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Die
Erfindung betrifft ein Bauteil zur Verwendung für eine
stick-slip- und störgeräuscharme oder -freie Paarung
im Kontakt mit einem Gegenbauteil, das an der Kontaktfläche
eine Oberfläche oder Oberflächenschicht aufweist,
die deformierbar ist oder die nicht deformierbar ist. Das erfindungsgemäße
Bauteil ist insbesondere im Fahrzeugbau und in der Haushaltgerätetechnik
einsetzbar.
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Stick-Slip
ist ein Wechselspiel zweier Materialien zwischen Gleiten und Verhaken,
das bei der Relativbewegung, hauptsächlich bei einer Tangentialbewegung
der beiden Materialien unter dem Einfluss von Normalkraft zueinander
entsteht.
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Stick-Slip
kann auf den Menschen sowohl positive Auswirkungen (z. B. wohlklingendes
Geigenspiel – beim Streichen der Saiten mit dem Bogen entsteht
Stick-Slip) als auch negative (beim medizinischen Einführen
von z. B. Endoskopen in den menschlichen Körper kann Stick-Slip
zu Schmerzempfinden führen) Auswirkungen haben.
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In
vielen Bereichen, z. B. dem Fahrzeugbau (Automobil, Schiffe, Flugzeuge),
in der Haushaltgerätetechnik (Waschmaschinen, Spülmaschinen,
E-Herde, Lampen) und bei militärischen Applikationen (U-Boote),
führt Stick-Slip z. B. zum Knarzen, einem störendem
Geräusch, welches vom Menschen als unangenehm und störend
empfunden wird oder bei U-Booten zur direkten Ortung der Maschine
führt.
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Da
der Qualitätsanspruch der Nutzer im Fahrzeugbereich und
der Haushaltgerätetechnik sehr hoch ist, entstehen beim
Auftreten von Stick-Slip und dem damit verbundenen Knarzen oftmals
enorme Garantieaufwendungen durch Reparatur oder Austausch von Teilen.
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Die
Relativbewegung kann durch eine Funktionsbewegung (Aschenbecher öffnen,
Schiebedach aufstellen, Fenster schließen), durch Selbsterregung (Schleudern,
Waschen, Lüfter im E-Herd anschalten) oder durch Straßenanregung
(Fahrt über Kopfsteinpflaster, Autobahn, Schlechtwegstrecke)
erzeugt werden.
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Stick-Slip-Effekte
können heute mit neu entwickelten Maschinen gemessen werden,
so zum Beispiel mit der in der
DE 196 20 878 B4 beschriebenen Vorrichtung.
Die
VDA-Prüfvorschriften 230–206 „Untersuchung
des Stick-Slip-Verhaltens von Materialpaarungen" beschreiben
die Grundlagen und den Ablauf der Prüfungen.
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Es
sind bereits verschiedene Bemühungen zur Verringerung oder
Vermeidung von Stick-Slip bekannt geworden.
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So
sind aus der
DE 102
54 349 B3 Verkleidungselemente für den Innenraum
von Kraftfahrzeuge bekannt, an die zur Verringerung der Geräuschentwicklung
eine elastische Rohbauhaut aus einem Elastomer angespritzt ist.
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Aus
der
DE 198 51 238
A1 ist ein Bauteil mit einem elastischen Oberflächenbereich
bekannt, der aus einer äußeren und wenigstens
einer darunterliegenden zweiten gummielastischen Schicht besteht. Die
Schichten weisen unterschiedliche Elastizitäten auf. Mit
diem Aufbau sollen Knarz- oder Quitschgeräusche zwischen
Funktions-Reibungsflächen zweier benachbarter Bauteile
beseitigt werden.
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In
der
DE 10 2004
044 159 A1 ist ein Verbundbauteil insbesondere Karosseriebauteil
für ein Fahrzeug beschrieben, bei dem Stick-Slip Effekte durch
Einbringen einer Kunst-Stoff-Gleit-Folie beseitigt werden sollen.
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Die
EP 1 174 298 A2 beschreibt
ein Verfahren zur Verminderung von Störgeräuschen
zwischen Bauteilen, bei dem auf einem oder auf beiden der in Kontakt
tretenden Oberflächenbereiche mittels Plasmaabscheidung
eine Schicht abgeschieden oder die Oberfläche verändert
wird. Ziel dieser Maßnahmen ist es, die Adhäsionskomponente
und/oder die Deformationskomponente der Reibungskraft der Oberfläche
zu verringern.
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Die
beschriebenen bekannten Maßnahmen zur Verminderung von
Stick-Slip basieren auf der Verwendung von zusätzlichen
Folien oder Schichten oder erfordern eine spezielle Oberflächennachbehandlung.
