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Verfahren zum Abtrennen von Cyanwasserstoff aus Lösungen von Acetaldehyd
und Cyanwasserstoff in Wasser Es ist bekannt, in essigsaurer Lösung hoch= prozentige
wäßrige Lösungen von Acetaldehyd und Blausäure, wie sie z. B. durch destillative
Spaltung von Milchsäurenitril in wäßriger Lösung entstehen kann, durch fraktionierte
Destillation aufzuarbeiten. Eine einwandfreie Trennung der Komponenten ist aber
durch das nahe Beieinanderliegen der Siedepunkte von Cyanwasserstoff (26°C) und
Acetaldehyd (21'C) und durch die Bildung eines azeotropen Gemisches von 59,8 Molprozent
Cyanwasserstoff und 40,2 Molprozent Acetaldehyd mit einem Siedepunkt von 27,9°C
bei 700 mm Hg sehr schwierig durchzuführen.
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Es ist bekamit, daß Acetaldehyd in Gegenwart von starken Säuren zu
Paraldehyd trimerisiert. Diese Reaktion ist reversibel, so daß Paraldehyd schon
durch einfaches Erhitzen, auch in wäßriger Lösung und in erhöhtem Maße in Gegenwart
von Schwefelsäure zu Acetaldehyd depolymerisiert wird.
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Es wurde nun gefunden, daß man aus einer Lösung von Acetaldehyd und
Cyanwasserstoff mit höchstens 50% Wasser den Cyanwasserstoff durch destillative
Behandlung im sauren Milieu einwandfrei abtrennen kann, wenn in der Blase das Gleichgewicht
zwischen Acetaldehyd und Paraldehyd zugunsten des Acetaldehyds und in der Kolonne
zugunsten des Paraldehyds verschoben wird.
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Das Verfahren der Erfindung zum Abtrennen von Cyanwasserstoff aus
Lösungen von Cyanwasserstoff und Acetaldehyd in Wasser mit einem Wassergehalt von
höchstens 50 Gewichtsprozent durch fraktionierte Destillation ist dadurch gekennzeichnet,
daß aus der mit einer Kolonne versehenen Destillationsblase in Gegenwart von bei
Reaktionsbedingungen nicht flüchtiger starker Säure bei einer Temperatur von 35
bis 80°C, besonders bei etwa 55°C, und einem pH-Wert von 0,1 bis 0,5, besonders
etwa 0,3, ein azeotropes Gemisch aus Cyanwasserstoff und Acetaldehyd in die Kolonne
abdestilliert, in der Kolonne in Gegenwart von bei Reaktionsbedingungen nicht flüchtiger
starker Säure der Acetaldehyd laufend zu Paraldehyd trimerisiert und als Rücklauf
in die Blase zurückgeführt wird, während der reine Cyanwasserstoff am Kopf der Kolonne
abgezogen wird.
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In Ausübung der Erfindung wird das Verhältnis der in ihren Siedepunkten
nahe beieinanderliegenden Stoffe Acetaldehyd und Cyanwasserstoff durch Trimerisation
des Acetaldehyds zu Paraldehyd während der Fraktionierung im Sinne der Vergrößerung
des Cyanwasserstoffanteiles verändert. Es wird also dem Destillationsvorgang ein
Polymerisationsvorgang übergelagert und dadurch die fraktionierte Destillation äußerst
wirksam unterstützt.
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Bei der fraktionierten Destillation spielt sich folgender Vorgang
ab Durch Ansäuern der wäßrigen Ausgangslösung wird der Acetaldehyd zu Paraldehyd
trimerisiert, wobei sich zwischen Mononieren und Trimeren ein stark auf der Seite
des Paraldehyds liegendes Gleichgewicht einstellt. Beim Erwärmen der Lösung wird
das Gleichgewicht mehr auf die Seite des Acetaldehyds verschoben und ein Gemisch
Cyanwasserstoff-Acetaldehyd in azeotropem Verhältnis abgetrieben. Im unteren Teil
der Kolonne wird in Gegenwart einer starken Säure der Acetaldehyd, des azeotropen
Gemisches im Verhältnis des Gleichgewichtes Paraldehyd-Acetaldehyd trimerisiert.
Der noch vorhandene Acetaldehyd wird mit dem Cyanwasserstoff höher in die Kolonne
getrieben und wird laufend entsprechend dem Gleichgewicht zu Paraldehyd trimerisiert,
so daß am Kolonnenkopf reiner Cyanwasserstoff abgezogen werden kann. Der laufend
entstehende Paraldehyd fließt als Rücklauf in die Blase zurück. Der bei der Destillation
aus der Blase abgetriebene Acetaldehyd wird entsprechend dem Gleichgewicht durch
Depolymerisation von Paraldehyd nachgebildet.
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Das Ansäuern der wäßrigen Ausgangslösung mit einem beliebigen Verhältnis
von Acetaldehyd zu Blausäure und einem Wassergehalt von höchstens
50
Gewichtsprozent, z. B. 5 bis 20 Gewichtsprozent, erfolgt mit bei Reaktionsbedingungen
nicht flüchtiger starker Säure, z. B. Schwefelsäure oder Phosphorsäure, auf einen
pH-Wert von 0,1 bis 0,5, vorzugsweise etwa 0,3. Durch Einstellen der Ausgangslösung
auf einen pH-Wert von 0,1 bis 0,5 wird nicht nur das Gleichgewicht Paraldehyd-Acetaldehyd
eingestellt, sondern auch eine eventuelle Milchsäurenitrilrückbildung unterdrückt
und darüber hinaus auch das Abtreiben des Cyanwasserstoffs gefördert.
