DE19637904A1 - Verfahren zur Formgebung von pulverförmigen, thermisch instabilen Thermoplastformmassen - Google Patents
Verfahren zur Formgebung von pulverförmigen, thermisch instabilen ThermoplastformmassenInfo
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Description
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Formgebung von pulverförmigen, thermisch
instabilen Thermoplastformmassen insbesondere zur Herstellung von Halbzeugen
oder Formteilen.
Es ist bereits bekannt, daß thermoplastische Formmassen durch Zufuhr von Wärme in
einen schmelzflüssigen Zustand überführt werden können, in dem Verdichtung und
Formgebung des Materials durch Anwendung geeigneter Technologien (z. B.
Formpressen, Extrusion, Spritzgießen) auf effektive Weise möglich ist.
Als nachteilig erweist sich die Anwendung dieser Verfahren auf thermisch instabile
Materialien, die im Ergebnis thermischer Abbauprozesse bei erhöhten Temperaturen
deutliche Eigenschaftseinbußen erfahren. Durch Zusatz von Stabilisatoren,
Weichmachern u.ä. läßt sich eine Erhöhung der Beständigkeit gegen thermischen
Abbau erzielen. Bei hohen Anforderungen an die Reinheit der Formmassen (wie z. B.
bei Einsatz in der Medizintechnik oder im Lebensmittelbereich) ist eine Verwendung
dieser Substanzen häufig jedoch nicht möglich.
Zur Verringerung der thermischen Belastung des Materials werden in der Literatur
(R.J. Crawford, D.W. Paul Journal of Materials Science 17 (1982) 2267-2280)
Sinterverfahren beschrieben, bei denen die pulverförmige Formmasse unterhalb ihrer
Erweichungstemperatur durch Anwendung hoher hydrostatischer Drücke verdichtet
wird. Für das für die Ausbildung hoher mechanischer Eigenschaften erforderliche
Verschweißen der Pulverpartikel sowie die Beseitigung vorhandener Mikroporen ist
jedoch ein anschließender Sinterprozeß im Erweichungsbereich der Formmasse
notwendig.
Die simultane Anwendung hoher hydrostatischer Drücke und hoher Temperaturen ist
Gegenstand von Preßsintertechniken, die zur Verarbeitung hochviskoser,
pulverförmiger Polymerformmassen eingesetzt werden. Bekanntestes Beispiel für
eine derartige Technologie stellt die Ram-Extrusion dar. Bei der Verarbeitung von
PTFE-Pulvern wird das vorgepreßte Pulver mit einem Stempel in ein beheiztes
Werkzeug geschoben, das den Querschnitt des gewünschten Profiles aufweist
(F. Hensen (Hrsg.): Handbuch der Kunststoffextrusionstechnik, Bd. II, C. Hanser,
München 1991). Um das Zusammensintern der Pulverteilchen zu einem
kontinuierlichen Extrudat zu ermöglichen, wird dabei oberhalb der Schmelztemperatur
des Polymerwerkstoffes gearbeitet.
Für die Umformung von Kunststoffen im festen Zustand sind
Festphasenextrusionstechniken bekannt, bei denen ein Vorformling definierter
Abmessungen bei Temperaturen unterhalb der Schmelztemperatur durch eine
konische Düse gepreßt wird (N.E. Weeks, S. Mori, R.S. Porter: Journal of Polymer
Science, Polymer Physics 13 (1975) 2031; Y.D. Wang, T. Yamamoto, M. Cakmak:
ANTEC′96 S. 1654-1665). Ziel der Festphasenextrusion ist neben der Formänderung
die Erzeugung hochorientierter Strukturen mit verbesserten Festigkeitseigenschaften.
