-
Verfahren zur Abscheidung von Schwefelwasserstoff aus Gasgemischen
Die vollständige Entfernung von Schwefelwasserstoff aus Gasgemischen, z. B. aus
Leuchtgas, Synthesegas, industrieller Abluft u. dgl., ist in vielen Prozessen aus
verfahrenstechnischen oder hygienischen Gründen ein dringendes Erfordernis.
-
Zur Abscheidung eines Schwefelwasserstoffes aus Leuchtgas oder Kokereigas
ist lange Zeit ein Trokkenreinigungsverfahren verwendet worden, in welchem der Schwefelwasserstoff
in Gegenwart von Feuchtigkeit an Eisenoxyde enthaltenden Massen absorbiert wird.
-
Heute werden diese Versorgungsgase und auch Synthesegase zur Abscheidung
von Schwefelwasserstoff auch mit Absorptionslösungen gewaschen, wobei aus der beladenen
Absorptionslösung der Schwefelwasserstoff als solcher oder als elementarer Schwefel
durch Regeneration zuriickgewonnen wird.
-
In manchen Absorptionslösungen wird der aufgenommene Schwefelwasserstoff
durch Sauerstoff, der z. B. als Luft in dem zu reinigenden Gas oder einem gasförmigen
Regenerationsmittel enthalten ist, zu elementarem Schwefel aufoxydiert. Einige Gaswaschverfahren
machen von dieser Reaktion Gebrauch.
-
Sehr oft führt diese Oxydation aber über den elementaren Schwefel
hinaus bis zur Bildung von Thiosulfat und Sulfat, die das Absorptionsvermögen der
Lösung durch Verminderung der Alkalität fortschreitend verschlechten.
-
Zur Reinigung von Abluft, die Schwefelwasserstoff und Sauerstoff
zugleich enthält, sind diese Verfahren nur bedingt anwendbar und haben wegen der
großen Gasvolumina und dem entsprechend großen Anlagenaufwand und hoher Betriebskosten
wenig Eingang in die industrielle Praxis gefunden.
-
Es ist bekannt, daß Schwefelwasserstoff in Gegenwart von Sauerstoff
und vorteilhaft auch von Feuchtigkeit an Aktivkohle zu elementarem Schwefel oxydiert
wird.
-
Der Schwefel kann durch Extraktion mittels Schwefelkohlenstoff oder
Ammoniumsulfidlösung oder anderer alkalischer Lösungen von der Kohle entfernt werden,
worauf diese, gegebenenfalls nach einer Auswaschung und einer Trocknung, erneut
zur Oxydation von Schwefelwasserstoff verwendet werden kann.
-
Diese Reaktion ist in vielfältigen Verfahrensweisen zur Abscheidung
von Schwefelwasserstoff aus Gasgemischen verschiedenster Art verwendet worden.
-
Zur Reinigung von Leuchtgas, Kokereigas und Synthesegas muß diesen
für sich sauerstoffarmen oder gar sauerstofffreien Gasen der zur Oxydation des
Schwefelwasserstoffes
nötige Sauerstoff z. B. in Form von Luft zugesetzt werden.
-
Die bevorzugte Anwendungsmöglichkeit für dieses Verfahren ist deshalb
die Reinigung von schwefelwasserstoffhaltiger Abluft, wie sie in der Viskoseindustrie,
bei der Herstellung von Folien u. dgl. anfällt. Diese Abluft enthält zumeist auch
noch Schwefelkohlenstoff. Deshalb richten sich die bekannten Verfahren meist auch
auf eine Gewinnung des Schwefelkohlenstoffes durch Adsorption an der Aktivkohle
und Desorption von derselben mittels Dampf.
-
Es ist bekannt, daß die Oxydation von Schwefelwasserstoff mittels
Sauerstoff an Aktivkohle in Gegenwart eines alkalisch reagierenden Stoffes sehr
erheblich beschleunigt wird. Dieser alkalisch reagierende Stoff kann z. B. als Imprägnierung,
z. B. mit Alkalikarbonatlösung, auf die Aktivkohle aufgebracht werden oder durch
Zumischung von Ammoniak zu der zu reinigenden Abluft eingeführt werden.
