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Die vorliegende Erfindung betrifft Verbindungen, Reagenzienkombinationen und Verfahren zur Isolierung von Proteinen aus komplexen Mischungen wie Zelllysaten oder intakten Zellen gemäß den Oberbegriffen der unabhängigen Ansprüche.
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Trifunktionale Verbindungen zur selektiven Reaktion mit Proteinen sind aus der Patentanmeldung
WO 2004/064972 A2 bekannt. Die darin beschriebenen Fängerverbindungen („capture compounds“) weisen drei über eine zentrale Gruppe verbundene Funktionalitäten X, Y und Q auf. Diese Funktionen vermitteln die selektive Affinität der Verbindung für bestimmte Zielproteine (Selektivitätsfunktion Y), die durch Licht induzierte kovalente Verknüpfung (Reaktivitätsfunktion X) zu einem Komplex aus Fängerverbindung und Zielprotein, und die nachfolgende Isolierung (Sortierfunktion Q) des Komplexes aus der Mischung. Verschiedene Verfahren der Analyse bzw. Identitätsbestimmung der isolierten Proteine sind möglich, dabei hat sich insbesondere für Hochdurchsatz-Anwendungen die Massenspektrometrie als Methode der Wahl bewährt. Die Kombination von Fängerverbindungen und massenspektrometrischer Analyse wird im Folgenden auch als CCMS (Capture Compound Mass Spectrometry) bezeichnet.
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CCMS ist unter anderem gut geeignet zur Analyse von Arzneimolekül-Wechselwirkungen mit Proteinen, um Toxizität oder Nebenwirkungen von Arzneimitteln zu verstehen und zu vermeiden.
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Die bekannten Mittel und Verfahren zur Proteinisolierung sind verbesserbar. Insbesondere kann die Analyse der isolierten Komplexe darunter leiden, dass die Matrices, an denen die Komplexe aus der Mischung isoliert werden, unspezifisch Proteine binden, welche als Hintergrund auch in Kontrollexperimenten erscheinen. Insbesondere kann dies dazu führen, dass unspezifisch an die Fängerverbindung bindende Proteine von spezifisch bindenden, aber nur in geringer Menge in der Probe vorhandenen Proteinen „überschattet“ und in der Auswertung des Versuchs nicht erkannt werden.
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Aufgabenstellung der vorliegenden Erfindung ist die Bereitstellung von Mitteln und Verfahren, mit denen die genannten Probleme des Stands der Technik überwunden werden können. Diese Aufgabenstellung wird durch die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche gelöst.
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Zentrales Merkmal der erfindungsgemäßen Lösung ist die Einführung einer (durch Licht) spaltbaren Funktion als Teil der mit dem Protein verbundenen Fängerverbindung. Die Spaltbarkeit erlaubt es, das isolierte Protein selektiv und schonend von der zur Isolierung verwendeten Matrix zu lösen. Ein weiterer zentraler Aspekt der Erfindung ist die Trennung der Funktionen Selektivität (Y) und Reaktivität (X) einerseits und Sortierung (Q) andererseits in getrennte Einzelverbindungen, welche durch geeignete Reaktionsbedingungen miteinander gekoppelt werden können. Die Fängerverbindung wird somit stufenweise aufgebaut und nach der Reaktion mit Protein und Isolierung wieder abgebaut.
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Gemäß einem ersten Aspekt der Erfindung wird ein Verfahren zur Isolierung von Proteinmolekülen zur Verfügung gestellt, welches die folgenden Schritte umfasst:
In einem ersten Bindungsschritt wird eine Proteinmoleküle enthaltende Mischung mit einer ersten Verbindung I in Kontakt gebracht, welche durch die allgemeine Formel (I)
beschreibbar ist, wobei
- – X eine durch Licht einer Wellenlänge λ1 aktivierbare Reaktivitätsfunktion,
- – Y eine Selektivitätsfunktion umfassend einen Molekülrest von weniger als 3500 u Molekülgewicht,
- – Z Kohlenstoff, Stickstoff, Phosphor oder Silicium,
- – D eine erste Verbinderfunktion, welche mit einer zweiten Verbinderfunktion E durch Reaktionsbedingungen selektiv zur Bildung einer kovalenten Verbindung in der Lage ist, bei welchen D und E nicht mit Polypeptiden reagieren;
- – jedes S unabhängig von den anderen S eine durch kovalente Bindungen vermittelte Brücke aus Kohlenstoff-, Stickstoff-, Sauerstoff- und/oder Phosphoratomen zwischen Z und X, Y, und D darstellt.
