Nach dem Stand der Technik ist es
bekannt, haarwuchsfördernde
Stoffe in den Zellen des Haarfollikels zu suchen. In der
EP 0 405 656 A1 ist
ein Haarwuchsmittel beschrieben, das den zellfreien Überstand
einer Zellkultur von Haarpapillenzellen als wirksame Substanz enthält. Einzelne
Polypeptide bzw. verschiedene Wachstumsfaktoren dieser Haarpapillenzellen
sind in der
EP 0 451
903 A2 und der
EP
0 335 554 A2 als wirksamer Bestandteil von Haarwuchsmitteln
angegeben. In der
DE
34 31 266 A1 ist die Anwendung von nicht näher aufgeschlüsselten tierischen
Haarbulbuszellen vorgeschlagen.
Zu den Zelltypen des Haarfollikels
und seiner Umgebung gehören
auch die Merkelzellen. Merkelzellen sind bekannt als neuroendokrin
aktive Zellen (Lacour et al., 1991, British Journal of Dermatology 125,
535–542),
die regelmäßig in der
Basalschicht (Stratum basale) der Oberhaut (Epidermis) vorkommen.
Darüberhinaus
finden sie sich vor allem auch im äußeren Follikelepithel der Haarfollikel
sowie im Haarbulbus (Narisawa et al., 1993, Arch Dermatol Res 285,
261–268).
Sie enthalten als charakteristisches, immunhistochemisch nachweisbares
Stoffwechselprodukt das Protein Chromogranin A (Gauweiler et al.,
1988, Neuroscience Letters 89, 121–126), auf dessen potentielle
trophische Wirkung auf verschiedene Zielgewebe von Winkler et a1. 1986,
Neuroscience 18, 261–290,
hingewiesen wurde. Viele Tumorarten können im Rahmen einer neuroendokrinen
Aktivität
Chromogranin A sezernieren (Deftos, 1991, Endocrine Reviews, Vol.
12, No. 2, 181– 187).
Bei fast allen diesen Tumorarten wurde bereits im Rahmen eines "paraneoplastischen
Syndroms" stark
vermehrter und teilweise neu auftretender Haarbewuchs an zuvor kahlen
oder kaum behaarten Körperstellen
(Hypertrichose) beschrieben (Jemec, 1986, Arch. Dermatology 122,
805–808; Korting
1979, "Dermatologie
in Praxis und Klinik für die
fachärztliche
Weiterbildung, Bd. 3, G. Thieme Verlag, Stuttgart, 28.27).
Der Anmelder gewann die Erkenntnis,
daß Merkelzellen
bzw. das in den Merkelzellen enthaltene Chromogranin A und/oder
Chromogranin A-Derivate für
die Entstehung von Haarfollikeln und Haaren in der Embryonal- bzw.
Fetalperiode und für
das Wachtum von Haaren in der gesamten postnatalen Zeit maßgeblich
verantwortlich sind. Er fand, daß Chromogranin A und/oder ein
oder mehrere Chromogranin A-Derivate, beispielsweise enzymatische.
Spaltprodukte von Chromogranin A, an der Initiation und Entwicklung
der Haarfollikelanlagen ursächlich
beteiligt ist/sind. Chromogranin A ist in Merkelzellen immunhistochemisch
nachweisbar und kann infolgedessen mit einfachen Methoden identifiziert
werden (Hartschuh et al., 1989, J. Invest. Dermatology, 93, 641–648).
Die als Stoffwechselprodukt der Merkelzellen
und/oder anderer neuroendokriner Zellen vorkommende, das Haarwachstum
auslösende
und unterhaltende und/oder fördernde
Substanz Chromogranin A bzw. ein oder mehrere Chromogranin A-Derivat(e)
kann/können
aus tierischem wie menschlichem Material isoliert werden. Die Verfahren
zur Gewinnung von Proteinen in reiner Form, insbesondere die Methode
der SDS-Gelelektophorese (Sodium Dodecyl Sulfate-Gelelektrophorese)
und der HPL-Chromatographie (High Performance Liquid Chromotography)
sind auch für
Chromogranin A bzw. Chromogranin A-Spaltprodukte etabliert (Fischer-Colbrie
and Schober, 1987, Journal of Neurochemistry 48, 262–270).
Die gewünschte(n) Substanz(en) kann/können aus
Chromogranin A und Spaltprodukte davon produzierenden Zellen natürlichen
Gewebes angereicht werden (Fischer-Colbrie and Schober, 1987, Journal
of Neurochemistry 48, 262–270;
Dillen et al., 1989, Clinical Chemistry, Vol. 35, No. 9, 1934–1938).
Die gewünschte(n) Substanz en) kann/können des
weiteren auch aus in Zellkultur gehaltenen, Chromogranin A und Spaltprodukte
davon produzierenden Zellen angereichert werden. Methoden zur Anreicherung
bzw. Kultivierung von Merkelzellen (Vos et al., 1991, Developmental
Biology 144, 281–300)
und von anderen Chromogranin A und/oder Chromogranin A-Derivate
produzierenden Zellen (z. B., Simon et al., 1989, Biochemistry Journal 260,
915–922;
Watkinson and Robinson, 1992, Journal of Neurochemistry 58,. 877–883) sind
bekannt.
Eine weitere, wichtige Möglichkeit,
die gewünschte(n)
Substanzen) zu erhalten, besteht in der Gewinnung aus Tumorgewebe.
Das Verfahren als solches ist von Schmidt et al., 1988, Proc. Natl.