-
Das bei der Reaktion anwesende Alkali fördert jedoch auch die Oxydation
des Schwefelwasserstoffes über den elementaren Schwefel hinaus bis zu den Oxyden
des Schwefels, die durch die Bildung von Alkalisulfat auf der Aktivkohle deren aktive
Oberfläche blockieren. Dadurch werden die Oxydation des Schwefelwasserstoffes und
die Adsorption des Schwefelkohlenstoffes stark behindert. Hinzu kommt, daß der Schwefelkohlenstoff
durch den anwesenden alkalisch reagierenden Stoff zersetzt wird und die Folgereaktionen
ebenfalls zu Sulfat führen.
-
Die Regeneration der Aktivkohle erstreckt sich demgemäß nicht nur
auf die Extraktion des auf der Kohle abgeschiedenen Schwefels und die Desorption
des Schwefelkohlenstoffes, sondern auch auf die Auswaschung
des
Alkalisulfates. Diese letztgenannte Operation ist so häufig erforderlich, daß die
Beladungsfähigkeit der Aktivkohle für elementaren Schwefel und Schwefelkohlenstoff
nur zu einem Teil ausgenutzt werden kann. Außerdem gehen bei dieser Arbeitsweise
beträchtliche Mengen der Stoffe, die nicht nur aus der Abluft abgetrennt, sondern
auch als Wertstoffe wiedergewonnen werden sollen, als wertlose Folgeprodukte verloren.
Deshalb und wegen des unverhältnismäßig hohen oder unvermeidlichen Aufwandes in
den Regenerationsanlagen stößt dieses Verfahren in der Praxis immer wieder auf begreiflichen
Widerstand.
-
Es wurde gefunden, daß eine mit Jod imprägnierte Aktivkohle die Oxydation
von Schwefelwasserstoff mit Luft noch viel besser beschleunigt als die Anwesenheit
von Alkali auf der Aktivkohle oder von Ammoniak in der zu reinigenden Abluft.
-
Hinzu kommt, daß überraschenderweise an einer Jod enthaltenden Aktivkohle
die über den elementaren Schwefel hinausführenden Folgereaktionen und die Zersetzung
des Schwefelkohlenstoffes ausbleiben.
-
Aus der deutschen Auslegeschrift 1 139 817 ist ein Verfahren zur
Herstellung von Schwefelsäure aus schwefeldioxydhaltigen Gasen bekanntgeworden,
in welchem Schwefeldioxyd und Sauerstoff enthaltende Gase in Gegenwart von Wasser
bei Temperaturen zwischen 30 und 1000 C an mit Jod behandelter und bei höheren Temperaturen
aktivierter Kohle umgesetzt wird. Nach diesem Verfahren kann auch aus Gasen mit
geringen Gehalten an Schwefeldioxyd von weniger als 8 Volumprozent noch in wirtschaftlicher
Weise Schwefelsäure hergestellt werden.
-
Demgegenüber mußte es überraschen, daß die Oxydation des Schwefelwasserstoffes
auch bei dem hohen Sauerstoffüberschuß, der in industrieller Abluft stets gegeben
ist, beim elementaren Schwefel stehenbleibt, so daß keine Bildung von Schwofeloxyden,
die sofort zur Bildung von Schwefelsäure führen würde, eintritt.
-
Eine Erklärung dafür ist nicht einfach zu geben.
-
Man darf sich aber vorstellen, daß die Bildung des elementaren Schwefels
äußerst rasch erfolgt und in einem sehr engbegrenzten Bereich die Oberfläche der
Kohle so weit blockiert, daß für eine weitere Oxydation keine Zeit und kein Platz
bleibt. Die Schwefelwasserstoffoxydation wird von dem auf der Aktivkohle vorhandenen
Jod auch dann noch hinreichend beschleunigt, wenn die Aktivkohle mit mehr als 80
Gewichtsprozent, bezogen auf ihr Gewicht, mit Schwefel beladen ist.
