DE19937322A1 - Polymerkeramische Werkstoffe mit metallähnlichem Wärmeausdehnungsverhalten - Google Patents
Polymerkeramische Werkstoffe mit metallähnlichem WärmeausdehnungsverhaltenInfo
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Abstract
Die Erfindung betrifft polymerkeramische Verbundwerkstoffe mit einer annähernden Nullschwindung im Urformverfahren und mit einem vergleichbaren thermischen Ausdehnungsverhalten (vorzugsweise in einem Anwendungsbereich von 400 C oder darunter) wie metallische Konstruktionswerkstoffe, insbesondere Grauguss oder Stahl; entsprechende Formteile; Verfahren zu ihrer Herstellung und Verwendung dieser Werkstoffe und Formteile; und/oder Baugruppen wie Maschinen, Anlagen oder Geräte, die diese Werkstoffe oder Formteile umfassen. Die polymerkeramischen Verbundwerkstoffe können beispielsweise anstelle von Stahl oder Grauguss als temperaturbeständige Formteile vorwiegend im Maschinenbau ohne Nachbearbeitung nach dem Urformverfahren eingesetzt werden.
Description
Die Erfindung betrifft polymerkeramische Verbundwerkstoffe mit einer
annähernden Nullschwindung im Urformverfahren und mit einem
vergleichbaren thermischen Ausdehnungsverhalten (vorzugsweise in
einem Anwendungsbereich von 400°C oder darunter) wie metallische
Konstruktionswerkstoffe, insbesondere Grauguss oder Stahl;
entsprechende Formteile; Verfahren zu ihrer Herstellung und
Verwendung dieser Werkstoffe und Formteile; und/oder Baugruppen
wie Maschinen, Anlagen oder Geräte, die diese Werkstoffe oder
Formteile umfassen. Die polymerkeramischen Verbundwerkstoffe
können beispielsweise anstelle von Stahl oder Grauguß als
temperaturbeständige Formteile vorwiegend im Maschinenbau ohne
Nachbearbeitung nach dem Urformverfahren eingesetzt werden.
Keramische Werkstoffe finden aufgrund ihrer hohen Verschleißfestig
keit und guter Temperaturbeständigkeit sowie Korrosionsfestigkeit
zunehmend Anwendung als Konstruktionsmaterial für thermisch und
mechanisch beanspruchte Funktionselemente in Maschinen, Apparaten
und Geräten. Die hierfür an die geometrische Präzision der Funk
tionselemente zu stellenden Anforderungen können jedoch von
keramischen Materialien nur durch aufwendige Nachbearbeitung bzw.
durch einen aufwendigen Formfindungsprozess (iterativer Prozess)
erfüllt werden, die eine kostengünstige Fertigung insbesondere von
kompliziert geformten oder in hoher Präzision herzustellenden
Bauteilen erschweren. Weiterhin kann die mechanische Nach
bearbeitung beispielsweise eine Verletzung von ansonsten ge
schlossenen Oberflächen bewirken und so zu verringerter Stabilität
führen. Darüber hinaus führt die Differenz der Wärmedehnung zwischen
Keramik (Siliciumnitrid und Siliciumcarbid z. B. 3-4,5 × 10-6 K-1,
Aluminiumoxid und Zirkoniumoxid ca. 8-9 × 10-6 K-1, und Grauguss
(9-10 × 10-6 K-1) oder Stahl (10-13 × 10-6 K-1) (Temperaturbereich
Raumtemperatur bis ca. 500°C) bei Temperaturbeanspruchung zu
unterschiedlichen Dehnungen zwischen Metall und Keramik, die im
Verband von Keramik und metallischen Teilen mechanische Überbelastung
des Keramikteiles sowie Eigenspannungen an Füge- und Verbin
dungsflächen sowie Spalterhöhungen an Dichtflächen bewirken und
so die Funktionsfähigkeit beispielsweise der betreffenden Maschine
oder Anlage einschränken.
Kunststofferzeugnisse haben zwar den Vorteil der kostengünstigen
Herstellung, jedoch weisen diese Teile eine geringe Massgenauigkeit,
und eine niedrige Dauergebrauchstemperaturbeständigkeit von unter
150°C, selten bis zu unter 200°C, auf.
Eine höhere Temperaturbeständigkeit bieten sog. Polymerkeramiken,
bei deren Herstellung sich ein Polymer teilweise oder vollständig
durch Pyrolyse zersetzt und so ganz oder teilweise in einen anorga
nischen Verbundwerkstoff umwandelt, der aber je nach Tempera
turbehandlung noch organische Bestandteile enthält. Zusätzlich kann
die Polymerkeramik Füllstoffe, wie z. B. keramische Pulver,
enthalten.
Die Umsetzung von keramischen Füllstoffen, die auf ihrer Oberfläche
reaktive Gruppen wie z. B. OH-Gruppen aufweisen, mit vernetzungs
fähigen funktionellen Gruppen in einer polymeren Matrix
(Isocyanate, Silikonate und deren Salze und Ester) zwischen
100°C und 180°C wurde in DE 41 20 835 beschrieben. Rieselfähige Massen
wurden zur Preßformgebung von Polymerkeramiken eingesetzt. In
Erweiterung des Prinzips der Aushärtung durch Ober
flächenkondensationsreaktionen wird in DE 44 28 465 die
Herstellung von Polymerkeramik aus einer siliciumorganischen Matrix
zwischen 200 und 800°C dargestellt. Die Ausbildung primärer
chemischer Bindungen zwischen Keramikfüller und Polymer wird darin
als Voraussetzung für die Ausbildung eines form- und temperatur
stabilen Netzwerks beim Aufheizprozeß angesehen, das relativ
geringe Volumenänderungen mit weniger als 1%-iger linearer Schwindung
erreichen läßt. Die Formgebung derartiger Polysiloxan/Füller-Massen
mit oberflächenaktiven Gruppen auf dem Keramikpulver wird durch
Pressen sowie, wie in DE 195 23 655 ausgeführt, alternativ auch
durch Gießen; Spritzgießen und Extrudieren ermöglicht. Zur Erhöhung
der mechanischen Festigkeit können Faserfüllstoffe, die auf ihrer
Oberfläche beispielsweise Aminogruppen aufweisen, zusätzlich
eingelagert werden (DE 196 45 634).
Es gibt eine Fülle von Verwendungen, beispielsweise im Automobilbau
(Verbindungsteile, Gehäuse oder Bremsenteile, die mit einer höheren
Umgebungstemperatur in Kontakt kommen, Auspuffkrümmer oder
Bestandteile davon), im Werkzeugmaschinenbau, in der Robotertechnik
(beispielsweise für Führ- und Gleitelemente), im Bereich der
Metallurgie oder auch im Bereich der Druck- und Vakuumpumpentechnik,
oder anderen Bereichen. Besonders wichtig ist hierbei auch, eine
Minimierung der Kosten zu erzielen und zur Verringerung der
Korrosionsgefahr und/oder im Interesse einer Leichtbauweise
Ersatzstoffe für Metalle, insbesondere Grauguss und Stahl, zu verwen
den.