Solche Maßnahmen sind aufwändig und führen
zu zusätzlichen Kosten. Außerdem werden mit diesen
Maßnahmen Stick-Slip-Bewegungen zwischen den Bauteilen
und damit Störgeräusche nicht sicher vermieden.
Nachteilig ist auch, dass beim Stand der Technik für die
jeweils vorgesehene Werkstoffpaarung nicht von vornherein davon
ausgegangen werden kann, dass Stick-Slip vermieden wird. Daher müssen
für jede Paarung ein umfassendes Untersuchungsprogramm
und Experimente durchgeführt werden.
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Der
Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, Bauteile zur Verwendung für
eine stick-slip- und störgeräuscharme oder -freie
Paarung im Kontakt mit einem Gegenbauteil, das an der Kontaktfläche
eine Oberfläche oder Oberflächenschicht aufweist,
die deformierbar ist (Fall A) oder die nicht deformierbar ist (Fall
B), zu entwickeln, mit denen die Verwendung zusätzlicher
Folien oder Schichten oder eine spezielle Oberflächennachbehandlung
sowie aufwändige Untersuchungsprogramme und Experimente
zu den möglichen Werkstoffpaarungen vermieden werden.
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Als „Paarung
im Kontakt” soll im Sinne der Erfindung ein Kontakt zwischen
den beiden Bauteilen mit einem Anpressdruck im Bereich von 0,1 N
bis 100 N angesehen werden.
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Als
deformierbar (Fall A) wird im Zusammenhang mit der vorliegenden
Erfindung die Oberfläche oder Oberflächenschicht
des Gegenbauteils angesehen, wenn darin von einer Stahlkugel mit
1,8 mm Durchmesser mit einer Belastung von 900 mN nach einer Belastungsdauer
von 100 s eine Verformung von > 100 μm
erzeugt werden kann.
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Als
nicht deformierbar (Fall B) wird im Zusammenhang mit der vorliegenden
Erfindung die Oberfläche oder Oberflächenschicht
des Gegenbauteils angesehen, wenn darin von einer Stahlkugel mit 1,8
mm Durchmesser mit einer Belastung von 900 mN nach einer Belastungsdauer
von 100 s eine Verformung von ≤ 100 μm erzeugt
werden kann.
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Erfindungsgemäß weist
die Oberfläche des Bauteils im Bereich der Kontaktfläche
zum Gegenbauteil im Fall A eine Vielzahl nebeneinander angeordneter,
oben abgerundeter Pins und im Fall B eine Vielzahl nebeneinander
angeordneter, oben abgerundeter Erhebungen auf, wobei im Fall A
die Pins in ihrer Höhe und ihrem Abstand so bemessen sind, dass
sie im Kontakt mit dem Gegenbauteil bei einem Anpressdruck im Bereich
von 0,1 bis 100 N als Verbindungsstifte teilweise oder vollständig
in dessen deformierbare Oberfläche oder Oberflächenschicht eindringen,
und wobei im Fall B die Erhebungen in ihrer Höhe größer
sind, als die Höhe der möglichen Erhebungen an
der Oberfläche oder Oberflächenschicht des Gegenbauteils
und der Abstand der Erhebungen kleiner ist, als der Abstand der
möglichen Erhebungen des Gegenbauteils.
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Die
erfindungsgemäß vorgesehenen Pins sind dem allgemeinen
Sprachgebrauch und der Zweckbestimmung üblicher Pins folgend
als Sticks, Nadeln, Stecker und Dorne zu verstehen.
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Die
Erhebungen oder Pins des jeweiligen Bauteils können dabei
eine einheitliche oder unterschiedliche Gestalt aufweisen.
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Für
den Fall A weisen die Pins vorteilhafterweise eine Höhe
auf, die zu 1% bis 100% der Dicke der deformierbaren Oberfläche
oder Oberflächenschicht des Gegenbauteils entspricht.
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Für
den Fall A ist die lichte Weite zwischen den Pins im Verhältnis
zu deren Höhe im Bereich von 0,5:1 bis 5:1, insbesondere
im Bereich von 2:1 bis 4:1 bemessen.
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Beim
erfindungsgemäßen Fall A (hartes Bauteil gegen
Bauteil mit deformierbarer Oberfläche) dringen die Pins
in das deformierbare Gegenbauteil wie Stecker ein. Die eingedrungenen
Pins bewirken faktisch eine Verankerung der Bauteile aneinander. Dadurch
können sich die Bauteile senkrecht zur Pinrichtung nicht
oder nur geringfügig im Rahmen der Elastizität
des weichen Gegenbauteils verschieben.
