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Kolloidlösung, die als Blutersatz geeignet
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ist, und Verfahren zu ihrer Herstellung Die Erfindung betrifft den
in den Patentansprüchen gekennzeichneten Gegenstand.
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Es wurden bereits verschiedene Versuche unternommen, synthetische
Stoffe zu entwickeln, die anstelle von Vollblut oder Blutplasma für Transfusionen
eingesetzt werden können, wenn hohe Blutverluste eingetreten sind, die ersetzt werden
müssen.
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So wurden von W. Appel und E. Biekert in Angew.
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Chem., Bd. 80 (1968), S. 719 bis 725 künstliche kolloidale Plasmaersatzstoffe
beschrieben. Diese hochmolekularen Plasmaersatzstoffe, wie Dextran, modifizierte
Gelatine, Polyvinylpyrrolidon und Hydroxyethylstärke, waren zwar in Form ihrer Lösungen
mehr oder weniger geeignet, nach intravenöser Infusion für eine gewisse Zeit ein
vermindertes
intravasales Volumen zu normalisieren. Sie stellten
jedoch keinen Ersatz für Vollblut dar, da sie nicht in der Lage waren, die Funktion
der roten Blutkörperchen, den Sauerstofftransport, zu ersetzen.
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Andererseits wurden jüngster Zeit Perfluorverbindungen, die gute Lösungsmittel
für Sauerstoff darstellen, auf ihre Anwendbarkeit als Blutersatzstoffe untersucht.
Bei diesen Untersuchungen, die z.B.
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von J.G. Riess und M. de Blanc in Ange. Chem., Bd. 90 (1978), S. 654
bis 668 beschrieben wurden, konnten in Tierversuchen Sauerstoff transportierende
Eigenschaften verschiedener Perfluorverbindungen, z.B.
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von Perfluor-2-butyltetrahydrofuran, Perfluortributylamin oder Perfluordekalin
und anderen Perfluoralkanen, -cycloalkanen, -alkenen, -ethern und -aminen, nachgewiesen
werden. Diese Perfluorverbindungen habenjedoch für eine Anwendung als Blutersatzstoffe
den Nachteil, daß sie wasserunlöslich sind und daher nicht in Form wäßriger Lösungen
angewendet werden können. Aus diesem Grund wurden sie in den Tierversuchen in Form
von Emulsionen eingesetzt, wie sie z.B. in den DE-OSn 21 44 094 und 22 24 182 beschrieben
sind.
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Eine klinische Anwendung derartiger Emulsionen scheiterte jedoch an
verschiedenen ungelösten Schwierigkeiten. So ist es sehr schwierig, derartige Emulsionen
mit definierten Teilchengrößen herzustellen. Auch sind solche Emulsionen nur in
gefrorenem Zustand über längere Zeiten beständig, wobei eine Emulsionsbestän-
digkeit
in vivo noch völlig ungeklärt ist. Darüberhinaus können die Emulsionen in Abhängigkeit
von ihrer Teilchengröße toxisch wirken. Ferner werden die perfluorierten Verbindungen
in vivo nicht metabolisiert und können daher nur über die Haut oder durch die Lunge
ausgeschieden werden, weshalb Perfluorverbindungen mit niedrigem Dampfdruck sehr
lange gespeichert werden. Schließlich können die Verbindungen in Abhängigkeit von
der Teilchengröße der Emulsionen phagozytiert werden und das retikulo-histiozytäre
System (RHS) blockieren.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine Kolloidlösung bereitzustellen,
die als Blutersatz geeignet ist und folgende Anforderungen erfüllt: Ihr osmotischer,und
onkotischer Druck und ihre Fließeigenschaften müssen denen des Blutes möglichst
ähnlich sein; sie muß de4Transport und Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxid
gewährleisten, darf jedoch nicht damit reagieren; sie darf keinen Bestandteil des
natürlichen Blutes störend beeinflussen und muß die Neubildung der Blutbestandteile
ermöglichen, und ihre Bestandteile müssen wieder aus dem Körper ausgeschieden werden.
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Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch eine Kolloidlösung gelöst,
die erhältlich ist durch Umsetzung eines physiologisch verträglichen, wasserlöslichen
Kolloids mit einer aliphatischen Perfluorverbindung und Einstellung eines isotonischen
Elektrolytgehaltes.
