Form eines
breiten endlosen Bandes, zu bilden, diesen Flor dann in endlose Florstreifen zu
zerlegen und aus diesen Florstreifen über das Vorgarn das Feingarn herzustellen.
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Dieses ganze Verfahren ist sehr umständlich, kostspielig und außerdem
für das Material sehr schädlich. Namentlich das Krempelverfahren erfordert nicht
nur sehr teuere Einrichtungen, sondern greift den Flor sogar stark an. Um diese
Behandlung aushalten zu können, muß die Wolle vorher gefettet und später zum Entfernen
des Fettes wieder gewaschen «>erden, wie überhaupt der ganze Arbeitsprozeß, um von
der natürlichen Wollfaser bis zum fertigen Wollgarn zu gelangen, in einer ganzen
Reihe von Einzelprozeduren ausgeführt werden muß, die weitläufige Einrichtungen
und großenArbeits- und Materialaufwand erfordern. Ferner kann auch durch das Fetten
nicht vermieden werden, daß ein Teil des zu bearbeitenden Materials derartig' beschädigt
wird, daß es als Abfall ausscheidet.
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Wenn man nun, um die der Wollfaser ähnlich gemachte und zu ihrem Ersatz
bestimmte Kunstfaser zu einem dem Wollgarn ähnlichen Faden zu verarbeiten, sie mit
den gleichen Einrichtungen und nach denselben Methoden weiterbearbeitet, so wird
dabei folgende wichtige Tatsache übersehen: Das ganze für die Bearbeitung der Wolle
übliche Verfahren ist lediglich daraus zu erklären, daß die natürliche Wollfaser
nur in kurzen, durch die Länge der Tierhaare gegebenen Stücken vorkommt und daß
es im Großbetriebe nicht möglich ist, die unzähligen Einzelfasern der Wolle zu beherrschen,
zu ordnen, sicher zu führen und zusammenzufügen, um aus ihnen unmittelbar ein Garn
zu bilden. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, das Material zunächst dem Krempelprozeß
zu unterwerfen, um es zu einer ungeordneten Masse zu vereinigen und aus dieser den
sogenannten Flor als Zwischenprodukt zu bilden. Dieser wird anschließend in Florstreifen
zerlegt, aus welchen man dann erst das Vorgarn und schließlich das Feingarn herstellt.
Das ganze für die Bearbeitung der Wolle bis zum fertigen
Garn allgemein
übliche Verfahren ist im Grunde nichts anderes als ein unvermeidliches Übel, dessen
Notwendigkeit ausschließlich aus der Tatsache -folgt, daß die Naturwolle nur aus
kurzen Stücken besteht und deshalb praktisch sich nur in der Weise vorarbeiten läßt,
daß man zunächst aus der ungeordneten Masse unzähliger Haarfasern den Flor als Zwischenprodukt
herstellt, welcher erst die Weiterverarbeitung zum Garn ermöglicht. Die Fachleute
haben sich daran gewöhnt, diese umständliche, überaus kostspielige und für das Material
schädliche Arbeitsmethode für Wolle und für wollähnliche Erzeugnisse als etwas unbedingt
Notwendiges und Unvermeidliches hinzunehmen, das natürlich auch für künstlichen
Wollersatz zu gelten habe, wenn man zu einem dem Wollgarn ähnlichen Erzeugnis gelangen
will. Diese Vorstellung wird überdies noch dadurch bestärkt, daß auch die vegetabilischen
Fasern (Baumwolle, Flachs u. dgl.) nur in kurzen Stücken vorkommen und ihre Verarbeitung
daher ähnliche Methoden erfordert.
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Im Gegensatz zu der von vornherein nur aus kurzen Stücken (Stapel)
bestehenden natürlichen Wollfaser (ebenso wie zu den vegetabilischen Fasern) wird
aber die Kunstfaser, auch die durch Kräuselung usw. der Wollfaser angeglichene,
in Form endloser Fäden gewonnen, die aufgerollt werden und sich ordnen, sicher führen
und beherrschen lassen. Macht man sich diese Tatsache zunutze und verzichtet auf
die dadurch ermöglichten Vorteile nicht von vornherein dadurch, daß man zwecks möglichster
Angleichung an die Wollfaser den endlosen Faden sofort in dem Wollstapel entsprechende
kleine Stücke zerschneidet, so kommt man zu einem ganz wesentlich einfacheren, besseren
und billigeren Verfahren zur Herstellung des Garnes.
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So ist es zunächst möglich, eine der gewünschten Garnstärke entsprechende
Zahl endloser Einzelfädchen ungeteilt in bekannter Weise durch Drehen oder Flechten
zu einem Garn zu vereinigen. Dieses Garn hat dann infolge der Kräuselung, der Dehnungsfähigkeit,
der Fähigkeit zu verfilzen und der eingeschlossenen. Luft schon einen dem Wollgarn
in hohem Grad ähnlichen Charakter, der sich von den aus glatten und eng aneinanderliegenden
Fasern bestehenden Seidenfäden ganz wesentlich unterscheidet. Dabei ist es auf viel
einfacherem und billigerem Wege und mit viel einfacheren Mitteln als Wollgarn zu
gewinnen.