Nachteilig dabei ist insbesondere für thermisch empfindliche Polymere, daß zur
Herstellung des Vorformlings das Material in den schmelzflüssigen Zustand überführt
wird.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, pulverförmige, thermisch sowie auch
hydrolytisch instabile Thermoplastformmassen so zu verarbeiten, daß sie als
Halbzeuge weiterverarbeitet werden können oder benutzbare Formteile darstellen. Die
bei der Verarbeitung von Thermoplastformmassen ablaufenden thermischen
Abbauprozesse sind dabei zu unterbinden, so daß die Halbzeuge oder Formteile durch
ein hohes Niveau der mechanischen Eigenschaften gekennzeichnet sind.
Die Aufgabe wird durch die in den Patentansprüchen 1 bis 6 dargestellte Erfindung
gelöst.
Zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens erweisen sich teilkristalline
Formmassen hoher Duktilität als besonders geeignet. Solche Thermoplastformmassen
können beispielsweise Polyolefine, Polyamide oder Polyester sein. Bevorzugte
Anwendung erfahren jedoch thermisch instabile Polymere wie zum Beispiel biologisch
abbaubare Polymere, insbesondere Polylactide und Polyhydroxyalkanoate sowie
deren Copolymerisate.
Das zunächst pulverförmige Ausgangsmaterial wird in einer ersten Verfahrensstufe
unter Anwendung eines hydrostatischen Druckes zu einem Vorformling vorverdichtet.
Dies erfolgt mit dem Ziel der Minimierung thermischer Schädigungen vorzugsweise
bei Raumtemperatur, es kann jedoch auch bei erhöhten Temperaturen, in jedem Falle
aber deutlich unterhalb der Schmelztemperatur gearbeitet werden. Der Preßdruck ist
so zu wählen, daß die Dichte des Vorformlings etwa 75 bis 90% der Rohdichte des
Polymermaterials erreicht.
Der vorverdichtete Vorformling wird in einem zweiten Schritt, dem Fließpressen, einer
deviatorischen Beanspruchung ausgesetzt. Dabei findet die gegenseitige
Durchdringung benachbarter Teilchen im Ergebnis molekularer Bewegungsprozesse
in der Grenzschicht, sowie die Beseitigung vorhandener Mikroporen im Material statt.
Gleichzeitig wird durch gezielten Formzwang die gewünschte Geometrie des
Formteils bzw. Halbzeugs ausgebildet. Während die Herstellung des Vorformlings bei
Raumtemperatur erfolgen kann, müssen Fließprozesse unter deviatorischer
Beanspruchung bei erhöhten Temperaturen im Bereich zwischen Glas- und
Schmelztemperatur, vorzugsweise bei Temperaturen von 0,8 bis 0,95 Tm [K] erfolgen,
um die für eine intensive Durchdringung benachbarter Teilchen erforderliche hohe
molekulare Beweglichkeit zu gewährleisten. Die Belastung unter deviatorischer
Beanspruchung wird in Abhängigkeit von der Art des Polymerwerkstoffs und der
Umformtemperatur zweckmäßigerweise so gewählt, daß Umformverhältnisse von 1,5 λ 3
erzielt werden. Die Deformation erfolgt dabei vorzugsweise unter stetig
wachender Beanspruchung.
Vorteilhaft auf die Eigenschaften der Produkte wirken sich feinteilige Formmassen mit
Teilchendurchmessern kleiner 500 µm und breiter Teilchengrößenverteilung aus.
Zur Verbesserung der mechanischen Eigenschaften der aus den Halbzeugen und
Formteilen hergestellten Endprodukte, insbesondere solcher für einen medizinischen
Einsatz können der pulverförmigen Thermoplastformmasse auch Füll- und/oder
Verstärkerstoffe wie z. B. Calziumphosphate zugemischt werden.
Die erfindungsgemäß erzeugten Formteile und Halbzeuge zeichnen sich durch ein im
Vergleich zu Erzeugnissen herkömmlicher Verarbeitungstechnologien beträchtlich
verbessertes Eigenschaftsniveau aus. Insbesondere hinsichtlich Festigkeit,
Verformbarkeit und Zähigkeit sind sie Produkten, die im Schmelzezustand verarbeitet
wurden, aber auch hydrostatisch im festen Zustand verpreßten und durch Sintern
verfestigten Produkten deutlich überlegen.
