DE4000212A1 - Verfahren zum blockiergeschuetzten bremsen eines motorrades und zum bestimmen des haftbeiwertes - Google Patents

Verfahren zum blockiergeschuetzten bremsen eines motorrades und zum bestimmen des haftbeiwertes

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Description

Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum blockiergeschützten Bremsen eines Motorrades, bei dem der Bremsdruck in der Bremse eines Vorder- oder Hinterrades dann konstant gehalten oder abgebaut wird, wenn die Drehverzögerung und/oder der Schlupf des Rades einen vorgegebenen Schwellenwert überschreiten.
Die Erfindung betrifft weiterhin Verfahren zum Bestimmen des Haftbeiwertes zwischen einer Fahrbahn und den Rädern eines Mo­ torrades, insbesondere die Bestimmung der longitudinalen und lateralen Haftbeiwerte.
Blockiergeschützte Bremsanlagen für Motorräder sind als solches in vielfältiger Ausgestaltung bekannt. Bei ihnen werden für vierrädrige Fahrzeuge bekannt ABS-Anlagen für die Besonderhei­ ten eines einspurigen, zweirädrigen Fahrzeuges modifiziert.
Es sind bei vierrädrigen Fahrzeugen Verfahren bekannt, eine Aussage über den momentanen Haftbeiwert zwischen einem Rad und der Fahrbahn dadurch zu gewinnen, daß das Rad kurzzeitig stär­ ker abgebremst wird als ein anderes Rad, um aus dem Schlupf des stärker abgebremsten Rades eine Aussage über den Haftbeiwert abzuleiten. Dabei wird angenommen, daß die Fahrstabilität des vierrädrigen Fahrzeuges durch eine solche kurzzeitige Störung nicht beeinträchtigt wird. Bei einem zweirädrigem Fahrzeug hin­ gegen erscheint dieses Verfahren ungeeignet, weil dort beide Räder notwendig stabil bleiben müssen.
Die Erfindung setzt sich das Ziel, eine herkömmliche ABS-Brems­ anlage für ein Motorrad mit wenig Aufwand so weiterzubilden, daß zum einen eine Information über den Haftbeiwert zwischen den Rädern und der Fahrbahn gewonnen werden kann und zum an­ deren die ABS-Regelung entsprechend dem ermittelten Haftbeiwert eingestellt wird.
Gemäß einer ersten Ausführungsform der Erfindung wird zunächst ermittelt, ob das Motorrad sich in Schräglage befindet, z. B. in Kurvenfahrt, und es wird entsprechend dem gemessenen Wert der Schräglage entweder ein Ansprechschwellwert für eine ABS-Regelung und/oder ein Druckanstiegsgradient für eine ABS-Regelung entsprechend dem gemessenen Wert der Schräglage eingestellt und zwar gemäß einer begrenzten Stufung. Neben der Schräglage des Motorrades kann auch seine Querbeschleunigung mit als solches bekannten Mitteln festgestellt werden, um die ABS-Regelung einzustellen. Die Einstellung kann bezüglich der Schräglage und/oder der Querbeschleunigung in vorgegebenen Stufen erfolgen, insbesondere drei verschiedenen Stufen. Je nach dem Grad der Schräglage bzw. der Querbeschleunigung können die Ansprechschwellenwerte und/oder die Druckanstiegsgradienten bezüglich der ABS-Regelung in drei Stufen verändert werden, wobei mit zunehmender Schräglage bzw. Querbeschleunigung die Ansprechschwellwerte bzw. Druckanstiegsgradienten der ABS- Regelung jeweils empfindlicher eingestellt werden, so daß das abgebremste Rad mit zunehmender Schräglage bzw. Querbeschleu­ nigung jeweils beim Abbremsen in einen geringeren Maximal­ schlupf gebracht werden kann.
