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I.1. Das Problem
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Beim Spiel auf dem Cembalo, dem historischen Hammerflügel, dem modernen Klavier und der Pfeifenorgel mit mechanischer Spieltraktur ergibt sich beim Anschlagen und Loslassen einer Taste ein für das jeweilige Instrument spezifisches Spielgefühl. Bei der Pfeifenorgel mit mechanischer Spieltraktur ist jede Taste über eine Abstraktenmechanik einschließlich der durch den technischen Aufbau der jeweiligen Orgel bedingten Umlenkungen direkt mit dem Tonventil in der Windlade verbunden. Die Traktur und die Kraft, die zu ihrer Bewegung aufgewendet werden muss, bewirken eine gewisse, durch den Spieler leicht zu beherrschende Trägheit und Schwergängigkeit der Tasten, die aber der Sicherheit des Spielgefühls durchaus zugute kommen. Das Tonventil wirkt wie ein einarmiger Hebel und ist mit einer Rückstellfeder (Schenkelfeder mit Auge) versehen; die Rückstellfeder ist zwar technisch notwendig, für das eigentliche Spielgefühl aber unerheblich. Beim Anschlagen der Taste soll das Ventil geöffnet werden. Dabei muss man zunächst den Widerstand, der durch den in der Windlade vorhandenen Wind auf das Ventil wirkt, überwinden. Sobald das Ventil nur ein klein wenig geöffnet ist, wird dieser Prozess umgekehrt: der aus der Tonkanzelle in die Pfeife strömende Wind hilft, das Ventil weiter aufzuziehen; dieser Wendepunkt ist der sogen. Druckpunkt, ein wichtiges Charakteristikum der mechanischen Spieltraktur. Beim Loslassen der Taste lässt die Rückstellfeder des Ventils die gesamte Mechanik einschließlich der Taste zurückfallen. Die Eigenschaft der Rückstellfeder als Schenkelfeder sorgt dafür, dass die Taste nicht zurückgeschnellt wird, also auch den Finger mit nach oben drückt, sondern natürlich zurückfällt. Dadurch kann man mit dem Finger den Verlauf des Loslassens der Taste und damit den Zeitpunkt der Absprache des Tons genau bestimmen. Der hier beschriebene Vorgang ist spezifisch für das Anschlagsgefühl einer mechanischen Pfeifenorgel. Heutzutage ist die mechanische Pfeifenorgel Standard für Orgelspiel, dessen Spielgefühl normalerweise durch nicht-mechanische Orgelspieltische nicht vermittelt werden kann.
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I.2. Bisherige Lösungsversuche
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Der klassische Pfeifenorgelbau hat sich beim Bau nicht-mechanischer Spieltische mit dem Problem, das Anschlagsgefühl eines mechanischen Orgelspieltisches zu imitieren, so gut wie nicht beschäftigt. In der Regel werden die Klaviaturen nicht-mechanischer Spieltische nur mit schwachen Rückstellfedern versehen. Damit ist das Spielgefühl solcher Klaviaturen im Vergleich mit denen einer mechanischen Orgel »tot«.
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Heutzutage gewinnen Spieltische digitaler Orgelsysteme als Übungsinstrumente professioneller Organisten zunehmend an Bedeutung. Die führenden Hersteller von Klaviaturen für solche Spieltische, insbesondere FATAR und UHT, versuchen mit der Imitation des sogen. Druckpunktes (s. I.1.) für sich zu werben.
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FATAR imitiert den Druckpunkt vermittelst eines kleinen Gummiballons unter jeder Taste, der so einem Verschleiss ausgesetzt ist und daher in regelmäßigen größeren Abständen ersetzt werden muss. Die Rückstellfedern unter jeder Taste sind in Form von Spiralfedern gegeben. UHT imitiert den Druckpunkt durch zwei sich abstoßende Magneten. Da die Tasten durch eben diese Magneten am Rückfall gehindert werden, wird auch hier eine Spiralfeder zur Rückstellung eingesetzt. Da – im Fall UHT an einem Widerstand vorbei – ziehende Spiralfedern sich anders verhalten als drückende Schenkelfedern unter einem als einarmiger Hebel wirkenden Tonventil, wird eine mit Spiralfedern versehene Taste hochgeschnellt und drückt den anschlagenden Finger nach oben. Das ergibt ein unangenehmes und unrealistisches Spielgefühl. Außerdem haben die Klaviaturen von FATAR und UHT konstruktiv so gut wie nichts mit dem Bau klassischer Orgelbauerklaviaturen gemeinsam.
