-
-
VERFAHREN ZUM LÖSEN VON CELLULOSE
-
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Lösen von Cellulose in einem
wäßrig-alkalischen System, das Cellulose verschiedener Herkunft völlig oder fast
völlig aufzulösen vermag.
-
Cellulose, das häufigste natürliche Polymermaterial und Hauptbestandteil
des Holzes, ist weitgehend kristallin und schwerlöslich in üblichen wäßrigen oder
organischen Lösemittelsystemen. Gründe hierfür sind die hohe Zahl von Wasserstoffbrückenbindungen
im Molekül sowie stabile übermolekulare Strukturen und dichte Packungen im Kristall.
Die Diffusion eines möglichen Lösemittels in das Innere des faserförmigen Materials
ist stark behindert, insbesondere bei den hochkristallinen und hochmolekularen Cellulosetypen
wie z. B. Baumwollinters.
-
Effektive Cellulose-Lösemittel müssen hochpolar und zur Sprengung
von Wasserstoffbrückenbindungen befähigt sein und/oder durch Reaktion mit den OH-Gruppen
der Cellulose temporär stabile Derivate bilden, die im derivatbildenden System löslich
sind. Aus derartigen Lösungssystemen läßt sich die Cellulose in underivatisierter
Form zum Beispiel durch Veränderung der Zusammensetzung des Lösemittelsystems (Verdünnung,
pH-Anderung, Salzzusatz, Versetzen mit Nichtlösemitteln etc.) als Regeneratcellulose
koagulieren, die durch geeignete technische Maßnahmen, z. B. durch Verspinnen, in
Form von Fäden, Folien oder anderen Formkörpern anfällt. Für viele Anwendungszwecke
sind hohe Festigkeiten der Regeneratcellulose erwünscht,
die über
Art und Zusammensetzung des Lösemittelsystems, Art der eingesetzten Cellulose, Koagulationsbedingungen
und Nachkonfektionierungen erreicht und gesteuert werden können. Bekannte technische
Regeneratcellulosen sind Reyon-Stapelfaser, Zellglas und Zellwolle.
-
Es sind viele Lösemittel für Cellulose bekannt, die in ihrem Aufbau
unterschiedlich sind und sich in zahlreiche Klassen einordnen lassen. Derartige
Klassen sind bestimmte stark saure Systeme, Lösungen von labile Celluloseester bildenden
Reagentien wie NO2 und SO2, wäßrige Lösungen von Metallhalogeniden, Systeme mit
Ammoniak oder niederen Aminen, Metallkomplexbilder in wäßrig-alkalischem Medium
(meist unter NH3- oder Ethylendiamin-Zusatz), bestimmte Salzlösungen in polaren
aprotischen Lösemitteln sowie verschiedene organische Substanzen bzw. Reagentien
in Gegenwart oder unter Ausschluß von Wasser, darunter insbesondere wäßrige Lösungen
einfacher quartärer Ammoniumbasen wie Tetramethyl- oder Benzyltrimethylammoniumhydroxid.
Übersichten hierüber finden sich in der Literatur z. B. bei A. F. Turbak et al.,
CHEMTECH 1980 (1), S. 51-57 und bei D. Mancier und M. Vincendon, Bull. Soc. Chim.
France 1981 (7-8), II, S. 319 - 327.
-
Zur Herstellung von qualitativ hochwertiger Regeneratcellulose sind
vor allem wäßrig-alkalische Systeme geeignet, von denen zwei in großem Maßstab industriell
genutzt werden: das "Cuoxam-System" als ältestes klassisches Lösemittel (CuO/NaOH/NH3/H2O),
das mit Cellulose einen löslichen Kupfer-Komplex bildet, sowie vor
allem
das "Viskose-System" (NaOH/CS2/H20), das zum löslichen Natrium-cellulosexanthogenat
führt. Die Regenerierung erfolgt jeweils durch Verspinnen in saure Bäder, wobei
im "Cuoxam" der Kupfer-Komplex gespalten und in der "Viskose" das Xanthogenat hydrolysiert
wird.