Erfindungsgemäß ist zum Bestimmen des Haftbeiwertes zwischen der Fahrbahn und den Rädern des Motorrades vorgesehen, daß für eine vorgegebene Zeitspanne das Hinterrad des Motorrades stär­ ker abgebremst wird als das Vorderrad und daß die Drehgeschwin­ digkeiten und/oder Drehverzögerungen der Vorder- und Hinterrä­ der verglichen werden, um aus dem Vergleichsergebnis den Haft­ beiwert abzuleiten.
Der Erfindung liegt die Erkenntnis zugrunde, daß ein Motorrad durchaus kurzzeitig an dem Hinterrad stärker abgebremst werden kann als am Vorderrad, ohne daß die Fahrstabilität dadurch er­ heblich gefährdet würde, auch bei Kurvenfahrt. Dies steht in striktem Gegensatz zur Dynamik vierrädriger Fahrzeuge, wo eine Überbremsung der Hinterräder ein Drehmoment um die Hochachse des Fahrzeuges und damit völlige Instabilität zur Folge haben kann.
Für ein gegebenes Motorrad mit vorschriftsmäßiger Bereifung und gegebener Beladung (Gewicht des Fahrers, Sozius, Gepäck) ist bei einer Bremsung in Geradeausfahrt (ohne nennenswerte Schräg­ lage des Motorrades) der Schlupf zwischen dem in obiger Weise etwas stärker abgebremsten Hinterrad und dem Vorderrad eine eindeutige Funktion des Haftbeiwertes. Diese Funktion läßt sich mit einer gegebenen Beladung als Parameter in einem Rechner ab­ speichern (z. B. in Form einer Tabelle). Die experimentellen Da­ ten können durch Testfahrten auf einer Probestrecke mit bekann­ ten, unterschiedlichen Haftbeiwerten (welche auf andere bekann­ te Weise gemessen werden) gewonnen und im Rechner ein und für allemal abgespeichert werden. Die momentane Beladung des Mo­ torrades kann durch eine einfache Kraftmessung ermittelt und in den Rechner eingegeben werden, z. B. bei langsamer Geradeaus­ fahrt. Der Rechner "kennt" somit die Beladung des Motorrades und kann dann bei einer Bremsung aufgrund der abgespeicherten Daten unmittelbar aus dem Schlupf des in definierter Weise stärker als das Vorderrad abgebremsten Hinterrades den Haft­ beiwert ermitteln. Dies geschieht gemäß einer bevorzugten Ausgestaltung der Erfindung derart, daß grundsätzlich in den Bremsen der Vorderachse über ein mechanisches Druckrückhalte­ ventil ein geringerer Druck eingespeist wird, als in den Bremsen der Hinterachse. Der so ermittelte Haftbeiwert kann dem Fahrer angezeigt werden oder auch direkt für eine Modifikation der ABS-Regelung herangezogen werden. Je geringer der Haftbei­ wert (Reibungskoeffizient) ist, um so empfindlicher muß die ABS-Regelung eingestellt werden, d. h. die Schwellenwerte der ABS-Regelung, aufgrund derer ein Druckabbau oder eine Konstant­ haltung des Druckes an der Bremse eingeleitet wird, müssen empfindlicher eingestellt werden. Die erfindungsgemäß vorge­ sehene Ermittlung des Haftwertes zwischen Reifen und Fahrbahn ermöglicht eine bessere ABS-Regelung dadurch, daß gemäß den gemessenen Haftwerten die ABS-Druckanstiegsgradienten und/oder die Schwellwerte in Abhängigkeit von den Haftwerten eingestellt werden können.
Gemäß einer weiteren bevorzugten Ausgestaltung der Erfindung wird deshalb im sogenannten Anbremszyklus (also dem ersten Zyklus einer ABS-Regelung) den Vorderachsbremsen des Motorrades nur ein sehr geringer Bremsdruck zugeführt (ein Druck, der gerade zum Anlegen der Bremsen führt), während den Bremsen der Hinterachse ein relativ starker Bremsdruck zugeführt wird. Damit kann gleich zu Beginn einer ABS-Bremsregelung eine Information über den Haftbeiwert zwischen Reifen und Fahrbahn gewonnen werden und die ABS-Regelung kann anschließend für alle folgenden Regelzyklen gemäß dem gemessenen Haftbeiwert einge­ stellt werden. Insbesondere kann aufgrund des gemessenen Haftbeiwertes nun der Bremse an der Vorderachse ein genau abgestimmter Bremsdruck zugeführt werden.