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So
wird ein Formschluss zwischen den Bauteilen erreicht und damit das
Aneinandergleiten (Slip) der Bauteile vermieden.
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Mit
dem vermiedenen Aneinandergleiten kann ein Ruck-Gleiten, das die
Ursache von Stick-Slip ist, nicht auftreten.
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Mit
dem vermiedenen Aneinandergleiten werden auch Reibgerausche zwischen
den Oberflächen der Bauteile vermieden.
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Durch
den Formschluss werden die äußeren Kräfte,
die auf die Baugruppe wirken, mittels der Pins in das elastische
Bauteil abgeleitet.
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Beim
Fall A wird somit Stick erreicht und Slip vermieden, so dass kein
Stick-Slip eintreten kann!
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Für
den Fall B liegt die Höhe der Erhebungen im Bereich von
10 μm bis 1 mm, vorteilhafterweise im Bereich von 20 μm
bis 150 μm, insbesondere im Bereich von 30 μm
bis 90 μm.
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Der
Mittenabstand der Erhebungen liegt für den Fall B im Bereich
von 30 μm bis 1 mm, vorteilhafterweise im Bereich von 40 μm
bis 500 μm, insbesondere im Bereich von 50 μm
bis 300 μm.
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Das
Bauteil kann aus Metall, Nichtmetall, organischem Werkstoff, anorganischem
nichtmetallischem Werkstoff, Halbmetall und/oder einem Verbundwerkstoff
bestehen.
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Das
Ziel der Narbe für den Fall B (hartes Bauteil gegen hartes
Bauteil) ist es, im praktischen Relativbewegungsbereich (bei Straßenfahrzeugen im
Bereich von 0,1 mm bis 3 mm) ein Verhaken der Bauteile möglichst
zu verhindern bzw. zu realisieren, dass im Falle einer Relativbewegung
die Bauteile aufeinander nur gleiten können. Auf diese
Weise findet kein Stick statt und kann nur Slip stattfinden, so dass
auch in diesem Fall Knarzgeräusche vermieden werden.
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Die
erfindungsgemäß gestalteten Bauteile ermöglichen
in unkomplizierter Weise und zielgerichtet stick-slip- und störgeräuscharme
oder -freie Werkstoffpaarungen. Umfassende Untersuchungsprogramme
und Experimente müssen nicht durchgeführt werden.
Zusätzliche Folien oder Schichten oder spezielle Oberflächennachbehandlungen
der zu paarenden Bauteile müssen nicht durchgeführt
werden.
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Die
Realisierung der Erfindung ist mit einem nur geringen Investitionsaufwand
und geringen Kosten möglich. So können die Pins
oder Erhebungen als Negativ in die Oberfläche der Spritzwerkzeuge eingebracht
werden, beispielsweise durch Ätz- oder Laserprozesse. Konstruktive Änderungen
an den Bauteilen, wie das oft beim Stand der Technik erforderlich
ist, z. B. Änderung des Fixiersystems, um Relativbewegung
zwischen zwei Bauteilen zu eliminieren, wie das Ersetzen von Schnapphacken
durch Schrauben, werden hier nicht erforderlich.
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Nachstehend
ist die Erfindung an Hand von Ausführungsbeispielen näher
erläutert.
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Beispiel 1
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Das
Beispiel betrifft den Fall A.
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Hierbei
handelt es sich um eine in 1 schematisch
dargestellte Paarung eines erfindungsgemäß mit
Pins versehenen harten Trägerbauteils aus PC+ABS (Polycarbonat+Acrylnitril-Butadien-Styrol)
mit einem Gegenbauteil, das aus einem PVC(Polyvinylchlorid)-Träger
mit einer deformierbaren Schicht in Form einer Slushhaut besteht.
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Die
Daten der Pin-Struktur sind folgende: Lichte Weite 0,5 mm und Höhe
1 mm.
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Die
Pins dringen in das deformierbare Gegenbauteil wie Stecker ein.
Die eingedrungenen Pins bewirken faktisch eine Verankerung der Bauteile
aneinander. Dadurch können sich die Bauteile senkrecht
zur Pinrichtung nicht oder nur geringfügig im Rahmen der
Elastizität des weichen Gegenbauteils verschieben.
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So
wird ein Formschluss zwischen den Bauteilen erreicht und damit das
Aneinandergleiten (Slip) der Bauteile vermieden. Mit dem vermiedenen
Aneinandergleiten kann ein Ruck-Gleiten, das die Ursache von Stick-Slip
ist, nicht auftreten. Mit dem vermiedenen Aneinandergleiten werden
auch Reibgerausche zwischen den Oberflächen der Bauteile
vermieden. Durch den Formschluss werden die äußeren Kräfte,
die auf die Baugruppe wirken, mittels der Pins in das elastische
Bauteil abgeleitet. Somit wird hier Stick erreicht und Slip vermieden,
so dass kein Stick-Slip mit dem damit verbundenen Knarzen eintreten
kann!