-
Andere Cellulose-Lösemittel werden technisch nur sehr begrenzt verwendet,
insbesondere auch wegen der Schwierigkeit ihrer Handhabung, ihrer Unwirtschaftlichkeit
aufgrund des Einsatzes schwer zugänglicher Reagentien oder der Umweltbelastung durch
giftige und nicht vollständig rückgewinnbare Chemikalien. Saure und/oder bei hohen
Temperaturen arbeitende Lösesysteme ergeben minderwertige Regenerate, da unter diesen
Bedingungen ein starker hydrolytischer Kettenabbau erfolgt, der -teilweise bis zur
Verzuckerung führen kann.
-
Obwohl das allgemein bevorzugte "Viskose-System" Regeneratcellulosen
guter Qualität liefert, ist es nicht frei von Nachteilen, die sich aus der Verwendung
von giftigem und mit Luft explosive Mischungen bildendem CS2, hoher Abwasserbelastung,
starker Geruchsbelästigung und Abluftproblemen ergeben.
-
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein in alkalischem Medium
wirksames Lösesystem für Cellulose aufzufinden, das die Bildung qualitativ hochwertiger
Regeneratcellulose ermöglicht, keine hohen Temperaturen erfordert, möglichst keine
giftigen und abwasserbelastenden Stoffe wie Schwermetalle oder organische Lösungsmittel
bzw. Reagentien enthält, durch einfache Wieder gewinnungsmöglichkeit etwaiger wertvoller
Komponenten
wirtschaftlich arbeitet und technisch gut zu beherrschen
ist. Es wurde davon ausgegangen, daß wäßrig-alkalische Systeme für die Lösung dieser
Aufgabe gute Voraussetzungen bieten.
-
Den Stand der Technik für wäßrig-alkalische Systeme als Cellulose-Lösemittel
schildern die folgenden Schriften: In DE-PS 523 271 wird die Auflösung von Cellulose,
hauptsächlich von vorhydrolysierter oder Regeneratcellulose, in verdünnter Natronlauge
mit 2-16 Gew.-% NaOH bei Temperaturen unter OOC, gefolgt von schnellem Wiedererwärmen
auf Temperaturen über OOC, beschrieben.
-
Die notwendigen NaOH-Konzentrationen sowie die zur Cellulose-Auflösung
günstigen tiefen Temperaturen (teilweise bis zum Einfrieren) sollen sich nach dem
mittleren Polymerisationsqrad" (UP) des Cellulosematerials richten, wobei mit steigendem
UP höhere NaOH-Konzentrationen und/oder tiefere Temperaturen benötigt werden.
-
Bei Nacharbeitung der Lehre zeigt sich, daß Cellulose natürlichen
Ursprungs wie Holzzellstoffe und Baumwollinters mit DP-Werten über ca. 300 auch
unter den angegebenen qünstigsten Bedingungen nur geringfügig gelöst wird. Eine
technische Verwertung des genannten Systems müßte sich daher auf stark vorabgebaute
(teilhydrolysierte) Cellulose beschränken.
-
In US-PS 1 771 461 werden ähnliche Lösesysteme und
-bedingungen
wie in der vorgenannten Patentschrift beschrieben, mit dem Unterschied, daß N-haltige
Kohlensäurederivate zugesetzt werden, welche die Löslichkeit in Natronlauge verbessern
sollen. Thioharnstoff, Harnstoff, Cyanamid und Urethane werden genannt. Von E. Z.
Kirpershlak et al., Chim. Volokna 6 (11/12), S. 26-27 (1979), wird das System NaOH/H20/Harnstoff
auf sein Auflösungsvermögen für Cellulose bei tiefen Temperaturen untersucht. Dabei
zeigt sich auch unter den jeweils optimalen Bedingungen die Begrenzung auf niedermolekulare
Cellulosearten. Während schon bei einem UP von 560 nur höchstens 64 % gelöst werden,
sinkt die Löslichkeit bei UP 840 auf 56 %, bei UP 860 auf 52 % ab.
-
Über die praktisch rückstandsfreie Auflösung von Regeneratcellulose
mit niedrigem UP in 10 %iger Natronlauge bei -50C wird von Schwartz und Zimmermann,
Melliand-Berichte 22,S. 525 - 527 (1941) berichtet. Dem wird aber eine Löslichkeit
von nur etwa 2 % bei Baumwolle (DP über 2000) unter gleichen Bedingungen gegenübergestellt,
was wiederum die begrenzte Lösewirksamkeit gekühlter NaOH/H2O-Systeme bestätigt.
