-
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von hydrophilen Kern/Mantelstruktur aufweisenden Fäden oder Fasern aus fadenbildenden Polymeren, insbesondere aus Acrylnitrilhomo- oder Copolymerisaten nach der Trocken-Düsen- Naßspinnmethode in Gegenwart von Wasserdampf als erstes Fällmedium für Polyacrylnitrilfäden.
-
Das Trocken-Düsen-Naßspinnverfahren wird im allgemeinen angewendet, um die Verstreckung der Fäden zu erleichtern, die Porosität der Faserstruktur zu verringern (vergl. die DE-OS 16 60 463), oder aber auch wie in der US-PS 34 15 922 beschrieben, um den Rohton der Fäden zu verbessern. Der Abstand zwischen Düse und Badoberfläche darf nach der DE-OS 16 60 463 nicht mehr als 11,4 cm betragen, um ein Zusammenlaufen und Verkleben der einzelnen Spinnfäden zu verhindern. Dieser maximale Abstand von 11,4 cm wird verwirklicht, indem man zur Verstärkung der anfänglichen Koagulierung des ausgespritzten fadenbildenden Materials die Fäden durch eine Nebelatmosphäre aus Wasser, dem Spinnlösungsmittel oder einem Gemisch der beiden, welches mittels Luftzufuhr aus Düsen in einer Kammer feinst versprüht wird, geleitet werden, ehe die Fäden im Fällbad vollständig koaguliert werden.
-
Es wurde nun überraschenderweise gefunden, daß man anstelle von unporösen Fasern Kern/Mantelstruktur aufweisende Acrylfasern hoher Hydrophilie nach der Trocken-Düsen-Naßspinnmethode erhält, wenn man Wasserdampf statt fein zerstäubter Wasser-Luftgemische bzw. Wasser-Luft-Lösungsmittelgemische als erstes Fällmedium einsetzt.
-
Gegenstand der Erfindung ist demgemäß ein Verfahren zur Herstellung von hydrophilen Kern-Material-Struktur aufweisenden Fäden oder Fasern aus fadenbildenden synthetischen Polymeren mit einer Porosität von mindestens 10% und einem Wasserrückhaltevermögen von mindestens 10% bei einer Faserquellung, die geringer ist als das Wasserrückhaltevermögen, durch Verspinnen einer Polymerlösung nach dem Trocken- Düsen-Naßspinnverfahren, dadurch gekennzeichnet, daß man die Fäden unmittelbar nach Austritt aus der Spinndüse und vor dem eigentlichen Koagulationsprozeß im Fällbad mit Wasserdampf oder dem Dampf einer anderen die Fäden koagulierenden Flüssigkeit in Berührung bringt.
-
Bei dieser Technik, d. h. bei der Verwendung von Wasserdampf spielt auch der aus der Patentliteratur bekannte maximal einzuhaltende Abstand zwischen Düse und Fällbadoberfläche von 11,4 cm keine wesentliche Rolle. Der Abstand zwischen Düse und Fällbad kann beispielsweise 50 cm und mehr betragen, ohne daß die Fäden zusammenlaufen und verkleben.
-
Zweckmäßigerweise wird der Wasserdampf oberhalb der Düse in den Spinnschacht zentral eingeblasen. Es können auch Dampf/Luftgemische eingesetzt werden. Im allgemeinen reichen Dampfmengen von ca. 1 kg Dampf pro kg Spinngut aus, um bereits hydrophile Kern/Mantelstruktur aufweisende Acrylfasern zu erzeugen, wenn man von einer Polyacrylnitrilspinnlösung der Konzentration ca. 30% ausgeht.
-
Nach dem erfindungsgemäßen Verfahren werden Polymerisate, die normalerweise nicht hydrophil sind, vorzugsweise Acrylnitrilpolymerisate und besonders bevorzugt solche mit mindestens 50 Gew.-%, insbesondere mit mindestens 85 Gew.-% Acrylnitril- Einheiten, versponnen.
