DE19827387A1 - Verwendung von Liganden einerDFP-Bindungsstelle zur Behandlung von ZNS-Krankheiten - Google Patents
Verwendung von Liganden einerDFP-Bindungsstelle zur Behandlung von ZNS-KrankheitenInfo
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Abstract
Die vorliegende Erfindung betrifft die Verwendung von Liganden einer hochaffinen Bindungsstelle von Diisopropyl-Fluorophosphat (DFP) an Gehirnmembranen zur Prophylaxe und Behandlung von Erkrankungen des Zentralen Nervensystems, insbesondere kognitiven Störungen, Depression, Schizophrenie und Angst.
Description
Die vorliegende Erfindung betrifft die Verwendung von Liganden einer hochaffinen
Bindungsstelle von Diisopropyl-Fluorophosphat (DFP) an Gehirnmembranen zur
Prophylaxe und Behandlung von Erkrankungen des Zentralen Nervensystems, insbe
sondere kognitiven Störungen, Depression, Schizophrenie und Angst.
Untersuchungen im sogenannten Morris-Test, einem Tiermodell für Lernen und Ge
dächtnis ergaben, daß Diisopropyl-Fluorophosphat (DFP) eine fördernde Wirkung auf
Lern- und Gedächtnisprozesse hat (J. Pharmacol. Exp. Ther. 1996, 278, 697-708).
Die optimale Dosierung von DFP für die prokognitive Wirkung in jungen adulten
Ratten liegt bei 0,03 mg/kg, oral gegeben. Eine Erhöhung der Dosis über diesen Weft
hinaus führt nicht zu einer weiteren Steigerung der Lernleistung, sondern zu einer
Rückkehr auf Kontrollniveau bzw. im weiteren zu einer Verschlechterung der kogniti
ven Leistung gegenüber Kontrolltieren. Zwar hemmt DFP die Cholinesterase, jedoch
wird eine signifikante Hemmung der Cholinesterase im Gehirn von Ratten ex vivo erst
bei Dosierungen von ≧ 3 mg/kg oral erreicht, also bei Dosierungen, die um einen
Faktor von etwa 100 höher sind als die aktive Dosis im Lerntest. Cholinesterase
hemmer, die sich von Phosphorsäureestern strukturell unterscheiden, wie z. B. Tacrin
oder Physostigmin, zeigen keine Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit in
diesem Tiermodell.
Die Diskrepanz zwischen kognitiv stimulierenden Dosierungen einerseits und
Acetylcholinesterase-hemmenden Dosierungen andererseits weist auf die Beteiligung
eines zweiten Wirkmechanismus hin, welcher sensitiver für DFP ist als Cholinesterase.
Für DFP wurde eine hochaffine Bindungsstelle im Hühnchenrückenmark identifiziert
(Biochem. Pharmacol. 1994, 48, 2073-2079), die sich von den katalytisch aktiven
Zentren der Acetylcholinesterase und der Butyrylcholinesterase unterscheidet. Die
Funktion der neuen, hochaffinen Bindestelle für DFP ist bislang nicht bekannt.
Es wurde nun erstmals gefunden, daß hochaffine, spezifische Bindungsstellen für DFP
in Membranen des Säugerhirns vorkommen. Sie wurde in Membranen des cerebralen
Cortex von Ratte, Kalb und Mensch nachgewiesen.
Überraschenderweise handelt es sich bei der hochaffinen Bindestelle für DFP nicht um
ein bisher bekanntes molekulares Target von DFP. Insbesondere stimmt das
Kompetitionsprofil der Bindestelle nicht mit dem von Acetylcholinesterase, Butyryl
cholinesterase, Neuropathie-Target Esterase, Prolylendop eptidase und Dipeptidyl
Peptidase II überein. Außerdem wurden selektive Liganden für 84 bekannte Neuro
transmitter-Rezeptoren, Enzyme und Ionenkanäle des Säugerhirns auf Kompetition
von [3H]DFP in vitro getestet. Keine der Verbindungen zeigte Affinität, auch nicht bei
sehr hohen, bereits physiologisch irrelevanten Konzentrationen.
Die Eigenschaften der neuen, hochaffinen Bindestelle für DFP erklären die vorbe
schriebene lern- und gedächtnisfördernde Wirkung von DFP. Daher sollten Substan
zen, die diese Bindestelle wie DFP beeinflussen, auch die kognitionsverbessernde
Wirkung von DFP haben. Solche Substanzen eignen sich daher sowohl zur therapeuti
schen als auch zur präventiven Behandlung von kognitiven Störungen allgemein,
insbesondere von Demenzen des Alzheimer-Typs.