-
Der Einfluß tiefer Temperaturen auf eine Verbesserung des Lösezustandes
von Cellulose-xanthogenat im "Viskose-System", das ehenfalls wäßriges Alkali zur
Grundlage hat, wird von S. P. Papkov, Chim. Volokna (1977) 5, S. 34-41, beschrieben.
Durch diese Technik kann der CS2-Anteil verringert werden, was durch thermodynamische
Betrachtung des Lösevorgangs erläutert wird.
-
Es wurde nun gefunden, daß wäßrige LiOH-Lösungen mit 2,0 - 3,5, vorzugsweise
2,5 - 3,0 mol LiOH je kg Lösemittel ein verbessertes Lösevermögen für Cellulose
besitzen.
-
Es ist bekannt, daß Lithiumsalze in neutralen wäßrigen oder in organisch
aprotischen und hochpolaren Lösemitteln Cellulose aufzulösen vermögen. So wirken
Lithiumhalogenide in hochkonzentrierter wäßriger Lösung in ähnlicher Weise wie die
entsprechenden Zinkhalogenide in der Hitze celluloseauflösend (S. M. Hudson und
J. A. Cuculo, J. Macromol. Sci.Rev. Macromol. Chem. C 18 (1), 1-82 (1980).
-
In DE-OS 3 027 033 und in US-PS 4 278 790 wird die Auflösung von Cellulose
bis zu hohen DP-Werten in LiCl/Dimethylacetamid oder LiCl/N-Methylpyrrol idon beschrieben.
Wenn eine quellende und strukturaufweitende Vorbehandlung, z. B. mit flüssigem Ammoniak,
vorgenommen wird, kann bei Normaltemperatur gearbeitet werden. LiCl sowie die genannten
aprotischen Flüssigkeiten sind für diesen Vorgang spezifisch und nicht ersetzbar
durch andere Lösunqsmittel, andere Metallhalogenide oder andere Lithiumsalze. Der
Wassergehalt derartiger Systeme muß sehr niedrig gehalten werden (max. 1-2 %).
-
Eine interessante Wirkung von LiOH/NaOH-Gemischen bei der Alkalisierung
zeigt sich nach der Lehre der DE-OS 2 651 802 in der verbesserten Beständigkeit
von mit Ethylenoxid herqestellter Hydroxyethylcellulose (HEC)
gegen
enzymatischen Abbau in wäßriger Lösung gegenüber analog nur unter Verwendung von
NaOH in gleicher molarer Menge bei der Alkalisierung hergestellter HEC. Es ist bekannt,
daß bei gleichem Substitutionsgrad und gleicher Viskositätsstufe wasserlösliche
Celluloseether dann besonders enzymstabil sind, wenn in der Kette keine oder nur
wenige unsubstituierte Anhydroglucoseeinheiten vorliegen, an denen der enzymatische
Angriff erfolgt, der durch die Abnahme der Lösungsviskosität angezeigt wird.
-
Voraussetzung für eine derartige Stabilität sind im Rahmen üblicher
Substitionsgrade bis höchstens 3 Oxethylsubstituenten je Anhyarolucoseeinheit sehr
gleichmäßige Substituentenverteilungen entlang der Kette, die durch die gleichmäßige
Alkalisierung mit einem LiOH/NaOH-Gemisch erreicht wird. Lösungsvorgänge an der
Cellulose werden in dieser Schrift nicht beschrieben.
-
Erfindungsgemäß hat sich nun gezeigt, daß eine wäßrige LiOH-Lösung
mit 2,0 - 4,5 mol/kg LiOH bei Temperaturen um 200C, ähnlich wie wäßrige Natronlauge
gleicher molarer Konzentration (8-17 % NaOH), stark quellend auf Cellulose jeglicher
Art einwirkt. Bei Abkühlung bis auf Gefriertemperatur (-8 bis -150C) wird aber im
LiOH/H20-System überraschenderweise ein erheblich höherer Anteil an Cellulose gelöst
als bei Verwendung von NaOH/H20. Dieser Effekt wird besonders deutlich bei Cellulosen
mit UP über ca. 500, die in gekühltem NaOH/H2O nur zu einem kleinen Teil löslich
sind.