-
Erfindungsgemäß geeignete Dämpfe zur Vorkoagulation der noch nicht verfestigten Fäden sind neben Wasserdampf alle Dämpfe von Substanzen, die für die versponnenen Polymerisate, insbesondere Acrylnitrilpolymerisate, ein Nichtlösungsmittel darstellen wie beispielsweise im Falle von Acrylnitrilpolymerisaten, ein- und mehrfach substituierte Alkyläther und -ester mehrwertiger Alkohole, wie Diäthylenglykol, Tripropylenglykol, Glykolätheracetate. Ferner sind Alkohole wie 2 Äthylcyclohexanol, Glycerin, Ester oder Ketone oder Gemische, z. B. aus Äthylenglykolacetaten, geeignet. Besonders bevorzugt sind neben Wasser solche Substanzen, die sich leicht verdampfen lassen, deren Flammpunkt hoch liegt und deren Brennbarkeit gering ist, beispielsweise Methylenchlorid und Tetrachlorkohlenstoff.
-
Je nach Intensität der Dampfeinblasung auf die Polymerfäden lassen sich sowohl die Querschnittsstruktur als auch die Breite der Mantelfläche und die Hydrophilie der Fäden steuern.
-
Die Dicke und somit die Saumbreite der Mantelfläche läßt sich erfindungsgemäß durch die Wahl des Verhältnisses von Luft zu Dampfgemisch oder auch nur der Dampfmenge derart steuern, daß bei hohen Dampfmengen vorzugsweise Kern/Mantelfasern mit großer Saumbreite der Mantelfläche, die bis zu ca. 75% der gesamten Faserquerschnittfläche ausmachen können, erzeugt werden.
-
Setzt man beim Spinnprozeß nur wenig Dampf ein, so erhält man umgekehrt Kern/Mantelfasern, die sich mehr und mehr der beim Naßspinnprozeß üblichen Querschnittsstruktur nähern und die ein entsprechend niedriges Wasserrückhaltevermögen aufweisen.
-
Die Querschnittsstruktur der Kern/Mantelfasern wurde anhand von elektronenmikroskopischen Aufnahmen bestimmt. Zur Bestimmung des Kern- bzw. Mantelflächenanteils der Fasern wurden jeweils ca. 100 Faserquerschnitte durch quantitative Analyse mit dem Bildanalysengerät "Classimat" der Firma LEITZ ausgewertet.
-
Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren wird der Dampf bevorzugt oberhalb der Spinndüse in Richtung des Fadenabzuges eingeblasen. Es ist jedoch eine Anblasung quer zu den Fäden auch unterhalb der Düse möglich, wenn die Anblasung so erfolgt, daß keine zu starke Turbulenz auftritt.
-
Die Fäden und Fasern hergestellt nach dem Verfahren gemäß der vorliegenden Erfindung zeigen durch ihre poröse Kern- Mantel-Struktur eine hohe Saugfähigkeit, Wasseraufnahme ohne Quellung, schnellen Feuchtigkeitstransport und hohe Feuchteaufnahme sowie, ebenfalls bedingt durch die poröse Struktur, eine niedrige Dichte. Durch die Summe dieser positiven Eigenschaften in einem einzigen Faserprodukt wird somit eine Faser zur Verfügung gestellt, aus der sich textile Gebilde, insbesondere Kleidungsstücke, fertigen lassen, die ihrem Träger einen hervorragenden Tragekomfort vermitteln.
-
Die Bestimmung der zur Charakterisierung der Fäden dienenden physikalischen Größen wurde, wie nachstehend beschrieben, ausgeführt. Diese Meßmethoden beziehen sich auf gefärbte bzw. blindgefärbte von Präparation befreite Fasern, Garne oder Textilflächengebilde.