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Nachfolgend wird die Reaktivitätsfunktion durch Einwirkung von Licht der Wellenlänge λ1 aktiviert, wodurch in räumlicher Nähe der Reaktivitätsfunktion befindliche Proteinmoleküle mit dieser reagieren und so an die erste Verbindung I kovalent gebunden werden.
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Weiter wird gemäß dem Gegenstand des ersten Aspektes der Erfindung in einem zweiten Bindungsschritt die Proteinmoleküle enthaltende Mischung des ersten Schrittes mit einer zweiten Verbindung II in Kontakt gebracht, welche durch die allgemeine Formel E-S-F-S-Q beschreibbar ist, in der S als Brücke zwischen F und einerseits E und andererseits Q die zuvor genannte Bedeutung hat und wobei
- – E eine zweite Verbinderfunktion bedeutet, die mit der in der ersten Verbindung I enthaltenen ersten Verbinderfunktion D durch Reaktionsbedingungen selektiv zur Bildung einer kovalenten Verbindung in der Lage ist, bei welchen D und E nicht mit Polypeptiden reagieren;
- – F eine durch Licht der Wellenlänge λ2 spaltbare Funktion und
- – Q eine Sortierfunktion Q bedeutet;
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Nachfolgend wird die Reaktion von D mit E durch geeignete Wahl der Reaktionsbedingungen ermöglicht. In einem dem zweiten Bindungsschritt folgenden Isolierungsschritt werden die Q enthaltenden Moleküle als Reaktionsfraktion aus der Proteinmoleküle enthaltende Mischung abgetrennt. In einem Spaltungsschritt wird dann durch Einwirkung von Licht der Wellenlänge λ2 auf die Reaktionsfraktion die photospaltbare Funktion F gespalten, und durch Entfernung von die Funktion Q enthaltenden Molekülen aus der Reaktionsfraktion werden die isolierten Proteine als Reinfraktion erhalten.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens werden Reaktivitäts- und spaltbare Funktionen X und F verwendet, die bei der gleichen Wellenlänge oder sehr ähnlichen Wellenlängen λ1 und λ2 aktivierbar (X) bzw. spaltbar (F) sind. Dadurch kann zur Aktivierung und Spaltung im ersten Bindungsschritt und im Spaltungsschritt die selbe Lichtquelle verwendet werden. „Gleiche Wellenlänge“ bedeutet in diesem Sinne keine absolute Identität, die Wellenlängen können vielmehr um einige 10 nm voneinander abweichen. Insbesondere soll dem Kriterium der gleichen Wellenlänge bei der Verwendung von UV-aktivierbaren Funktionen X und UV-spaltbaren Funktionen F genügt sein, wenn die Wellenlängen sich hinreichend ähnlich sind, so dass das Wellenlängenspektrum einer im biochemischen Labor gebräuchlichen UV-Lichtquelle bei beiden Wellenlängen λ1 und λ2 hinreichende Intensitäten aufweist, um die Aktivierung bzw. Spaltung zu ermöglichen. Ein Beispiel für eine solche Lichtquelle ist die als „caprobox“ vertriebene Apparatur (caprotech bioanalytics GmbH, Berlin). Ein anderes Beispiel sind die Transilluminatoren für DNA-Gelelektrophorese-Analyse, welche Licht von ca. 360 nm und 254 nm erzeugen. Bevorzugt sind Wellenlängenpaare λ1 und λ2, die nicht mehr als 100 nm, noch bevorzugter solche, die nicht mehr als 50 nm, am bevorzugtesten solche, die weniger als 25 nm Differenz aufweisen.
