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Die Erfindung betrifft organische Moleküle (Lipidoide) zur Verwendung als Transfektionsmittel sowie deren Herstellung und Verwendung. Insbesondere betrifft die Erfindung eine kombinatorische Eintopf-Synthese einer Lipidoid-Bibliothek durch Thiolacton-Ringöffnung für Gentransport-Anwendungen.
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Effizienter Transport von Nukleinsäuren in Zellen ist in den Bereichen Zellbiologie und Gentherapie von großem Interesse. Trotz großem Forschungsaufwand sind die Transfektionseffizienz und die strukturelle Vielfalt der Vektoren für den Gentransport weiterhin limitiert. Ein besseres Verständnis der Struktur-Funktionsbeziehung dieser Vektoren ist ebenso essentiell für das Design neuartiger und intelligenter Vektoren, welche effizient in schlecht-transfizierbaren Zellen und klinischen in-vivo Anwendungen sind. Die meisten der existierenden Strategien für die Synthese von Vektoren für den Gentransport benötigen mehrfache Schritte und langwierige Prozeduren. Die Erfinder fanden eine einfache Dreikomponentensynthese im Eintopf-Prinzip, durch welche eine kombinatorische Bibliothek von 288 strukturell verschiedenen lipid-ähnlichen Molekülen („Lipidoide“) hergestellt werden konnte. Die Synthese basiert auf der Öffnung eines Thiolacton-Rings. Diese Strategie eröffnet die Möglichkeit, Lipidoide mit hydrophoben Schwänzen herzustellen, welche sowohl ungesättigte Bindungen sowie reduzierbare Disulfid-Bindungen enthalten. Die gesamte Synthese und Aufreinigung sind weder aufwändig noch langwierig, beide können innerhalb weniger Stunden durchgeführt werden. Eine Untersuchung der produzierten Lipidoide in HEK293T-Zellen ohne zusätzliche Hilfslipide resultierte in der Identifizierung hochstabiler Liposome, welche eine hohe Transfektionseffizienz (-95%) bei geringer Toxizität aufwiesen.
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Beschreibung
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung war es, zur Transfektion von Zellen geeignete Moleküle bereitzustellen. Insbesondere sollen Moleküle bereitgestellt werden, die einfach darzustellen sind, wobei das Syntheseverfahren möglichst ohne aufwendige Aufreinigungsschritte auskommen soll.
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Dieses Ziel wird durch die vorliegende Erfindung gelöst.
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Es wird eine extrem simple, schnelle, kosten- und hocheffiziente kombinatorische Synthesemethode mit einem einfachen Aufreinigungsschritt beschrieben. Hierbei wird eine Lipidoid-Bibliothek durch die nukleophile Ringöffnung eines Thiolactons in einer Dreikomponentenreaktion produziert, welche ohne Additive und in einer Eintopf-Reaktion durchgeführt wurde. Zusätzlich wird die latente Thiol-Funktionalität der Thiolactone in dieser Reaktion genutzt. Hierdurch wurde eine Bibliothek von Lipidoiden mithilfe von 26 verschiedenen Bausteinen synthetisiert (1).
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Die Erfindung betrifft ein organisches Molekül (Lipidoid), aufweisend eine oder bestehend aus einer Struktur gemäß Formel 1
mit
R: primäres oder sekundäres Amin, aufweisend eine aliphatische oder cyclische Alkylgruppe mit einer sekundären und/oder tertiären Aminogruppe, wobei R mit dem N-Atom der Aminogruppe an das der Gruppe R benachbarte C-Atom der C=O-Gruppe bindet;
R
1: Alkylgruppe ist mit einer Kettenlänge von C4 bis C18, wobei die Alkylgruppe unverzweigt oder verzweigt ist und optional eine Doppel- oder Dreifachbindung aufweist;
R
2: Alkylgruppe ist mit einer Kettenlänge von C4 bis C18, wobei die Alkylgruppe unverzweigt oder verzweigt ist und optional eine Doppel- oder Dreifachbindung aufweist.
R
1 und/oder R
2 kann also eine, zwei, drei oder mehr Doppel- und/oder Dreifachbindungen aufweisen.
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In einer Ausführungsform des Moleküls ist R ein primäres Amin der Struktur R3-(CH2)2-NH-, wobei das N an das benachbarte C-Atom der C=O-Gruppe in Formel 1 bindet;
wobei R3 ausgewählt ist aus der Gruppe bestehend aus:
- - einem tertiären Amin und
- - einer aliphatischen oder zyklischen Struktur, insbesondere einem Fünf- oder Sechsring, und wobei R3
- - keine aromatische Funktionalität aufweist und
- - als einzige mögliche Heteroatomart Stickstoff aufweist, also außer N kein Heteroatom vorhanden ist.