Von besonderem Interesse bei Abbremsung eines Motorrades sind die sogenannten longitudinalen und lateralen Haftbeiwerte, also die Reibungskoeffizienten einmal in Geradeausrichtung und zum anderen senkrecht dazu. Diese beiden Haftbeiwerte sind be­ stimmend für das Fahrverhalten des Motorrades in Schräglage, also insbesondere in einer Kurve.
Die Erfindung liefert ein Verfahren zum Bestimmen der momenta­ nen Haftbeiwerte zwischen den Rädern eines Motorrades und der Fahrbahn in Kurvenfahrt. Hierzu werden bei einer Bremsung zu­ mindest folgende Größen gemessen:
  • a) die Radlasten parallel und senkrecht zur Fahrbahn
  • b) das Bremsmoment, und
  • c) die Radbeschleunigung, und gegebenenfalls
  • d) die Schräglage
Hieraus werden die longitudinalen und lateralen Haftbeiwerte ermittelt.
Die Radlasten senkrecht zur Fahrbahn und parallel zur Fahrbahn (FN bzw. FS) werden erfindungsgemäß berechnet mittels direkt am Motorrad meßbarer Kräfte und des Schräglagenwinkels.
Das Bremsmoment MB ergibt sich für ein gegebenes Bremssystem direkt aus dem meßbaren Bremsdruck unter Annahme eines typi­ schen Reibbeiwertes der Bremse und einer mittleren Temperatur. Gemäß einer Verfeinerung der Erfindung kann die Temperatur der Bremsbeläge gemessen werden und das Bremsmoment gemäß der Tem­ peratur bestimmt werden. Auch hier werden im ABS-Rechner in Ab­ hängigkeit vom Bremsdruck für die Bremse die zugehörigen Brems­ momente, ggf. in Abhängigkeit von der gemessenen Temperatur der Bremsen, ein und für allemal abgelegt und stehen später im Rechner zur Auswertung zur Verfügung.
Die Drehgeschwindigkeiten und Drehverzögerungen der Räder wer­ den in herkömmlicher Weise mittels des ABS-Rechners ermittelt bzw. errechnet.
Nachfolgend wird ein Ausführungsbeispiel der Erfindung anhand der Zeichnung näher erläutert. Es zeigt:
Fig. 1 schematisch ein Motorrad in Schräglage, dessen Mittellinie und für die Erfindung wesentliche Kraftvektoren und Winkel;
Fig. 2 schematisch die Messung der Schräglage des Motor­ rades, und
Fig. 3a-d schematisch die longitudinalen bzw. lateralen Haft­ beiwerte als Funktion des Schlupfes.
Der erfindungsgemäß zu ermittelnde Haftbeiwert µ wird in der Literatur auch Reibungskoeffizient oder Bremskraftbeiwert ge­ nannt, siehe z. B. BOSCH TECHNISCHE BERICHTE, Bd. 7, 1980, Heft 2 (English special edition, February 1982, ISSN 0006-789X) .
Befindet sich ein Motorrad in Kurvenfahrt, d. h. Schräglage, so ist es für eine ABS-Bremsung sinnvoll, einen Haftbeiwert µL in Longitudinalrichtung (Fahrtrichtung, d. h. Tangente der Kurve) und einen Haftbeiwert µS in Lateralrichtung (also senkrecht zur Longitudinalrichtung, d. h. radial in bezug auf die Kurve) zu betrachten.