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Die photoaktivierbare Reaktivitätsfunktion X ist ein Molekülrest, welcher durch elektromagnetische Strahlung, z.B. sichtbares Licht oder UV-Licht, zur Bildung einer reaktiven Spezies, z.B. eines Nitrens, Carbens oder Radikals, angeregt wird, die schnell mit einem geeigneten Reaktionspartner eine Bindung eingehen kann, z.B. durch Addition an eine C=C-Doppelbindung oder durch Insertion in eine XH-Bindung (X = S, O, N, C).
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Beispiele sind die Erzeugung eines Carbens durch Photolyse einer Diazo-Verbindung, beispielsweise eines Diazirins, oder die Erzeugung eines Nitrens aus einem Azid oder die Erzeugung eines (Di-)Radikals aus einer Kohlenstoff-Heteroatom-Doppelbindung wie im Falle von Benzophenon, und die Weiterreaktion des gebildeten reaktiven Intermediats mit – beispielsweise – einer in räumlicher Nähe befindlichen aromatischen Seitenkette oder einer Alkohol, Thiol- oder Aminofunktion einer Aminosäure.
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Beispiele für bevorzugte aktivierbare Reaktivitätsfunktionen sind Aryl-trifluoromethyldiazirine (III), Arylazide (IV) oder Benzophenone (V):
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Die in den Formeln gezeigten Grundgerüste können dabei durch weitere Substituenten, wie z.B. Hydroxy-, Cyano- oder Nitrogruppen ergänzt sein. Die Verknüpfung der Photoreaktivitätsfunktion mit der Fängerverbindung kann auch über andere als die gezeigten Positionen, also über die 2- oder 3-Ringposition, erfolgen. Als Selektivitätsfunktion Y kommt prinzipiell jeder Molekülrest in Betracht, der in der Lage ist, die Selektivität der Verknüpfung der ersten Verbindung I, die durch die Reaktivitätsfunktion hergestellt wird, auf bestimmte Proteine zu beschränken. Die Reaktivitätsfunktion bindet, sobald sie aktiviert wird, an jedes in ihrer räumlichen Nähe befindliche Protein. In Abwesenheit der Selektivitätsfunktion würde die Fängerverbindung also eine mehr oder weniger repräsentative Auswahl der in der Probe enthaltenen Proteine „fangen“. Die Selektivitätsfunktion beschränkt die Verknüpfung der Fängerverbindung auf solche Proteine, die mit der Selektivitätsfunktion spezifisch interagieren.
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In der Anwendung spielen dabei vor allem solche Selektivitätsfunktionen eine Rolle, welche im Zusammenhang mit der sog. Chemo-Proteomforschung relevant sind, also für die Prüfung der Interaktion von sog. kleinen (biologisch wirksamen) Molekülen mit Proteinen. Dies können beispielsweise Arzneimittel oder Entwicklungskandidaten für Arzneimittel, Herbizide oder Pestizide oder andere für Anwendungen z.B. in der Medizin, Pharmazie oder Landwirtschaft relevante Moleküle sein.
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Bevorzugt als Selektivitätsfunktion Y sind Molekülreste von unter 1000 u, unter 700 u, noch bevorzugter von weniger als 500 u. Besonders bevorzugte Kleinmolekülreste sind zugelassene oder in Prüfung befindliche Arzneimittel bzw. Kandidatenmoleküle zur Zulassung als Arzneimittel. Insbesondere weisen diese Molekülreste vorteilhafterweise die als "Lipinski-Regeln" bekannten Charakteristika auf, nämlich ein Molekulargewicht von über 160 u, aber unter 500 u, bis zu fünf Wasserstoff-Brücken-Donatoren (Sauerstoff- und Stickstoffatome mit gebundenem Wasserstoffatom), bis zu zehn Wasserstoff-Brücken-Akzeptoren (Sauerstoff- und Stickstoffatome) und ein Octanol-Wasser-Verteilungskoeffizient logP von unter 5,6 in Bezug auf den Kleinmolekülrest. Die restlichen an der Fängerverbindung beteiligten Molekülbestandteile gehen also in die Zählung der Wasserstoffbrückenbildner sowie die Berechnung des logP-Wertes und des Molekülgewichtes nicht ein.