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Bevorzugt sind die folgenden Ausgestaltungen der erfindungsgemäßen Moleküle:
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Die Erfindung betrifft weiterhin ein Verfahren zur Herstellung des genannten Moleküls, wobei ein Thiolakton als Edukt bereitgestellt wird.
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In einer Ausgestaltung des Verfahrens verläuft die Reaktion nach dem folgenden Reaktionsschema:
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Darin ist:
- R: primäres oder sekundäres Amin, aufweisend eine aliphatische oder cyclische Alkylgruppe mit einer sekundären und/oder tertiären Aminogruppe;
- R1: Alkylgruppe ist mit einer Kettenlänge von C4 bis C18, wobei die Alkylgruppe unverzweigt oder verzweigt ist und optional eine Doppel- oder Dreifachbindung aufweist;
- R2: Alkylgruppe ist mit einer Kettenlänge von C4 bis C18, wobei die Alkylgruppe unverzweigt oder verzweigt ist und optional eine Doppel- oder Dreifachbindung aufweist.
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In einer bevorzugten Ausgestaltung des Verfahrens wird die Reaktion als Eintopfreaktion durchgeführt.
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Die Erfindung betrifft ebenfalls ein Verfahren zur Herstellung eines Liposoms, wobei ein Molekül der oben beschriebenen Art (nach Formel 1) verwendet wird. In einer Ausführungsform des Herstellungsverfahrens wird auf die Verwendung von Phosphatidylethanolamin (DOPE) verzichtet.
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In einer Ausgestaltung des Verfahrens wird in das Liposom eine Nukleinsäure oder ein Nukleinsäurederivat eingeschleust, insbesondere eine DNA, RNA, Interferenz-RNA (RNAi), kleine interferierende RNA (siRNA) oder Plasmid (pDNA) oder ein chemisches Derivat der vorgenannten Nukleinsäuren.
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Die Erfindung betrifft auch die Verwendung des Moleküls der oben beschriebenen Art (insbesondere nach Formel 1) oder eines nach einem oben beschriebenen Verfahren hergestellten Liposoms zur Transfektion einer Zelle. Die Zelle kann eine menschliche oder tierische Zelle sein. In einer Ausgestaltung betrifft die Verwendung eine ex vivo Transfektion einer Zelle.
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Die Erfindung betrifft auch eine Zelle, ein Gewebe und/oder ein Organ aufweisend ein Molekül nach Formel 1, insbesondere eine Zelle, ein Gewebe oder ein Organ außerhalb des Körpers, also ex vivo. Zellen können insbesondere eukaryotische Zellen sein.
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Beispiele
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Es wurde eine extrem simple, schnelle, kosten- und hocheffiziente kombinatorische Synthesemethode mit einem einfachen Aufreinigungsschritt entwickelt. Hierbei produzieren die Erfinder eine Lipidoid-Bibliothek durch die nukleophile Ringöffnung eines Thiolactons in einer Dreikomponentenreaktion, welche ohne Additive und in einer Eintopf-Variante durchgeführt wurde. Zusätzlich nutzen die Erfinder die latente Thiol-Funktionalität der Thiolactone in dieser Reaktion. Hierdurch wurde eine Bibliothek von 288 strukturellunterschiedlichen Lipidoiden mithilfe von 26 verschiedenen Bausteinen synthetisiert (1).
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Die hergestellte Bibliothek wurde in einer Hochdurchsatz-Transfektionsstudie untersucht, was zur Identifikation einiger Lipidoide mit bis zu 95%iger Transfektionseffizienz in HEK293T-Zellen führte. Diese Werte sind vergleichbar mit denen der bereits kommerziell erhältlichen Transfektionsreagenzien Lipofectamine 2000 (L2K) und ScreenFect A (SFA).
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Das Design und die zugehörige Synthesestrategie beherbergen einige Vorteile: i) Die in situ-Generierung eines Thiols durch die nukleophile Ringöffnung eines Thiolactons mit einem Amin, gefolgt von einer Thiol-Disulfid-Reaktion ist eine schnelle, einfache und vielfältige Eintopfreaktion, welche somit kritische Punkte in einer parallelen kombinatorischen Synthese vereinfacht, ii) Es gibt eine Vielzahl kommerziell verfügbarer, strukturell verschiedener Amine, welche als Bausteine verwendet werden können. iii) Da es sich hierbei um eine Dreikomponentenreaktion handelt, resultieren wenige chemische Variationen der Bausteine in chemischen Bibliotheken von extremer Diversität und Größe. Beispielsweise führen nur 10 verschiedene Bausteine in jeder Komponenten-Kategorie zu einer Bibliothek von 1000 Lipidoiden.