Insbesondere fehlen Materialien, die insbesondere bei höheren
Temperaturen eine thermische Ausdehnung (Wärmeausdehnung, thermischer
Ausdehnungskoeffizient = TAK) vergleichbar, insbesondere gleich,
der von Stahl oder Grauguss aufweisen, und außerdem hohen Tempe
raturen in den gerade genannten Temperaturbereichen standhalten
können, auch bei längerer Einwirkung. Die Anfertigung sollte im
Urformverfahren durch Pressformung oder insbesondere durch Gießen,
Spritzgießen oder Extrudieren erfolgen können.
Ein wichtiges Ziel ist, die Herstellung von (insbesondere größe
ren) Formteilen mit hoher Maßhaltigkeit im Urformverfahren ohne
Nachbearbeitung zu ermöglichen und so die Risiken für Bauteile,
die aus ihrer Sprödigkeit, eventuellen Materialschäden durch
abtragende Formgebung und andere Nachbehandlungsmethoden, die zur
Anpassung an benötigte Formen und Dimensionen mit hoher Maßhaltig
keit erforderlich sind, insbesondere bei Polymerkeramikbauteilen,
zu reduzieren bzw. zu beseitigen. Dafür ist die Formgebung
anschließende Pyrolyse bei einer Temperatur, die praktisch
Nullschwindung im Urformverfahren ermöglicht, eine Voraussetzung.
Es besteht insbesondere ein dringender Bedarf, kostengünstig mit
hoher Maßgenauigkeit Formteile, insbesondere größere Formteile,
fertigen zu können, die eine Wärmedehnung im Bereich der hauptsäch
lich verwendeten metallischen Konstruktionswerkstoffe, insbesondere
von Stahl oder Grauguss, sowie ausreichende Festigkeit, Temperatur
beständigkeit vor allem bei erhöhten Temperaturen und Korrosions
beständigkeit aufweisen.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, Polymerkeramikwerkstoffe
zur Verfügung zu stellen, deren Wärmedehnung beim fertigen Erzeugnis
gegenüber bekannten Polymerkeramikwerkstoffen an die Wärmedehnung
von Stahl und Grauguß angeglichen ist und zugleich bei der Fertigung
im Urformverfahren eine hohe Maßhaltigkeit zu erreichen, so daß
insbesondere Formteile mit komplizierter Geometrie oder von größeren
Dimensionen, z. B. mit einem Mindest-Außendurchmesser von mehr als
20 mm, vorzugsweise von mehr als 50 mm, hergestellt werden können.
Diese und die anderen genannten Aufgaben werden in überraschender
Weise durch die in der vorliegenden Offenbarung beschriebenen
Polymerkeramiken und Polymerkeramikformteile gelöst. Im Stand der
Technik finden sich keinerlei Hinweise auf die Lösung dieser
Aufgabe, und weder die Lösung der Aufgabe noch die Aufgabe selbst
werden dort in Erwägung gezogen.
Einige, mehrere oder insbesondere alle der vorstehend genannten
Aufgaben werden durch einen (i) ein präkeramisches Polymer (Ke
ramikbinder, nachfolgend als Polymer bezeichnet oder genauer
definiert, wobei dieser Begriff auch Gemische von Polymeren
beinhalten kann), (ii) dessen pyrolysebedingte Abbauprodukte und
(iii) erforderlichenfalls Füllstoffe (Keramikpulver, keramischer
Füllstoff) umfassenden Polymerkeramik- oder auch synonym Polymer
keramikverbundstoff erfüllt, insbesondere einen polymerkeramischen
Werkstoff, der gekennzeichnet ist durch einen Wärmeaus
dehnungskoeffizienten, der demjenigen von einem Metall (dieser
Begriff umfasst in breiteren Sinne auch Legierungen), insbesondere
von Stahl oder Grauguss, vergleichbar, insbesondere gleich, ist
und vorzugsweise erhältlich ist durch eine Wärmebehandlung unter
theoretisch oder vorzugsweise empirisch ermittelten Bedingungen
(bezüglich Dauer und vor allem Temperatur und Temperaturverlauf),
welche es ermöglicht, dass das Material oder ein daraus hergestellter
Formkörper nach der abschließenden Wärmebehandlung innerhalb einer
Toleranz von weniger als 0,1%, vorzugsweise von weniger als 0,05%,
dieselben linearen Dimensionen hat wie die Urform (Nullschwindung
im Urformverfahren).
Die Erfindung betrifft auch ein Formteil, der aus einem solchen
Material besteht.
Die erfindungsgemäßen Formteile oder Materialien wie auch Verfahren
ermöglichen insbesondere, dass im Urformverfahren direkt die
erforderliche Massgenauigkeit (im wesentlichen Nullschwindung
gegenüber der Form) erzielt werden kann (durch entsprechende
Wärmebehandlung und/oder Zusammensetzung des Polymerkeramikwerk
stoffs). Dies ermöglicht enorme Kostenreduktionen um den Faktor
2 oder mehr, da kein Erfordernis zur Nachbearbeitung besteht. Die
damit verbundene Anpassung des Wärmeausdehnungsverhaltens an
dasjenige von Metallen, insbesondere von Stahl oder Grauguss,
ermöglicht dabei die Anwendung z. B. in den eingangs erwähnten
Gebieten. Somit wird in überraschender Weise den dringenden
praktischen Bedürfnissen Rechnung getragen. Insbesondere weisen
die erfindungsgemässen polymerkeramischen Werkstoffe auch den Vorteil
einer gewissen Restelastizität auf, die beispielsweise von außen
induzierte Oberflächenspannungen abfedern und reduzieren kann oder
Verluste durch Reibung im Verbund mit anderen Teilen vermindern
helfen kann.
Fig. 1 zeigt die Dimensionsänderungen bei Teilpyrolyse polymerkera
mischer Massen. (1) = Wärmedehnung, (2) = Pyrolyseschwindung, (3)
= Polymer, (4) = Keramik.
Fig. 2 zeigt exemplarisch den Ausdehnungskoeffizienten von
Polymethylsiloxan in Abhängigkeit von der Pyrolysetemperatur in
Argon.
Fig. 3 zeigt zur Illustration der unten beschriebenen Verfahren
eine dreidimensionale Matrix, anhand derer z. B. empirisch das
Optimierungsproblem, gleichzeitig Nullschwindung und eine Metallen
vergleichbare Wärmedehnung zu erhalten, gelöst werden kann.
Fig. 4 zeigt die Ausdehnung und anschließende Schwindung eines in
Ausführungsbeispiel 2 näher beschriebenen) Polymerkeramikmaterials
bei verschiedenen Pyrolysetemperaturen.