Kognitive Störungen sind jedoch nicht das einzige medizinische Indikationsgebiet
solcher Liganden für die neu aufgefundene Bindestelle. Es wurde überraschender
weise gefunden, daß DFP auch potente Wirkung in einem in-vivo Tiermodell für die
Auffindung neuer Antidepressiva hat. Dabei handelt es sich um den "Rat Forced
Swimming Test" nach Porsolt (Nature 1977, 266, 730-732). DFP induziert in diesem
Test dosisabhängig eine verhaltensaktivierende Wirkung, wie sie von klinisch wirk
samen Antidepressiva bekannt ist. Die optimale Dosierung liegt wie im Kognitionstest
bei 0,03 mg/kg oral, d. h. weit unterhalb der Konzentrationen, die für eine
Cholinesterasehemmung erforderlich wären (wie oben beschrieben). Aufgrund dieser
Versuchergebnisse sind Liganden der hochaffinen DFP-Bindestelle auch zum Einsatz
in psychiatrischen Indikationen, wie z. B. Depression, Schizophrenie oder Angst,
geeignet.
Die Liganden der hochaffinen DFP-Bindungsstelle eignen sich daher allgemein zur
Verwendung für die Prophylaxe und Behandlung von Erkrankungen des zentralen
Nervensystems.
Solche neuen Wirkstoffe identifiziert man zunächst durch einen in vitro-Kompetitions
test an der hochaffinen DFP-Bindestelle. Dabei können grundsätzlich auch Zell-
Membranen von anderen Säugerspezies als der Ratte, inklusive dem Menschen,
eingesetzt werden.
Liganden der hochaffinen DFP-Bindungsstelle im Sinne der Erfindung sind solche
Substanzen, die [3H]DFP appliziert in einer Konzentration von weniger als 10 nM mit
einer Dissoziationskonstante Kd von weniger als 100 000 nM verdrängen.
Bevorzugt sind Liganden, deren Kd an dieser Bindungsstelle kleiner als 1000 nM ist.
Auch eignen sich besonders solche Liganden, die um einen Faktor von mindestens 500
schwächer an die Acetylcholinesterase binden, ganz besonders bevorzugt um einen
Faktor von mindestens 1000 schwächer.
Die Selektivität von Liganden der hochaffinen DFP-Bindestelle in Bezug auf
Cholinesterasehemmung kann mit geeigneten in vitro-Tests nachgewiesen werden. Ein
solcher Test ist die photometrische Bestimmung der Cholinesteraseaktivität nach
Ellman (Biochem. Pharmacol. 1961, 7, 88-95).
Besonders geeignet sind die Liganden der hochaffinen DFP-Bindungsstelle für die
Verwendung zur Prophylaxe und Behandlung von kognitiven Störungen, Angst,
Schizophrenie oder Depression, ganz besonders von Demenzen des Alzheimer-Typs.
Die Wirksamkeit der so identifizierten Substanzen bei der Behandlung und Prävention
kognitiver Störungen wird mit Hilfe von bekannten Standard-Tiermodellen für Lernen
und Gedächtnis belegt (vgl. z. B. "Alzheimer's Disease : Biology, Diagnosis and
Therapeutics", Iqbal et al., ed.; 1997, John Wiley, S. 781-786). Geeignete Tiermodelle
hierfür sind z. B. das passive oder aktive Vermeidungsverhalten, die klassische oder
operante Konditionierung, räumliche Orientierungstests, oder Objekt- bzw. Subjekt-
Wiedererkennungstests. Als besonders geeignetes Modell wird der sogenannte
Morris-Test empfohlen, welcher auf dem räumlichen Gedächtnis beruht (J. Neurosci.
Methods 1984, 11, 47-60).
Rattenhirne wurden in 50 mM Tris-HCl Puffer, pH 7.4 gekühlt homogenisiert
und zweimal für 30 min bei 48 000 xg zentrifugiert, wobei die Überstände
verworfen wurden und der Niederschlag in 50 mM Tris-Puffer resuspendiert
wurde. Der Testansatz im Bindungstest enthielt zunächst etwa 0,4 mg
Membranprotein, DFP in verschiedenen Konzentrationen, sowie 50 mM Tris-
Puffer. Diese Mischung wurde 30 min bei 25°C im Wasserbad vorinkubiert,
bevor kommerziell erhältliches [3H]DFP (0,1 bis 20 nM, 5 nM in Standard
tests) zugegeben wurde. Die Proben wurden daraufhin nochmals gut gemischt
und für 120 min bei 25°C inkubiert. Nach Ablauf der Reaktionszeit wurde in
jede Probe 3 ml eiskalter Tris-Puffer gegeben und die Membran-gebundene
Fraktion des Liganden von der ungebundenen, freien Fraktion durch schnelle
Filtration durch Whatman GF/C-Filter getrennt. Die Filter wurden nochmals
dreimal mit kaltem Puffer gewaschen und die gebundene Menge des
Radioliganden durch β-Szintillationsmessung bestimmt. Zur Bestimmung der
spezifischen Bindung wurde die in Gegenwart von 100 µM nichtradioaktivem
DFP bestimmte unspezifische Bindung von der Gesamtbindung subtrahiert.