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Um diese Bibliothek zu generieren, wurden zunächst Thiolacton- und Pyridyldisulfid-Derivate synthetisiert und einzeln aufgereinigt (7). Anschließend wurde mithilfe von 18 verschiedenen Aminen (1a), 4 Thiolacton- Derivaten (1c) und 4 Pyridyldisulfid-Derivaten (1b) eine kombinatorische Synthese durchgeführt. Das Amin wurde zu einem Gemisch aus einem Thiolacton-Derivat und einem Pyridyldisulfid-Derivat in Chloroform bei Raumtemperatur hinzugefügt (1d), um Lipidoide in einer Eintopf-Reaktion herzustellen. Da das generierte Nebenprodukt, 2-Pyridothion, UV-aktiv ist, wurde der Fortschritt der Reaktion spektroskopisch verfolgt. Die Absorbanz-Messung des Nebenprodukts zeigte, dass die Ringöffnung durch primäre bzw. sekundäre Amine 30 bzw. 100 Minuten benötigt. Die Reaktionen wurden nach 180 Minuten gestoppt, dann wurden der Reaktandenüberschuss und das Nebenprodukt mithilfe von Methanol ausgewaschen, um einen weißen Feststoff als pures Produkt zu erhalten. Durch Verwendung dieser Eintopf-Methode wurde eine Gesamtzahl von 288 Lipidoiden in nur wenigen Stunden hergestellt, worin - verglichen mit anderen Methoden - die Einzigartigkeit dieser Methode in der Synthese nicht-viraler Transfektionsreagenzien liegt. Alle hergestellten Lipidoide wurden nach der Aufreinigung durch MALDI-TOF Massenspektrometrie analysiert, während einige Lipidoide ebenfalls durch NMR-Spektroskopie charakterisiert wurden.
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Für das erste Screening wurden zunächst Liposome von den Lipidoiden in 200 mmol/I Natriumacetet-Pufferlösung (pH = 5.0) unter optimalen Bedingungen hergestellt.
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In vielen Berichten oder im Falle der kommerziell erhältlichen Prozeduren wird Phosphatidylethanolamin (DOPE) bei der Herstellung von Liposomen verwendet, um die liposomale Stabilität zu erhöhen, die Fusion mit Zellmembranen zu vereinfachen und um die endosomale Flucht von Nukleinsäuren in Zellen zu verbessern. Die Verwendung von DOPE oder anderen zusätzlichen Lipiden machen diese Methoden jedoch kompliziert und teuer. Liposome, welche von unseren Lipidoiden hergestellt wurden, zeigten jedoch gute Stabilität und Effizienz auch ohne das Hinzufügen von DOPE. Die hergestellten Liposome wurden durch dynamische Lichtstreuung (DLS), Zeta-Potential-Analysen und Cryo-Transmissionselektronenmikroskopie (Cryo-TEM) charakterisiert. Die Liposomen sowie die Lipoplexe zeigten Größen zwischen 50 - 100 nm und Langzeitstabilität über einen Zeitraum von 180 Tagen. Die Lipoplexe wurden durch die Komplexierung der Liposome mit eGFP Plasmid-DNA (pDNA) hergestellt.
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Die saure Pufferlösung wurde für diesen Prozess verwendet, um die Kopfgruppe des Lipidoids zu protonieren, um wiederum die Komplexierung mit der negativ-geladenen pDNA zu initiieren. Im Anschluss wurden die Größen und Zeta-Potentiale (Oberflächenladungen) einzelner Liposome und Lipoplexe verglichen.