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Ebenfalls werden gemäß einer weiteren bevorzugten Ausführungsform Peptide, insbesondere physiologisch aktive Peptide mit einer Molekülmasse von weniger als 3500 u, als Selektivitätsfunktion verwendet. Soweit Peptide als Selektivitätsfunktion verwendet werden, sind Peptide der Länge bis 20 Aminosäuren bevorzugt; noch bevorzugter sind Fängerverbindungen, welche als Selektivitätsfunktion Peptide von 15 oder weniger Aminosäuren aufweisen.
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Die Bindung der Selektivitätsfunktion an das oder die Zielproteine erfolgt über nicht-kovalente Wechselwirkungen und hat eine Dissoziationskonstante von unter 100 µmol/l, vorzugsweise von < 10 µmol/l, besonders bevorzugt < 1 µmol/l, < 100 nmol/l, < 10 nmol/l oder < 1 nmol/l.
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Als Sortierfunktion Q kommen in einer ersten Alternative kleine Moleküle in Betracht, für welche mit hoher Selektivität und Affinität bindende Verbindungspartner zur Verfügung stehen. Ein bevorzugtes Beispiel ist Biotin, welches an Streptavidin mit einer Dissoziationskonstante von ca. 10–15 mol/l bindet. Soweit Q Biotin ist, können diese Funktion enthaltende Moleküle mit Streptavidin-gekoppelten Magnetpartikeln im Isolierungsschritt aus der Mischung entfernt werden. Weitere Beispiele für kleine Moleküle, für die geeignete Bindungspartner zur Verfügung stehen, sind Histidin-Tags (His6) oder Moleküle, für welche Antikörper kommerziell erhältlich sind (z.B. Fluorescein, TAMRA oder BODIPY). Weiterhin sind als Q Oligonucleotide der kanonischen DNA-Monomere Adenosin, Thymidin, Cytosin und Guanosin oder deren synthetische Analoga aus der Reihe der peptide nucleic acids (Peptidnukleinsäuren, PNA) oder LNA (locked nucleic acid, C2-C4-Methylen-verbrückte Riboseanaloga von DNA) verwendbar, welche höchst selektiv an Oligomere mit revers-komplementärer Sequenz binden. Als Länge der Oligonukleotide oder Analoga sind 4 bis 20 Monomere bevorzugt.
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Gemäß einer zweiten Alternative kann Q auch durch die Oberfläche eines Partikels oder eine feste Oberfläche gebildet werden. In diesem Fall wäre die zweite Verbindung durch die Formel E-S-F-S-(Oberfläche) beschrieben. Der Partikel kann selektiv aus der Mischung entfernbar sein, z.B. als Magnetpartikel oder aufgrund seiner elektrostatischen, induktiven oder optischen Eigenschaften. Alternativ kann auch die Oberfläche eine stationäre Oberfläche sein, in welchem Falle die nicht gebundenen Bestandteile der Proteinmischung nach Durchlaufen der ersten beiden Schritte durch Waschen entfernt werden können. Bevorzugt ist die Ausführungsform, in welcher Q ein Magnetpartikel.
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Weiterhin ist gemäß einer besonders bevorzugten Ausführungsform aller Aspekte der Erfindung Q die Oberfläche eines stationär in einer Vorrichtung (z.B. einer bioanalytischen Trennsäule oder einer Mikrofluidik-Apparatur) angeordneten Materials. Dieser Ausführungsform gemäß wird der zweite Bindungsschritt des Verfahrens durch Aufspülen der im ersten Bindungsschritt erhaltenen Mischung auf das in der Vorrichtung angeordnete Material, unter Einstellung der für die Reaktion von D mit E erforderlichen Reaktionsbedingungen, erfolgen. Nicht reagierende Bestandteile der Mischung werden somit von der Säule bzw. aus der Apparatur gewaschen; ein separater Isolierungsschritt entfällt, weil der verfahrensgemäße Isolierungsschritt direkt in der Bewegung der Probe über die Oberfläche hinweg und von ihr fort erfolgt. Nachfolgend können durch Spülen der Vorrichtung unter Belichtung mit der zweiten Wellenlänge λ2 die gebundenen Komponenten wieder abgewaschen und einer weiteren Analyse zugeführt werden. Der Vorteil dieser Ausführungsform ist es, dass dabei das Verfahren einfach automatisierbar ist und wenig manuelle Manipulation der Probe oder aufwendige Robotik erfordert.