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Ein dem Wollfaden in noch weit höherem Maße entsprechendes Erzeugnis
erhält man dann, wenn man die gekräuselte Kunstfaser erst während des Zusammenfügens
selbst in Stücke von gewünschter Länge zerschneidet, so daß der Krempelprozeß und
alle durch ihn bedingten Prozeduren fortfallen. Es geschieht dies zweckmäßig in
der Weise, daß man die in der gewünschten Fadenzahl auf einem Haspel befindlichen
Kunstseidefäden einzeln oder in mehreren Gruppen (Bündel) mittels einer Fördereinrichtung
von diesem Haspel abzieht und einer Fördertrommel zuführt. Hierbei werden dann erst
unmittelbar beim Zusammenkommen def verschiedenen Einzelfäden oder Fädenbündel diese,
welche bis dahin sich als endlose Fäden sicher führen lassen, so zerschnitten, daß
die Schnittstellen der verschiedenen Gruppen oder Bündel gegeneinander versetzt
sind und sich über die Stapellänge gleichmäßig verteilen. Das Zerschneiden oder
besser Durchtrennen kann in beliebiger Weise, z. B. durch Messer- oder Scherenschnitt,
durch Zerreißen oder auf elektrischem Wege erfolgen. Man erhält auf diese Weise
einen dem Wollgarn durchaus ähnlichen verzugsfähigen Faden, bestehend aus Stapelfasern
ganz gleicher Länge, wobei das Material in der schonendsten Weise behandelt wird
und eine zoo°/oige Ausbeute ergibt. Die für dieses Verfahren benötigten Einrichtungen
sind verhältnismäßig einfach und erfordern verhältnismäßig geringe Anschaffungskosten
und wenig Raum, Kraft und Bedienung.
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Selbst bei denjenigen Textilerzeugnissen, welche aus besonderen Gründen
teilweise aus Naturvolle und teilweise aus Kunstfaser hergestellt werden sollen,
wird man zweckmäßig nicht mehr wie bisher die in Stücke zerschnittene Kunstfaser
mit der Wollfaser vermengen und mit dieser gemeinsam verarbeiten, sondern fertiges
Wollgarn und fertiges nur aus Kunstfaser hergestelltes Garn zusammen verarbeiten.
Aber auch, wenn schon das fertige Garn teils aus Wolle und teils aus Kunstfaser
bestehen soll, ist es nicht erforderlich, die dabei zu verwendende Kunstfaser dem
möglichst zu vermeidenden Krempelverfahren zu unterwerfen und mit zum Flor zu verarbeiten,
sondern man kann damit ganz in der vorgeschriebenen Weise verfahren und erst an
derjenigen Stelle, wo das Drehen des Fadens beginnt, einen halbfertigen Wollfaden
zuführen und ihn mit den Stapelfasern zum Kernfaden vereinigen.
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Selbstverständlich ist die hier beschriebene Art der Verarbeitung
nicht auf gekräuselte Kunstfaser beschränkt, sondern kann auch auf ungekräuselte
Fasern angewandt werden, wenn auch die vorherige Kräuselung wegen der dadurch erzielten
Vorteile vorzuziehen ist.
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In der Zeichnung ist eine nach dem Verfahren gemäß der Erfindung arbeitende
Vorrichtung in einem Ausführungsbeispiel schematisch dargestellt. Es zeigen
Fig.
i schematisch die Entstehung des verzugsfähigen Fadens nach der Erfindung, Fig.
2 und 3 Querschnitte zweier Ausführungsformen des Fadens, Fig. 4 eine Ansicht und
Fig. 5 den Grundriß einer Einrichtung zur Herstellung des Fadens nach der Erfindung,
Fig. 6 den Querschnitt IV-IV der Fig. 4 in größerem Maßstab, Fig.7 in größerem Maßstab
den Schnitt VII-VII der Fig.5 durch den Trichter zur Verdrehung des Faserbandes.
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Die den Faden bildenden Stapel werden zunächst zu einem Band zusammengestellt.
Dies geschieht gemäß Fig. i beispielsweise durch fünf Stapel i bis 5, welche nebeneinander
so gelegt werden, daß jeder Stapel vor dem folgenden um ein bestimmtes Maß (bei
fünf Stapel um 1i5 der Stapellänge) vorsteht. Diese fünf Stapel bilden also eine
Art Band. Hinter diesem wird in derselben Weise ein neuer Satz aus fünf Stapeln,
die zum Unterschied in Fig. i gestrichelt dargestellt sind, angeordnet usw., wodurch
ein fortlaufendes Band erhalten wird. Wie Fig. i erkennen läßt, greifen die Stapelsätze
ineinander ein.
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Wird das so gebildete Band verdreht, so ergibt sich ein verzugsfähiger
Faden, dessen Querschnitt aus Fig. 2 ersichtlich ist.