Die vor- und nachstehend genannten allgemeinen Begriffe haben im
Rahmen der vorliegenden Offenbarung folgende Bedeutungen, sofern
nichts anderes angegeben ist:
"Umfassend" bedeutet, dass neben den genannten Komponenten noch
weitere Komponenten oder Zusätze vorliegen können, vorzugsweise
im Bereich von 10 oder weniger, insbesondere von 7 oder weniger
Volumenprozent (Vol-%).
Der Begriff "Wärmebehandlung" wird nachfolgend auch durch den Begriff
"Pyrolyse" ersetzt, wobei insbesondere partielle Pyrolyse
eingeschlossen, vorzugsweise gemeint, ist. Die Wärmebehandlung
erfolgt vorzugsweise in kontrollierter Weise, beispielsweise durch
relativ lange Aufheizraten und relativ lange Abkühlungsraten,
beispielsweise Abkühlungsraten im Bereich von 0,2 bis 10°C/min.
um so das Auftreten von Spannungen in den resultierenden Materialien
oder Formteilen zu verhindern. Vorzugsweise erfolgt die Wärmebe
handlung unter Luft- und Sauerstoffausschluss, insbesondere unter
Inertgas, wie Argon.
"Theoretisch oder empirisch ermittelt" im Zusammenhang mit der
Wärmebehandlung bezieht sich auf Literaturansätze oder insbesondere
auf Varianten der Mischungsregel mit empirischen Messungen,
beispielsweise Dilatometrie (Dehnungsabhängigkeit von Temperatur
und Ausdehnungskoeffizient und vergleichbare Größen) sowie der
Schwindung. Bevorzugte Methoden zur theoretischen oder empirischen
Ermittlung der Parameter für die Wärmebehandlung, insbesondere der
maximalen Pyrolysetemperatur, aber ferner auch der Haltezeit (welche
insbesondere im Bereich unterhalb von 400°C variabel sein kann,
oberhalb dieser Temperatur dagegen relativ konstant verwendet werden
kann) und/oder der Aufwärmungs- und Abkühlungsrate, werden unten
genannt.
Nachfolgende Angaben in (Gewichts- oder) Volumenprozent beziehen
sich immer auf die Edukte (vor der Wärmebehandlung, die in der Regel
zum teilweisen Abbau des verwendeten Polymeren führt).
Unter einem metallischen, insbesondere Grauguss oder Stahl,
vergleichbaren oder insbesondere gleichen thermischen
Ausdehnungsverhalten (oder Wärmeausdehnungsverhalten) versteht man
insbesondere einen entsprechenden thermischen Ausdehnungs
koeffizienten, d. h. die entsprechenden Wärmeausdehnungskoeffizienten
(thermische Ausdehnungskoeffizienten, TAK), liegen vorzugsweise
im Bereich von 9 bis 13 × 10-6 K-1. Dieses thermische Ausdehnungs
verhalten findet sich erfindungsgemäß vorzugsweise im Bereich von
-50 bis 500°C, insbesondere von Raumtemperatur bis 400°C.
Der Parameter "einem Metall (oder einem metallischen Konstruktions
werkstoff) vergleichbarer oder insbesondere gleicher thermischer
Ausdehnungskoeffizient" (oder entsprechendes thermisches Ausdehnungs
verhalten oder Wärme(ausdehnungs)verhalten) ermöglicht auch die
stoffliche Unterscheidung von anderen polymerkeramischen Werkstoffen
und Formteilen, da dieses Ergebnis eine entsprechende Struktur und
Zusammensetzung voraussetzt. Mit "vergleichbar" ist insbesondere
gemeint, das die Wärmeausdehnungskoeffizienten des entsprechenden
Formteils oder Polymerkeramikwerkstoffes, um bis zu einschließlich
20%, insbesondere 10%, vorzugsweise bis zu einschließlich 3%,
unterhalb des unteren oder oberhalb des oberen Wärmeausdehnungs
koeffizienten des entsprechenden Metalls, wie insbesondere Stahl
oder Grauguss, liegen. Bei einem "gleichen" Wärmeausdehnungsko
effizienten weicht dieser von demjenigen des entsprechenden Metalls
um 1 Prozent oder weniger, insbesondere um 0,1% oder weniger, ab.
Auch, wenn dies nicht speziell angegeben ist, sind bei Angabe von
Bereichen, wie %- oder Temperaturbereichen oder ähnlichem, immer
die oberen und unteren genannten Grenzwerte mit einbezogen.
Unter einem präkeramischen Polymer ist insbesondere ein Polymeres
zu verstehen, bei dessen vollständiger Pyrolyse nicht eine
praktisch vollständige Umwandlung in Kohlenstoff erfolgt (wie die
beispielsweise bei Polyestern, Polyethern oder Epoxiden der Fall
wäre). Bevorzugte Beispiele sind unten genannt, ohne die Palette
möglicher Polymerer einschränken zu sollen.
Sofern vor- und nachstehend von einem Polymeren die Rede ist, ist,
sofern nicht anders angegeben oder ersichtlich, stets ein
präkeramisches Polymer gemeint.
"Nullschwindung" bedeutet insbesondere eine lineare Schwindung von
0,1% oder weniger, vor allem von 0,05% oder weniger.
Das erfindungsgemäße Verfahren zur Herstellung der eingangs erwähnten
polymerkeramischen Materialien und Formteile ist insbesondere dadurch
gekennzeichnet, dass über den durch die Wärmebehandlungstemperatur
bestimmten Umwandlungsgrad der Polymer- in die Polymerkeramik-
Bindephase und in Verbindung mit dem Einbau von Keramikfüllstoffen
mit darauf abgestimmter Wärmedehnung Formteile hergestellt werden,
die in ihrem Wärmeausdehnungsverhalten weitgehend dem von Metallen,
insbesondere Stahl oder Grauguß, vergleichbar oder gleich sind.
angeglichen werden können, d. h. die entsprechenden Wärmeausdehnungs
koeffizienten (thermische Ausdehnungskoeffizienten, TAK), liegen
vorzugsweise im Bereich von 9 bis 13 × 10-6 K-1. Die Formteile eignen
sich deshalb besonders für den Einsatz in Kombination mit me
tallischen Komponenten (beispielsweise, wenn die Polymerkeramik-
Teile in Kontakt zu Metall-, insbesondere Grauguss- oder Stahlteilen
stehen, sei es durch Stoffschluss (z. B. durch Verkleben) oder
insbesondere Formschluss (z. B. durch Einbringen von Formteilen im
Urformprozess oder während oder nach der Wärmebehandlung) oder
Kraftschluss (z. B. durch Umhüllung unter Pressspannung oder
dergleichen), in temperaturbeanspruchten Baugruppen wie z. B. in
Bremsen, Motoren oder anderen Maschinen, Geräten oder Anlagen.