Meßmethoden
Quecksilber-Dichte-Bestimmung (ρ Hg)
-
Nach Ausheizen der Probe bei 50°C unter Vakuum (10-2 mbar) wird die Hg-Dichte (mittlere scheinbare Dichte) durch Volumenmessungen in Quecksilber bei einem Überdruck von 10 bar festgestellt.
Helium-Dichte-Bestimmung (ρ He)
-
Nach Ausheizen der Probe bei 50°C unter Vakuum (10-2 bar) wird die Helium-Dichte ("wahre Dichte) durch Volumenmessung in Helium mit einem Gasvergleichspyknometer festgestellt.
Definition der Porosität (P)
-
P = [1-(ρ Hg/ρ He)] · 100%
Definition der Kern-Mantel-Struktur
-
Im Rasterelektronenmikroskop nach üblichen Techniken - mit Gefrierbruch, Ionenätzung und Goldbedampfung - präparierte Proben lassen im Faserquerschnitt eine Kern-Mantel- Struktur erkennen, dadurch gekennzeichnet, daß die im Kern erkennbaren Poren im Mittel deutlich größer sind als die Poren im Mantel. Der Mantel kann insbesondere kompakt erscheinen, d. h. im wesentlichen keine Poren über 30 nm Durchmesser aufweisen.
-
Die Manteldicke an der Faseroberfläche wird bestimmt als der Abstand des Faser-Äußeren (von außen senkrecht nach innen schreitend) bis zu der Stelle, an der der geschilderte Strukturunterschied erkennbar wird.
Bestimmung des Wasserrückhaltevermögens (WR):
-
Das Wasserrückhaltevermögen wird in Anlehnung an die DIN- Vorschrift 53814 (vgl. Melliand Textilberichte 4 1973, Seite 350) bestimmt.
-
Die Faserproben werden 2 Stunden in Wasser getaucht, das 0,1% Netzmittel enthält. Danach werden die Fasern 10 Minuten zentrifugiert mit einer Beschleunigung von 10 000 m/sec² und die Wassermenge gravimetrisch ermittelt, die in und zwischen den Fasern zurückgehalten wird. Zur Bestimmung des Trockengewichtes werden die Fasern bis zur Feuchtekonstanz bei 105°C getrocknet. Das Wasserrückhaltevermögen (WR) in Gewichtsprozent ist: °=c:50&udf54;&udf53;vu10&udf54;&udf53;vz4&udf54; &udf53;vu10&udf54;m f = Gewicht des feuchten Fasergutes
m tr = Gewicht des trockenen Fasergutes.
-
Die folgenden Beispiele dienen der weiteren Erläuterung der Erfindung. Teil- und Prozentangaben beziehen sich, wenn nicht anders vermerkt, auf das Gewicht.
Beispiel 1
-
Ein Acrylnitrilcopolymerisat aus 93,6% Acrylnitril, 5,7% Acrylsäuremethylester und 0,7% Natriummethallylsulfonat wurde in Dimethylformamid (DMF) bei 80°C gelöst. Die filtrierte Spinnlösung, die eine Endkonzentration von ca. 30 Gew.-% aufwies, wurde aus einer 24 Loch-Ringdüse vertikal durch eine Dampfatmosphäre in ein wäßriges Koagulationsbad gesponnen. Im Zentrum der Düse wurde ein siebförmiger Verteiler eingebaut, über den der Dampf in ein 50 cm langes Rohr vom Durchmesser 275 mm, welches ca. 2 cm über dem wäßrigen Fällbad endete, durchgeleitet wurde. Die Dampftemperatur betrug 112°C. Es wurde 9,5 kg Dampf pro Stunde durch das Rohr geschickt. Als Badflüssigkeit wurde ein Wasser/DMF-Gemisch im Verhältnis 1 : 1 verwendet. Die Filamente wurden mit 61,5 m/Minute abgezogen und durchliefen dabei nach der Dampfzone insgesamt eine Fällbadstrecke von 60 cm.
