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Verfahren zur Herstellung von Gemischen aus Perfluor-und bzw. oder
Perfluorchlorcarbonsäuren Verbindungen, die hauptsächlich aus Kohlenstoff und Fluor
oder Kohlenstoff, Fluor und Chlor bestehen, gewinnen ein steigendes technisches
Interesse. Sie zeichnen sich vielfach durch hervorragende Eigenschaften, wie eine
außerordentliche chemische Stabilität oder hohe Temperaturbeständigkeit, aus. Auch
bringt der Ersatz von Wasserstoff durch Fluor und Chlor in organischen Verbindungen
ganz neue Effekte mit sich, die diesen Verbindungen zusätzliche, bei den wasserstoffhaltigen
Stammverbindungen nicht auftretende Eigenschaften verleihen, und damit erschließt
sich ihnen ein vielseitiges anwendungstechnisches Feld. Sie stellen Kältemittel,
hochwertige Öle und Wachse und hochmolekulare Stoffe dar.
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Von niedermolekularen Stoffen ausgehend, versuchte man bisher, Derivate
dieser Kohlenstofffluorchlorverbindungen, wie Alkohole, Amine. Aldehyde, Ketone,
Äther, Carbonsäuren usw., auf zum Teil sehr umständlichen Wegen herzustellen.
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Unter anderem wurden, z. B. in der USA.-Patentschrift 2 559 629,
sogenannteTelomerisationsreaktionen für die Herstellung perfluorierter Carbonsäuren
vorgeschlagen. die aber den Nachteil haben, daß sie einen erheblichen apparativen
Aufwand bei sorgfältigster Wartung und Kontrolle erfordern. Sie führen zu Gemischen
höhermolekularer Reaktionsprodukte, deren molekulares Verteilungsspektrum stets
sehr breit ist, wodurch der weitaus größte Teil der Ausbeute als nicht verwertbarer
Abfall entfällt.
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Nach der als )>Simons-Verfahrene(bekanntgewordenen elektrochemischen
Herstellungsmethode perfluorierter Carbonsäuren ergeben sich bei der Fluorierung
höhermolekularer Carbonsäuren sei r große Schwierigkeiten.
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So läßt sich die Essigsäure ohne weiteres fluorieren, auch noch die
Propionsäure. Von da ab treten aber schon Schwierigkeiten auf, die mit steigender
Anzahl der Kohlenstoffatome anwachsen. Auch fordert diese Fluorierung einen erheblichen
apparativen Aufwand und personelle Wartung unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen.
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Es wurde nun gefunden. daß man Gemische aus Perfluor- und bzw. oder
Perfluorchlorcarbonsäuren dadurch herstellen kann, daß man Fluor oder Fluor und
Chlor und gegebenenfalls Wasserstoff enthaltende Polymerisate oder Mischpolymerisate,
die »ockerstellen« enthalten, oxydierenden Bedingungen unterwirft. Unter »Lockerstellen«
werden Stellen in den Makromolekülen verstanden, die einem oxydativen Abbau zugänglich
sind.
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Nach dem vorliegenden Verfahren oxydiert man längerkettige Verbindungen,
die durch Polymerisation aus ungesättigten fluor- oder fluor- und chlorhaltigen
Verbindungen
hergestellt wurden und die eine oder mehrere Stellen im Molekül enthalten, die durch
Oxydationsmittel angegriffen werden. Diese angreifbaren Stellen können während des
Polymerisationsvorganges eingebaut sein, oder sie können sekundär erzeugt werden.
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Es werden im folgenden einige Ausführungsformen des erfindungsgemäßen
Verfahrens erläutert.
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Ein Weg besteht z. B. darin, daß man Mischpolymerisate aus wasserstofffreien
Halogenolefinen und wasserstoffhaltigen ungesättigten Verbindungen oxydierenden
Bedingungen unterwirft, wobei an den Wasserstoff gebunden enthaltenden Kohlenstoffatomen
eine Oxydation stattfindet, bei der man über isolierbare oder nicht isolierbare
Stufen entsprechende Perfluor- und Perfluorchlor-Carbonsäure-Gemische erhält.
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Ein solches Mischpolymerisat wird z. B. aus 90 Gewichtsteilen Trifluorchloräthylen
und 10 Gewichtsteilen Vinylacetat erhalten.