Die vorzugsweise aus einem Polymer, insbesondere einem vernetzten
siliciumorganischen Polymer, und erforderlichenfalls einem oder
mehreren keramischen Füllstoffen und gewünschtenfalls weiteren
Zusätzen zusammengesetzte Ausgangsmasse wird insbesondere nach der
Formgebung und Vernetzung, beispielsweise bei Temperaturen zwischen
0 und 200°C, insbesondere zwischen 100 und 200°C, einer kon
trollierten Wärmebehandlung im Temperaturbereich zwischen 200 und
800°C, vorzugsweise 400 und 750°C, insbesondere zwischen 500 und
750°C, vor allem im Temperaturbereich zwischen 500 und 680°C unter
zogen, wobei aus dem Polymeren, insbesondere einem Polysiloxanharz,
eine amorphe polymerkeramische Binderphase zwischen den Füllstoff
teilchen erzeugt wird. Entscheidend ist hierbei, daß die thermische
Ausdehnung der Ausgangsmasse durch eine Teilpyrolyse des Polymer
anteils genau soweit kompensiert wird, daß nach dem Abkühlen und
der thermischen Kontraktion die Ausgangsmaße des Urformteils erhalten
bleiben. Die Dimensionsstabilität kann durch einfache Kontrolle
der Wärmebehandlungstemperatur in engen Grenzen (0,1% linear oder
darunter) gewährleistet werden, wobei unter konstanten Fertigungs
bedingungen insbesondere Fertigungstoleranzen von kleiner oder gleich
0,05% erreicht werden. Fig. 1 zeigt die bei der Wärmebehandlung
auftretenden Dimensionsänderungen. Insbesondere können so unter
Verwendung von in der Keramik üblichen Urformgebungsverfahren wie
z. B. Pressen, Gießen, Spritzgießen oder Extrudieren Formteile erzeugt
werden.
Ein bevorzugtes Beispiel für geeignete Polymere sind silicium
organische Polymere, insbesondere leicht zu verarbeitende
Polysiloxanharze, aber auch Polysilan, Polycarbosilan, Polysilazan,
Polyborosilazan oder Mischungen daraus können eingesetzt werden.
Wo vor- und nachstehend von Polymer, hochvernetztem silicium
organischem Polymer oder dergleichen die Rede ist, können auch
Gemische mehrerer dieser Komponenten vorliegen. Diese ergeben dann
zusammengenommen die als bevorzugt genannten Volumenprozent-Anteile.
Durch Einbau keramischer Füllstoffe in Volumengehalten von 10 bis
80 Volumen-%, vorzugsweise zur Herstellung von im Press-, Gieß-,
Spritzgieß- oder ferner Extrusionsverfahren gewinnbaren Formteilen
oder Gegenständen von ca. 20 bis 80 Volumen-%, insbesondere von
30 bis 80 Volumen-%, vorzugsweise von 30 bis 70%, in erster Linie
von 30 bis 60 Volumen-%, vor allem zwischen 30 und 50 Volumen-%,
die eine an die Wärmedehnung der Polymerkeramik-Binderphase
angepaßte Wärmedehnung aufweisen, gelingt es, Formteile herzustellen,
deren Wärmeausdehnungsverhalten zwischen Raumtemperatur und 500°C
weitgehend dem von Stahl (10-13 × 10-6 K-1) oder Grauguß
(9-11 × 10-6 K-1) vergleichbar, insbesondere diesem gleich, ist. Hierbei
wird beispielsweise zuerst die Pyrolysetemperatur mit Null
schwindung für ein gegebenes Polymer ermittelt. Dann wird der
thermische Ausdehnungskoeffizient ermittelt, und schließlich
erforderlichenfalls durch geeignete Füllstoffe ausgeglichen. Der
Einbau keramischer Füllstoffe (= Keramikfüllstoffe) ermöglicht dann
das gleichzeitige Erreichen von Maßhaltigkeit und einer weiter
angepaßten Wärmedehnung. Auch das umgekehrte Vorgehen (erst
Ermittlung von Zusammensetzung und Pyrolysetemperatur, dann,
erforderlichenfalls iterative, Variation dieser Parameter bis zum
Erzielen einer Nullschwindung, ist möglich. Unten finden sich
bevorzugte Verfahren. Fig. 3 veranschaulicht, wie mittels einer
dreideimensionalen Matrix dieses Optimierungsproblem gelöst wird.
Bevorzugte keramische Füllstoffe sind in Tabelle 1 aufgeführt, jedoch
können auch andere, nichtreagierende Keramikverbindungen mit
ansprechend hoher Wärmedehnung eingesetzt werden.
Auch Silikate, wie Natrium-, Magnesium, Calcium- oder Lithiumalumini
um-Silikate, oder Calciumfluorid können als Füllstoffe eingesetzt
werden, insbesondere, wenn der thermische Ausdehnungskoeffizient
der Polymerkeramik nach einer bestimmten Pyrolysetemperatur höher
ist als derjenige des entsprechenden Metalls, vor allem Stahl oder
Grauguss.
Wo vor- und nachstehend von einem keramischen Füllmaterial,
keramischen Füller, Keramikfüllstoff, Füllstoff oder dergleichen
(alles mit derselben Bedeutung) die Rede ist, können auch Gemische
mehrerer dieser Komponenten vorliegen. Diese ergeben dann zusammen
genommen die als bevorzugt genannten Volumenprozent-Anteile.
Neben dem Polymeren und dem Füllstoff können noch weitere Zusätze
vorliegen, vorzugsweise im Bereich von unter 10 Vol-%, insbesondere
unter 7 Vol-%, die in der Lage sein können, die Festigkeit zu
steigern, beispielsweise Glasfritten, oder insbesondere wachsartige
Substanzen, wie Wachs, und/oder Katalysatoren, wie Aluminiumacetyla
cetonat.
Bevorzugt sind erfindungsgemäße Materialien oder Formteile, worin
die Polymeren und/oder die Zusätze bei der Pyrolyse keine chemischen
(insbesondere keine kovalenten) Bindungen zu den Füllstoffen
aufbauen.
Das bevorzugte erfindungsgemäße Verfahren unterscheidet sich hierin
auch grundsätzlich vom Polymerpyrolyseverfahren mit reaktiven
Füllstoffen, die entweder bei Temperaturen über 800°C vollständig
(DE-PS 39 26 077), oder bei niedrigeren Temperaturen über reaktive
Gruppen an der Oberfläche (DE 44 28 465) mit der Polymerphase unter
Bildung primärer chemischer Bindungen reagieren. Die keramischen
Füllstoffe können teilweise oder vollständig durch einen sogenannten
Eigenfüllstoff ersetzt werden, der durch Wärmebehandlung des
präkeramischen Polymers und anschließende Aufarbeitung zu einem
Pulver hergestellt werden kann. Der Eigenfüller bietet den Vorteil,
die Wärmedehnung durch die Pyrolysetemperatur gezielt einstellen
zu können.
