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Verfahren zur Gewinnung von Isobutylen aus Kohlenwasserstoffgemisehen
Bekanntlich lassen sich tertiäre Olefine durch Umsetzen mit Säuren oder sauer reagierenden
Verbindungen aus Kohlenwasserstoffgemischen abtrennen. Verfahren dieser Art kommen
vor allem bei Gemischen in Betracht, die aus Kohlenwasserstoffen mit gleicher Anzahl
von Kohlenstoffatomen im Molekül bestehen, in ihren physikalischen Eigenschaften
weitgehend übereinstimmen, einen engen Siedebereich haben und sich deswegen durch
Destillation nicht oder nur schwierig und unvollkommen trennen lassen. Maßgebend
für die Auswahl der Säure oder der sauer reagierenden Verbindung, mit deren Hilfe
tertiäre Olefine abgetrennt werden sollen, sind die Selektivität und die Vollständigkeit
der Umsetzung sowie die Art und Verwendbarkeit der Umsetzungsprodukte. Im Falle
einer Wiedergewinnung der tertiären Olefine sind die Säuren oder sauer reagierenden
Verbindungen bevorzugt, deren Umsetzungsprodukte besonders leicht in die Kotnponenten
zurückgeführt werden können. Das wichtigste Beispiel dieser Art ist die Abtrennung
des Isobutylens aus Gemischen mit Butan, Buten-1, Buten-2 undloder Butadien, wie
sie in Form der C4-Fraktionen bei Crack- und Dehydrierungsprozessen anfallen. Es
ist bekannt, daß man Isobutylen mittels Chlorwasserstoff, auch in Form von Salzsäure,
oder mittels Schwefelwasserstoff abtrennen kann. Die dabei entstehenden Umsetzungsprodukte,
nämlich tertiär-Butylchlorid bzw. tertiär-Butylmercaptan, sind thermisch relativ
beständig und benötigen zur Rückspaltung hohe Temperaturen, die im allgemeinen über
2000 C, meist bei 400a C liegen müssen, um zufriedenstellende Ergebnisse zu erzielen.
Da außerdem die Verwendbarkeit dieser Produkte relativ begrenzt ist, haben diese
Verfahren bisher keine nennenswerte Bedeutung erlangt. Aus diesem Grunde wurde bisher
zur Abtrennung von Isobutylen und auch anderer tertiärer Olefine Schwefelsäure verwendet.
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Verfahren dieser Art sind in zahlreichen Patentschriften beschrieben
worden. Sie bestehen darin, daß man Isobutylen durch Absorption in überschüssiger,
mittelkonzentrierter Schwefelsäure abtrennt, wobei als primäres Umsetzungsprodukt
tertiär-Butylsulfat entsteht. Durch Verdünnen der Absorptionslösung mit Wasser und/oder
Erwärmen lassen sich tertiär-Butanol oder Isobutylen bzw. dessen Polymere oder deren
Gemische gewinnen. Die mit verdünnter Schwefelsäure arbeitenden Verfahren haben
im all gemeinen den Nachteil, daß die Absorption des Isobutylens nicht selektiv
ist und bei Nichtbeachtung bestimmter Konzentrationsverhältnisse, die jeweils von
der Art und Zusammensetzung der Kohlenwasserstoffgemische abhängen, auch andere
Olefine, wie Butadien und Buten-1, in der Schwefelsäure gelöst werden bzw. mit dieser
in Reaktion treten. Ferner wirkt sich nachteilig aus, daß die verwendete Schwefelsäure
verlorengeht oder aufkonzentriert werden muß, was umständlich ist und besondere
Kosten verursacht. Es ist weiter bekannt, daß sich Olefine mit Carbonsäuren in Gegenwart
stark saurer Katalysatoren zu Carbonsäurealkylestern umsetzen.
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Zur selektiven Umsetzung tertiärer Olefine, insbesondere des Isobutylens,
die im Gemisch mit anderen primären und sekundären Olefinen vorliegen, sind stark
saure Katalysatoren jedoch wenig geeignet, da hierbei unerwünschte Nebenreaktionen,
wie Polymerisationen und/oder die Bildung anderer Carbonsäurealkylester, auftreten
können. Schließlich ist bereits vorgeschlagen worden, tertiäre Olefine aus Kohlenwasserstoffgemischen,
die noch primäre und sekundäre Olefine enthalten, durch Umsetzen mit Carbonsäuren
zu Carbonsäure-tertiär-alkylestern in Gegenwart von Polyphosphorsäure selektiv abzutrennen.