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In vitro Zelltransfektionen wurden in einer Einschritt (one step)-Methode durchgeführt, bei der frisch trypsinisierte und resuspendierte HEK293T-Zellen direkt zu den Lipoplexen hinzugefügt werden, gefolgt von einem Transfer in Kulturplatten-Vertiefungen (Wells). Für das Screening wurden 75 ng der eGFP-pDNA pro Well einer 96-Well-Platte verwendet und jedes Lipidoid wurde bei drei unterschiedlichen Verhältnissen (Lipidoid zu pDNA = 36:1, 24:1 and 12:1 in wt./wt.) in Triplikaten analysiert. Um Lipoplexe zu formen, wurden 2.7 µg (36x75 ng), 1.8 µg (24x75 ng) oder 0.9 µg (12x75 ng) der Lipidoide in Form von Liposomen mit 75 ng der pDNA separat gemischt, um Verhältnisse von 36:1, 24:1 und 12:1 zu erhalten. Danach wurden die Lipoplexe zu Zellen hinzugefügt. Nach der Inkubation über Nacht wurden die Zellkerne der adhärenten Zellen mit Höchst angefärbt und mit einem automatisierten Fluoreszenzmikroskop abgebildet. Durchflusszytometrie wurde eingesetzt, um die Prozentzahl der transfizierten Zellen (=Transfektionseffizienz) zu bestimmen, sowie um die Viabilität der Zellen durch Färbung mit Propidiumiodid (PI) zu quantifizieren. Zwei kommerziell erhältliche Transfektionsreagenzien, ScreenFect A (SFA) und Lipofectamine 2000 (L2K), wurden als Positivkontrollen eingesetzt. Um die Stabilität der produzierten Liposome zu evaluieren, wurde das effizienteste Lipidoid (T18U-PY16-A1) wiederholt in Transfektionsexperimenten über einen Zeitraum von 180 Tagen eingesetzt, wobei stets dieselbe Charge an Liposomen verwendet wurde. Obwohl das Hilfslipid DOPE bei der Herstellung von Liposomen nicht verwendet wurde, blieben die Liposomen von T18U-PY16-A1 für mindestens 180 Tage stabil und zeigten über den gesamten Zeitraum auch eine vergleichbare Transfektionseffizienz.
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In einem ersten Screening zeigten 73% aller Lipidoide der synthetisierten Bibliothek eine Transfektionseffizienz in HEK293T-Zellen. Bemerkenswerterweise zeigten 46 Lipidoide eine Transfektionseffizienz höher als 40% und unter diesen zeigten drei Lipidoide (T18U-PY16-A1, T18U-PY12-A8 and T14-PY12-A8) (siehe 2d) Effizienzen, welche vergleichbar oder höher waren als die Effizienzen von SFA und L2K. Die Tabellenübersicht der Transfektion (2 a, b) zeigt, dass eine erhöhte Transfektionseffizienz (höher als 60%) bei Lipidoiden mit entweder einem ungesättigten Schwanz oder einem kurzen Schwanz (Kohlenstoffanzahl C: 12 bis 14) erreicht werden konnte.
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Unter den drei effizientesten Lipidoiden besitzt das erste Lipidoid T18U-PY16-A1) den ungesättigten Schwanz T18U, das zweite Lipidoid (T18U-PY12-A8) enthält sowohl einen ungesättigten Schwanz sowie den kürzesten Schwanz (PY12) und das dritte Lipidoid (T14-PY12-A8) besitzt ebenfalls den kürzesten Schwanz PY12. Die bessere Leistung der ungesättigten hydrophoben Schwänze könnte auf eine eingeschränkte Flexibilität zurückzuführen sein, welche eine erhöhte Interaktion mit Lipiden der Zellmembran ermöglicht.
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Für T14-PY12-A8 wurde beobachtet, dass kurze Lipidketten (insbesondere C12 bis C14) die Transfektionseffizienz erhöhen. Für eine tiefgreifendere Analyse der Struktur-Funktionsbeziehung zwischen den Schwanz-Strukturen und den Transfektionseffizienzen verglichen die Erfinder alle Lipidoid-Strukturen und fanden eine Korrelation zwischen der Transfektionseffizienz und der Gesamtzahl aller Schwanzatome (engl. total number of tailatoms, TNTA). 3a erklärt die Berechnung dieses TNTA-Wertes. Das Lipidoid T14-PY16-A13 hat bspw. einen TNTA-Wert von 35, das Lipidoid T18U-P12-A3 besitzt einen TNTA-Wert von 35U. Der Deskriptor U indiziert die ungesättigte Bindung des Schwanzes, welcher durch den Thiolacton-Baustein aufgebaut wurde (3a). 3b zeigt den Prozentsatz der Lipidoide (grüne Balken) mit einer Transfektionseffizienz höher als 40% (N40) für Lipidoide, welche denselben TNTA-Wert besitzen (NTNTA). Hier konnte eine Korrelation zwischen TNTA-Werten (v.a. für TNTA-Werte zwischen 41-39 und 33-31) und Transfektionseffizienzen höher als 40% beobachtet werden. Diese Korrelation kann unabhängig von der anwesenden Kopfgruppe im Lipidoid beobachtet werden. Beispielsweise stellten sich Lipidoide mit einem TNTA-Wert von 37 als weniger ineffizient heraus, obwohl einige Lipidoide Kopfgruppen wie A1 und A17 besaßen, welche häufig hohe Effizienzen in anderen Lipidoiden dieses Screenings zeigten. Die Anzahl an Lipidoiden mit Transfektionseffizienzen höher als 60% (N60) ist in 3b dargestellt. Hier kann ein ähnlicher Trend beobachtet werden: Ein hoher TNTA-Wert, vor allem in Kombination mit einem ungesättigten Schwanz, sowie auch ein niedriger TNTA-Wert führen zu hohen Transfektionseffizienzen. Es wird angemerkt, dass TNTA-Werte von 33 oder 35 bzw. 35U eine hohe Anzahl von Lipidoiden mit hohen Transfektionseffizienzen aufwiesen.
