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Die Erfindung beschreibt einen Base-Bleed, insbesondere mit einer Base-Bleed Deaktivierung eines Geschosses bzw. einer Munition, insbesondere einer Artilleriemunition.
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Artilleriemunitionen werden in der Regel aus mobilen Waffenrohren verschossen. Die Waffenrohre sind in unterschiedlichen Größen dimensioniert und können aufgrund ihres Gewichts oftmals nur mit Fahrzeugen etc. bewegt werden. Die Artilleriemunition besteht im Wesentlichen aus einem einheitlichen Gefechtskopf (bzw. Geschoss) und einem Zünder. Der Gefechtskopf kann unterschiedlich ausgelegt sein und dementsprechend verschiedene Aufgaben erfüllen, beispielsweise als Spreng-, Leucht- und / oder Nebelmunition. Die Artilleriemunition wird durch eine mehrstufige Treibladung angetrieben. Dabei gibt es unterschiedliche Formen der Treibladung. Die Treibladung ist vom Ladungsgewicht immer variabel auf die jeweilige geforderte Flugbahn einstellbar. Während des Abbrands der Treibladung wird die Artilleriemunition durch die nahezu explosionsartig entstehenden sich schnell expandierenden Verbrennungsgase beschleunigt.
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Für reichweitengesteigerte Geschosse werden neben schlanken Geschosskonturen im Ogivenbereich üblicherweise am Heck montierte Base-Bleeds verwendet. Base-Bleeds bestehen aus pyrotechnischen Sätzen und haben eine definierte Abbrandrate. Die Verbrennungsprodukte des Base-Bleeds verlängern aerodynamisch die Länge des Geschosses, sodass der im Heckbereich des Geschosses auftretende Bodensog stark reduziert wird und insbesondere in tiefen, dichten Luftschichten der Luftwiderstand stark reduziert wird. Die Reichweite eines derartig ausgestatteten Geschosses kann mit Hilfe eines Base-Bleeds somit um einige Kilometer erhöht werden.
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Zur Reichweiteneinstellung eines Geschosses kann dieses am Heck des Geschosses einen Base-Bleed oder einen Hohlboden ohne einen Base-Bleed aufweisen. Um eine Änderungen der Flugcharakteristik des Geschosses zu erreichen, sind diese unterschiedlichen Böden bereitzustellen. Die Bevorratung mit beiden Komponenten bedarf eines gewissen logistischen Aufwands.
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Ein darauf beruhendes Munitionskonzept beschreibt die nicht vorveröffentlichte
DE 10 2017 105 565.7 . Hier wird vorgeschlagen, ein Artilleriegeschoss aus mehreren Bauteilen individuell zusammenzustellen. Dabei können die Reichweite und die Nutzlast ein Kriterium bei der Zusammenstellung des Artilleriegeschosses sein. Nutzlasten als Komponenten bzw. Baukastenteile des Munitionsbaukastens bestimmen die Aufgabe der Artilleriemunition. Zu diesen Nutzlasten zählen insbesondere insensitive Sprengstoffe (IHE), Leucht-, Effekt- sowie Nebelkörper als Wirkkörper (Payload). Teile des Munitionsbaukastens zur Reichweiteneinstellung sind Base-Bleeds und Boat Tails.
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Die
DE 38 19 640 A1 offenbart ein Artilleriegeschoss mit einem topfförmigen Bodenstück, das einen Treibladungssatz zu einer Erhöhung der Reichweite des entsprechenden Geschosses enthält (Base Bleed). Das Bodenstück ist über eine geeignete Verbindung mit der Geschosshülle verbunden.
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Ein Artilleriegeschoss mit wenigstens einer Wirkeinheit wird in der
DE 10 2014 109 077 A1 beschrieben. Das Bodenstück ist topfförmig ausgebildet und heckseitig durch ein lösbares Deckelteil verschlossen. Sofern eine gesteigerte Reichweite des Artilleriegeschosses nicht erforderlich ist, wird anstelle eines Treibladungssatzes in dem Bodenstück eine austauschbare zweite Wirkeinheit angeordnet. Dabei handelt es sich um eine zusätzliche Sprengladung oder neben der Sprengladung um Knall-, Blitz-. Nebel-, Rauchwirkmittel. Diese zweite Wirkeinheit entfaltet ihre Wirkung nach oder bei Aktivierung der ersten Wirkeinheit. So kann die endballistische Wirkleistung im Zielgebiet erhöht werden. Anstelle der zweiten Wirkeinheit kann auch eine Gasgeneratorkomponente eingebunden sein.