Bevorzugt sind insbesondere erfindungsgemäße Materialien oder
Formteile, die ohne Zusatz von Floatglas-Fritten hergestellt werden
können. Bevorzugt sind auch erfindungsgemäße Materialien oder
Formteile, worin die Polymerkomponente keine Phenylmethylsiloxanharze
umfasst. Bevorzugt sind auch erfindungsgemäße Materialien oder
Formteile, worin die Polymerkomponente keine Siloxane mit
ungesättigten Gruppen umfasst. Bevorzugt sind auch erfindungsgemäße
Materialien oder Formteile, worin die Polymerkomponente keine
Polyester, Epoxide oder Poylether umfasst. Bevorzugt sind auch erfin
dungsgemäße Materialien oder Formteile, bei deren Herstellung keine
Lösungsmittel verwendet werden, außer im Falle der Verwendung von
Gieß-, Spritzgieß und Extrusionsverfahren, wo dies möglich ist.
Vorzugsweise ist Kaolin als Füllmaterial ausgeschlossen.
In Abhängigkeit der Fließeigenschaften der eingesetzten Polymer
komponente (fest oder flüssig bei Raumtemperatur) sowie des
Füllergehaltes (= Keramikfüllstoffgehaltes) erfolgt die Formgebung
der Polymer/Füller-Massen unter Verwendung von in der Keramik übli
chen Formgebungsverfahren, wie z. B. Pressen, Gießen oder Spritzgießen
in geschlossene Formwerkzeuge oder Extrudieren. Anschließend wird
unter Druck bei bevorzugten Temperaturen von 0 bis 200°C, insbe
sondere zwischen 100 bis 200°C, die Vernetzung der Polymerbinderpha
se, vorzugsweise unter Inertgas, durchgeführt. Nach der Entformung
weist das Formteil eine hohe Grünfestigkeit auf und kann gewünsch
tenfalls spanabhebend bearbeitet werden.
Die für polymerkeramische Werkstoffe typische Porosität, die
insbesondere im Temperaturbereich von 200°C bis 800°C durch
Zersetzung der Polymerphase und Abfuhr gasförmiger organischer
Spaltprodukte ihr Maximum erreicht, bleibt zwar im Inneren des Form
teils erhalten, kann jedoch an der Formteil-Oberfläche weitgehend
in eine geschlossene Porenstruktur umgewandelt bzw. abgebaut
werden.
Eine bevorzugte Ausführungsform der Erfindung ist der Einsatz
kohlenstoffhaltiger Trenn- bzw. Entformungsbeschichtungen auf den
Formenoberflächen, die nach der Entformung und Wärmebehandlung auf
der Formteiloberfläche verbleiben und zu einer Versiegelung führen.
Dies ermöglicht beispielsweise auch den Einsatz der Formteile für
Anwendungen, bei denen Druck oder Vakuum erzeugt werden (Pumpen).
Der erfindungsgemäße Polymerkeramik-Verbundwerkstoff eignet sich
besonders für maßgenaue Fertigungsverfahren und Formteile mit engen
Toleranzen sowie eine dem metallischen Trägerwerkstoff (insbesondere
Stahl oder Grauguß) vergleichbare Wärmedehnung, die für Anwendungen
als temperaturbeanspruchte Funktionselemente in verschiedensten
Baugruppen wie Maschinen, Motoren oder Anlagen von besonderer
Bedeutung sind.
Nachfolgend werden im Detail zwei Alternativen für den Weg der
theoretischen oder empirischen Ermittlung beschrieben, wie die
geeigneten Hauptparameter (Pyrolysetemperatur und Zusammensetzung,
um geringe Schwindung von 0,1% oder darunter, vorzugsweise 0,05
% oder darunter, und einen thermischen Ausdehnungskoeffizienten
vergleichbar oder vorzugsweise gleich dem von Grauguss oder Stahl
zu erhalten) für die erfindungsgemäßen Polymerkeramik-Materialien
und -Formteile gezielt ermittelt werden können, um zu erfin
dungsgemäßen Polymerkeramikwerkstoffen zu gelangen (vgl. auch Fig.
3):
Zuerst wird für ein aus einem Polymeren hergestelltes
Material oder einen entsprechenden Formkörper die exakte Pyrolyse
temperatur für Null-Schwindung gegenüber der Urform im Urform
verfahren empirisch ermittelt und der thermische Ausdehnungskoeffi
zient (TAK) des Materials mit Nullschwindung ermittelt.
Durch Beimengung von Keramikfüllstoffen (wobei weitere
Variablen, wie Stoff, Füllungsgrad, Korngrösse und Binderschicht
des Füllstoffes zu berücksichtigen, d. h. zunächst konstantzuhalten
sind) wird der Ausdehnungskoeffizient an den von Stahl oder Grauguss
angepasst.
Entsprechend dem Beispiel in Fig. 2 und Fig. 3 ändert
sich der Ausdehnungskoeffizient mit zunehmender Pyrolysetemperatur.
Bei Polysiloxan beispielsweise liegt der TAK bis 400°C Pyrolyse
temperatur bei ca. 90 × 10-6 K-1, während er bei Pyrolyse oberhalb
von 800°C unterhalb von 1 × 10-6 K-1 liegt. Dies bedeutet, dass der
TAK mit zunehmender Pyrolysetemperatur zwischen 200 und 800°C
immer kleiner wird. Allerdings ist er bei 650°C immer noch nicht
klein genug, um den gleichen Ausdehnungskoeffizienten (TAK) wie
Stahl oder Grauguss zu besitzen. Daher muss Schritt (B) vollzogen
werden.
Eine theoretische Grobeinschätzung (ohne Berücksichtigung der
Korngrösse) kann nach Turner und Kerner vorgenommen werden: Aus
der Modellierung des Wärmeausdehnungserhaltens der gefüllten
Polymermassen nach Ansätzen von Turner
beziehungsweise unter Berücksichtigung von Schereffekten an den
Phasengrenzen nach Kerner
können aus der Kenntnis der beispielsweise in Tabellenform (z. B.
im Handbook of Chemistry and Physics) zugänglichen temperatur
abhängigen thermischen Ausdehnungskoeffizienten αi der Phasen i
(1: Polymer; 2: Füller), der Kompressions- und Schermodulen Ki und
Gi sowie der Massen- bzw. Volumtenanteile Fi und Vi sowie der Dichten
ri Erwartungswerte für die mittlere Ausdehnung der Verbundmateria
lien abgeleitet werden.
Anschließend oder unabhängig von einer solchen Abschätzung erfolgt
eine empirische Ermittlung mittels einer Matrixuntersuchung von
verschiedenen Füllstoffen mit unterschiedlichen Ausdehnungskoeffi
zienten, etwa nach folgendem Beispiel (z. B. mit Zylinderkörpern
als Muster):
Hierdurch wird der Bereich gefunden, in dem die Polymerkeramik-
Mischungen jeweils TAK-Werte im Bereich beispielsweise von Grauguss
oder von Stahl haben.