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Die erfindungsgemäße Kolloidlösung ist dadurch asgezeichnet, daß die
darin enthaltenen Kolloide einersets vollständig wasserlöslich sind und andererseits
Sauerstoff lösen und transportieren können, und zwar überraschenderweise in etwa
den gleichen Mengen wie die bekannten Emulsionen der reinen Perfluorverbindungen.
Mit Hilfe der erfindungsgemäßen Kolloidlösung können daher alle Schwierigkeiten
ausgeschaltet werden, die bisher mit der Herstellung und Anwendung einer standardisierten
Emulsion einer Perfluorverbindung verbunden waren.
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Für die Herstellung der erfindungsgemäßen Kolloidlösung werden als
physiologisch verträgliche Kolloide die bisher bereits als Plasmaersatzstoffe eingesetzten
Polymeren, wie Dextrane, modifizierte Gelatinen, Hydroxyethylstärken oder Albumine,
verwendet. Auch Gemische derartiger Kolloide können eingesetzt werden.
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Diese physiologisch verträglichen Kolloide müssen selbstverständlich
sehr rein sein, und ihre mittleren Molekulargewichte M (Gewichtsmittelwert) können
w in gewissen Bereichen schwanken.
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Verwendbare klinische Dextrane bestehen aus fadenförmigen, elektrischneutralen
Molekülen aus 159 bis 500 Glucoseeinheiten, die 15 bis 30 Verzweiqungspunkte aufweisen
und in wäßriger Lösung hydratisiert sind. Siejcönnen mittlere Molekulargewichte
M von w 20000 bis 80 000 aufweisen. Bevorzugt werden klinische Dextrane mit mittleren
Molekulargewichten von 40 000 bis 75 000 eingesetzt.
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Verwendbare modifizierte Gelatinepräparate sind z.B.
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die sogenannten Oxypolygelatine, erhalten durch partielle Hydrolyse
von Gelatine, Vernetzung mit Glyoxal und anschließende Oxidation mit Wasserstoffperoxid;
"modifizierte flüssige Gelatine" ("modified fluid gelatine", MFG), erhalten durch
Modifikation von Gelatine mit Bernsteinsäureanhydrid bei einem pH-Wert von 8,5;
ein Vernetzungsprodukt von abgebauter Gelatine mit einem Diisocyanat, das unter
dem Warenzeichen Haemaccel(R) erhältlich ist und durch mehrstündiges Erhitzen von
Gelatine auf 1210C und anschließende Vernetzung mit dem Diisocyanat erhalten wird;
oder auch eine abgebaute Gelatine, die durch Abbau von Gelatine mit Natriumhydroxid
bei erhöhter Temperatur erhalten wird. Die modifizierten Gelatinepräparate haben
mittlere Molekulargewichte M von w 20 000 bis 40 000, vorzugsweise 30 000 bis 35
000.
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Verwendbare Hydroxyethylstärkepräparate werden durch partielle Hydrolyse
von Amylopektin - z.B. aus Maisstärke - mit verdünnter Salzsäure und anschließende
Behandlung mit Natronlauge und Ethylenoxid erhalten. Sie können ein mittleres Molekulargewicht
M von 30 000 w bis 700 000, vorzugsweise von 40 000 bis 450 000, und eine molare
Substitution von 0,2 bis 0,9 aufweisen.
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Verwenbare Albuminpräparate können durch Fraktionierung von Blutplasma,
z.B. nach der Methode vo«Cohn mit Alkohol oder nach der Methode von Schultze u.a.
mit 2-Ethoxy-6,9-diamino-acridinlactat und Ammoniumsulfat,
erhalten
werden. Das Albumin hat ein Molekulargewicht von 69 000.
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Als aliphatische Perfluorverbindung zur Umsetzung mit dem physiologisch
verträglichen Kolloid werden Verbindungen verwendet, die einen perfluorierten aliphatischen
Rest und eine chemisch reaktive Gruppe, die zur Umsetzung mit dem Kolloid fähig
ist, enthalten.
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Dies können beispielsweise Verbindungen der allgemeinen Formel CF3
- (CF2) n - R worin n eine Zahl von 1 bis 20 bedeutet, die aliphatische Gruppe linear,
verzweigt oder cyclisch angeordnet sein kann und R einen Aldehyd-, Acylchlorid-,
Oxiran-, Alkenyl-, Amino-, Imidoester- oder Anhydridrest darstellt, sein.