-
Erfindungsgemäß wurde ferner gefunden, daß unter gleichen
Bedingungen
LiOH/NaOH/H2O-Gemische nochmals eine erhebliche Steigerung der Celluloselöslichkeit
bei Abkühlung bewirken. Unter geeigneten Umständen sind selbst unbehandelte hochmolekulare
Baumwollinters in diesem System weitgehend löslich. In allen Fällen zeigen die erhaltenen
Lösungen nach Wiedererwärmen über OOC keine Veränderung, auch nicht bei tagelanger
Aufbewahrung bei Temperaturen von ca. 200C.
-
Eine weitere Steigerung der Löslichkeit wird durch Ersatz eines gewissen
Wasseranteils durch stickstoffhaltige Kohlensäurederivate wie Thioharnstoff, Cyanamid
und Urethane, insbesondere aber Harnstoff erzielt.
-
Die optimale Konzentration an Alkali in der Lösung liegt für LiOH
als alleiniges Alkali im Bereich von 2,0 - 3,5, vorzugsweise 2,5 - 3,0 mol LiOH/kg,
für die besser wirksamen LiOH/NaOH-Gemische im Bereich von 2,0 - 4,5, vorzugsweise
2,5 - 3,5 mol Alkali/kg Lösung. Das molare Na/Li-Verhältnis liegt dabei günstigerweise
bei 0,3 - 1,5, vorzugsweise bei etwa 1,0, wobei allgemein ein LiOH-überschuß gegenüber
einem NaOH-Überschuß vorzuziehen ist. Wird mit Zusatz eines stickstoffhaltigen Kohlensäurederivats
gearbeitet, so sollte dessen Konzentration zumindest 0,5 mol/kg betragen, um eine
Verbesserung zu bewirken; eine Erhöhung auf über etwa 3,0 mol/kg ist praktisch unwirksam
und kann bei der Abkühlung zu Konzentrationsniederschlägen führen. Für Harnstoff
ist der wirksamste Konzentrationsbereich 0,5 - 2,0 mol/kg Lösemittel.
-
Die Abkühlung der im Lösemittel bei Raumtemperatur angesetzten Cellulosesuspension
bewirkt erst den Auflösungsprozeß. Je nach Art und Zusammensetzung der Lösung, die
deren Gefriertemperatur bestimmt, soll auf -5° bis -200C, vorzugsweise auf -10o
bis -180C, gekühlt werden, wobei für höhermolekulare Cellulosearten die tieferen
Temperaturen günstiger sind. Ein kurzzeitiges Einfrieren ist ohne merklichen Einfluß
auf die resultierende Lösungsqualität, jedoch treten durch das Ausfrieren von Wasser
Diffusionshemmungen und Konzentrationsänderungen auf, die einen noch nicht abgeschlossenen
Lösungsvorgang behindern, zumindest aber verzögern können. Zudem sind technische
Nachteile durch teilweises Gefrieren bedingt. Es wird daher zweckmäßig allenfalls
bis knapp oberhalh der Gefriertemperatur gekühlt. Die>Auflösung erfolgt größtenteils
rasch bereits während des Abkühlvorgangs, der mit einer starken Quellung des Cellulosematerials
und hohem Viskositätsaufbau verbunden ist. Es ist - auch im Hinblick auf technische
Gegebenheiten - zweckmäßig, die Abkühlung von Normaltemperatur auf z. B. ca. -150C
innerhalb kurzer Zeit (bis 15 min) vorzunehmen, längere oder stufenweise Abkühlung
erbringt keine Vorteile. Ist die gewünschte Tiefsttemperatur erreicht, kann die
Lösung entweder sofort wieder erwärmt oder noch einiqe Minuten bei niedriger Temperatur
belassen werden; eine längere Behandlung bei tieferer Temperatur ist wenig zweckmäßig.
-
Während der Kühl- und Wiedererwärmungsphasen wird das System durch
Rühren, Strömung oder andere Maßnahmen
durchmischt, um eine gleichmäßige
Temperierung zu gewährleisten und Gelbildungen weitestgehend zu vermeiden.
-
Der gesamte Lösungsvorgang kann stationär in einem mit Rührer und
innerem und/oder äußerem Kühlsystem, ggf.