Anschließend wird die exakte Pyrolysetemperatur für
Nullschwindung im Urformverfahren und gleichzeitige Einstellung
eines Wärmeausdehnungskoeffizienten im Bereich derjenigen des
angestrebten Metalls, z. B. von Stahl oder Grauguss, ermittelt: Da
im ersten Schritt (B) nur ein Raster aufgebaut wird, kann die hierfür
notwendige Pyrolysetemperatur zwischen den Rasterpunkten liegen,
so dass Schritt (B) unter Umständen noch einmal wiederholt werden
muss in Feinuntersetzung (beispielsweise durch einen engeren
Temperaturbereich für die Pyrolyse, beispielsweise bei Pyrolyse
temperaturen von 510, 530 und 540°C und Füllstoffmengen von z. B.
50, 55 und 65%). Unter Umständen kann es notwendig sein, diesen
Prozess (Schritte (B) und/oder (C)) erneut oder noch mehrmals
iterativ zu wiederholen.
Zunächst werden durch Pyrolyse eines Polymers (Material
oder Formteil) bei verschiedenen Pyrolysetemperaturen die linearen
thermischen Ausdehnungskoeffizienten (TAK) der jeweils
erhältlichen Polymerkeramikmaterialien (oder der daraus bestehenden
Formteile) ermittelt und zugleich die Schwindung oder Ausdehnung.
Durch Beimengung von Keramikfüllstoffen (wobei weitere
Variablen, wie Stoff, Füllungsgrad, Korngrösse und Binderschicht
des Füllstoffes zu berücksichtigen, d. h. zunächst konstantzuhalten
sind) wird der Ausdehnungskoeffizient an den von Stahl oder Grauguss
angepasst. Hierbei kann eine Matrix analog der oben für Schritt
(B) gezeigten verwendet werden, und/oder eine Voraussage geeigneter
Bereiche nach den dort für die Grobschätzung genannten Methoden
ermittelt werden. Hierdurch wird der Bereich gefunden, in dem die
Polymerkeramik-Mischungen jeweils TAK-Werte im Bereich beispielsweise
von Grauguss oder von Stahl haben.
Anschließend wird die exakte Pyrolysetemperatur für
Null-Schwindung gegenüber der nach der thermischen Vorbehandlung
und im Falle von Formkörpern damit verbundenen Formgebung erhaltenen
Form (gegenüber der Form im Urformverfahren) ermittelt. Da im ersten
Schritt (B*) nur ein Raster aufgebaut wird, kann die hierfür
notwendige Pyrolysetemperatur zwischen den Rasterpunkten liegen,
so dass Schritt (B*) unter Umständen noch einmal wiederholt werden
muss in Feinuntersetzung (beispielsweise durch einen engeren
Temperaturbereich für die Pyrolyse, beispielsweise bei Pyrolyse
temperaturen von 510, 530 und 540°C und Füllstoffmengen von z. B.
50, 55 und 65%). Unter Umständen kann es notwendig sein, diesen
Prozess (B* und/oder C*) erneut oder noch mehrmals iterativ zu
wiederholen.
Sobald die oben genannten Parameter, insbesondere Füllstoffgehalt,
Gehalt an Polymerem, Temperatur der thermischen Vernetzung und
(Partial-)Pyrolysetemperatur, gegebenenfalls Gehalt an weiteren
Zusätzen und auch weitere Parameter wie Größe der Körner des
Füllstoffes und dergleichen bekannt sind, kann unter nun konstanten
Bedingungen in einfacher Weise eine Produktion auch in größerer
Stückzahl oder Menge von Formteilen oder erfindungsgemäßen
Materialien durchgeführt werden.
Es leuchtet unmittelbar ein, dass bei hohen Pyrolysetemperaturen
die Füllstoffe zum Ausgleich der hier nur noch sehr niedrigen
Polymer-TAK's (beispielsweise bei Polysiloxanen) höhere
Ausdehnungskoeffizienten als Stahl oder Grauguss haben sollten (hier
kommen insbesondere Silicate oder CaF2, insbesondere wie oben
erwähnt, in Betracht, die alleine oder zusammen mit anderen
Füllstoffmaterialien Einsatz finden können, oder auch MgO), während
bei niedrigeren Pyrolysetemperaturen (wo die Polymerkeramik noch
einen hohen TAK hat) die Füllstoffe zum Ausgleich der TAK in Richtung
von der von Grauguss oder Stahl eine niedrige TAK haben müssen (hier
kommen beispielsweise Siliciumnitrid oder Siliciumcarbid in
Betracht).
Die bevorzugten Temperaturen für die Pyrolyse (eigentlich Partial-
Pyrolyse) liegen bei 200 bis 800°C, insbesondere bei 400 bis 750°C,
vorzugsweise bei 500 bis 750°C, vor allem zwischen ein
schließlich 500 und einschließlich 680°C.
Vorzugsweise finden als Füllstoffe körnige Füllstoffe Verwendung,
deren bevorzugte Korngröße im Bereich von 1 bis 50 µm liegt.
Weitere Zusätze sind möglich. Erforderlichenfalls müssen diese
Komponenten bei den Schritten (A), (B) und/oder (C) bzw. A*, B*
und/oder C* mit berücksichtigt werden, so dass beispielsweise
mehrdimensionale Matrices unter (B) bzw. B* entstehen, oder sie
werden einfach konstant gehalten und nur der Füllstoffanteil variiert
(siehe Fig. 3).
Die Erfindung betrifft auch Formteile aus den oben genannten,
insbesondere den bevorzugten, Ausgangsmaterialien; die oben
genannten, insbesondere bevorzugten, Herstellungsverfahren für die
polymerkeramischen Werkstoffe gemäß der Erfindung; ein Verfahren,
insbesondere wie oben beschrieben, zur theoretischen oder
vorzugsweise empirischen Ermittlung der Pyrolysetemperatur und des
Verhältnisses von Polymer zu keramischem Füllstoff, und ggf. des
Anteils weiterer Zusätze und/oder weiterer Parameter, wie der
Teilchengrösse des verwendeten keramischen Füllstoffes, um einen
polymerkeramischen Werkstoff oder ein Formteil gemäß der Erfindung
zu erhalten; die Verwendung eines polymerkeramischen Werkstoffes
oder insbesondere eines Formteils in Maschinen, Geräten oder Anlagen,
in denen sie in (insbesondere festen oder losen, beispielsweise
gleitenden) Kontakt mit metallischen Werkstoffen oder Teilen kommen,
insbesondere bei Temperaturen im Bereich von Raumtemperatur bis
400°C, wie bei 25 bis 300°C, vorzugsweise bei 50 bis 300°C; sowie
entsprechende Maschinen, Geräte oder Anlagen.
Ganz besonders betrifft die Erfindung Verfahren, Materialien und
Formteile gemäß den Beispielen.
Die nachfolgenden Beispiele dienen zur Illustration der Erfindung,
ohne dass sie diese einschränken sollen.