Aufgrund des Newton′schen Axioms "Drehkraft = Trägheitsmoment × Drehbeschleunigung" ergibt sich aufgrund physikalischer Betrach­ tungen (siehe die vorstehenden BOSCH TECHNISCHE BERICHTE) fol­ gende Differentialgleichung für den longitudinalen Haftbeiwert µL:
Per Definition ergibt sich der laterale Haftbeiwert µS aus:
In den vorstehenden Gleichungen bedeuten:
µL = Haftbeiwert (Reibungskoeffizient) in Longitudinalrichtung;
µS = Haftbeiwert in Querrichtung;
R = Dreh-Trägheitsmoment des Rades (einschließlich von mit dem Rad kinematisch verbundenen Fahrzeugteilen, je nach Kuppelzustand);
= Radbeschleunigung;
MB = am Rad wirkendes Bremsmoment;
FS = Radlast parallel zur Fahrbahn (siehe Fig. 1);
FN = Radlast senkrecht zur Fahrbahn (siehe Fig. 1);
RR = Radradius.
In der vorstehenden Gleichung für µL können R und RR als für ein gegebenes Motorrad konstant angesehen und deshalb fest vor­ gegeben werden. Das Bremsmoment MB ist meßbar, nämlich durch Messung des in der Bremse herrschenden Bremsdruckes, dem das Bremsmoment in erster Näherung entspricht, wenn zweite Näherun­ gen, wie die Temperatur der Bremse, Zustand der Bremsbeläge vernachlässigt werden. Gegebenenfalls kann die Temperatur der Bremse gemessen werden und ihr Einfluß auf das Bremsmoment auf­ grund experimenteller Daten ebenfalls im Rechner abgespeichert werden, um aus herrschendem Bremsdruck und Temperatur das zuge­ hörige Bremsmoment im Rechner zu ermitteln.
Die Radbeschleunigung kann in aus der ABS-Technik bekannter Weise mittels Drehzahlsensoren ermittelt werden.
Die Radlasten FN und FS können durch Messung von am Motorrad wirkenden Kräften und durch Messung der Schräglage λ des Mo­ torrades ermittelt werden. Dies ist in den Fig. 1 und 2 erläu­ tert.
Fig. 1 zeigt schematisch auf einer Fahrbahn F einen Reifen R eines Motorrades, dessen Mittellinie mit M bezeichnet ist. Das Motorrad befindet sich in Schräglage, wobei der Schräglagenwin­ kel λ gegen die Vertikale V in Fig. 1 und 2 angegeben ist. Auf­ grund der Schräglage wandert der Berührungspunkt P zwischen dem Reifen R und der Fahrbahn F aus der Symmetrielinie (Mittellinie M) heraus und liegt asymmetrisch gemäß Fig. 1.
FA und FB sind die auf der linken bzw. rechten Gabel an der Radachse A (Fig. 1 und 2) angreifenden Kräfte. Diese Kräfte FA und FB können mit bekannten Kraftmeßgeräten, wie zum Beispiel Dehnungsmeßeinrichtungen etc. ermittelt werden. Entsprechendes gilt für die senkrecht zur Mittellinie M stehende Kraftkompo­ nente Fax, also die auf die Radachse A wirkende Kraft senkrecht zur Mittellinie M. Diese Kraft wirkt zwischen der Gabel und der Achse.
Somit können die in Fig. 1 gezeichneten Kraftvektoren FA, FB und Fax dem Betrage nach bestimmt werden.
Weiterhin ist zur Ermittlung der Radlasten FN und FS die Be­ stimmung des Schräglagenwinkels λ erforderlich. Hierzu dient die in Fig. 2 gezeigte Anordnung, bei welcher der Fig. 1 ent­ sprechende Teile mit gleichen Bezugszeichen versehen sind. Zur Ermittlung der Schräglage ist im Bereich der Radachse A mittig ein Sender T für Ultraschallwellen angeordnet. Mit dem Abstand a vom Sender T sind Empfänger R1 und R2 beidseits der Mittel­ linie M des Motorrades angeordnet. Vom Sender T ausgehende Ul­ traschallwellen werden von der Fahrbahn F reflektiert und von den Empfängern R1, R2 empfangen. Die vom Sender T ausgehenden und vom Empfänger R1 empfangenen Strahlen sind in Fig. 2 mit S1 bezeichnet, während die Strahlen S2 vom Sender T zum Empfänger R2 reflektiert werden.