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Die fraktionierte Destillation der wäßrig-sauren Ausgangslösung findet
zweckmäßig in einer Anlage statt, welche aus einer Blase besteht, die mit einer
mit Füllkörpern, z. B. aus Glas, Porzellan, Keramik, rostfreiem Stahl oder auch
aus gekörnter Aktivkohle oder Bimssteinkörner versehenen Kolonne ausgestattet ist.
Am oberen Ende der Kolonne ist eine Berieselungsanlage angeordnet, durch welche
starke Säure in die Kolonne tropft. Die Kolonnenf`üllkörper sollen immer mit einem
Säuremantel versehen sein. Der Säurezufluß über die Berieselungsanlage wird so geregelt,
daß pro Mol Acetaldehyd 0,001 bis 0,1 Mol starke Säure, z. B. Schwefelsäure oder
Phosphorsäure, zutropft. Es ist zweckmäßig, die Schwefelsäure in einer Konzentration
von 10 bis 30% und Phosphorsäure in einer Konzentration von 20 bis 40% anzuwenden.
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Als Kolonnenfüllkörper können auch stark saure lonenaustauscher in
der Wasserstofform verwendet werden. Eine regelmäßige Berieselung mit starker Säure
ist dann nicht mehr erforderlich. Die Reaktivierung des Ionenaustauschers wird periodisch,
z. B. durch Zugabe von Schwefelsäure, erfolgen.
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Die Kolonne wird unter Rückflußbedingungen betrieben, wobei die Temperatur
im Sumpf im Bereich von 35 bis 80°C, vorzugsweise bei etwa 55'C, liegt. Die Temperatur
am Kopf der Kolonne entspricht dem Siedepunkt des Cyanwasserstoffes.
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Das Verfahren kann bei vermindertem oder erhöhtem Druck, zweckmäßig
aber bei Atmosphärendruck oder leicht darüber, z. B. bis etwa 2 atü, ausgeführt
werden. Beim Arbeiten in den vom Atmosphärendruck abweichenden Druckgebieten sind
die obengenannten Temperaturbedingungen dem jeweiligen Druck anzupassen. Beispiel
1 In einen 500-cm3-Glaskolben, der durch einen Pilzmantel beheizt wird und an dem
eine mit Füllkörpern versehene Kolonne von 1 m Länge und 25 mm Durchmesser angeschlossen
ist, leitet man über eine Pumpe am Fuß der Kolonne stündlich 212 g einer Lösung
folgender Zusammensetzung: 65 g Cyanwasserstof, 105 g Acetaldehyd, 40 g Wasser,
2 g H2S04. Gleichzeitig läßt man am Kopf der Kolonne stündlich 1 cm3 20%ige Schwefelsäure
(0,002 Mol) auf den Füllkörper tropfen. Am Kopf der Kolonne destilliert bei 23 bis
24°C und 700 mm Hg (Atmosphärendruck am Betriebsort etwa 690 mm Hg), bei einem automatisch
geregelten Rückflußverhältnis von 5 : 1, stündlich 59,0 g reiner Cyanwasserstoff
kontinuierlich ab. Aus dem Kolben selbst, in welchem eine Temperatur von etwa 55°C
bei 700 mm Hg herrscht, fließen kontinuierlich pro Stunde 154 g einer Lösung ab,
welche folgende Zusammensetzung hat: 6 g Cyanwasserstoff, 105 g Paraldehyd-Acetaldehyd,
40,8 g Wasser, 2,2 g Schwefelsäure. Der Paraldehyd kann nach der Neutralisation
auf übliche Weise gewonnen werden. Die Ausbeute an technisch reinem Paraldehyd ist
nahezu 100%, die an Cyanwasserstoff über 90%. Beispiel 2 In einen Kolben, an dem
eitle Kolonne mit Rückflußkühler angeschlossen ist, füllt man 1 kg einer wäßrigen
Lösung von Blausäure und Acetaldehyd, wie sie bei der destillativen Spaltung von
Milchsäurenitril anfällt, mit folgender Zusammensetzung: 342 g Cyanwasserstoff,
558 g Acetaldehyd, 100 g Wasser. Der pH-Wert der Lösung wird mit Schwefelsäure
auf 0,1 bis 0,5 eingestellt. Am Kopf der Kolonne läßt man stündlich etwa 1 cm3 20%ige
Schwefelsäure (0,002 Mol) auf die als Füllkörper verwendete Aktivkohle tropfen.
Nach einem geringen acetaldehydhaltigen Vorlauf destilliert hierbei am Kopf bei
einem Rücklaufverhältnis von etwa 5 : 1 und einer Temperatur von 23 bis 24°C bei
etwa 700 mm Hg (Atmosphärendruck am Betriebsort etwa 690 mm Hg) reiner Cyanwasserstoff
in einer Menge von 70 g/h ab. In der Blase sammeln sich die Schwefelsäure und der
aus dem Acetaldehyd gebildete Paraldehyd an. Die Temperatur in der Blase steigt
gegen Ende der Reaktion auf 70 bis 80°C an. Nach der Neutralisation der Säure kann
der Paraldehyd in gewohnter Art rein gewonnen werden. Die Ausbeute an Cyanwasserstoff
und technisch reinem Paraldehyd liegt jeweils bei etwa 90%, d. h. 310 g Cyanwasserstoff
und 500g Paraldehyd.