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Man kann auch Polymerisate von Olefinen, z. B. des Trifluoräthylens,
oxydieren, da durch die Anwesenheit von Wasserstoff in den Molekülketten einem oxydativen
Abbau zugängliche )>Lockerstellen« vorliegen.
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Ein zweiter Weg besteht z. B. darin, daß man Polymerisate von Halogenolefinen
oder in der Kette weitgehend wasserstofffreie Mischpolymerisate mit verhältnismäßig
reaktionsfähigen Endgruppen oxydierenden Bedingungen unterwirft.
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Ein solches Produkt mit reaktionsfähigen Endgruppen erhält man z.
B. durch Polymerisation von 10 Teilen Trifluorchloräthylen in 90 Teilen Chloroform
unter bekannten Bedingungen. In die Molekülketten sind hier als Endgruppen die Bestandteile
des Chloroforms eingebaut. Diese ermöglichen einen Angriff durch die Oxydationsmittel.
Auch an den Kettenenden eingebaute Katalysatorbruchstücke ermöglichen einen Angriff
durch Oxydationsmittel.
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Ein dritter Weg besteht z. B. darin, daß man langkettige, Doppelbindungen
enthaltende Kohlenstoffhalogenverbindungen, in denen ein erheblicher Teil des Halogens
Fluor sein soll, oder Gemische, in denen solche enthalten sind, oxydierenden Bedingungen
unterwirft.
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Solche Doppelbindungen enthaltende Polymerisate erhält man z. B.
durch Erhitzen von Polytrifluorchloräthylen über seinen Zersetzungspunkt. Dabei
findet ein teilweiser Molekülabbau statt. Das entstehende Abbauprodukt enthält Doppelbindungen,
die einer Oxydation leicht zugänglich sind. Hierbei erhält man im allgemeinen bevorzugt
Gemische aus Perhalogenmonocarbonsäuren. Auch bei Hochtemperatur-Polymerisaten entstehen
vielfach Mischpolymerisate, die angreifbare ungesättigte Verbindungen enthalten.
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Die erfindungsgemäße Oxydation erfolgt mit Verbindungen, in denen
der Sauerstoff unmittelbar oder mittelbar wirkt. Hierfür kommen z. B. in Frage:
Sauerstoff und sauerstoffhaltige Gase, Ozon, Stickoxyde, organische oder anorganische
Peroxyde und Persäuren, Salpetersäure, konzentrierte Schwefelsäure, Permanganate
und Bichromate. Die Reaktion kann durch Katalysatoren bzw. Initiatoren, wie Metallsalze,
in Gang gebracht werden. Ferner kann man vorteilhaft in flüssiger Phase in Gegenwart
von Wasser oder organischen Lösungsmitteln, z. B. Aceton, Tetrachlorkohlenstoff,
Eisessig, arbeiten.
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Man kann nicht in jedem Fall jedes Oxydationsmittel mit gleichem
Erfolg einsetzen, sondern man muß, wie auch bei anderen Oxydationsreaktionen, das
in Frage kommende Oxydationsmittel und die genauen Reaktionsbedingungen, die je
nach den abbaufähigen Stellen (»Lockerstellen«) im Makromolekül verschieden sein
können, durch Versuche ermitteln, um möglichst gute Resultate zu erhalten.
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Das als Ausgangsstoff dienende polymere Material soll zu einem erheblichen
Anteil (im allgemeinen 50 bis 100 0/o) aus einer wasserstofffreien oder verhältnismäßig
geringe Mengen Wasserstoff enthaltenden fluor-oder fluor- und chlorhaltigen Kohienstoffverbindung
mit zwei oder mehr Kohlenstoffatomen aufgebaut sein. Für die Herstellung dieses
Materials kommen z. B. folgende Monomeren in Frage: Trifluoräthylen, Trifluorchloräthylen,
Tetrafluoräthylen, Difluordichloräthylene, Fluorchlorpropene, Perfluorbutadiene.
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Als etwaige zweite oder dritte oder weitere Komponente kommen z.
B. in Frage: Vinylverbindungen, wie Vinylacetat, Acrylsäure, Vinyläther.
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Man erhält bei Polymerisationsreaktionen im allgemeinen Gemische,
die man in günstig gelagerten Fällen in Fraktionen einheitlicher Kettenlänge zerlegen
kann. Bei der erfindungsgemäßen Oxydation geht man im allgemeinen von derartigen
Gemischen aus.