Die Ultraschallstrahlen S1, S2 werden pulsartig ausgesandt und es werden die Laufzeiten des Ultraschalls zu den einzelnen Em­ pfängern gemessen. Dies ist schematisch in den Fig. 2a, 2b und 2c dargestellt.
Über einer gemeinsamen Zeitskala t sind in Fig. 2a, b und c die Intensitäten I der Signale aufgetragen.
Fig. 2a zeigt die Intensität des vom Sender T abgegebenen Sig­ nalimpulses. Befindet sich das Motorrad nicht in Schräglage, d. h. beträgt der Winkel λ 0°, so empfangen beide Empfänger R1 und R2 das Signal nach jeweils der gleichen Zeit to. Die ent­ sprechenden Impulse sind in den Fig. 2b und 2c gezeichnet.
Befindet sich das Motorrad in Schräglage mit dem Schräglagenwin­ kel λ, so empfängt der Empfänger R1 aufgrund der längeren Weg­ strecke das Signal um eine Zeitspanne Δt versetzt.
Mittels der Zeitspanne to kann für die gerade herrschende Luft­ feuchtigkeit die zugehörige momentane Schallgeschwindigkeit c ermittelt werden, da die Laufstrecke sich direkt aus den geome­ trischen Verhältnissen ergibt. Der Schräglagenwinkel λ ist eine Funktion der Zeitdifferenz Δ t. Diese Funktion kann im Rechner entweder analytisch als Funktion oder als Wertetabelle abgelegt werden. Somit sind alle Bestimmungsgrößen zum Ermitteln der Radlasten FN und FS gegeben. Geometrische Betrachtungen ergeben folgende Gleichungen für die Radlasten:
FS = FA sin λ + FB sin λ - Fax cos λ
FN = FA cos λ + FB cos λ - Fax sin λ
Der Rechner ermittelt somit aus den gemessenen Daten die Rad­ lasten FS und FN und hieraus direkt den lateralen Haftbeiwert µS = FS/FN.
Weiterhin ermittelt der Rechner den longitudinalen Haftbeiwert µL aus der oben gegebenen Differentialgleichung, deren Bestim­ mungsgrößen ebenfalls insgesamt bekannt sind.
Die vorstehend beschriebene Bestimmung der Haftbeiwerte ist ein erstes Ausführungsbeispiel der Erfindung. Es kann wahlweise so­ wohl mit dem Vorderrad als auch bevorzugt mit dem Hinterrad oder auch mit beiden Rädern durchgeführt werden.
Mit Hiife der so bestimmten longitudinalen und/oder lateralen Haftbeiwerte kann eine herkömmliche Motorrad-ABS-Regelung da­ durch verbessert werden, daß die Schwellenwerte für die Einlei­ tung eines Druckabbaus oder einer Druck-Konstanthaltung gemäß den gemessenen Haftbeiwerten eingestellt werden. Je geringer die Haftbeiwerte sind, umso empfindlicher sind die Schwellen­ werte einzustellen. Der erfindungsgemäß ermittelte laterale Haftbeiwert entspricht der Seitenführungskraft an den Reifen des Motorrades.