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Gemäß einer dritten Alternative kann Q ein Fluoreszenzfarbstoffmolekül sein. Beispiele dafür sind unter anderem die als FITC, TAMRA, Cy2, Cy3, Cy5 oder Dy547 dem Fachmann bekannten Farbstoffe. Diese Farbstoffe sind insbesondere für die Analyse einer Fraktion der isolierten Proteine durch zweidimensionale Gelelektrophorese geeignet. Durch Fluoreszenzfarbstoffmoleküle markierte Proteine können dann durch geeignete Antikörper isoliert oder sichtbar gemacht werden. Die Möglichkeit der Sichtbarmachung z.B. auf einem Elektrophoresegel erleichtert den Vergleich der Ergebnisse des vorliegend geschilderten Verfahrens mit den aus dem Stand der Technik bekannten Analysemethoden.
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Das erfindungsgemäße Verfahren ist auf Proteinmoleküle enthaltende Mischungen jeglicher Herkunft anwendbar; insbesondere ist die Verwendung in (lebenden) Zellen bevorzugt. Dabei ist vorteilhaft, dass die Verteilung der Funktionen der klassischen Fängerverbindung X, Y und Q auf zwei separate Moleküle die Herstellung kleinerer, diffusionsfähigerer aktiver (in der Nomenklatur der Ansprüche: „erster“) Verbindungen (I) ermöglicht, welche leichter Membranen überwinden und in den zellinternen Kompartimenten mit Proteinen in den physiologisch relevanten räumlichen und funktionellen Zusammenhängen wechselwirken können. Ebenso kann das erfindungsgemäße Verfahren auf Gewebeproben, Zelllysate oder Homogenate angewendet werden.
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Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass die Beschränkung der mit dem Protein initial reagierenden (ersten) Verbindung (I) sterische Interaktionen der Sortierfunktion vermeidet, welche die spezifische Bindung an die Selektivitätsfunktionen möglicherweise behindern. Ebenso wird eine nicht von der Selektivitätsfunktion Y, sondern über die Sortierfunktion Q selektierte Reaktion mit Proteinen vermieden. Im Falle der Verwendung von Biotin als Sortierfunktion werden bei Gebrauch der Fängerverbindungen des Stands der Technik z.B. Proteine isoliert, die Biotin binden können. Schließlich wird die mit der Probe reagierende Verbindung im Vergleich zu Fängerverbindungen des Stands der Technik verkleinert, was den Eintritt der Verbindung in Zellen oder subzelluläre Kompartimente erleichtert.