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Artilleriegeschosse werden üblicherweise drallstabilisiert verschossen. Die hinter einem Führungsband des Geschosses montierten Anbauteile müssen daher mit einem hohen Drehmoment befestigt werden. Ein hohes Drehmoment muss gegenläufig zum Drall aufgebracht werden. Bei einem Rechtsdrall müssen die Böden mit einem Linksgewinde verschraubt werden. Dieses hohe Drehmoment ist vor Ort, d. h. an der Waffe, kaum realisierbar. Eine kurzfristige Änderung der Flugcharakteristik des Geschosses unmittelbar vor dem Beschuss ist somit nicht durchführbar. Änderungen werden daher in der Regel nur im Depot vorgenommen oder direkt beim Hersteller.
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Eine Alternative ist eine eigens bereitgestellte Montageeinrichtung, mittels der die Änderung umgesetzt werden kann. Derartige Montage-Einheiten, beispielsweise eines 155mm Base-Bleeds mit dazugehörigem Gehäuse, sind jedoch schwer. Eine insbesondere kurzfristige Änderung bzw. Einstellung der Reichweite eines Geschosses ist daher, wenn überhaupt möglich, mit sehr viel Aufwand verbunden.
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Die Erfindung stellt sich daher die Aufgabe, eine Möglichkeit aufzuzeigen, die eine kurzfristige Änderung der Reichweite eines Geschosses auch vor Ort erlaubt.
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Gelöst wird die Aufgabe durch die Merkmale des Patentanspruchs 1. Vorteilhafte Ausgestaltungen sind in den Unteransprüchen aufgezeigt.
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Der Erfindung liegt die Idee eines weiteren Munitionskonzepts zugrunde. Während in der bisherigen Praxis ein Base-Bleed durch einen sogenannten Hohlboden ausgetauscht wurde bzw. wird, sieht das neue Konzept vor, dass jedes Geschoss den Base-Bleed umfasst. Erfindungsgemäß kann dann diese Base-Bleed Funktionalität bei Bedarf ,zugeschaltet‘ und bei Nichtbedarf ,abgeschaltet‘ werden. D.h., die Funktion des Base-Bleeds kann nunmehr vor Ort aktiviert oder deaktiviert werden.
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Ein Geschoss mit Base-Bleed und Base-Bleed Funktion kann eine hohe bzw. größere Reichweite erreichen. Ist hingegen eine geringere Reichweite ausreichend, kann das sonst identische Geschoss mit dem Base-Bleed mit einer jedoch deaktivierten Base-Bleed Funktion verwendet werden. Eine eingeschränkte Fluggenauigkeit der erstgenannten Variante ist dabei akzeptierbar. Die zweitgenannte Variante erzielt hingegen eine gesteigerte Präzision.
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Ein weiterer Vorteil ergibt sich aus der nunmehr geschaffenen Baugleichheit der Geschosse. Bislang sollte ein den Base-Bleed ersetzender Hohlboden aufgrund der notwendigen innenballistischen Gleichheit ebenfalls das identische Gewicht aufweisen. Die bis auf den Heckbereich in der Regel identischen Geschosse waren aufgrund der unterschiedlichen Massenverteilungen und Geometrien des Base-Bleeds oder des Hohlbodens jedoch nur bedingt innen- und außenballistisch vergleichbar. Diese Vergleichbarkeit wird mit dem vorgeschlagenen Konzept erreicht.
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Das Abschalten bzw. Deaktivieren der Base-Bleed Funktion kann erfindungsgemäß durch ein Verschließen des Base-Bleeds realisiert werden. Dazu ist erfindungsgemäß eine Verschlusseinrichtung, auch Deaktivierungsvorrichtung genannt, vorgesehen, die heckseitig den Base-Bleed bedecken bzw. abdecken kann und die im Gebrauch des Geschosses nicht zerstört wird. Für den Fall der Beibehaltung der Base-Bleed Funktion wird hingegen keine Verschlussvorrichtung verwendet.
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Die Verschlusseinrichtung kann in den Base-Bleed eingesetzt werden. Der Base-Bleed umfasst ein Gehäuse zur Aufnahme des vorzugsweise gepressten oder gegossenen pyrotechnischen Satzes und einem Base-Bleed Anzünder.
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Bevorzugt wird eine Schraubverbindung zwischen der Verschlussvorrichtung und dem Gehäuse des Base-Bleeds. Da der Drall für ein drallstabilisiertes Geschoss rechtsläufig ausgelegt ist, weisen die Verschlussvorrichtung und das Gehäuse im Verbindungsbereich ein Linksgewinde auf. Das hat den Vorteil, dass sich beide Bauteile zueinander bei rechtsdrehendem Drall verspannen können. Die Schraubverbindung weist bevorzugt eine bajonettverschlussartige Geometrie auf. Durch eine derartige Geometrie ist die Verschlusseinrichtung schnell ansetzbar und in das Gehäuse einschraubbar.