Ein anderes erfindungsgemäßes Ausführungsbeispiel zum Bestimmen des Haftbeiwertes sieht vor, daß das Hinterrad etwas stärker als das Vorderrad abgebremst wird. Im Gegensatz zu vierrädrigen Fahrzeugen ist dies bei zweirädrigen Fahrzeugen wesentlich we­ niger kritisch. Erfindungsgemäß wird gemäß Fig. 3 der Brems­ kraftbeiwert µ (Haftbeiwert) des Hinterrades gegenüber dem am Vorderrad herrschenden Bremskraftbeiwert um einen bestimmten, relativ kleinen Betrag Δ µL erhöht. Dies ist in Fig. 3a in der üblichen Darstellung einer Bremskraftbeiwert/Schlupf-Kurve dar­ gestellt. Der Schlupf S ist auf der Abszisse aufgetragen.
In Fig. 3 sind die Bremskraftbeiwerte des Vorderrades jeweils mit einem Leerkreis und des Hinterrades mit einem Vollkreis dargestellt.
Wird der Bremskraftbeiwert µL des Hinterrades um den Wert Δ µL erhöht, so ändert sich der Schlupf zum Vorderrad um den Betrag Δ S (Fig. 3a).
Fig. 3b zeigt den lateralen Bremskraftbeiwert bei gleichen Ver­ hältnissen wie in Fig. 3a. Bekanntlich fällt der laterale Bremskraftbeiwert (auch Seitenkraftbeiwert genannt) mit zuneh­ mendem Schlupf ab, wie in Fig. 3b durch die durchgezogene Linie dargestellt ist (siehe z. B. die obengenannten BOSCH TECHNISCHE BERICHTE oder auch der Aufsatz von H. Laiber und W.D. Limpert in AUTOMOBILTECHNISCHE ZEITSCHRIFT, Juni 1969, S. 181 ff).
In den Fig. 3a und 3b beginnt die relative Erhöhung des Brems­ druckes am Hinterrad im Vergleich mit dem Bremsdruck am Vorder­ rad relativ früh, d. h. weit im stabilen Bereich der Bremskraft­ beiwert-Schlupf-Kurve, d. h. weit links vom Maximum µLmax. Des­ halb bleiben gemäß Fig. 3b die Seitenkraftbeiwerte µS des Vor­ der- und des Hinterrades gleich, da sich das System deutlich innerhalb des sogenannten Kummer′schen Kreises befindet (siehe z. B. die vorstehend zitierte AUTOMOBILTECHNISCHE ZEITSCHRIFT, Bild 2). In Fig. 3 bedeutet die Formel µs = v2/R × g die Umstellung der Formel für die Zentrifugalkraft nach dem Seitenhaftbeiwert, wobei v die Fahrgeschwindigkeit, R der Kurvenradius und g die Erdbeschleunigung sind.
Anders sind die Verhältnisse bei den Fig. 3c und 3d. Dort be­ ginnt die Drucksteigerung in der Bremse des Hinterrades wesent­ lich näher am Maximum der Bremskraftbeiwert-Schlupf-Kurve (Fig. 3c), so daß die Seitenführungskraft des Hinterrades gemäß 3d abfällt. Das System erreicht die durch den obengenannten Kum­ mer′schen Kreis vorgegebenen Grenzen bezüglich des longitudi­ nalen Bremskraftbeiwertes µL und des lateralen Bremskraftbei­ wertes µS (Seitenführungskraft). Gemäß Fig. 3d tritt deshalb in diesem Falle auch eine Differenz Δ µS zwischen Vorder- und Hinterrad auf. Aufgrund der oben beschriebenen Messung von µS kann diese Differenz Δ µS ermittelt werden. Dies zeigt an, daß das Hinterrad nicht weiter mit erhöhtem Druck beaufschlagt wer­ den soll, sondern daß sein Druck zusammen mit dem Bremsdruck am Vorderrad wieder abgesenkt werden soll bis die Differenz Δ µS verschwindet und das System wieder den Zuständen gemäß den Fig. 3a und 3b genügt.