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In Bezug auf die Kopfgruppe besitzen die drei effizientesten Lipidoide (T18U-PY16-A1, T18U-PY12-A8 und T14-PY12-A8) Kopfgruppen basierend auf 2-(4-Methyl-piperazin-1-yl)-ethylamin (A8) und N,N-Diethylethylendiamin (A1). Durch Analyse und Vergleich der Strukturzusammensetzung all der Kopfgruppen, welche in effektiven Lipidoiden präsent sind, konnten die Erfinder die folgende strukturelle Gemeinsamkeit unter den Bausteinen der effektiven Kopfgruppen finden: Der Amin-Baustein besteht bevorzugt aus einem primären Amin der Struktur R-(CH2)2-NH2, wobei R aus i) mindestens einem tertiären Amin, ii) einer aliphatischen oder zyklischen Struktur (Fünf- oder Sechsringe), iii) keiner aromatischen Funktionalität und iv) aus keinem Heteroatom außer Stickstoff besteht.
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Es ist bekannt, dass Eigenschaften wie Partikelgröße, Oberflächenladung und die Morphologie der Lipoplexe eine sehr wichtige Rolle in der Transfektion spielen. Es wurde gezeigt, dass kleinere Partikel mit höherer Oberflächenladung eine höhere Transfektionseffizienz besitzen. Um den Einfluss der Größe und Oberflächenladung der Partikel im Detail zu untersuchen, wurden vier sehr effiziente Lipidoide (T18U-PY16-A1, T18U-PY12-A8, T14-PY12-A8 und T14-PY16-A13) für weitere Untersuchungen ausgewählt. Die vier Lipidoide besitzen drei verschiedene Kopfgruppen (A1, A8 und A13) und vier verschiedene Schwänze (T18U-PY16, T18U-PY12, T14-PY12 und T14-PY16). Zusätzlich konstruierten die Erfinder eine kleinere Unter-Bibliothek aus 12 Lipidoiden (3x4=12) mithilfe dieser drei Kopfgruppen und vier Schwänzen in einem kombinatorischen Ansatz (4a). Bemerkenswert ist, dass die einfache Kombination dieser effizienten Bausteine zu keiner Erhöhung der Transfektionseffizienz führte (4b). Die Größe und Oberflächenladung der entsprechenden Liposome wurden verglichen und zu den Transfektionseffizienzen korreliert. Alle 12 Liposome zeigten vergleichbare Größen zwischen 60-160 nm sowie positive Zeta-Potentiale im Bereich von 25-100 mV. Um mehr Einsicht in die Transfektionsergebnisse zu bekommen, untersuchten die Erfinder die Größe und die Oberflächenladung der entsprechenden Lipoplexe. Jedoch zeigten nur vier dieser Lipoplexe hohe Transfektionseffizienzen in Zellexperimenten, wohingegen die anderen Lipoplexe geringere Effizienzen (bis 40 %) zeigten. Die gemeinsamen Eigenschaften dieser vier effizienten Lipoplexe sind kleine Größen (60-100 nm) und positive Zeta-Potenziale (35-70 mV) (4c, 4d). Die verbleibenden 8 Lipoplexe wiesen wesentlich größere Durchmesser (130-1300 nm) sowie nur negative Zeta-Potenziale (-20 mV bis -80 mV) auf. Interessanterweise veränderte sich die Größe der Lipoplexe über einen Zeitraum von 1h nicht. Die sehr kleinen Partikel in Kombination mit der positiven Oberflächenladung, welche die Interaktion mit der negativ-geladenen Zelloberfläche vereinfacht, könnte die beobachtete höhere Transfektionseffizienz erklären. Die fluoreszenzmikroskopischen Aufnahmen der HEK293T-Zellen, welche mit diesen 12 Lipidoiden transfiziert wurden, sind in 4e dargestellt, wobei der oben erwähnte Trend der Transfektion klar zu erkennen ist.