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In der Ausführung nach Fig. 3 liegt in dem Faden ein Kern oder eine
Seele 6. Diese kann aus einer minderwertigen Textilfaser bestehen.
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Die in Fig.4 und 5 gezeigte Einrichtung zur Herstellung eines Fadens
mit Kern arbeitet folgendermaßen.
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Vom Haspel 7 (Fig. q. und 5) laufen fünf endlose Kunstseidefäden i
bis 5 je auf eins der fünf auf der Achse 8 nebeneinandergereihten Trommelräder g
und legen sich in deren Umfangsrille ein, in der jedes einzelne von ihnen durch
eine unter Federwirkung stehende Leiste io festgehalten wird, die durch Lücken im
Rand der Räder g hindurchtritt. Wenn diese Leisten io mit ihrem Schwanzende unter
eine der keilförmigen schiefen Ebenen i i bzw. 12 gelangen, werden sie vom Faden
hinweg angehoben, so daß der Faden frei wird.
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Bei der Drehung des Transportrades g ziehen die Leisten io die fünf
Fäden vom Haspel 7 ab. Sobald eine Leiste io unter den Öffner 12 gelangt ist, wird
sie von ihm angehoben, worauf das so frei gewordene Fadenende vom Saugrad 13 übernommen
und gleichzeitig der Faden in der Stapellänge durch das Messer 14 abgeschnitten
wird, das in diesem Augenblick durch ein Exzenter 15 gegen den Faden vorgestoßen
wird und dabei auf ein Gegenlager an der Walze 16 trifft.
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Die Anzahl bzw. der Abstand der Messer 14 voneinander richtet sich
nach der gewünschten Stapellänge: Das Transportrad 13 ist an seinem ganzen Umfang
mit Öffnungen 16 versehen, durch die hindurch Luft von außen in die Saugkammern
il, i@, i3 . . . eingesaugt wird. Diese kommen bei der Drehung des Transportrades
13 abwechselnd nacheinander mit an der Unterseite der feststehenden Achse
17 befindlichen Ansaugeöffnungen in offene Verbindung. Dadurch wird bewirkt, daß
jeweils nur die unteren Saugkammern i, also diejenigen, an denen die Fäden haften-
sollen, unter Vakuum gelangen, während bei ihrem Weiterdrehen über die Abgabestelle
der Fäden an das Transportband 18 hinaus alsbald ihre Verbindung mit der Achse 17
aufhört, so daß die Fäden losgelassen werden.
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Das endlos umlaufende Transportband 18 befindet sich auf seiner oberen
Weghälfte unter der Wirkung eines Saugkastens ig, so daß es auf diesem Weg die Fäden
mitnimmt.
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Am Ende der Transportführung i8 schließt das Transportrad 2o an. Dieses
hat am Umfang fünf Rillen zur Aufnahme der fünf Fäden. Im Transportrad 2o sind fünf
Saugkammern k1, k.. . . angeordnet. jede Rille hat nur
auf ein Fünftel ihrer Länge (das ist des Radumfanges) durch Saugöffnungen offene
Verbindung mit ihrer zugehörigen Saugkammer k1 bzw. k,. . ., so daß zunächst
die erste- Rille unter der Wirkung der Saugkammer k1 das Fadenstück i vom Transportband
18 abnimmt und in der Richtung des Pfeiles weiterleitet. Nach Ablauf des ersten
Fadenstückes wird das zweite Fadenstück von den mit der Saugkammer k. in Verbindung
stehenden Saugdüsen der zweiten Rille erfaßt und mitgenommen usw. Auch hier ist
die in der Hohlwelle 21 befindliche Absaugleitung nur mit der jeweils unteren Saugkammer
in offener Verbindung, wogegen bei Erreichung der Transporteinrichtung 22 die Saugleitung
nach der betreffenden Kammer unterbrochen wird.
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In diesem Augenblick gelangt der ankommende Faden in den Bereich des
innerhalb des umlaufenden Transportbandes 22 angeordneten Saugkastens, so daß er
nach und nach an das Transportband 22 übergeht und von ihm mitgenommen wird.
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Vom Transportband :2 gelangen die Fäden auf das endlose Förderband
24, das sie in den feststehenden Hohltrichter 25 (Fig. 7) führt, worin ein sich
drehender verjüngter Kern 26 gelagert ist. Dieser Kern besitzt in dem dargestellten
Ausführungsbeispiel eine axiale Höhlung, durch die ein Seelenfaden 6 hindurchgeführt
wird.
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Das Förderband 2:I bringt die aufgenommenen Stapelfasern i bis 5 bis
an den Kern
26 heran, der sie während seiner Drehung mit seiner
zweckmäßig gerauhten Außenwand erfaßt, mitnimmt und sie ständig schraubenartig um
den Seelenfaden 6 herumlegt, wodurch ein Kernfaden 2,7 gebildet wird, der
verzugsfähig ist. Dieser Faden wird auf einen Haspel 2$ aufgewickelt und kann dann
weiterverarbeitet werden.