-
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Abscheidung von Schwefelwasserstoff
aus solchen enthaltenden Gasgemischen in Gegenwart von Sauerstoff und Feuchtigkeit
an Aktivkohle unter Umwandlung in elementaren Schwefel.
-
Das erfindungsgemäße Verfahren ist dadurch gekennzeichnet, daß eine
jodhaltige Aktivkohle verwendet wird.
-
Der Jodgehalt der Aktivkohle beträgt zweclçmäßig 0,1 bis 0,3 Gewichtsprozent,
vorzugsweise 0,5 bis 1 Gewichtsprozent, als elementares Jod berechnet.
-
Dieser Jodgehalt kann durch Aufsublimieren von Jod auf die Aktivkohle,
durch Adsorption von Joddampf, z. B. aus einem Trägergas, an der Aktivkohle, durch
Erhitzen der Kohle mit Jod oder durch Tränken oder Besprühen der Aktivkohle mit
einer Lösung von Jodjodkalium (KJ8) erzielt werden. Zur Ausfüh-
rung des erfindungsgemäßen
Verfahrens eignen sich aus verschiedenen Rohmaterialien hergestellte körnige Aktivkohlen.
Als besonders wirksam hat sich eine Aktivkohle mit einer Oberfläche von 1000 m2/g
(nach Brunnauer, Emmet und Teller, »BET«) und dem häufigsten Porenradius von 7 bis
8 Ä bei einer Korngröße von 3 bis 4 mm erwiesen.
-
Das erfindungsgemäße Verfahren kann bei Temperaturen zwischen Umgebungstemperaturen
und etwa 1200 C ausgeführt werden. Zweckmäßig werden Temperaturen zwischen 50 und
1000 C gewählt. Die Feuchtigkeit des zu behandelnden Gases ist von geringem Einfiuß
auf den Reaktionsverlauf. Viskoseabluft mit einem Taupunkt von 450 kann noch ohne
Einschaltung besonderer Kondensationsanlagen behandelt werden.
-
Die Ausführung des erfindungsgemäßen Verfahrens kann in den herkömmlichen
Adsorptionsanlagen erfolgen, in denen eine Regenerationsanlage mit einer Extraktion
des elementaren Schwefels von der Aktivkohle vorgesehen ist. Die Extraktion kann
in bekannter Weise mit Schwefelkohlenstoff erfolgen, -wobei bemerkenswert der Jodgehalt
der Aktivkohle kaum verändert wird, obwohl Schwefelkohlenstoff als gutes Lösungsmittel
für Jod bekannt ist. Zur Abscheidung von Schwefelwasserstoff und Schwefelkohlenstoff
aus der Abluft der Viskose verarbeitenden Industrie durch Adsorption an Aktivkohle
können zwei hintereinandergeschaltete Adsorber verwendet werden, von denen der erste
die mit Jod imprägnierte Aktivkohle enthält. Der zweite Adsorber kann mit einer
normalen, für Schwefelkohlenstoff besonders aufnahmefähigen Aktivkohle gefüllt sein.
In einer solchen Anlage zur Abluftreinigung werden zweckmäßig mehrere Einheiten
der beiden Adsorberarten vorgesehen, die abwechselnd in der Beladung und der Regeneration
stehen. Durch Umschalten kann dann jeweils an der Beladungsgrenze angelangter Adsorber
in bekannter Weise gegen einen regenerierten Adsorber ausgetauscht werden, so daß
sich ein kontinuierlicher Betrieb ergibt.
-
Die Oxydation des Schwefelwasserstoffes und die Adsorption des Schwefelkohlenstoffes
können jedoch auch in einem einzigen Adsorber vorgenommen werden. Der Adsorber kann
eine untere Schicht jodhaltiger Aktivkohle und eine obere Schicht handelsüblicher,
für Schwefelkohlenstoff besonders aufnahmefähiger Aktivkohle enthalten.