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Als Reaktionspaar zur Herstellung der Kopplung zwischen erster und zweiter Verbindung kommen alle Varianten der sog. „Click“-Chemie in Betracht. Die am weitesten in der biologischen Chemie unter diesem Titel verwendete Reaktion betrifft die von Huisgen entwickelte 1,3-dipolare Zykloaddition zwischen einem Azid und einer Alkinfunktion (
Rostovtsev et al., Angew. Chem. 2002; van Berkel et al., ChemBioChem 2008, 9, 1805–1815) (Schema 1, a). Ebenso aber fallen auch die Staudinger-Ligation (
Saxon & Bertozzi, Science 2000, 287, 2007–2010; Köhn & Breinbauer, Angew. Chem. 2004, 116, 3168–3178; Schema 1 b oben) zwischen einem Azid und einem Arylcarboxylsäuremethylester-5-ortho-Phosphin, die Staudinger Phosphitreaktion (
Serwa et al., Angew. Chem. 2009, 121 Schema 1 b unten) zwischen einem Azid und einem Phosphitester, die Diels-Alder-Reaktion mit der En-Komponente als Funktion D (
Song et al., Angew. Chem. 2008, 120, 2874–2877;
J. Am. Chem. Soc. 2008, 130, 9654–9655;
Devaraj et al., Bioconjugate Chem. 2008, 19, 2297–2299) (Schema 1 c), oder als Funktion E (unkatalysiert:
Marchán et al., Nucl. Acids Res. 2006, 34, e24 1–9;
Titan als Katalysator: Litz, Molecules 2007, 12, 1674–1678,13;
Serganov et al., Nat. Struct. Mol. Biol. 2005, 12, 218–224) (Schema 1 d); die En-Reaktion oder die Photo-Thio-En-Reaktion (
Killops et al., J. Am. Chem. Soc. 2008, 130, 5062–5064; Schema 1 e) darunter.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung werden D und E jeweils zusammen ausgewählt aus der Gruppe von Reaktionspartnern umfassend ein Azid und ein Mitglied der Gruppe umfassend Alkin, 2-Phosphinobenzoat und Phosphitester. Dies bedeutet, dass entweder D oder E ein Azid ist, und der jeweils andere Partner ein Alkin, das Phosphinobenzoat oder ein Phosphitester. Alternativ kann das Paar D und E aus einer Doppelbindung und einem 1,3-Diensystem, einem Thiol und einem Alken oder einer Doppelbindung mit mindestens einem allylischem Wasserstoffatom und eine Azo-Verbindung gebildet werden.
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Die folgenden Kombinationen sind dabei bevorzugt:
| erste Verbinderfunktion D | zweite Verbinderfunktion E | Reaktion |
1 | Alkin | Azid | Huisgen 1,3 dipolar |
2 | Arylcarboxylsäuremethylester-5-ortho-Phosphin | Azid | Staudinger |
3 | Phosphitester | Azid | Staudinger Phosphit |
4 | A=B Doppelbindung (En) | A=B-D=E (Dien) | Diels-Alder |
| mit A, B, D, E unabhängig voneinander C oder N |
5 | C=C-C=C (Dien) | C=C Doppelbindung (En) | Diels-Alder |
6 | C=C Doppelbindung (En) | C=C-C=C (Dien) | Diels-Alder |
7 | C=C | R-SH | Thiol-En |
8 | R-SH | C=C | Thiol-En |
Tabelle 1
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Als photospaltbare Gruppe F sind Gruppen bevorzugt, welche bei Wellenlängen von 300–400 nm spaltbar sind. Dies ist insofern von Interesse, als diese Wellenlänge der Lichtquelle der als caproBox (caprotec bioanalytics GmbH, Berlin) vertriebenen Vorrichtung zur Aktivierung der Reaktivitätsfunktion entspricht. Für die Funktion F geeignete Gruppen stellen u.a. o-Nitrobenzylether (Spaltung bei 320–350 nm) und substituierte Acetophenone dar.
Schema 2
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(B, Het sind Sauerstoff, Stickstoff oder Schwefel; S hat die vorstehend bezeichnete Bedeutung als Spacer; R ist H oder Alkyl, R' ist H oder OH)
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Die Funktion Z in Formel (I) ist das Zentralatom, das die drei Funktionen X, Y und D (und damit Q) über Brücken S (Spacer) verbindet. In der einfachsten Form ist Z ein Kohlenstoffatom, z.B. das zentrale alpha-C einer Aminosäure. Proteinbildende funktionalisierte Aminosäuren wie Lysin oder Serin bieten sich als Kernmoleküle der ersten Verbindungen an, da sie bereits drei unabhängig voneinander derivatisierbare Gruppen aufweisen, an welche die Funktionen X, Y und D gekoppelt werden können.
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Ebenso kann Z ein tertiäres Amin sein, welches die drei Funktionen X, Y und D trägt.
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Weiterhin kann Z ein trisubstituierter Phosphor sein, bevorzugt ein Organophosphinoxid der allgemeinen Formel
bei welchem S, X, Y und D die vorstehend genannte Bedeutung haben.