Das vorstehend beschriebene Wechselspiel der Erhöhung des Bremsdruckes am Hinterrad im Vergleich zum Bremsdruck am Vor­ derrad zum Erzeugen einer Differenz Δ µL und die zugehörige Be­ obachtung der Differenz Δ µS ermöglicht eine neue ABS-Bremsung für Motorräder. Danach wird der Bremsdruck am Hinterrad gegen­ über dem Bremsdruck am Vorderrad um einen vorgegebenen Betrag erhöht, so daß der Haftbeiwert des Hinterrades jeweils um die Differenz Δ µL größer ist als der des Vorderrades. Dabei werden stabile Verhältnisse der Räder vorausgesetzt, d. h. das System befindet sich links vom Maximum der Reibbeiwert/Schlupf-Kurve (Fig. 3a, c). Diese Erhöhung erfolgt solange, wie der laterale Haftbeiwert µS des Hinterrades gleich ist dem lateralen Haftbei­ wert Δ µS des Vorderrades (Fig. 3b). Tritt hingegen eine Dif­ ferenz zwischen den lateralen Haftbeiwerten µS des Vorder- und des Hinterrades auf, so zeigt dies an, daß der Bremsdruck einen Maximalwert erreicht hat und daß deshalb die Bremsdrucke in den Bremsen der Vorder- und Hinterräder gleichzeitig abgesenkt wer­ den müssen, bis der Unterschied bezüglich der lateralen Haft­ beiwerte Δ µS verschwindet. Es versteht sich, daß dabei der Wert Δ µL nicht über den Maximalwert µLmax (Fig. 3a) erhöht wird.

Claims (6)

1. Verfahren zum blockiergeschützten Bremsen eines Motor­ rades, bei dem der Bremsdruck in der Bremse eines Vorder- oder Hinterrades dann konstant gehalten oder abgebaut wird, wenn die Drehverzögerung und/oder der Schlupf des Rades einen vorgegebe­ nen Schwellenwert überschreiten, dadurch gekennzeichnet, daß für eine vorgegebene Zeitspanne der Bremse des Hinterrades ein größerer Bremsdruck zugeführt wird als der Bremse des Vor­ derrades, daß dabei die Drehgeschwindigkeiten und/oder Drehver­ zögerungen des Vorder- und des Hinterrades verglichen werden und daß der Schwellenwert in Abhängigkeit von dem Vergleichser­ gebnis eingestellt wird.
2. Verfahren zum Bestimmen des Haftbeiwertes zwischen einer Fahrbahn und den Rädern eines Motorrades, dadurch gekennzeichnet, daß für eine vorgegebene Zeitspanne das Hinterrad des Motorra­ des stärker abgebremst wird als das Vorderrad und daß die Dreh­ geschwindigkeiten und/oder Drehverzögerungen der Vorder- und Hinterräder verglichen werden, um aus dem Vergleichsergebnis den Haftbeiwert abzuleiten.
3. Verfahren zum Bestimmen der longitudinalen und lateralen Haftbeiwerte (µL, µS) zwischen einer Fahrbahn und den Rädern eines Motorrades, dadurch gekennzeichnet, daß bei Abbremsung von zumindest einem Rad folgende Größen ge­ messen werden:
  • a) die Radlasten (FN, FS) senkrecht und parallel zur Fahrbahn (F)
  • b) das Bremsmoment (MB), und
  • c) die Radbeschleunigung (),
und daß daraus die longitudinalen und lateralen Haftbeiwerte ermittelt werden.
4. Verfahren zum blockiergeschützten Bremsen eines Motor­ rades, bei dem der Bremsdruck in der Bremse eines Vorder- oder Hinterrades dann konstant gehalten oder abgebaut wird, wenn die Drehverzögerung und/oder der Schlupf des Rades einen vorgegebe­ nen Schwellenwert überschreiten, dadurch gekennzeichnet, daß der Haftbeiwert der Fahrbahn gemäß einem der Ansprüche 2 oder 3 bestimmt wird und daß der Schwellenwert in Abhängigkeit vom Haftbeiwert eingestellt wird.
5. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß dabei auch die Schräglage des Motorrades gemessen wird.
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