-
außerdem mit einem Heizsystem versehenen Behälter erfolgen. Es ist
aber auch möglich, die Auflösung kontinuierlich durchzuführen, indem man z. B. die
Cellulosesuspension durch ein Schlauch- oder Rohrsystem pumpt, dessen erster Teil,
z. B. durch ein Bad mit Kühlflüssigkeit, abgekühlt und dessen zweiter Teil nicht
gekühlt bzw. schwach beheizt wird, so daß am Ende die Celluloselösung mit einer
Temperatur zwischen 0°C und 200C abfließt. Die Verweilzeit in der Kühlzone wird
durch die Pumpe gesteuert und beträgt zweckmäßig etwa 1-10 min.
-
Als Ausgangsmaterialien sind prinzipiell Holzzellstoffe, Baumwollinters
und andere, natürliche Cellulose enthaltende Rohstoffe geeignet. Ebenso können Papierabfälle,
Regeneratcellulosen und textile Cellulosegebilde verwendet werden. Allgemein aber
sind gereinigte Cellulosen vorzuziehen, da Begleitstoffe die Auflösung behindern
und bekannterweise die Qualität von aus Lösung gewonnenen Regeneraten verschlechtern
können.
-
Das erfindungsgemäße Cellulose-Löseverfahren ist für hochmolekulare
Cellulosearten (DP>1000) weniger gut geeignet. Zum einen ist nämlich die Löslichkeit
derartiger Produkte im erfindungsgemäß verwendeten Lösemittel (wie auch in den meisten
bisher bekannten Lösesystemen)
geringer als die niedermolekularer
Cellulosen. Zum anderen werden bei den für technische Regeneratcellulosen üblicherweise
angewandten Konzentrationen von mindestens 6 % Cellulose die entstehenden Viskositäten
der Lösungen extrem hoch und erschweren deren Handhabung. Dies gilt im besonderen
bei den hier nötigen tiefen Temperaturen. So bilden z. B. 6 %ige Lösungen von Baumwollinters
mit DP) 2000 in den erfindungsgemäß verwendeten Systemen glasige bis trübe Pasten
von salbenartiger Konsistenz und zeigen keinerlei Fließfähigkeit mehr. Aus diesen
Gründen ist es zweckmäßig, vom Einsatz hochmolekularer Cellulosen für die Gewinnung
von guter Regeneratcellulose entweder ganz abzusehen oder derartige Rohstoffe durch
Vorbehandlung, z. B. durch bekannte alkalisch-oxidative "Reife"-Verfahren, auf niedrigere
SP-Werte abzubauen, bevor der Auflösevorgang beginnt. Dies kann günstigerweise im
Lösesystem selbst oder in einer Komponente davon (z. B. NaOH/H2O) bei Raumtemperatur
erfolgen. Derartige Verfahren sind, z. B. für das "Viskose-System", Stand der Technik.
-
Zur Herstellung einer Cellulosesuspension im Ausgangsstadium des erfindungsgemäßen
Verfahrens kann das erfindungsgemäß verwendete System selbst dienen. Dies ist dann
günstig, wenn die Cellulose in lockerer, faseriger Form eingesetzt wird, wie sie
durch die Mahlung von Platten- oder Rollenzellstoff und anschließende Siebung erzeugt
werden kann. Wird nicht oder nur grob gemahlener oder verfilzter Zellstoff eingesetzt,
kommt es leicht zur Bildung von größeren Agglomeraten bzw.
-
Knötchen, die schwierig zu dispergieren sind und, z. B.
-
beim nachfolgenden Pumpen durch ein gekühltes Rohrsystem im Stadium
der der Auflösung stets vorangehenden starken Quellung, Verstopfungen durch gelartige
Körper hervorrufen können. In diesem Fall wird die Dispergierung des Materials am
qünstigsten in 12-14 %iger Natronlauge vorgenommen, die eine sehr gleichmäßige und
starke Quellung bewirkt und in der eine quasi homogene Dispersion der Cellulose
erzeugt wird. Anschließend werden die anderen Komponenten zugesetzt, bis die erfindungsgemäße
Zusammensetzung des Systems erreicht ist und die gesamte Suspension in gleichmäßiger
Form vorliegt, worauf der Kühlvorgang erfolgen kann.
-
Vor einer Regenerierung der Cellulose aus der erfindungsgemäß gewonnenen
Lösung werden zweckmäßigerweise Entgasung- und Filtrationsschritte eingeschaltet,
um eine faser- und gelteilchenfreie, homogene Lösung zu erhalten.