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Ebenso kann Z ein Siliciumatom sein.
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Weiterhin kann der Kern der ersten Verbindung ein Ring sein, z.B. ein Phenylring oder eine Ribose. In diesem Falle würde Z formell eines der Ringmitglieder zu nennen sein, und mindestens zwei der die Funktionen X, Y und D verbindenden Spacer S sind miteinander verbrückt. Verbindungen mit ringförmiger Kernstruktur als Z sind auch geeignet zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens.
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S kann jede chemische Form annehmen, welche geeignet ist, die drei Funktionen X, Y und D bzw. die Funktionen E, F und Q miteinander zu verbinden. Bevorzugt sind lineare Ketten von Kohlenstoffatomen und Heteroatomen (Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel, Phosphor). Insbesondere sind Ketten der Länge 2, 3 oder 4 bis zu 8, 9, 10, 11 oder 12 Atome bevorzugt. Bei dieser Angabe der Kettenlänge wird auf die unmittelbar verbrückenden Atome abgestellt; die Kette kann durch weitere Kohlenstoff- oder Heteroatome substituiert sein und enthält selbstverständlich weiterhin die der Oxidationsstufe der Kettenatome entsprechenden Wasserstoffe.
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Beispiele für S sind der 4-Aminobutylrest (die Seitenkette des Lysins), der CO-NH-Rest oder ein NH-CO (Verknüpfung über eine Amidbindung am Stickstoff oder am Carbonylkohlenstoff), ein CO-O oder ein O-CO-Rest (Verknüpfung über eine Esterbindung am Sauerstoff oder am Carbonylkohlenstoff). Bei der Wahl der Brückenverbindung ist die Zugänglichkeit der chemischen Synthese, die sterische Freiheit der gebundenen Funktionen X, Y, D, E und Q, insbesondere der Interaktion der Funktion Y mit dem zu isolierenden Protein, sowie die Anforderungen an die erste Verbindung hinsichtlich der Diffusion in Zellen oder andere biologische Strukturen abzuwägen.
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Beispiele für S sind:
mit n = 0 bis n = 20. Dabei sind Ausführungsformen mit n = 0, n = 1, n = 2, n = 3, n = 4 und n = 5 bevorzugt.
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Insbesondere bevorzugt sind Ausführungsformen, bei denen die jeweils X und Y mit Z verknüpfenden S hinreichend lang sind, um die Funktionen unabhängig voneinander mit Proteinoberflächen interagieren zu lassen; andererseits aber die Länge der S im Hinblick auf eine einfache Diffusion z.B. in Zellen hinein minimiert. Dabei sind solche Kombinationen für die X und Y mit Z verbindenden S bevorzugt, die eine gesamte Kettenlänge beider S von 8 bis 15 Brückenatomen aufweisen.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform werden die in der Reinfraktion erhaltenen Proteine durch Massenspektrometrie, vorzugsweise gekoppelt an ein weiteres Trennverfahren wie Chromatographie, analysiert oder identifiziert. Die Proteine können dabei vor der Identifikation durch Verdau mit einer Proteinase fragmentiert werden.
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Gemäß einem zweiten Aspekt der Erfindung wird eine Verbindung zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens zur Verfügung gestellt. Diese ist durch die allgemeine Formel E-S-F-S-Q beschreibbar. Darin stellen alle S unabhängig von anderen S eine durch kovalente Bindungen zwischen Kohlenstoff-, Stickstoff-, Sauerstoff- und/oder Phorsphoratomen vermittelte Brücke zwischen Z und X, Y, und D dar. E ist eine zweite Verbinderfunktion, welche mit einer ersten Verbinderfunktion D bei bestimmten Reaktionsbedingungen selektiv zur Bildung einer kovalenten Verbindung in der Lage ist, bei welchen D und E nicht mit Polypeptiden reagieren. F ist eine durch Licht der Wellenlänge λ2 spaltbare Funktion und Q eine Sortierfunktion. Die Funktionen können sämtliche vorstehend bei der Erörterung des erfindungsgemäßen Verfahrens genannten Bedeutungen haben.