Zur Herstellung eines Vollzylinders in den Maßen 1,5 × 4 cm, der
als Distanzhalter dienen soll, werden das feste Polymethylsiliconhar
zes NH 2100 (Chemische Werke Nünchritz) und eine Mischung aus Al2O3
(mittlere Korngröße < 3 µm; TAK 8,3 × 10-6 K-1) und SiO2 (mittlere
Korngröße 11 µm, Sikron SH 300, Quarzwerke Frechen, TAK 14 × 10-6 K-1)
im Volumenverhältnis 50 Vol-% Polysiloxanharz, 40 Vol-% Al2O3 und
10 Vol.-% SiO2 in einem 2000 ml fassenden Mahltopf, der mit 0,6
kg Keramik-Mahlkugeln gefüllt ist, 12 Stunden lang mit einer Drehzahl
von 30 min-1 trocken gemischt. Das Mischgut wird in einem beheizbaren
Rührbehälter bei 140°C (Schmelzpunkt von NH 2100 ca. 50°C) unter
ständigem Rühren in eine niedrig-viskose Suspension überführt. Als
Plastifizierhilfe werden 3,5 Masse-% Wachs zugesetzt (Zusammensetzung
in Masse-%: 3,45 Masse-% Wachs, 28,85 Masse-% NH 2100 und 67,7 Masse-
% Füller).
Mit einer Niederdruckspritzgießanlage werden bei 150°C mit einem
Druck von 5 MPa in einem auf 180°C vorgeheizten Zylinderspritzwerk
zeug aus Stahl von 25 mm Außendurchmesser die Zylinder hergestellt.
Nach Aushärtung unter Beibehaltung des Druckes wird die Form
entnommen und in einem Heizschrank zur vollständigen Vernetzung
bei 260°C für 12 h ausgelagert. Nach der Entformung wird das
Formteil einer Wärmebehandlung in Argon-Atmosphäre unterzogen. Mit
Aufheizung auf 580°C mit einer Aufheizrate von 2°C/min und einer
Haltezeit von 4 h folgt eine passive Abkühlung.
Die auf diese Weise hergestellten Zylinder besitzen eine Biegefestig
keit von 50 MPa und zeigen gegenüber den Dimensionen des warmgepress
ten Grundkörpers eine mittlere Längenschwindung in Längsrichtung
von < 1% auf. Die lineare Wärmedehnung im Temperaturbereich von
Raumtemperatur bis 500°C beträgt 13,6 × 10-6 K-1.
Zur Herstellung eines Formteils eines Verdichters werden 73,8 Masse-%
(entspricht 47,5 Vol-%) Al2O3 (mittlere Korngröße < 15 µm; TAK =
8, 3 × 10-6 K-1), 4,6 Masse-% MgO (entspricht 3,3 Vol-%; TAK = 14 ×
10-6 K-1) (mittlere Korngröße < 10 µm), 21,2 Masse-% (entspricht 49,2
Vol-%) Siliconharz (NH 2100) und 0,4 Masse-% Aluminiumacetylacetonat
als Katalysator wie in Ausführungsbeispiel 1 gemischt. 520 g des
gesiebten (160 µm Maschenweite) Pulvers werden in eine vorgewärmte
und mit Graphit beschichtete Pressform aus Stahl eingefüllt. In
einer beheizbaren Hydraulikpresse erfolgt das Warmpressen mit einem
beweglichen Oberstempel mit einem konstanten Druck von 10 MPa,
wohingegen die Temperatur in 10°C-Schritten nach einer Haltezeit
von jeweils 30 min von 80°C auf schließlich 130°C erhöht wird.
Bei dieser Temperatur wird 24 Stunden gehalten, um die Aushärtung
der Pressmasse sicherzustellen.
Nach der Entformung werden durch eine Drehbearbeitung mit
Hartmetallwerkzeugen Innenbohrungen eingebracht. Anschließend erfolgt
die Wärmebehandlung in einem graphitbeheizten Widerstandsofen in
Argon-Atmosphäre, wobei der Grünkörper auf einem porösen Al2O3-Träger
gelagert ist. Mit einer konstanten Aufheizrate von 2°C/min wird
auf 580°C aufgeheizt und 5 h bei dieser Temperatur gehalten. Die
Abkühlung erfolgt wiederum mit einer konstanten Kühlrate von
2°C/min.
Die lineare Wärmedehnung des erhaltenen Formkörpers im Temperatur
bereich von Raumtemperatur bis 500°C beträgt 11,3 × 10-6 K-1. Der
Formkörper weist eine hohe Maßgenauigkeit auf: Gegenüber der
Ausgangslänge von 115,25 mm (senkrecht zur Pressrichtung) des
ausgehärteten Formkörpers ist eine Schwindung von < 50 µm
festzustellen, was einer linearen Dimensionsänderung von < 0,05%
entspricht. Der Formkörper kann deshalb ohne weitere Oberflächen
bearbeitung direkt zum Einbau verwendet werden. Die Biegefestigkeit
σB liegt bei 51 N/mm2, das Material bleibt stabil bis zu einer
Temperatur von 405°C.
Zur Ermittlung des Wärmeausdehnungsverhaltens werden Probestäbchen
mit einem rechteckigen Querschnitt von 5 × 5 mm2 und einer Länge
von 38 mm durch Warmpressen nach Ausführungsbeispiel 2 hergestellt.
Die Zusammensetzungen der in einem Dilatometer untersuchten
Probenstäbchen sind in Tabelle 2 dargestellt:
In einem Differenzdilatometer (Netzsch Gerätebau) werden die
Probestäbchen gegenüber einem Al2O3-Standard im Temperaturbereich
von Raumtemperatur bis 500°C vermessen. Die Aufheizrate beträgt
5°C/min. Wie aus Tabelle 2 hervorgeht, gelingt es, durch Wärme
behandlung im Temperaturbereich von 570 bis 671°C die Wärmedehnung
der untersuchten Proben sehr gut an die Werte von ferritischen
Stählen (10-14 × 10-6 K-1) bzw. Grauguss (9-11 × 10-6 K-1)
anzugleichen. Die Schwindung liegt unter 0,1%.
Claims (14)
1. Polymerkeramischer Verbundwerkstoff mit einem metallischen
Konstruktionswerkstoffen vergleichbarem thermischen Aus
dehnungsverhalten und Nullschwindung im Urformverfahren.
2. Polymerkeramischer Werkstoff gemäß Anspruch 1, der erhältlich
ist durch Pyrolyse eines Gemisches umfassend ein keramisches
Füllmaterial im Anteil von bis 10 bis 80 Volumenprozent und
ein Polymeres im Anteil von 20 bis 90 Volumenprozent, wobei
eine Wärmebehandlung im Bereich zwischen 200 und 800°C,
vorzugsweise im Bereich von 500 bis 750°C, so gewählt wird,
dass gegenüber deUrform eine Schwindung von 0,1% oder weniger,
vorzugsweise von 0,05% oder weniger, erzielt wird.
3. Polymerkeramischer Werkstoff gemäß einem der Ansprüche 1 und
2, welcher außer dem keramischen Füllmaterial und dem Polymeren
noch einen oder mehrere weitere Zusätze bis zu 10 Volumen
prozent enthält.
4. Polymerkeramischer Werkstoff gemäß einem der Ansprüche 1 bis
3, dadurch gekennzeichnet, dass seine Wärmeausdehnung der von
Stahl oder Grauguss gleich ist.