-
Derartige Arbeitsgänge sind, z. B. für das "Viskose-System", Stand
der Technik. Es ist hier darauf zu achten, daß Temperaturen von etwa 300C nicht
überschritten werden, da die Celluloselösung bei höherer Temperatur bereits zur
teilweisen Koagulation neigt. Auch soll die fertige und zur Koagulation bereitgestellte,
homogene Lösung nicht mit Kohlensäure oder stark CO2-haltiger Luft in Berührung
kommen, da bei deren längerer Einwirkung störende Ausfällungen von relativ schwerlöslichem
Lithiumcarbonat auftreten können.
-
Die Koagulation zur Regeneratcellulose kann auf
verschiedene
Weise geschehen. Wie schon erwähnt, findet eine teilweise Ausfällung bereits beim
Erwärmen der alkalischen Celluloselösung, z. B. auf 50 - 600C statt. Auch durch
Verdünnen der Celluloselösung mit Wasser, schneller mit heißem Wasser, lassen sich
Regenerate erzeugen, die zunächst gelartig und alkalihaltig anfallen. Beim Auswaschen
mit heißem Wasser verfestigt sich das Regeneratmaterial und reagiert endlich neutral.
Auch das Verdünnen durch oder Verspinnen in mit dem System ganz oder weitgehend
mischbare organische Nichtlösemittel wie Methanol, gqf. im Gemisch mit Wasser, ergibt
Koagulationen zur Regeneratcellulose, die zunächst ebenfalls noch Alkali enthält.
Schnelle Koagulation wird durch wäßrige Säuren bewirkt. Elektrolytzusatz zum Fällungsmittel
und/oder Temperaturerhöhung steigert in jedem Fall die Koagulationsgeschwindigkeit.
Die Regenerate weisen starke Tendenz zur Filmbildung auf. Es können auch mehrstufige
Koagulationsverfahren angewandt werden, indem nacheinander verschiedene Fällbäder
einwirken. So entsteht z. B. mit heißem Wasser im ersten Schritt ein gelartiges
Produkt, das durch nachfolgende Säurebehandlung verfestigt wird. Ähnliche Verfahren
sind für das Erspinnen von Regeneratcellulose aus dem "Viskose-System" bekannt.
-
Ein besonderer Vorteil des erfindungsgemäß verwendeten Lösemittelsystems
besteht in der Verwendung vorwiegend leicht handhabbarer und wenig toxischer Komponenten,
die außerdem nur eine geringe Abwasserbelastung (Alkalisalze, Harnstoff) bewirken.
Es sind keine aufwendigen
Lösemitteldestillationen notwendig, da
die einzige flüssige Komponente Wasser ist. Abgesehen von geringen Mengen Ammoniak,
die durch partielle alkalische Harnstoffhydrolyse entstehen können, werden auch
Abluftprobleme weitestgehend vermieden. Die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen im Umgang
mit alkalischen wäßrigen Lösungen wegen ihrer ätzenden Wirkung sind seit langem
Stand der Technik; zudem enthalten die Lösungen keine extrem hohen Alkalikonzentrationen.
-
Die an sich wertvollen Lithiumsalze lassen sich aus der Ablauge der
wäßrigen Fällbäder leicht und weitgehend regenerieren, indem man schwerlösliches
Li2CO3 durch Carbonat- oder CO2-Zusatz aus der wieder schwach alkalisch gestellten
Lösung fällt, reinigt und anschließend wieder auf LiOH aufarbeitet. Dies kann durch
Brennen zu Lithiumoxid oder durch Behandeln mit Kalkmilch [Ca(OH)2] und Abtrennen
des schwerer löslichen CaCO3 geschehen.
-
Auch die Auflösung von Li2CO3 in äquimolaren Säuremengen, z. B. Bildung
von LiCL mit HC1 und nachfolgender Cl/OH-Austausch an basischen Ionenaustauschern,
bietet eine Möglichkeit. Derartige Methoden sind bekannt und nicht Gegenstand der
Erfindung.
-
Die folgenden Beispiele erläutern die Erfindung, ohne sie darauf zu
beschränken. Soweit nichts anderes gesagt, ist "Teile" als "Gewichtsteile" zu verstehen.
-
Beispiel 1 Das Beispiel zeigt die Abhängigkeit des Auflösungsvermögens
eines LiOH/NaOH/Harnstoff/H2O-Systems für Cellulose von deren mittlerem Polymerisationsgrad
().