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Es wurde nun gefunden, daß man Isobutylen aus Kohlenwasserstoffgemischen,
die Isobutylen und gegebenenfalls primäre ubnd sekundäre Olefine enthalten, durch
Behandlung mit einer Carbonsäure in Gegenwart von Polyphosphorsäure, wobei das Mischungsverhältnis
dieser Säuren zwischen 10 :1 und 1:10 liegt, bei Temperaturen zwischen -2o und t150
C, Drücken zwischen 0,2 und 25 at und anschließender thermischer Zerlegung des gebildeten
Esters vorteilhaft gewinnen kann, wenn man den rohen Carbonsäure-tertiär-butylester
durch Erhitzen auf 50 bis 1500 C zerlegt.
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Bei dieser Verfahrensweise setzt sich nur im Gemisch enthaltenes
Isobutylen mit der Carbonsäure unter Esterbildung um, während primäre oder sekundäre
Olefine nicht verändert werden. Der anfallende
Rohester, der in
der Regel nicht umgesetzte Carbonsäure und geringe Mengen Phosphorsäure enthält,
läßt sich unter den angegebenen Bedingungen glatt in die Ausgangskomponenten zerlegen.
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Dieser Befund ist überraschend. Es ist zwar bekannt, daß sich Carbonsäure-tertiär-alkylester
thermisch oder auch durch Einwirkung starker Säuren in Carbonsäure und Isobutylen
zerlegen lassen, es war jedoch nicht vorauszusehen, daß der entstehende rohe Carbonsäure-tertiär-butylester
ohne Zusatz einer starken Säure bei nur mäßig erhöhter Temperatur gespalten wird,
ohne daß sich Di- und/oder Trimere des Isobutylens bilden.
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Als Polyphosphorsäure bevorzugt man Gemische aus Orthophosphorsäure
mit einem Gehalt von etwa 50 bis 850/0 an Diphosphorpentoxyd.
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Als Carbonsäuren sind Ameisensäure, Essigsäure, Propionsäure und
andere in Polyphosphorsäure »leichtlösliche Carbonsäuren« bevorzugt. Die Carbonsäure
wird im Gemisch mit der Polyphosphorsäure angewendet und im nachfolgenden als »Kontakt«
bezeichnet. Das erfindungsgemäße Verfahren bietet somit die Möglichkeiten der selektiven
Abtrennung von Isobutylen, wobei die bei der Spaltung des Carbonsäure-tertiär-butylesters
frei werdende Carbonsäure dem Prozeß wieder zugeführt, also im Kreise geführt werden
kann.
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Bei der Ausführung des erfindungsgemäßen Verfahrens ist es vorteilhaft,
Kohlenwasserstoffgemisch und Kontakt möglichst gut zu mischen und dafür zu sorgen,
daß eine Temperatur von vorzugsweise +100 C nicht überschritten wird. Oberhalb dieser
Temperatur findet zwar ebenfalls eine weitgehende Abtrennung des Isobutylens aus
dem Kohlenwasserstoffgemisch statt, aber es erfolgt hierbei mit steigender Temperatur
eine zunehmende Polymerisation, während bei Temperaturen unterhalb +100 C praktisch
keine Polymeren beobachtet werden.
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Die Durchmischung von Kontakt und Kohlenwasserstoffgemisch kann auf
beliebige Weise erfolgen, beispielsweise in Rührkolben oder -kesseln, in çSchwingsäulen«,
Mischpumpen oder in einer gegebenenfalls mit Füllkörpern beschickten Kolonne durch
Umlaufführung im Gleich- oder Gegenstrom.
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Um den Reaktions- oder Kontaktraum möglichst klein zu halten, ist
es zweckmäßig, die Kohlenwasserstoffe in flüssiger Form, gegebenenfalls unter erhöhtem
Druck, einzusetzen. So ist es beispielsweise zweckmäßig, die bei thermischen und
katalytischen Crackverfahren anfallende C4-Fraktion, die neben Isobutylen und Butadien,
Buten-l, Buten-2, Butan und geringe Mengen C3- und Cs-Kohlenwasserstoffe enthält,
bei Drücken von 2,5 bis 25 at, vorzugsweise bei 2,5 bis 5 at, einzubetzen.
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Die Spaltung der entstehenden rohen Carbonsäuren-tertiär-alkylester,
- die sich zusammen mit den nicht umgesetzten und unveränderten Kohlenwasserstoffen
als spezifisch leichtere Schicht aus dem Kontakt ausscheiden und von diesem abgetrennt
werden können, läßt sich in einer beheizten, gegebenenfalls mit Füllkörpern beschickten
Destillationskolonne leicht durchführen.
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Die Vorteile des erfindungsgemäßen Verfahrens gegenüber den bisher
bekannten, besonders den mit Schwefelsäure arbeitenden Verfahren sind vielfältig.
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Ein besonderer Vorteil ist die schon erwähnte, auf die Abtrennung
von Isobutylen beschränkte Selektivität des Verfahrens.