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Beispiele für verwendbare Perfluorverbindungen sind (Perfluorhexyl)
-acetylchlorid, (Perfluoroctyl) -acetylchlorid, (Perfluordecyl)-acetylchlorid, Perfluoroctanoylchlorid,
1H,1H,2H,3H,3H-Perfluornonylenoxid-(1.2), Perfluorbuttersäureanhydrid, Perfluorbuttersäurechlorid,
(Perfluorbutyl)-acetylchlorid, 1H,1H,2H-Perfluordecen-(1), 1H,1H,2H-Perfluorocten-(1)
und Perfluorhexylsulfenylchlorid.
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Weitere brauchbare Perfluorverbindungen lassen sich leicht von den
von Riess und LeBlanc in Angew.Chem.,
Bd. 90 (1978), S. 654 bis
668 beschriebenen Perfluorverbindungen ableiten.
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Die Umsetzung des physiologisch verträglichen Kolloids vorzu sweise
mit der aliphatischen Perfluorverbindung erfolg in wäßriger Lösung bei einem alkalischen
pH-Wert. Wenn als aliphatische Perfluorverbindung ein Säurechlorid eingesetzt wird,
sollte der pH-Wert bei etwa 8 bis 11 , vorzugsweise bei 9, gehalten und nach Möglichkeit
auch ständig nachgestellt werden. Wenn als aliphatische Perfluorverbindung eine
Oxiranverbindung verwendet wird, sollte der pH Wert bei etwa 9 bis 12 vorzugsweise
11 , gehalten werden. Die Umsetzung kann bei Temperaturen von Raumtemperatur bis
900C durchgeführt werden. Ublicherweise wird bei Normaldruck gearbeitet. Das Mengen-
oder Molverhältnis von physiologisch verträglichem Kolloid zu aliphatischer Perfluörverbindung
ist lediglich durch das Auftreten unlöslicher Niederschläge begrenzt. Vorzugsweise
werden 0,1 bis 2,5 mMol des Fluorierungsmittels pro g Kolloid eingesetzt. Nach vollendeter
Umsetzung wird die erhaltene Lösung unter Einstellung eines physiologischen Elektrolytgehaltes
neutralisiert und über einen Sterilfilter filtriert, um einen etwa gebildeten Niederschlag
zu entfernen. Im einfachsten Fall erhält man einen physiologischen Elektrolytgehalt
in Form einer physiologischen Kochsalzlösung (0,9%), wenn man zum Einstellen des
pH-Wertes Natronlauge und zum Neutralisieren Salzsäure verwendet und die Mengen
entsprechend berechnet.
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Selbstverständlich kann man die bei der Umsetzung erhaltenen Kolloide
auch zunächst aus der Lösung abtrennen, beispielsweise durch Ausfällen mit Aceton,
Methanol, Ethanol oder Tsopropanol und Dekantieren des Uberstandes, Zentrifugieren
oder Filtrieren, und Trocknen und sodann das gereinigte, getrocknete Produkt in
einer physidogischen Elektrolytlösung, z.B.
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physiologischer Kochsalzlösung oder Ringerlösung, lösen.
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Die Konzentration der fertigen kolloidalen Lösung sollte nach Möglichkeit
dem physiologischen onkotischen Druck angepaßt sein. Sie kann je nach mittlerem
Molekulargewicht Mw zwischen 2 und 12 Gew.-t liegen.
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Der Elektrolytgehalt der Lösung entspricht der physiologischen Osmolarität.
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Für einige erfindungsgemäße Kolloidlösungen bzw. die entsprechenden
Kolloide wurde die S.-rstofflöslichkeit bestimmt. Die Bestimmung wurde photometrisch
mit alkalischer Brenzkatechinlösung nach der in der DE-OS 27 12 158 beschriebenen
Methode oder enzymatisch nach der von A. Gosh u.a. in Analytical Biochemistry, Bd.
38 (1970), Seite 270 beschriebenen Methode durchgeführt.
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Die folgenden Beispiele erläutern die Erfindung: Beispiel 1 100 ml
einer 10%gen Lösung von Oxypolygelatine wurden auf 500C erhitzt, mit 0,1 n NaOH
auf einen pH-Wert von 9 gebracht und tropfenweise mit 0,4 mMol (Perfluorhexyl)-acetylchlorid
pro g Oxypolygelatine versetzt.
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Der pH-Wert wurde ständig mit 0,1 n NaOH nachreguliert.