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Die Erfinder untersuchten ebenso die Morphologie von drei Liposomen der Bibliothek mithilfe eines Cryo-Transmissionselektronenmikroskops (cryo-TEM). Diese Aufnahmen zeigten die Formation uni-lamellarer oder multi-lamellarer Vesikel (4f). Da die 12 analysierten Liposome starke strukturelle Ähnlichkeiten besaßen, ist es zu diesem Zeitpunkt schwierig, eine Beziehung zwischen der Struktur der Lipidoide und zu bevorzugenden Charakteristika (geringe Größe, positive Oberflächenladung) nach der Lipoplex-Formation herzustellen.
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Um ein besseres Verständnis über das Transfektionsverhalten zu gewinnen, führten die Erfinder diverse in vitro Transfektions-experimente mit den 11 effizientesten Lipidoiden des ersten Screenings (Effizienz höher als 60%): Um die Transfektion zu sensitivieren und um die Ergebnisse mit kommerziellen Positivkontrollen vergleichen zu können, wurde eine Mischung aus 10% GFP-kodierender pDNA und 90% eines leeren Vektors (LacZ) für die Transfektion verwendet. Dieses Experiment zeigte, dass T18U-PY16-A1 eine um 35% erhöhte Effizienz gegenüber den Positivkontrollen besitzt.
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Als nächstes untersuchten die Erfinder zwei weitere Zelllinien: HeLa-Zellen und die schlecht transfizierbare Zelllinie HepG2. Die drei effizientesten Lipidoide aus dem Screening mit HEK293T-Zellen zeigten in HeLa-Zellen eine Transfektionseffizienz, welche mit SFA vergleichbar ist. In HepG2-Zellen zeigten sich signifikante Erhöhungen der Effizienz einiger Lipidoide im Vergleich zu den Positivkontrollen. T18-PY12-A3 und T16-PY12-A1 zeigten fast dreifach höhere Transfektionseffizienzen im Vergleich zu der Positivkontrolle.
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Da einige Lipidoide der Bibliothek sich als sehr effizient in der pDNA-Transfektion herausstellten, wurde die Fähigkeit der Lipidoide, siRNA zu transportieren, untersucht: Hierfür wurde die HeLa-GFP-Zelllinie transfiziert, welche dauerhaft GFP exprimiert, wobei die eingesetzte siRNA die Produktion des GFP unterdrücken soll. Wie in den vorigen Experimenten wurden auch hier die elf effizientesten Lipidoide des ersten Screenings verwendet. Die HeLa-GFP-Zellen wurden siRNA-Lipoplexen (Komplex aus siRNA und Liposom) ausgesetzt und die zelluläre GFP-Expression 72h nach der Transfektion mittels Durchflusszytometrie gemessen. Ebenso wurden die Zellen 72h nach der Transfektion mithilfe eines automatisierten Fluoreszenzmikroskops untersucht, um die Reduktion der GFP-Intensität im Vergleich zu unbehandelten Zellen veranschaulichen zu können. Für jedes Lipidoid wurden drei verschiedene Mengen an Lipidoid (0,9, 1,8 und 2,7 µg) in Verbindung mit einer festgelegten Menge an siRNA (Konzentration an siRNA = 2 fM in jedem Fall) in diesem Experiment verwendet. Es zeigte sich, dass die Unterdrückungseffizienz mit steigender Menge an Lipidoid zunimmt. Daher ist die Unterdrückungseffizienz vom N/P-Verhältnis abhängig: Je höher das N/P-Verhältnis, desto höher ist die Unterdrückungseffizienz. Wie in 5b gezeigt ist, ist die siRNA allein nicht in der Lage, die GFP-Expression zu unterdrücken. Dies lässt den Schluss zu, dass die siRNA allein nicht von der Zelle aufgenommen werden kann oder keine Stabilität im Serum besitzt. Andererseits erniedrigten die Lipidoide T18U-PY18-A4 (siehe 5a) und T16-PY12-A1 die GFP-Expression auf bis zu -30% und -40%. Die fluoreszenzmikroskopischen Aufnahmen von Zellen (5e), welche mit T18U-PY18-A4/siRNA-Komplexen transfiziert wurden, bestätigen die Ergebnisse der Durchflusszytometrie (5c und 5d). Diese Unterdrückungseffizienzen sind überraschenderweise entweder höher oder zumindest ähnlich zu dem kommerziell erhältlichen Transfektionsreagenz Lipofectamine RNAiMAX (Positivkontrolle). Es wird angemerkt, dass in diesem Experiment für Lipofectamine RNAiMAX 3 Picomol pro Vertiefung (well) und für die getesteten Lipidoide 2 Femtomol pro Well verwendet wurden, also eine 3000-fach geringere Menge. Daher ist nur eine sehr geringe Menge für einen mit der Positivkontrolle vergleichbaren Unterdrückungseffekt erforderlich, was unsere Lipidoide technisch extrem wirksam erscheinen lässt.