5. Polymerkeramischer Werkstoff gemäß einem der Ansprüche 1 bis
4, dadurch gekennzeichnet, dass bei seiner Herstellung
keramisches Füllmaterial mit einer Korngrösse von 1 bis 50
µm verwendet wird.
6. Formteil, bestehend aus einem polymerkeramischen Werkstoff
gemäß einem der Ansprüche 1 bis 5.
7. Einzelteil, bestehend aus einem polykeramischen Werkstoff im
Verbund mit einem metallischen Werkstoff.
8. Einzelteil gemäss Anspruch 7, worin der metallische Werkstoff
Stahl oder Grauguss ist.
9. Herstellungsverfahren für ein Material, Formteil oder
Einzelteil gemäß einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch
gekennzeichnet, dass man
das Polymermaterial und den keramischen Füllstoff und
erforderlichenfalls weitere Materialien miteinander mischt,
dann einer Vernetzung unterzieht, im Falle des Formteiles unter
Herstellung der entsprechenden Form, und schließlich das
resultierende Material oder den resultierenden Grünkörper einer
Wärmebehandlung unterzieht, wobei die Gewichtsverhältnisse
der verwendeten Komponenten sowie die Art der Wärmebehandlung,
insbesondere die Temperatur, auf der Basis theoretisch oder
vorzugsweise empirisch ermittelter Werte so gewählt werden,
dass das resultierende Material oder Formteil ein thermisches
Ausdehnungsverhalten analog dem eines Metalls, insbesondere
von Stahl und Grauguss, hat, und die Ausdehnung bzw. im Falle
des Formteils die Form und Ausdehnung des fertigen Produktes
gleich oder im Falle der linearen Ausdehnung innerhalb von
einer engen Toleranz von 0,1% oder weniger, vorzugsweise von
0,05% oder weniger, gleich der ist des Materials nach der
Vernetzung.
10. Verfahren zur empirischen Ermittlung der Pyrolysetemperatur
und des Verhältnisses von Polymer zu keramischem Füllstoff,
und ggf. des Anteils weiterer Zusätze und/oder Parameter, wie
der Teilchengrösse des verwendeten keramischen Füllstoffes,
um einen polymerkeramischen Werkstoff gemäß einem der
Ansprüche 1 bis 5, ein Formteil gemäß Anspruch 6 oder ein
Einzelteil gemäss einem der Ansprüche 7 und 8 zu erhalten,
dadurch gekennzeichnet, dass die empirische Ermittlung folgende
Schritte umfasst:
- A) zuerst empirische Ermittlung für ein aus einem Polymeren hergestellten Material oder Formkörper der exakten Pyrolyse temperatur für Null-Schwindung gegenüber der Urform im Urformverfahren und Ermittlung des thermischen Ausdehnungskoef fizienten des so erhaltenen Materials;
- B) : durch Beimengung von Keramikfüllstoffen (wobei weitere Variablen zunächst konstantzuhalten sind) Anpassung des Ausdehnungskoeffizienten an den von Stahl oder Grauguss, erforderlichenfalls unter Erstellung einer Matrix mit verschiedenen Polymer/Füllstoffanteilen und Pyrolysetemperatu ren; und
- C) : anschließende Ermittlung der exakten Pyrolysetemperatur für Null-Schwindung im Urformverfahren und gleichzeitige Einstellung eines Wärmeausdehnungskoeffizienten im Bereich derjenigen des angestrebten Metalls, z. B. von Stahl oder Grauguss, wobei Schritt (B) unter Umständen noch einmal wiederholt werden muss in Feinuntersetzung und es nötig sein kann, die Schritte (B) und/oder (C) erneut oder noch mehrmals iterativ zu wiederholen.
11. Verfahren zur empirischen Ermittlung der Pyrolysetemperatur
und des Verhältnisses von Polymer zu keramischem Füllstoff,
und ggf. des Anteils weiterer Zusätze und/oder Parameter, wie
der Teilchengrösse des verwendeten keramischen Füllstoffes,
um einen polymerkeramischen Werkstoff gemäß einem der Ansprüche
1 bis 5, ein Formteil gemäß Anspruch 6 oder ein Einzelteil
gemäss einem der Ansprüche 7 und 8 zu erhalten, dadurch
gekennzeichnet, dass die empirische Ermittlung folgende
Schritte umfasst:
- 1. (A*) Pyrolyse eines Polymeranteils bekannter Zusammensetzung bei verschiedenen Pyrolysetemperaturen zur Ermittlung des thermischen Ausdehnungskoeffizienten des jeweils erhältli chen Polymerkeramikmaterials oder -formteils und Ermittlung der Schwindung oder Ausdehnung des so erhaltenen Materials;
- 2. (B*) Beimischung von Keramikfüllstoffen (und ggf. weiteren Zusätzen) zur Anpassung des thermischen Ausdehnungs koeffizienten an den von Stahl oder Grauguss erforderlichen falls unter Erstellung einer Matrix mit verschiedenen Polymer/Füllstoffanteilen und Pyrolysetemperaturen; und
- 3. (C*) Ermittlung der Pyrolysetemperatur mit Nullschwindung; wobei, da im Schritt (B*) nur ein Raster aufgebaut wird, die hierfür notwendige Pyrolysetemperatur zwischen den Raster schritten liegen kann, so dass iterativ der Bereich der Pyrolysetemperatur und der geeigneten Zusammensetzung durch ein- oder mehrmalige Wiederholung der Schritte (B*) und erforderlichenfalls (C*) erhalten werden kann.
12. Verwendung eines polymerkeramischen Werkstoffes gemäß einem
der Ansprüche 1 bis 5 oder insbesondere eines Formteils gemäß
Anspruch 6 oder eines Einzelteils gemäß einem Ansprüche 7 und
8 oder eines Polymerkeramikwerkstoffs oder eines Formteils,
welches nach einem der Ansprüche 10 oder 11 erhältlich ist,
in Maschinen, Geräten oder Anlagen, in denen sie in (ins
besondere festen oder losen, beispielsweise gleitenden) Kontakt
mit metallischen Werkstoffen oder Teilen kommen, insbesondere
bei Temperaturen im Bereich von -50°C bis 400°C, wie bei
Raumtemperatur bis 350°C, vorzugsweise bei 25 bis 300°C.
13. Baugruppen, insbesondere Maschinen, Geräte oder Anlagen
umfassend einen polymerkeramischen Wirkstoff gemäß einem der
Ansprüche 1 bis 5 oder ein Formteil gemäß Anspruch 6 oder ein
Einzelteil gemäß einem der Ansprüche 7 und 8, oder einen
Polymerkeramikwerkstoffs oder ein Formteil, welches nach einem
der Ansprüche 10 oder 11 erhältlich ist.
14. Polymerkeramischer Werkstoff, Formteil oder Einzelteil,
erhältlich nach dem Verfahren gemäß einem der Ansprüche 10
oder 11.
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