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Die Reaktion war beendet, als der pH-Wert konstant blieb. Darauf wurde
die Lösung auf einen Kolloidgehalt von 5 % verdünnt, mit 0,1 n HCl neutralisiert,
wobei der Gehalt an NaCl insgesamt auf 0,9 % eingestellt wurde, und über einen Sterilfilter
filtriert.
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Die Verbindung hatte eine enzymatisch gemessene Sauerstofflöslichkeit
von 38 ml °2 pro 1 Lösung.
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Beispiel 2 Die Arbeitsweise von Beispiel 1 wurde wiederholt mit der
Abweichung, daß als Fluorierungsmittel anstelle von (Perfluorhexyl)-acetylchlorid
(Perfluoroctyl)-acetylchlorid eingesetzt wurde.
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Beispiel 3 Die Arbeitsweise von Beispiel 1 wurde wiederholt mit der
Abweichung, daß als Fluorierungsmittel anstelle von(Perfluorhexyl)-acetylchlorid
(Perfluordecyl)-acetylchlorid eingesetzt wurde.
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Beispiel 4 Boispiel 4 Die Arbeitsweise von Beispiel 1 wurde wiederholt
mit der Abweichung, daß als Fluorierungsmittel anstelle von (Perfluorhexyl)-acetylchlorid
Perfluoroctanoylchlorid eingesetzt wurde. Die Verbindung hatte eine enzymatisch
gemessene Sauerstofflöslichkeit von 40 ml O2 pro 1 Lösung.
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Beispiel 5 Eine 10teige Lösung von Rohgelatine in 0,1 n NaOH wurde
-6 2 bei 750C bis zu einer Viskosität von 7,7 x 10 m"/s abgebaut. 50 ml dieser Lösung
wurden auf 100 ml verdünnt, wobei eine Lösung mit einem Proteingehalt von etwa 5
% erhalten wurde. Diese Lösung wurde auf einen pH-Wert von 9 eingestellt und bei
75°C portionsweise mit insgesamt 6,13 g (PeL-Eluoroctyl) -acetylchlorid versetzt.
Nachdem die Umsetzung vollständig abgelaufen war, wurde die Lösung mit 0,1 n HCl
neutralisiert, wobei der,Gehalt an NaCl insgesamt auf 0,9 % eingestellt wurde, und
durch Filtration von dem gebildeten Niederschlag befreit.
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Beispiel 6 12 g Dextran mit einem mittleren Molekulargewicht Mw von
60 000 wurden in wenig Wasser suspendiert. Dann wurden 3 ml 10 n NaOH und anschließend
70 ml H2O zugesetzt und die Lösung unter einem kräftigen Stickstoffstrom auf 600C
erhitzt. Bei dieser Temperatur wurde die Lösung tropfenweise mit 9 g 1H,1H,2H,3H,3H-Perfluornonylenoxid-(1.2)
versetzt und 5 Stunden gerührt.
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Nach Beendigung der Umsetzung wurde die Lösung auf 200 ml verdünnt
und mit HCl neutralisiert, worauf das
Reaktionsprodukt mit Aceton
ausgefällt wurde.
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Der überstand wurde abdekantiert, und der Niederschlag wurde mit Aceton
gewaschen, abfiltriert und bei 600C im Trockenschrank getrocknet. Die Ausbeute betrug
9,7g.
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Das getrocknete Produkt wurde in physiologischer Kochsalzlösung in
einer Konzentration von 6 % gelöst.
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Beispiel 7 Die Arbeitsweise von Beispiel 6 wurde wiederholt, wobei
jedoch als physiologisch verträgliches Kolloid anstelle von Dextran eine Hydroxyethylstärke
mlt einem mittleren Molekulargewicht M von 200 000 eingesetzt wurde. Die w Ausbeute
betrug 10,1 g. Die Verbindung hatte eine enzymatisch gemessene Sauerstofflöslichkeit
von 36 ml O2 pro 1 Lösung.
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Beispiel 8 50 ml 10%ige Humanalbuminlösung wurden auf einen pH-Wert
von 9 gebracht und bei Raumtemperatur tropfenweise mit 0,9 g (Perfluoroctyl)-acetylchlorid
versetzt.
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Während der Reaktion sank der pH-Wert ständig. Er wurde mit 0,1 n
NaOH auf 9 gehalten. Nach Beendigung der Reaktion blieb der pH-Wert konstant. Man
verdünnte mit 50 ml H2O, neutralisierte, zentrifugierte den Niederschlag ab und
filtrierte über einen Sterilfilter.