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Besteht das Ausgangsmaterial aus Gemischen von Molekülen verschiedener
Konstitution, so wird unter Umständen bei der Oxydation nur ein Teil der Moleküle
in Carbonsäuren übergeführt. Ein besonders günstiges Ausgangsmaterial für derartige
Oxydationsreaktionen sind die sogenannten Fluorcarbonöle oder Fluorchlorcarbonöle,
die durch Kracken entsprechender Polymerisate oder durch direkte Polymerisation
unter bekannten Bedingungen erhalten werden können.
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Sie enthalten sowohl gegen Oxydationsmittel stabile Anteile als auch
Anteile, die oxydiert werden können.
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Bei der Oxydation fallen daher als Reaktionsprodukte die gewünschten
Carbonsäuren immer im Gemisch mit unverändertem Ausgangsmaterial an.
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Bei der Aufarbeitung erschwert die starke emulgierende Wirkung der
Perfluor- oder Perfluorchlorcarbonsäuren ihre Trennung von den nicht oxydierten
Anteilen.
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Von den obenerwähnten Oxydationsverfahren hat sich nun die Oxydation
mit Permanganat in sodaalkalischer Lösung besonders bewährt. Es stellte sich nämlich
heraus, daß man bei dem üblichen Aufarbeitungsverfahren des bei der Permanganatoxydation
entstehenden Braunsteinschlammes, der durch Reduktion in wasserlösliche Manganverbindungen
übergeführt wird, die bei der Oxydation erhaltenen Fluor- und Fluorchlorcarbonsäuren
von den Ausgangsölen, die sich unter diesen Bedingungen nicht oxydieren lassen,
leicht trennen kann.
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Der bei der Permanganatoxydation anfallende Braunsteinschlamm adsorbiert
nämlich in sodaalkalischer Lösung fast die gesamte Menge an nicht umgesetzten, gesättigten
Fluor- und Fluorchlorcarbonölen, während die gewünschten Fluor- und Fluorchlorcarbonsäuren
in sodaalkalischer Lösung als in Wasser leicht lösliches Natriumsalz sich vom Braunsteinschlamm
abfiltrieren lassen. Diese glatte Trennung von Carbonsäuren und nicht umgesetzten
Fluor- und Fluorchlorcarbonölen war von vornherein nicht zu erwarten. Aus der klaren
sodaalkalischen Lösung lassen sich die Fluor- und Fluorchlorcarbonsäuren mit starken
Mineralsäuren ausfällen und als öl- oder wachsartige Substanzen abtrennen.
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Die erhaltenen Gemische aus Perfluor- und Perfluorchlorcarbonsäuren,
besonders die aus Monocarbonsäuren, besitzen ausgeprägte oberflächenaktive Eigenschaften
und können als Textilhilfsmittel, insbesondere als Netzmittel, Emulgatoren, Waschmittel
und Hilfsstoffe bei Polymerisationen verwendet werden. Ferner sind sie als Weichmacher
und Zwischenprodukte von Bedeutung. Die Dicarbonsäuren können für Polykondensationsreaktionen
eingesetzt werden.
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Aus den erfindungsgemäß erhaltenen Carbonsäuregemischen lassen sich
ihre sämtlichen einfachen Derivate, wie Salze, Ester usw., nach den bekannten Methoden
herstellen.
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Beispiel 1 Das als Ausgangsmaterial verwendete »Fluorchlorcarbonöl«
wird durch thermisches Kracken von Polytrifluorchloräthylen in Gegenwart von Metallen
und Salzen erhalten. Die Analyse einer Fraktion von Kp.5 = 30 bis 150"C gibt folgende
Werte: C = 21 0/ob Cl = 28,6 0/o und F = 49,3 0/o; Hydrierjodzahl über 200.