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Die Verschlussvorrichtung und das Gehäuse des Base-Bleeds sind im Bereich der gegenseitigen Kontaktpunkte (Bajonettverschluss) bevorzugt mit flachen Einlaufschrägen versehen. Das unterstützt ein selbstständiges Festziehen der Verschlussvorrichtung mit dem Gehäuse des Base-Bleeds durch den Drall des Geschosses aufgrund der Massenträgheit der Verschlussvorrichtung.
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Das Gehäuse des Base-Bleeds sollte eine erhabene Dichtkante besitzen, ähnlich einer Hydraulikverschraubung. Diese Dichtkante kann dann für eine gasdichte Abdichtung bei der gegenseitigen Verspannung der Verschlussvorrichtung und dem Gehäuse sorgen.
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Alternativ kann die Verschlussvorrichtung direkt verspannt werden und nicht erst unter Ausnutzung des Dralls des Geschosses. Auch ist eine Montage über eine Presspassung möglich. Eine Montage über einen mit Schrauben versehenen Flansch ist gleichfalls denkbar.
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Das Gehäuse besteht bevorzugt aus hochfestem, vergütetem Stahl. Diese Materialangabe ist jedoch nicht einschränkend. Das Material der Verschlussvorrichtung bzw. Deaktivierungsvorrichtung sollte auf das Material des Gehäuses abgestimmt und darf nicht zerstörbar sein. Das Nichtzerstören ist notwendig, um ein Anzünden des Base-Bleeds zu verhindern. Bei einem Stahlgehäuse kann die Verschlussvorrichtung beispielsweise aus Aluminium bestehen. Dieses Material bietet den Vorteil, dass bei der gegenseitigen Verspannung eine Dichtwirkung aufgrund der Dichtkante des Gehäuses im weichen Aluminium geschaffen wird.
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Die Verschlussvorrichtung besitzt zudem eine Schlüsselfläche. Diese Schlüsselfläche erlaubt das Verbinden der Verschlussvorrichtung mit dem Gehäuse des Base-Bleeds direkt vor dem Beschuss. Die Schlüsselfläche ist bevorzugt auf einen herkömmlichen Schrauben- oder Steckschlüssel abgestimmt, sodass die Verschlussvorrichtung mit einem Schraubenschlüssel etc. in / an das Gehäuse des Base-Bleeds verschraubt werden kann. Andere Möglichkeiten der schnellen Anbindung der Verschlussvorrichtung am / im Gehäuse sind ebenfalls denkbar.
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In einfachster Form kann die Verschlusseinrichtung ein einfach und schnell zu platzierender Dichteinsatz sein, der die vorgenannten Aufgaben der Verschlussvorrichtung erfüllen kann.
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Die in ihrer Reichweite veränderbaren Geschosse besitzen einen nahezu identischen Aufbau, eine nahezu identische Innen- und Außenballistik sowie eine nahezu identische Schwerpunktlage und Trägheitsmomente. Die Materialkosten werden reduziert wie auch der logistische Aufwand. Der modulartige Charakter der Geschosse ermöglicht es dem Benutzer an der Waffe nunmehr auch vor Ort die Flugeigenschaften des Geschosses bzw. der Geschosse auf einfache Art und Weise verändern zu können.
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Vorgeschlagen wird ein Base-Bleed für ein Geschoss, umfassend ein Gehäuse, wobei das Gehäuse zumindest einen pyrotechnischen Satz und einen Anzünder aufnimmt. Ein Deaktivieren des Base-Bleeds wird durch eine Verschluss- bzw. Deaktivierungsvorrichtung erreicht. Dazu wird das Gehäuse mit Hilfe der Verschlussvorrichtung verschlossen. Für das Verschließen weist das Gehäuse eine Verbindungsstelle auf. Die Verbindung wird bevorzugt mittels eines Gewindes hergestellt. Das Gewinde kann ein Bajonettgewinde sein. Die Verschlussvorrichtung weist an ihrer Oberseite eine Schlüsselfläche auf. Dadurch kann die Verschluss- bzw. Deaktivierungsvorrichtung schnell und einfach auf das Gehäuse des Base-Bleeds aufgeschraubt oder von diesem schnell und einfach entfernt werden.
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Anhand eines Ausführungsbeispiels mit Zeichnung soll die Erfindung näher erläutert werden.