Die so gemessene Bindung war zu 90% spezifisch und sättigbar. Die
apparente Bindungskonstante Kd betrug im Gesamthirn wie auch in einzelnen
Hirnregionen wie zum Beispiel dem cerebralen Cortex 1.8 ± 0.2 nM
(Mittelwert ± Standardfehler aus insgesamt 21 Experimenten bis 10 nM). Die
Bindestellendichte Bmax lag in diesen Experimenten bei im Bereich von 347 ± 14,9
pmol/mg Membranprotein. Im Bereich bis 10 nM [3H]DFP war die
Scatchard-Transformation der Bindungsdaten linear. Das läßt auf die
Interaktion mit einer einzigen, nicht interagierenden, hochaffinen Klasse von
Bindestellen für den Radioliganden in diesem Konzentrationsbereich schließen.
Bei Radioligandenkonzentrationen < 10 nM stieg die Gesamtbindung jedoch
wieder überproportional an, was auf eine Interaktion mit weiteren, weniger
affinen Bindestellen bei höheren Konzentrationen hinweist.
Bei der DFP-Bindestellen handelt es sich nicht um Cholinesterasen. Ein
Vergleich der Interaktion von unmarkiertem DFP und Physostigmin mit beiden
biologischen Targets unter weitestgehend gleichen Bedingungen ergab, daß
DFP die Bindung von [3H] DFP an die hochaffine Bindestelle in Rattenhirn
membranen etwa 200-mal potenter hemmt als die Acetylcholinesteraseaktivität
(IC50 11 nM vs 2.6 µM). Physostigmin, welches wie DFP an die Acetyl
cholinbinderegion der Acetylcholinesterase bindet, konnte jedoch lediglich
Acetylcholinesterase hemmen (IC50 33 nM), nicht DFP von der hochaffinen
DFP-Bindungsstelle verdrängen (IC50 < 1 mM).
Die Verdrängung von [3H]DFP von der hochaffinen DFP-Bindungsstelle wird
analog zum Verfahren bestimmt, das unter 1.a) für DFP beschrieben ist.
Die Selektivität der Substanzen als DFP-Liganden in Bezug auf Cholinesterase
hemmung kann mit geeigneten in vitro-Tests nachgewiesen werden. Ein solcher Test
ist die photometrische Bestimmung der Cholinesteraseaktivität nach Ellman
(Biochem. Pharmacol. 1961, 7, 88-95). In der Regel wird der Versuch mit Roh
homogenaten von Rattenganzhirn durchgeführt. Als Enzympräparation sind jedoch
Gehirnhomogenate von anderen Warmblütern einschließlich des Menschen ebenso
geeignet wie käuflich erhältliche, gereinigte Enzympräparationen.
Im Standardversuch werden Rattenhirne im 20-fachen Volumen (w/v) 100 mM
K2HPO4-Puffer, pH 8,0, homogenisiert. Die Proteinkonzentration des Homgenats
wird durch Verdünnung im Puffer auf etwa 3 mg/ml eingestellt. Der Inkubations
ansatz (1500 µl) enthält 100 mM Phosphatpuffer pH 8,0, 330 µM Dithiobis
nitrobenzoat, 50 µl Hirnhomogenat entsprechend 150 µg Protein, verschiedene Test
konzentrationen der zu testenden Prüfsubstanzen und 40 µM Acetylthiocholin als
Enzymsubstrat. Um eine bessere Vergleichbarkeit der Inkubationsbedingungen mit
denen des [3H]DFP-Bindungstests zu ermöglichen, wird vor Zugabe des Substrats das
Reaktionsgemisch für 30 min bei Raumtemperatur vorinkubiert. Die Enzymreaktion
wird durch Substratzugabe gestartet. Die Reaktionszeit beträgt 6 min. Danach werden
die Proben mit 25 ml 1 mM Tacrin-Lösung (Endkonzentration) versetzt, um die
Reaktion zu beenden, und der gelbe Farbkomplex im Spektralphotometer bei 412 nm
gegen den entsprechenden Leerwert (Tacrin-Zugabe vor der Substratzugabe) quanti
tativ bestimmt. Aus der Enzymaktivität in Gegenwart steigender Konzentrationen an
Prüfsubstanz im Test wird die IC50 errechnet und mit der für die
[3H]DFP-Kompetition verglichen.