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Diese effiziente Gen-Unterdrückung kann auf die strukturelle Zusammensetzung der Kopfgruppen und Schwänze zurückgeführt werden. Das Lipidoid T18U-PY18-A4 besitzt einen ungesättigten hydrophoben Schwanz und einen TNTA-Wert von 41U, während T16-PY12-A1 sich durch einen kurzen Schwanz (C12) und einen TNTA-Wert von 33 auszeichnet. Diese strukturellen Eigenschaften zeigten bereits hohe Effizienzen im vorherigen Screening mit pDNA in HEK293T-Zellen. Auch die Kopfgruppe A1 zeigte bereits im ersten Screening gute Ergebnisse. Das Lipidoid T18U-PY18-A4 enthält die 1-(2-Aminoethyl)pyrrolidin-Kopfgruppe. Beide Kopfgruppen besitzen ebenfalls die Grundstruktur, welche im Screening in den HEK293T-Zellen bereits effizient war (siehe oben). Trotzdem könnte die Struktur der Schwänze und der Kopfgruppen einen ausschlaggebenden Effekt auf die siRNA-Lipoplex-Bildung, Stabilität und Membranfluidität besitzen, welche wichtig für eine effiziente Transfektion und damit auch für eine effiziente Unterdrückung sind.
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Biokompatibilität und geringe Toxizität der Transfektionsreagenzien sind sehr wichtige Kriterien für in vitro- und in vivo-Transport von Nukleinsäuren. Um die Zelltoxizität der Lipidoide zu untersuchen, wurde Propidiumiodid (PI) zur Färbung nekrotischer Zellen eingesetzt und die Viabilität wurde mittels Durchflusszytometrie gemessen. Im Fall der HEK293T-Zelllinie zeigten die drei effizientesten Lipidoide (T18U-PY16-A1, T18U-PY12-A8 und T14-PY12-A8) Viabilitäten von -85% oder höher in dem verwendeten Konzentrationsbereich (45 µg/ml bis 270 µg/ml). In HepG2-Zellen wiesen die zwei effizientesten Lipidoide T18-PY12-A3 und T16-PY12-A1 Zellviabilitäten von -70% und -30% bei der höchsten Konzentration auf (270 µg/ml). In HeLa-Zellen zeigten die drei effizientesten Lipidoide moderate Viabilitäten (-70%).
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Zusammenfassend wurde hier die Verwendung einer zeitsparenden kombinatorischen Eintopf-Methode für die Synthese eines chemisch stark unterschiedlichen Sets von lipid-ähnlichen Materialien beschrieben. Dieses beschleunigte und vielseitige Protokoll ermöglicht die effiziente parallele Synthese großer Bibliotheken an nicht-viralen Transfektionsreagenzien für den Transport von pDNA und siRNA. Bemerkenswerterweise zeigten in einem Screening der produzierten Bibliothek viele der Lipidoide sehr hohe Transfektionseffizienzen (Effizienz höher als 60%) und einige zeigten Effizienzen von über 90%. Diese auf den gemeinsamen strukturellen Eigenschaften. Diese strukturellen Eigenschaften sind wie folgt: i) Amidbindung; ii) zwei Alkyl-Schwänze; iii) mindestens einer der Schwänze besitzt eine ungesättigte Bindung oder eine kurze Länge; iv) Kopfgruppen bestehend aus einem oder mehreren protonisierbaren tertiären Aminen, welche zyklisch (Fünf- oder Sechsring) oder azyklisch aber nicht-aromatisch sind.
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Zusätzlich ist es in einigen Ausführungsformen vorteilhaft, wenn die Gesamtzahl der SchwanzAtome (TNTA) entweder hoch (z.B. 39-41) oder niedrig (z.B. 33-35) ist, um hohe Transfektionseffizienzen zu erreichen.