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In einer Lösung von 40 Gewichtsteilen Kaliumpermanganat und 70 Gewichtsteilen
wasserfreier Soda in 200 Volumteilen Wasser werden bei 65"C innerhalb
3
Stunden unter Rühren 100 Gewichtsteile des »Fluorchlorcarbonöls« eingebracht. Anschließend
wird noch eine weitere Stunde bei 80 bis 90"C C gerührt, das restliche Permanganat
durch Zugabe kleiner Mengen Natriumbisulfit entfärbt und die sodaalkalische Lösung
vom Braunsteinschlamm heiß abfiltriert. Nach mehrmaligem Waschen des Schlammes mit
100/0iger wäßriger Sodalösung wird das klare Filtrat portionsweise mit konzentrierter
Salzsäure versetzt, wobei sich die Fluorchlorcarbonsäure als dickflüssiges Öl unten
absetzt. Nach der Abtrennung im Scheidetrichter werden 76 Gewichtsteile ölartiger
Fluorchlormonocarbonsäure mit einem durchschnittlichen Molekulargewicht von etwa
560 erhalten, die in Alkalien wieder klar löslich ist.
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Aus dem Braunsteinschlamm erhält man durch Zugabe von verdünnter
Salzsäure und wäßriger Natriumbisulfitlösung eine Lösung, in der sich unten ein
farbloses Öl abgesetzt hat.
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Nach dem Abtrennen der wäßrigen Schicht im Scheidetrichter werden
14 Gewichtsteile eines Öls erhalten, das in Alkalien vollständig unlöslich ist und
nicht mehr oxydiert werden kann. Es besteht aus den gesättigten Anteilen des zur
Oxydation eingesetzten Fluorchlorcarbonöls.
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Beispiel 2 In einem V4A-Autoklav werden 50 Gewichtsteile Vinylacetat,
300 Gewichtsteile Trifluorchloräthylen und 3 Gewichtsteile Dibenzoylperoxyd auf
100"C erhitzt. Dabei entsteht ein Druck von 38 at. Nach 15 Stunden wird der Autoklav
geöffnet, und es werden 127 Gewichtsteile eines Mischpolymerisates erhalten, das
gewaschen und getrocknet wird.
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Die Analyse ergibt: F = 29,8 0/, und Cl = 18,7Ozon dies entspricht
einem Mischpolymerisat aus 40 Gewichtsteilen Vinylacetat zu 60 Gewichtsteilen Trifluorchloräthylen.
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Von diesem Mischpolymerisat werden 50 Gewichtsteile mit 200 Gewichtsteilen
59 0/0iger Salpetersäure im offenen Glasgefäß 8 Stunden auf 90"C erhitzt. Das hierbei
entstandene farblose Pulver (9 g) wird abfiltriert und mit Wasser neutral gewaschen.
Es ist in Alkalien klar löslich.
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Die Analyse ergibt: F = 38,4«/o und Cl = 23,6«/«.
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Die erhaltenen Dicarbonsäuren weisen ein durchschnittliches Molekulargewicht
von 1300 auf.
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Beispiel 3 In einem Autoklav aus rostfreiem Cr-Ni-Mo-Stahl wird nach
gründlichem Durchspülen mit Stickstoff und Evakuieren ein Gemisch, bestehend aus
450 g Tetrachlorkohlenstoff und 15 g 1,1 ,2-Trifluor- 1 ,2,2-trichloräthan, eingebracht
und 45 g Trifluorchloräthylen eingedrückt. Der Ansatz wird auf 200 C erhitzt. Der
Druck sinkt hierbei von anfangs 25 at im Verlauf von 15 Stunden auf 18 at. Nach
dem Abkühlen wird der Tetrachlorkohlenstoff abdestilliert und am Schluß das restliche
Lösungsmittel mit Wasserdampf
abgetrieben. Es hinterbleibt ein Produkt von salbenähnlicher
Konsistenz, das im Vakuumtrockenschrank bei 50 C getrocknet wird.
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10 Gewichtsteile des so erhaltenen Produktes werden mit 100 Gewichtsteilen
einer 600/0eigen Salpetersäure 7,5 Stunden auf 90 C erhitzt. Die Stickoxydentwicklung
läßt nach dieser Zeit ganz merklich nach. Nun wird die Oxydationsflüssigkeit vom
wachsartigen Reaktionsprodukt abgegossen und dieses kurz mit Wasser gewaschen. Dieses
Produkt besteht fast ausschließlich aus Monocarbonsäure. Es wird destilliert, wobei
zwischen 100 und 150°C/10 mm eine Fluorchlorcarbonsäure mit einem Molekulargewicht
von etwa 400 übergeht.