In diesem Test werden Ratten bzw. Mäuse trainiert, eine für sie unsichtbare Plattform
als einzige Auswegmöglichkeit aus einem wassergefüllten Schwimmbecken zu lokali
sieren. Eine bewährte Methode ist es, die Tiere viermal pro Tag über den Zeitraum
von 5 Tagen zu trainieren. Die Prüfsubstanzen werden dabei versuchstäglich zu einem
definierten Zeitpunkt, z. B. 30 min vor dem ersten Schwimmversuch pro Tag, verab
reicht. Kontrollen erhalten das entsprechende Vehikel. Die Lernleistung der Tiere
drückt sich in einer trainingsbedingten Verkürzung der geschwommenen Strecke
zwischen Startposition und Plattform aus, d. h., je besser sich das Tier an die Lokali
sation der Plattform erinnert, desto kurzer wird die zurückgelegte Strecke. Die Ver
kürzung der Schwimmzeit bis zum Erreichen der Plattform kann alternativ als Maß für
die Lernleistung verwendet werden. Der Test kann mit jung adulten Ratten
(üblicherweise männlich) durchgeführt werden. Ebenso können aber auch kognitiv
beeinträchtigte Tiere, wie alte oder Scopolamin-behandelte amnestische Tiere, oder
Tiere mit Läsionen von bestimmten Teilen des Gehirns verwendet werden.
Die Wirksamkeit der Substanzen bei der Behandlung und Prävention affektiver
Störungen wird mit Hilfe des "Rat Forced Swimming Tests" nach Porsolt belegt
(Nature 1977, 266, 730-732). Der Test beruht auf der Beobachtung, daß Ratten in
einer ausweglosen Situation in einer unbeweglichen Stellung verharren ("behavioral
despair"). 24 Stunden vor dem Test werden junge, adulte Ratten (3-4 Monate alt) für
20 min einzeln in Glaszylinder (Höhe 40 cm, Durchmesser 20 cm) gesetzt, welche bis
zu einer Höhe von 15 cm mit Wasser gefüllt sind. Im Test werden die Tiere wiederum
in die Zylinder überführt, und die Dauer der Immobilität über einen Zeitraum von
5 min gemessen. Die Prüfsubstanzen werden im Zeitraum zwischen den beiden
Schwimmversuchen appliziert. Kontrollen erhalten das entsprechende Vehikel.
Verhaltensaktivierende Wirkung von DFP im "Rat Forced Swimming Test". Der
Verhaltenseffekt ist angegeben als mittlere Veränderung in der Immobilität im
Vergleich zu Vehikel-behandelten Kontrolltieren ± Standardfehler. Als Vehikel
wurde physiologische Kochsalzlösung eingesetzt. Die Signifikanz der Wirkung wurde
mit ANOVA und nachfolgendem Fischer post-hoc Analyse überprüft. n.s. = nicht
signifikant.
Claims (7)
1. Verwendung von Liganden der hochaffinen Bindungsstelle von Diisopropyl-
Fluorophosphat an Gehirnmembranen von Säugern zur Herstellung von Arz
neimitteln zur Prophylaxe und Behandlung von Erkrankungen des zentralen
Nervensystems.
2. Verwendung nach Anspruch 1, wobei die Dissoziationskonstante Kd der
Liganden an dieser Bindungsstelle kleiner als 1000 nM ist.
3. Verwendung nach Anspruch 1 oder 2, wobei die Dissoziationskonstante Kd
der Liganden zu dieser Bindungsstelle um mindestens den Faktor 500 größer
ist als ihre Affinität zu Acetylcholinesterase.
4. Verwendung von Liganden nach Anspruch 2, wobei die Dissoziations
konstante Kd der Liganden zu dieser Bindungsstelle um mindestens den Faktor
1000 größer ist als ihre Affinität zu Acetylcholinesterase.
5. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 4, wobei die Erkrankung des
zentralen Nervensystems eine kognitive Störung ist.
6. Verwendung nach Anspruch 5, wobei die kognitive Störung eine Demenz des
Alzheimer-Typs ist.
7. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 4, wobei die Erkrankung des
zentralen Nervensystems Angst, Schizophrenie oder Depression ist.
Priority Applications (7)
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8139 | Disposal/non-payment of the annual fee |