Acad. Sci. USA; 85, 8231–8235
und Fischer-Colbrie and Schober 1987, Journal of Neurochemistry,
48, 262-270 beschrieben. Fischer-Colbrie and Schober nennen die
Gewinnung von Chromogranin A aus einem Phäochromozytom, einem Tumor,
der sich von Nebennierenmarkszellen ableitet, und wie diese Chromogranin
A bilden kann. Schmidt et al. gewinnen in dem oben angeführten Artikel
ein Chromogranin A-Derivat aus der Lebermetastase eines menschlichen
Karzinoids. Karzinoide gehören
zu den Tumoren, die im Zusammenhang mit Hypertrichose genannt werden
(Fitzpatrick et al., 1987, "Dermatology in
general medicine, 3rd Edition, Mc. Graw-Hill Book Company, Chapter
65, 645). Man kann die ge wünschte(n)
Substanz(en) aus Tumoren selbst, insbesondere aus Hypertrichose
erzeugenden Tumoren und/oder aus Zellinien von Tumoren, insbesondere Hypertrichose
erzeugenden Tumoren gewinnen.
Fischer-Colbrie and Schober, 1987,
Journal of Neurochemistry, 48, 262–270 beschreiben die Gewinnung
von Chromogranin A aus Turmorgewebe, welches zuvor von seinem ursprünglichen
Wirt isoliert und dann vermehrt wurde. Rausch et al. 1988, Molecular
Endocrinology, 2, 921–927
erwähnen
die Zellinie eines Chromogranin A-produzierenden Phöochromozytoms.
Ebenfalls bekannt sind menschliche Zellinien von Chomogranin A-produzierenden
Tumorarten, die eine Hypertrichose erzeugen können (Deftos et al., 1986,
Biochem. Biophys. Res. Commun. 137, 418–423; Jemec, 1986, Arch. Dermatology,
122, 805–808).
Von Vorteil ist, daß von
Tumoren angelegte Zellkulturen ein praktisch unerschöpfliches Kontingent
für die
Gewinnung von Chromogranin A und/oder Chromogranin-A-Derivaten gleichbleibender
Zusammensetzung darstellen. Für
eine immer größer werdende
Zahl von Tumorarten und Unterarten existieren solche "ewigen" Zellinien. Die meisten Tumoren,
die Hypertrichose erzeugen können,
sind darunter vertreten (Fogh, 1986, Cancer Investigation, 4 (2),
157–184;
Jemec, 1986, Arch. Dermatology, 122, 805–808).
Die bisher beschriebenen Methoden
führen zu
Gewinnung von Chromogranin A und/oder Chromogranin A-Derivaten,
das/die auf dem Weg der Biosynthese in lebenden Systemen hergestellt
wurde(n). Auf diese Weise erhält
man die gewünschte(n)
Substanz en) in einem weitestgehend natürlich belassenen Zustand. Ihre
Wirksamkeit ist dementsprechend hoch.
Es besteht aber auch die Möglichkeit,
die das Haarwachstum auslösende
und unterhaltende und/oder fördernde
Substanz Chromogranin A künstlich
herzustellen. Die Aminosäuresequenz
von Chromogranin A und die das Protein codierende DNA-Sequenz sind
bekannt (Deftos, 1991, Endogrine Reviews Vol. 12, No. 2, 181–187). Desweiteren
konnte für
den Menschen der Genort für
Chromogranin A auf dem Chromosom 14 bestimmt werden (Murray
et al., 1987, Biochem. Biophys. Res. Commun. 142, 141). Die Synthese
von verschiedenen Chromogranin A Bruchstücken ist beschrieben (Übersicht
bei Gill et al., 1992, Neuropeptides, 21, 105–118; Schmidt et al., 1988,
Proc. Natl. Acad. Sci. USA, 85, 8231–8235). Verschiedene Chromogranin
A-Bruchstücke
werden bereits hergestellt und kommerziell vertrieben (siehe einschlägige Firmenkataloge).
Eine künstliche
Synthese gewährleistet
die exakte Reproduzierbarkeit des Produkts in hoher Reinheit und
beliebiger Menge und eine genaue Identifizierung seiner Zusammensetzung.
Die Verwendung von als Stoffwechselprodukt
in Merkelzellen und anderen neuroendokrinen Zellen vorkommendem
Chromogranin A bzw. wenigstens eines durch enzymatische Modifikation
davon abgeleiteten Chromogranin A-Derivats zum Auslösen und
Unterhal ten und/oder Fördern
des Haarwuchses, insbesondere des Haupthaarwuchses erlaubt es dem
Anwender, vermehrten Haarausfall erfolgreich zu bekämpfen und
ein Nachwachsen der Haare zu bewirken. Insbesondere kann auch eine
bereits erfolgte Glatzenbildung rückgängig gemacht werden, solange
noch Haarfollikel vorhanden sind. Das erfindungsgemäße Haarwuchsmittel
ist zumindest bei androgenetisch bedingtem Haarausfall wirksam.
Darüberhinaus
kann eine Wirksamkeit auch bei vielen anderen Formen der Alopezie,
ausgenommen der narbigen Alopezie, bestehen. An jeder Körperstelle,
die Haarfollikel enthält,
kann lokales Haarwachstum erzeugt werden. Eine Wirksamkeit besteht insbesondere
auch an solchen Körperstellen,
an denen zu keiner Zeit ein dichter Haarwuchs vorlag, in dem Sinn,
als daß dort
ein solcher erzeugt werden kann.
Auch bei Tieren ist eine Anwendung
des erfindungsgemäßen Haarwuchsmittels
möglich,
insbesondere im Rahmen der Wollindustrie. Bei den meisten bisher
untersuchten Tierarten besteht eine Chromogranin A-Reaktivität der Merkelzellen,
die derjenigen beim Menschen vergleichbar ist (Gauweiler et al, Neuroscience
Letters 1988; 89; 121–126;
Hartschuh et al., J. Invest. Dermatol. 1989; 93; 641–648).