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Ein weiterer Vorteil besteht darin, daß der bei der Umsetzung entstehende
Carbonsäure-tertiär-butylester im Kontakt praktisch unlöslich ist und sich auf Grund
des unterschiedlichen spezifischen Gewichts leicht von diesem abtrennt. Mit einer
einmal vorgelegten Kontaktmenge kann man daher beliebige Mengen an Kohlenwasserstoffgemisch
umsetzen, vorausgesetzt, daß das Kohlenwasserstoffgemisch ausreichend rein und weitgehend
frei von Feuchtigkeit ist.
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Ein erwähnungswerter Vorteil ist ferner, daß zum Zwecke der Rückgewinnung
des Isobutylens der rohe Carbonsäure-tertiär-butylester bereits bei schwachem Erwärmen
in tertiäres Olefin und Carbonsäure zerfällt und die im Rohester in geringer Menge
gelöste Phosphorsäure zur Katalyse dieser Spaltreaktion ausreicht.
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Das erfindungsgemäße Verfahren ist somit nicht nur diskontinuierlich,
sondern besonders kontinuierlich leicht durchzuführen.
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Im übrigen stellen die Carbonsäure-tertiär-butylester wertvolle Produkte
dar, die z. B. als Lösungsmittel und Zwischenprodukte mannigfaltige Verwendung finden.
Tertiär-Butylacetat spielt bekanntlich auch als Treibstoffzusatz zur Erhöhung der
Octanzahl eine hervorragende Rolle.
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Beispiel 1 Eine senkrecht stehende Kolonne von 601Inhalt aus einer
rostfreien Stahllegierung, die mit einem Kühlmantel und im unteren Teil mit einer
Vorrichtung zur Umlaufführung des Kontaktes versehen ist, wird mit 60 kg eines Gemisches
von Polyphosphorsäure (P2O5-Gehalt 85 0/o und Essigsäure im Gewichtsverhältnis 1
: 2,5 gefüllt. Bei einer durchschnittlichen Reaktionstemperatur von 5 bis 70 C und
einem Druck von 5 at werden in das untere Ende der Kolonne stündlich 10,5 kg C4-Gemisch,
4,4 kg Essigsäure und 0,22 kg Polyphosphorsäure eindosiert und gleichzeitig der
Kontakt sowie ein Teil der Reaktionskomponenten im Umlauf geführt. Das entstandene
tertiär-Butylacetat, nicht umgesetzte C4-Kohlenwasserstoffe sowie ein Teil der Essigsäure
sammeln sich als obere Phase im Kopf des Reaktionsgefäßes an und werden über ein
Überlaufgefäß entspannt. Dabei werden durchschnittlich pro Stunde 7,15 kg Abgas
und 7,8 kg flüssiges Reaktionsprodukt erhalten, das aus etwa 57 0/o tertiär-Butylacetat,
20/0 Phosphorsäure, 26 0/o Esigsäure und 15 O/o gelösten Kohlenwasserstoffen besteht.
Die Zusammensetzung des eingesetzten und des umgesetzten C4-Gemisches geht aus folgender
Tabelle hervor.
C4-Einsatz I C4-Abgas |
Volumprozent |
Isobutylen.. . 21 bis 24 1 bis 3 |
Butadien . . . 32 bis 35 41 bis 44 |
n-Buten-1 . . .. 24 bis 28 31 bis 33 |
n-Buten-2 (cis und trans) 8 bis 10 10 bis 13 |
Butan . 6 bis 10 9 bis 11 |
C3- und C5-Kohlenwasser- |
stoffe .... etwa 1 etwa 1,5 |
Der Isobutylenumsatz war nach 700 Betriebsstunden noch unverändert.
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Beispiel 2 Der im Beispiel 1 beschriebenen, mit 60 kg Kontakt (Polyphosphorsäure
und Essigsäure im Gewichtsverhältnis 1 : 2,5) beschickten Kolonne werden bei einer
durchschnittlichen Reaktionstemperatur von +70 C und einem Druck von 5 at stündlich
9,6 kg einer C4-Fraktion mit einem Isobutylengehalt von 21Volumprozent zugeführt.
Die Entspannung der im Reaktor gebildeten oberen Phase ergibt stündlich 6,5 kg Abgas.
Die im Rohester gelösten Kohlenwasserstoffe werden bei 400 C und 60 bis 80 Torr
abgezogen, wobei weitere 1,3 kg C4-Abgas pro Stunde erhalten werden. Das entgaste
Reaktionsprodukt wird anschließend in einer auf 1200 C erwärmten, mit Rückflußkühler
versehenen Füllkörperkolonne bei Normaldruck gespalten, wobei stündlich etwa 1,7
kg Isobutylen mit einem Reinheitsgrad von 98 bis 100/o gewonnen werden. Die gleichzeitig
entstehende Essigsäure, die 2 bis 3 0/o Phosphorsäure enthält, wird der Reaktionskolonne
kontinuierlich wieder zugeführt.
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Nach 800 Betriebsstunden war der Isobutylenumsatz noch unverändert.