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In weiteren Ausführungsformen der Erfindung ist die Größe und die Oberflächenladung der Lipoplexe klein (50-100 nm) und positiv (+50 bis +70mV).
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Das effizienteste Lipidoid (T18U-PY16-A1) zeigt hohe Stabilität der Liposomen, 95%ige Transfektioneffizienz und sehr geringe Toxizität selbst ohne die Verwendung von Hilfslipiden oder Cholesterol bei der Liposomenherstellung. Dieses Ergebnis ist vergleichbar mit kommerziell erhältlichen Transfektionsreagenzien, wobei hier DOPE oder andere Hilfslipide zusätzlich verwendet werden. Besonderes Augenmerk liegt hier auf drei Schlüsselfaktoren: i) Sehr kurze Reaktionszeiten, ii) einfache und genaue Einstellung der Lipidoid-Strukturen und iii) hilfslipid- oder cholesterol-freie Liposomenherstellung machen die Erfindung geeignet, vielseitig und kosteneffizient und damit sehr nützlich für die Identifizierung neuartiger Gentransport-Vektoren.
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Beispiel der erfindungsgemäßen Moleküle
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Figurenliste
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- 1 Eintopf-Dreikomponentensynthese von Lipidoiden durch nukleophile Ringöffnung von Thiolactonen, gefolgt von einer Disulfid-Austauschreaktion. Strukturen von a) Aminen; b) Pyridyldisulfid-Derivaten; c) Thiolacton-Derivaten; d) Repräsentatives Reaktionsschema.
- 2 Übersicht der Transfektionseffizienzen, welche in einem ersten Screening in HEK293T-Zellen erhalten wurden; a) Repräsentation der Transfektionseffizienzen aller 288 Lipidoide basierend auf den Bausteinen, aus denen sie aufgebaut sind; b) Kategorisierung der Transfektionseffizienzen; c) Tabellarische Übersicht der Transfektionseffizienzen; d) Chemische Struktur der drei effektivsten Lipidoide.
- 3 Effekt der Gesamtzahl der Schwanzatome („TNTA“) auf die Transfektionseffizienz. a) Chemische Struktur zweier Lipidoide mit Berechnung des jeweiligen TNTA-Wertes; b) Prozentzahl aller Lipidoide mit Transfektionseffizienzen (TFE) höher als 40% (N40) und desselben TNTA-Werts (NTNTA) (grüne Balken) sowie die Anzahl der Lipidoide mit Transfektionseffizienzen höher als 60% (N60) und denselben TNTA-Werten (rote Balken).
- 4 a) Eine Unter-Bibliothek von 12 (3x4=12) Lipidoiden, kombinatorisch hergestellt aus 3 Kopfgruppen und 4 Schwänzen aus den effizientesten Lipidoiden. Detaillierte Experimente: b) Transfektionseffizienzen; c) hydrodynamischer Durchmesser der Lipoplexe; d) Zeta-Potenzial der Lipoplexe; e) fluoreszenzmikroskopische Aufnahmen von in vitro Transfektioen von pDNA in HEK293T-Zellen; e) Aufnahmen des cryo-TEM der drei folgenden Liposome: oben links: T14-PY16-A13, oben rechts: T18-PY16-A1, unten: T14-PY12-A8.
- 5 siRNA-Transfektion von HeLa-GFP-Zellen. a) Chemische Struktur von T18U-PY18-A4; b) Die Prozentzahl der GFP-Expression nach siRNA-Transfektion durch 2 Femtomol siRNA und 2,7 µg eines Lipidoids pro Vertiefung (Well) (für Lipofectamine wurden 3 Picomol siRNA pro Well verwendet); Durchflusszytometrie-Analyse von c) T18U-PY18-A4 und d) Zellkontrolle; Durchflusszytometrie-Diagramme, unten links: GFP-negative lebende Zell-Population; unten rechts: GFP-positive lebende Zell-Population; oben links: GFP-negative tote Zell-Population; oben rechts: GFP-positive tote Zell-Population. Fluoreszenzmikroskopische Aufnahmen von e) mittels dem Lipidoid T18U-PY18-A4 und siRNA transfizierten Zellen und f) Negativkontrolle.
- 6 zeigt das Herstellungsverfahren der erfindungsgemäßen Moleküle und deren Verwendung zur Herstellung von Liposomen und Transfektion von Zellen.
- 7 zeigt die Synthese von Vorläufern und Lipidoiden.