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Alle drei hier genannten Systeme, die derzeit mangels Alternativen den Markt bestimmen, sind für professionelle Organisten in spielergonomischer Hinsicht unzufriedenstellend. Ein – entsprechend dem Vorbild einer mechanischen Pfeifenorgel – realistisches Spielgefühl ist aber die zentrale und zugleich wichtigste Eigenschaft einer Klaviatur für nicht-mechanische Orgelspieltische.
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II. Die Klaviatur PROFESSIONAL
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Die Klaviatur PROFESSIONAL ist als klassische Orgelbauerklaviatur nach BDO-Norm konstruiert und damit in der gleichen Weise verschleissfrei wie die Klaviatur einer mechanischen Pfeifenorgel. Das Ziel ist, auf dieser Klaviatur die Spielergonomie einer mechanischen Orgelklaviatur (s. I.1.) durch das Zusammenspiel verschiedener frei laufender, mechanischer Kräfte zu imitieren. Neuartig ist hier, dass die Auslösung der Tasten (Druckpunkt) und deren weitere Bewegungen nicht durch Hilfsmittel wie Spiralfedern o. ä. manipuliert und damit beeinträchtigt werden.
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Es handelt sich um eine zweiarmig ausgeführte Klaviatur mit 39 cm (Untertasten) bzw. 34 cm (Obertasten) Länge der Tastenhebel. Der auszulösende Druckpunkt wird durch einen auf den Tastenboden befestigten Magneten und eine in das hintere Ende des Tastenhebels eingelassene Schraube erzeugt. Der Kopf dieser Schraube liegt unter dem Tastenhebel und ist dem Magneten zugewandt. Der Hals der Schraube ist stumpf und schließt mit der Oberfläche des Tastenhebels ab. An der Oberkante des Schraubenhalses ist ein Schraubschlitz eingefräst. Dadurch kann man die Schraube drehen: Drehen der Schraube nach unten reguliert den Druckpunkt stärker, Drehen der Schraube nach oben reguliert den Druckpunkt schwächer ein. Unter den hinteren Tastenarm ist ein Bleigewicht geschraubt, das den freien Rückfall der Taste gewährleistet und zugleich die Masse einer Abstraktenmechanik einschließlich eines Tonventils mit Schenkelfeder simuliert. Dieses Gewicht ist im Abstand von 7 cm (Untertasten) bzw. 5,1 cm (Obertasten) vom Drehpunkt des Tastenhebels entfernt. Die imitierte Traktur-Masse kann durch Versetzen der Gewichte oder durch schwerere bzw. leichtere Gewichte verändert werden. Über die gesamte Klaviatur – von Klaviaturbacke zu Klaviaturbacke – ist eine im Abstand von einer Oktave mit Stützschrauben im Tastenboden stabilisierte und mit einer seitlichen Metallschiene verstärkte Fangleiste angebracht. Auf der Unterseite dieser Fangleiste sind gelochte Filzringe geklebt, deren jeder genau über dem mittleren Führungsstift am Drehpunkt der Tastenhebel sitzt. Ihre Funktion ist folgende: Zweiarmige, am hinteren Ende mit Gewichten beschwerte Tastenhebel neigen dazu, die Anschlagsbewegung nach der Berührung des vorderen Hebels mit dem Klaviaturboden fortzusetzen und so am mittleren Führungsstift hochzuspringen; das soll die Fangleiste verhindern, da hochspringende Tastenhebel ein sicheres Spielgefühl stören. Abgesehen davon berührt aber die Fangleiste einschließlich der Filzringe die Tastenhebel in keiner Phase ihrer Anschlagsbewegung.
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Mit dieser Konstruktion ist ein spielergonomisches Verhalten der Klaviatur PROFESSIONAL gegeben, das den entsprechenden Eigenschaften einer mechanischen Spieltraktur bei einer Pfeifenorgel sehr genau entspricht.