-
98 Teile einer wäßrigen Lösung, die je 1,5 mol/kg an Lithiumhydroxid
und Natriumhydroxid sowie 1,0 mol/kg an Harnstoff enthält, werden mit 2 Teilen eines
kurzfaserig gemahlenen Zellstoffs bei Raumtemperatur (ca. 200C) verrührt, bis eine
gleichmäßige Dispersion entsteht.
-
Diese wird in einem Behälter, der mit einem Kühlmantel versehen ist,
innerhalb von 15 min unter Rühren auf -150C abgekühlt. Die Kühlung wird unterbrochen
und das Gemisch innerhalb weiterer 15 min wieder auf +IOOC erwärmt. Es entsteht
eine Celluloselösung, die noch ungelöste Anteile enthalten kann. Diese werden durch
Filtration über Glaswolle abgetrennt. Aliquote Teile der unfiltrierten und der filtrierten
Lösungen werden mit einem Überschuß an schwefelsaurer Natriumdichromatlösung erhitzt,
wobei die Celluloseanteile vollständig zu CO2 und H20 oxidiert werden. Der Chrom(VI)-Uberschuß
wird mit Fe2+ gegen Ferroin als Indikator zurücktitriert. Aus dem Dichromat-Verbrauch
werden die Celluloseanteile in den beiden Lösungen und damit der Anteil gelöster
Cellulose berechnet. Es werden folgende Werte erhalten:
Celluloseart
DP gelöster Anteil (in Prozent) mikrokristallinl) 188 100 Fichtensulfitzellstoff
541 99 dto. 938 92 dto. 1475 652) Baumwollinters 1950 73 1) Avicel(R) 2) zentrifugiert
statt filtriert Beispiel 2 Das Beispiel zeigt die Abhängigkeit der Celluloselöslichkeit
von der Gesamtkonzentration an Alkali im Lösemittel. Es werden jeweils äquimolare
Mengen LioH und NaOH verwendet.
-
2 Teile eines Fichtenzellstoffs vom DP 541 werden in 98 Teilen einer
wäßrigen Alkalilösung, die in allen Fällen 1,0 mol/kg Harnstoff, aber verschiedene
äquimolare Gehalte an LiOH und NaOH enthält, wie in Beispiel 1 unter Kühlung gelöst
und auf gelöste Cellulosegehalte analysiert. Die Ergebnisse lauten wie folgt: mol/kg
LiOH und NaOH gelöster Celluloseanteil im Lösemittel (in Prozent) 1,25 92 1,50 99
1,75 96 2,00 69
Die Löslichkeit erreicht demnach den höchsten Wert
bei einer Konzentratipn von jeweils 1,5 mol/kg an LiOH und NaOH im Lösemittel.
-
Beispiel 3 Das Beispiel zeigt den Einfluß des Harnstoffgehalts im
wäßrigen Alkali auf die Celluloselöslichkeit.
-
Es wird wie in Beispiel 2 verfahren. Bei einem gleichbleibenden Gehalt
an LiOH und NaOH von jeweils 1,4 mol/kg Lösemittel wird die Harnstoffkonzentration
variiert. Es ergeben sich folgende Löslichkeiten.
-
mol/kg Harnstoff gelöster Celluloseanteil im Lösemittel (in Prozent)
0 97 0,5 98 1,0 99 2,0 99 4,0 69 Es zeigt sich bereits bei 0,5 mol/kg Harnstoff
im Lösemittel eine gewisse günstige Beeinflussung der Celluloselöslichkeit. Hohe
Harnstoffkonzentrationen wirken dagegen löslichkeitsmindernd. Ohne Harnstoff wird
am Ende des Abkühlungsvorgangs bei -15 0C ein teilweises Gefrieren der Lösung festgestellt.
-
Beispiel 4 Das Beispiel zeigt die Abhängigkeit der Celluloselöslichkeit
vom Li/Na-Verhältnis im wäßrig-alkalischen Lösemittel.
-
Es wird wie in Beispiel 2 verfahren, wobei der Gehalt an LiOH bzw.