-
Zweckmäßig wird jedoch der Adsorber einheitlich mit jodhaltiger Aktivkohle
gefüllt. Die Aktivkohleschicht wird dann in bekannter Weise in zwei für sich regenerierbare
Schichten unterteilt. Die zu reinigende Abluft wird von unten nach oben durch die
Aktivkohle geführt. Die untere Aktivkohleschicht wird nach Erreichung der Beladungsgrenze
wiederholt mit Schwefelkohlenstoff von unten her überflutet und danach mit Dampf
ausgeblasen. Die obere Schicht wird durch Aus dämpfen von oben nach unten in bekannter
Weise regeneriert. Ein die beiden Schichten trennender Zwischenboden mit seitlichen
Ableitungen kann in der optimalen Höhe, die sich aus der Zusammensetzung der zu
reinigenden Abluft ergibt, angeordnet sein.
-
Bei der Feinreinigung von Synthesegas werden schon mit geringer Schichthöhe
der jodhaltigen Aktivkohle, z. B. von 50 cm, Schwefelwasserstoffrestgehalte von
weniger als 1 ppm erreicht. Das erfindungsgemäße Verfahren kann auch zur Entfernung
organischer
Schwefelverbindungen aus Synthesegasen verwendet werden, indem die organischen Schwefelverbindungen
zunächst katalytisch hydriert werden und sodann der dabei gebildete Schwefelwasserstoff
an der jodhaltigen Aktivkohle zu Schwefel oxydiert wird.
-
Zur weiteren Erläuterung der Erfindung mögen die folgenden Beispiele
dienen.
-
Beispiel 1 Leuchtgas mit einem Gehalt von 20 bis 80 mg H2S/m3 wurde
bei 80 bis 1200 C über eine mit 0,5 bis 1 0/o Jod vorbehandelte körnige Aktivkohleschicht
von 50 cm Schütthöhe bei einer Strömungsgeschwindigkeit von 8 bis 10 cm/sec geleitet.
Nach einer Schwefelaufnahme der Aktivkohle von etwa 25 0/o lag der Durchbruch an
H2S noch unter 1 ppm, entsprechend einem Gasdurchsatz von 5000 m3/kg Aktivkohle.
-
Bei vergleichsweise angewandter, mit Alkali (etwa 1 bis 2 0/o K2CO3)
vorbehandelter Aktivkohle erfolgte der Durchbruch bereits bei Schwefelaufnahmen
von 3,6 0/o und bei unbehandelter Aktivkohle schon bei 1,9 0/o. Der Taupunkt des
Gases lag bei allen Versuchen bei etwa 250 C; der Sauerstoffgehalt des Leuchtgases
betrug 0,2 Volumprozent.
-
Beispiel 2 Viskoseabluft mit einem Gehalt an 1 g H2S/m3 und einem
Taupunkt entsprechend 200 C wurde bei 500 C über eine mit 10/0 Jod imprägnierte
körnige Aktivkohleschicht von 50 cm Schütthöhe geleitet. Bis zum Durchbruch von
1 mg H2S/m3 betrug die Schwefelaufnahme der Aktivkohle 1000/o, entsprechend einem
Gasdurchsatz von 900 m3/kg Aktivkohle. Der durch-
gesetzte Schwefelwasserstoff wurde
zu 99 0/o zu Elementarschwefel oxydiert.
-
Bei vergleichsweise angewandter, mit Alkali (7,4 O/o NaOH) vorbehandelter
Aktivkohle erfolgte der Durchbruch bereits bei Schwefelaufnahmen von etwa 250/0.
Bei vergleichsweiser Anwendung von nicht imprägnierter Aktivkohle, jedoch Zudosierung
von 0,010/o Ammoniak zur Abluft, erfolgte der Durchbruch bei einer Schwefelaufnahme
von etwa 65 O/o.
-
Bei der mit Jod imprägnierten Aktivkohle traten die für die Alkalisierung
beschriebenen störenden Nebenreaktionen nicht auf.