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Es zeigt:
- 1 eine Heckansicht eines Geschosses mit einem Base-Bleed nach dem Stand der Technik,
- 2 einen modifizierten Base-Bleed des Geschosses vor der Montage einer Verschlusseinheit,
- 3 eine Darstellung des Base-Bleeds mit montierter Verschlusseinheit aus 2,
- 4 eine alternative Ausführung des Base-Bleeds mit der Verschlusseinheit.
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Die 1 zeigt eine Heckansicht H eines Geschosses 10 einer nicht weiter dargestellten Munition, wie beispielsweise einer Artilleriemunition, nach dem Stand der Technik. Im Heck H des Geschosses 10 ist ein Base-Bleed 11 mit einem pyrotechnischen Satz 2 eingebunden, beispielsweise eingeschraubt. Der Base-Bleed 11 umfasst ein Gehäuse 1 zur Aufnahme des Satzes 2 und eines Base-Bleed Anzünders 3. Beim Abschuss der Munition durch ein nicht näher dargestelltes Waffensystem wird der Anzünder 3 durch die Treibladungsgase entzündet, der seinerseits den Satz 2 zur Wirkung bringt.
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In 2 ist ein modifizierter erfindungsgemäßer Base-Bleed 11' mit modifiziertem Gehäuse 1' dargestellt. Das Gehäuse 1' weist heckseitig eine Verbindungsstelle 9 für eine Verschluss- bzw. Deaktivierungsvorrichtung 12 auf. Im Bereich der Verbindungsstelle 9 kann am Gehäuse 1' eine Dichtkante 1a vorgesehen sein. Die Verbindungsstelle 9 weist zudem ein Gewinde auf, bevorzugt ein Gewinde in Form eines Bajonettverschlusses 1b.
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Die Verschlussvorrichtung 12 kann an ihrer Unterseite Rastnasen 12a der Bajonettverbindung mit dem Gehäuse 1' umfassen. Diese Rastnasen 12a können Einlaufschrägen 12b besitzen. Die Einlaufschrägen 12b dienen zur Unterstützung der Schaffung der Verbindung der Verschlussvorrichtung 12 mit dem Gehäuse 1'. Bevorzugt werden drei Rastnasen 12a, die umfänglich an der Unterseite der Verschlussvorrichtung 12, vorzugsweise symmetrisch verteilt, angeordnet sind. Entsprechend ausgebildet ist dann der Bajonettverschluss 1b des Gehäuses 1'.
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Die Verschlussvorrichtung 12 weist an ihrer Oberseite eine Schlüsselfläche 12c auf. Diese Schlüsselfläche 12c erlaubt eine einfache Befestigung der Verschlussvorrichtung 12 mit dem Gehäuse 1' (3) beispielsweise mit Hilfe eines Schraub- oder einem Steckschlüssels etc. Alternative Gestaltungen einer Ansetzfläche sind jedoch ebenso denkbar.
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3 zeigt die in / an den Base-Bleed 11' angebrachte Verschlussvorrichtung 12. In der einfachsten Ausführung ist die Verschlussvorrichtung 12 ein schnell und einfach einsetzbarer Dichteinsatz.
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4 zeigt eine Alternative zur Verschlussvorrichtung 12 aus 3. Während die Verschlussvorrichtung 12 in etwa scheiben- oder deckelförmig ausgeführt ist, besitzt die Verschlussvorrichtung 12' nach 4 eine topfähnliche Geometrie. Die Verschlussvorrichtung 12' deckt in dieser Variante den Anzünder 3 mit ab. Auch hier kann die Verbindung mit dem Base-Bleed 11 bzw. dem Gehäuse 1' über eine Bajonettverbindung wie in 3 beschrieben geschaffen werden (Nicht näher dargestellt).
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Das Material des Gehäuses 1' kann ein hochfester, vergüteter Stahl sein. Die Verschlussvorrichtung 12, 12' kann ihrerseits aus Aluminium bestehen.
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Soll ein Geschoss 10 mit einer vergrößerten Reichweite verschossen werden, wird keine Verschlussvorrichtung 12, 12' auf das Gehäuse 1' aufgeschraubt. Ist die Verschlussvorrichtung 12, 12' bereits vormontiert, kann diese vom Gehäuse 1' entfernt werden. Wird ein Geschoss 10 mit einer kurzen Reichweite benötigt, kann die Verschlussvorrichtung 12, 12' über die Verbindungsstelle 9 mit dem Gehäuse 1' verbunden werden. Die Verschlussvorrichtung 12, 12' verschließt das Gehäuse 1' heckseitig und verhindert das Zünden des Anzünders 3 sowie die Anzündung des Base-Bleeds 2 durch den Anzünder 3.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102017105565 [0005]
- DE 3819640 A1 [0006]
- DE 102014109077 A1 [0007]