NaOH so variiert wird, daß insgesamt in jedem Fall die Gesamtalkalikonzentration
im Lösemittel 3,0 mol/kg beträgt. Die Ergebnisse lauten: mol/kg LiOH mol/kg NaOH
Li/Na gelöster Celluloseanteil im Lösemittel (mol/mol) (in Prozent) 3,0 0 0 47 2,0
1,0 2,0 96 1,5 1,5 1,0 99 1,0 2,0 0,5 95 0 3,0 0 27 Die LiOH/NaOH-Gemische sind
also sehr viel wirksamer als die Einzelkomponenten, vor allem im Bereich äquimolarer
Anteile.
-
Beispiel 5 Das Beispiel zeigt den Einfluß der Kühlung auf die Celluloselöslichkeit.
-
2 Teile eines Fichtenzellstoffs vom DP 938 werden in 98 Teilen wäßrigen
Alkalis der Zusammensetzung aus Beispiel 1 suspendiert. Durch verschieden tiefe
Temperaturen der Kühlflüssigkeit im Mantel des Behälters nach Beispiel 1 wird die
am Ende der Kühlzeit von 15 min erreichte Innentemperatur variiert. Im übrigen wird
wie in Beispiel 1 verfahren. Es ergeben sich folgende Werte: Kühlung bis .. .0C
gelöster Celluloseanteil (in Prozent) - 4 49 - 8 75 -11 80 -15 92 -18 91 Demnach
wird durch Kühlung auf -150C bereits die maximale Celluloselöslichkeit erreicht.
-
Beispiel 6 Das Beispiel beschreibt die Auflösung von Cellulose in
einem geeigneten LiOF LiOH/NaOH/Harnstoff/H2O-Gemisch, wobei der Kühl- und Auflösevorgang
kontinuierlich durchgeführt wird.
-
6 Teile Fichtensulfitzellstoff (kurzfaserig gemahlen) vom BP 541 werden
in 50 Teilen Natriumhydroxidlösung mit einem NaOR-Gehalt von 2,8 mol/kg dispergiert,
wobei bei Normaltemperatur innerhalb von etwa 10 min eine gleichförmige breiartige
Dispersion unter starker Quellung der Alkalicellulose entsteht. Hierzu wird die
Lösung von 44 Teilen einer wäßrigen Lösung von LiOH (3,2 mol/kg) und Harnstoff (2,1
mol/kq) gegeben und gut durchgerührt. Die fertiqe Suspension wird mittels einer
Schlauchpumpe durch einen 150 cm langen Siliconschlauch von 0,6 cm Innendurchmesser
gepumpt, der im ersten, 70 cm langen Teil in ein bei -200C gehaltenes Bad mit Kühlflüssigkeit
eintaucht. Der zweite Teil des Schlauches liegt bei Normaltemperatur frei. Die Pumpgeschwindigkeit
beträgt 10 ml/min, so daß die Verweilzeit der Suspension innerhalb des gekühlten
Teils etwa 2 min beträgt. Am Ende des Schlauches fließt die sehr viskose Celluloselösung
mit einer Temperatur von +100C kontinuierlich ab.
-
Sie enthält neben Luftblasen noch wenige ungelöste Faseranteile.
-
Beispiel 7 Das Beispiel beschreibt die Regenerierung von Cellulose
aus einer LiOH/NaOH/Harnstoff/H2O-Lösung.
-
5 Teile Fichtensulfitzellstoff vom dos 541 werden in 95 Teilen einer
Lösung wie in Beispiel 1 nach der dort angegebenen Methode gelöst. Geringe unlösliche
Anteile werden durch Druckfiltration über ein Vlies aus Polypro-
pylenfaser
abgetrennt. Das Filtrat wird durch Zentrifugieren (15 min bei 3000 g) entgast. Die
blasen- und feststofffreie Lösung wird mit einem Gießlineal als 0,5 mm dicke Schicht
auf eine fettfreie Glasplatte ausgestrichen. Die Platte wird bei Normaltemperatur
in ein Bad aus verdünnter Schwefelsäure mit einem Gehalt von 5 Gew.-% Natriumsulfat
getaucht, wobei die Cellulose in Form eines Films koaguliert, der sich von der Platte
ablöst. Der Film wird mit Wasser salz- und säurefrei gewaschen, in ein Gemisch aus
20 % Glycerin und 80 % Wasser getaucht und mit Heißluft getrocknet. Es entsteht
eine klare Folie aus Regeneratcellulose.