-
Anschließend wurden die Fäden in kochendem Wasser 1 : 6fach verstreckt bei 80°C, in Wasser gewaschen und bei 100°C getrocknet. Die Einzelfäden vom Endtiter 3,3 dtex hatten ein Wasserrückhaltevermögen nach DIN 53 814 von 42%. Die Fäden besaßen eine ausgesprochene Kern/Mantelstruktur bei unregelmäßiger, mehrfach gezackter Querschnittsform. Der Flächenanteil des Mantels betrug ca. 20% der gesamten Querschnittsfläche. Die Porosität betrug 31,8% (ρ He = 1,175; ρ Hg = 0,802).
Beispiel 2
-
Ein Acrylnitrilcopolymerisat mit der chemischen Zusammensetzung von Beispiel 1 wurde ähnlich wie in Beispiel 1 beschrieben versponnen. Die Dampftemperatur betrug 105°C.
-
Es wurde 11 kg Dampf pro Stunde durch das Rohr geschickt. Im Koagulationsbad befand sich ein Gemisch aus 35% DMF und 65% Wasser. Die Fällbadstrecke war 80 cm lang. Die Filamente wurden wieder mit 61,5 m/Minute aus der Düse abgezogen, analog verstreckt, gewaschen und getrocknet. Die Einzelfäden vom Endtitter 3,3 dtex hatten ein Wasserrückhaltevermögen von 43%. Die Fäden besaßen wieder eine ausgesprochene Kern/Mantelstruktur bei bohnenförmiger bis ovaler Querschnittsform. Der Flächenanteil des Mantels betrug ca. 30% der gesamten Querschnittsfläche. Die Porosität betrug 31,7% (ρ He = 1,170; ρ Hg = 0,799).
Beispiel 3
-
Ein Acrylnitrilcopolymerisat mit der chemischen Zusammensetzung von Beispiel 1 wurde wie in Beispiel 2 beschrieben versponnen, verstreckt und zu Fäden nachbehandelt. Das Koagulationsbad bestand aus reinem Wasser. Die Einzelfäden vom Endtitter 3,3 dtex hatten ein Wasserrückhaltevermögen von 43%. Die Fäden besaßen wiederum Kern/Mantelstruktur bei bohnenförmiger bis trilobaler Querschnittsform. Flächenanteil des Mantels ca. 30%. Die Porosität betrug 32,0% (ρ He = 1,180; ρ Hg = 0,803).
Beispiel 4
-
Ein Teil der Spinnlösung aus Beispiel 1 wurde wie dort beschrieben versponnen und nachbehandelt. Die eingespeiste Dampfmenge betrug 5 kg pro Stunde. Die Dampftemperatur lag bei 110°C. Das Koagulationsbad bestand aus 40% DMF und 60% Wasser. Die Fällbadstrecke war 50 cm lang. Die Einzelfäden vom Endtiter 3,3 dtex hatten ein Wasserrückhaltevermögen von 36%. Die Fäden besaßen wieder Kern/Mantelstruktur bei unregelmäßiger trilobaler bis pilzförmiger Querschnittsform. Der Flächenanteil des Mantels betrug ca. 15% der gesamten Querschnittsfläche. Die Porosität betrug 28,4% (ρ He = 1,180; ρ Hg = 0,845).
Beispiel 5 (Vergleich)
-
Ein weiterer Teil der Spinnlösung aus Beispiel 1 wurde wie dort beschrieben versponnen. Anstelle von Dampf wurde Luft von 115°C durch das Rohr geblasen und die Fäden analog wie in Beispiel 1 beschrieben in ein Fällbad koaguliert, verstreckt und nachbehandelt. Die Einzelfäden vom Endtitter 3,3 dtex haben eine bohnenförmige bis ovale Querschnittsform, jedoch keine Kern/Mantelstruktur. Das Wasserrückhaltevermögen beträgt 6%. Die Porosität betrug 4,5% (ρ He = 1,180; ρ Hg = 1,128).