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In 2 sind
eingekreist die Stick-Slip-Prüfergebnisse dieser Paarung
dargestellt. Die im Diagramm daneben angegebenen weiteren Bauteilepaarungen
mit Leder und Kunstleder zeigen eine vergleichbar gute Wirkung.
In allen Fällen wird die Note 1 erreicht, was völlige
Freiheit von Stick-Slip bedeutet. Ist die Risikoprioritätszahl
(RPZ) kleiner als 3, so liegt mit Sicherheit kein Stick-Slip vor.
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3 zeigt
zum Vergleich Stick-Slip-Prüfergebnisse von herkömmlichen
Materialpaarungen. Die Risikoprioritätszahl liegt hier
zwischen 6 und 10, was ein sehr hohes Stick-Slip-Risiko bedeutet.
Ist die Risikoprioritätszahl größer gleich
5, so liegt ein hohes Stick-Slip-Risiko vor.
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Die
Stick-Slip-Messungen wurden nach der VDA-Norm 230–206 durchgeführt.
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Beispiel 2
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Dieses
Beispiel betrifft den Fall B.
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Hierbei
handelt es sich um die in 4 schematisch
dargestellte Paarung eines erfindungsgemäß mit
Erhebungen versehenen harten Bauteils aus PC+ABS mit einem Gegenbauteil,
das ebenfalls aus PC+ABS besteht. Der Mittenabstand der Erhebungen
beträgt 286 μm und die Höhe der Erhebungen
ist ca. 30 μm. Die Oberflächenstruktur des erfindungsgemäßen
Bauteils in der Fläche ist in 5 gezeigt.
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Das
Gegenbauteil weist im Gegensatz zum erfindungsgemäßen
Bauteil eine weitgehend glatte Oberfläche auf mit einem
Mittenabstand von Erhebungen von deutlich mehr als 286 μm
und einer Höhe der Erhebungen von deutlich weniger als
30 μm. In 4 ist dieses Gegenbauteil idealisiert
flach gezeichnet.
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Bei
dieser Ausbildung der gepaarten Bauteile wird im praktischen Relativbewegungsbereich
(bei Straßenfahrzeugen ca. 0,1 mm, in sehr ungünstigen Fällen
maximal 3 mm) ein Verhaken der Bauteile verhindert oder zumindest
erreicht, dass im Falle einer Relativbewegung die Bauteile aufeinander
nur gleiten können. Auf diese Weise kann nur Slip und kein Stick
stattfinden und kommt es nicht zu Stick-Slip, der Knarzgeräusche
verursachen würde.
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In 6 sind
eingekreist die Stick-Slip-Prüfergebnisse dieser Paarung
dargestellt. Die Risikoprioritätszahlen liegen hier zwischen
1 und 2. Damit besteht mit Sicherheit kein Stick-Slip-Risiko. Die
im gleichen Diagramm daneben gezeigten Ergebnisse mit den Paarungen
ABS gegen ABS und PA (Polyamid) gegen PA belegen vergleichbar gute
Resultate. Sogar bei der sehr kritischen Werkstoffkombination POM
(Polyoxymethylen) gegen POM ist das Resultat positiv, wenn auch
hier unter bestimmten äußeren Bedingungen Stick-Slip
nicht vollständig vermieden werden kann.
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Zum
Vergleich zeigt 7 Stick-Slip-Ergebnisse von
einem Test mit PC+ABS gegen PC+ABS ohne die erfindungsgemäße
Oberflächenstruktur. Bei einer solchen, den Stand der Technik
darstellenden Materialpaarung liegt die Risikoprioritätszahl
zwischen 4 und 8.
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Die
Stick-Slip-Messungen wurden auch bei diesem Beispiel nach der VDA-Norm
230–206 durchgeführt.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
-
- - DE 19620878
B4 [0007]
- - DE 10254349 B3 [0009]
- - DE 19851238 A1 [0010]
- - DE 102004044159 A1 [0011]
- - EP 1174298 A2 [0012]
-
Zitierte Nicht-Patentliteratur
-
- - VDA-Prüfvorschriften
230–206 „Untersuchung des Stick-Slip-Verhaltens
von Materialpaarungen” [0007]
- - VDA-Norm 230–206 [0043]
- - VDA-Norm 230–206 [0050]