Die Erfindung soll nachstehend anhand eines Ausführungsbeispiels erläutert werden.
Eine pulverförmige Formmasse aus Polyhydroxybutyrat (PHB) mit einer mittleren
Molmasse von Mw = 500 000 g/mol und einer Schmelztemperatur von Tm = 178°C
wird in ein dreiseitig geschlossenes Preßwerkzeug mit Stempel (Grundfläche
15*70 mm²) eingefüllt und bei Raumtemperatur mit einem Druck von 100 MPa
hydrostatisch zu einem Vorformling mit einer Dichte von ρ = 1.10 g/cm³ verpreßt. Die
Dicke des Vorformlings wird über die Menge des dosierten Pulvers auf 3 mm
eingestellt.
Anschließend wird der Vorformling in ein beheiztes Kanaldüsenwerkzeug mit
L = 70 mm und s = 15 mm entsprechend Abb. 1 überführt und nach Temperierung
auf 120°C mittels Stempel plastisch deformiert. Im Ergebnis der dabei stattfindenden
deviatorischen Beanspruchung wird der Werkstoff aus dem Kanaldüsenwerkzeug
herausextrudiert. Nach Reduzierung der Dicke des Vorformlings auf 1,5 mm
(Umformverhältnis λ = 2) wird der Deformationsvorgang abgebrochen und das
Erzeugnis der Kanaldüse entnommen.
Durch Fließpressen wird die Dichte des Materials auf 1.25 g/cm³ erhöht. Verbunden
damit sind deutliche Verbesserungen der mechanischen Eigenschaften, insbesondere
von Zugfestigkeit und Reißdehnung. Molekulare Abbauprozesse können nicht
nachgewiesen werden.
Zur Darstellung der Vorzüge der erfindungsgemäßen Fließpreßtechnologie wurde das
verwendete pulverförmige Ausgangsmaterial desweiteren sowohl durch Verpressen im
Schmelzezustand (Preßtemperatur T = 180°C, Preßzeit t = 3 Minuten) als auch durch
Preßsintern in der festen Phase (Preßsintertemperatur T = 120°C, Preßdruck p = 100 MPa)
verarbeitet. Ausgewählte Kennwerte der nach unterschiedlichen Verfahren
hergestellten Halbzeuge in Tabelle 1 dokumentieren die Überlegenheit der
erfindungsgemäßen Fließpreßtechnologie.
Claims (6)
1. Verfahren zur Formgebung von pulverförmigen, thermisch instabilen
Thermoplastformmassen, dadurch gekennzeichnet, daß die unter
hydrostatischem Druck vorverdichtete pulverförmige Thermoplastformmasse bei
einer Temperatur unterhalb der Schmelztemperatur der Thermoplastformmasse
einer deviatorischen Beanspruchung bis zu einem Umformverhältnis λ 1,5
ausgesetzt wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Temperatur 5 bis
20% unterhalb der Schmelztemperatur der Thermoplastformmasse liegt.
3. Verfahren nach Anspruch 1 und 3, dadurch gekennzeichnet, daß die
Thermoplastformmassen Polyhydroxyalkanoate sind.
4. Verfahren nach Anspruch 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß die
Thermoplastformmasse eine Polyhydroxybuttersäure bzw. deren Copolymerisat
aus bakterieller Fermentation ist.
5. Verfahren nach Anspruch 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, daß die
Thermoplastformmassen Polylactide sind.
6. Verfahren nach Anspruch 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß der
pulverförmigen Thermoplastformmasse anorganische oder organische
Zusatzstoffe als Füll- oder Verstärkerstoffe enthält.
Priority Applications (4)
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