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Bevorzugt ist eine Ausführungsform des zweiten Aspektes der Erfindung, bei der Q aus der Gruppe umfassend Biotin, einen Fluoreszenzfarbstoff, ein Oligonukleotid, ein Peptidnukleinsäure- oder LNA-Oligomer und ein Magnetpartikel ausgewählt ist. Besonders bevorzugt ist Biotin.
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Gemäß eines dritten Aspektes der Erfindung wird eine Reagenzienkombination zur Durchführung eines Verfahrens gemäß dem ersten Aspekt zur Verfügung gestellt. Diese Reagenzienkombination kann als Kit oder vorbereitete Packung vorgesehen sein, aber auch in einer informellen Kombination der nachstehend definierten Reagenzien. Sie umfasst erfindungsgemäß eine erste Verbindung, die durch die allgemeine Formel
beschreibbar ist, wobei X eine durch Licht einer Wellenlänge λ
1 aktivierbare Reaktivitätsfunktion, Y eine Selektivitätsfunktion umfassend einen Molekülrest von weniger als 3500 u Molekülmasse, und Z Kohlenstoff oder Stickstoff bedeutet. D ist eine erste Verbinderfunktion, welche mit einer zweiten Verbinderfunktion E bei Reaktionsbedingungen selektiv zur Bildung einer kovalenten Verbindung in der Lage ist, bei welchen D und E nicht mit Polypeptiden reagieren. Jedes S ist unabhängig von den anderen S eine durch kovalente Bindungen zwischen Kohlenstoff-, Stickstoff-, Sauerstoff- und/oder Phorsphoratomen vermittelte Brücke zwischen Z und X, Y, und D.
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Weiterhin ist in der erfindungsgemäßen Reagenzienkombination eine zweite Verbindung gemäß dem zweiten Aspekt der Erfindung umfasst.
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Bevorzugt sind Kombinationen, bei denen X und F bei der gleichen Wellenlänge aktivierbar bzw. spaltbar sind. Insbesondere bevorzugt sind Reagenzienkombinationen, bei denen X aus der Gruppe umfassend Aryl-trifluoromethyldiazirine, Arylazide und Benzophenone ausgewählt ist und/oder Y einen Molekülrest von weniger als 1000 u Molekülmasse darstellt.
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Beispiele für Verbindungen, mit denen das erfindungsgemäße Verfahren durchgeführt werden kann, bzw. die als erfindungsgemäße Verbindungen oder Kombinationen verwendet werden können, sind:
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Als Beispiel für eine erste Verbindung I wurde 3 gemäß Schema 1 aus Amin 1 und Säure 2 hergestellt und mittels MPLC aufgereinigt.
MS: C
45H
62F
3N
12O
13P berechnet [M-H]: 1067.43, gefunden: 1067.43
Schema 2
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Als Beispiel für eine erste Verbindung I wurde 5 gemäß Schema 2 aus Ester 4 hergestellt und nach Aufreinigung über MPLC als farbloser Feststoff erhalten.
NMR (MeOH-d
4): 7.47/7.16 (AA‘/BB‘, 4H), 4.29 (dd, 1H), 3.39 (t, 2H), 3.15 (dt, 2H), 2.75 (t, 2H), 2.51-2.49 (m, 4H), 2.35 (t, 2H), 2.29 (m, 1H), 2.13 (t, 2H), 2.09 (t, 2H), 1.97 (dd, 1H), 1.73-1.66 (m, 2H), 1.66-1.59 (m, 2H), 1.59-1.52 (m, 2H), 1.50 (dd, 1H), 1.52-1.46 (m, 2H), 1.42-1.36 (m, 4H), 1.30-1.22 (m, 2H), 1.04 (s, 3H).
Schema 3
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Als Beispiel für eine zweite Verbindung II wurde der photospaltbare Linker 8 gemäß Schema 3 mittels Kondensation von Amin 6 und Säure 7 hergestellt und nach Aufreinigung über MPLC als gelblich-grüner Feststoff erhalten.
NMR (MeOH-d
4): 7.79 (s, 1H), 7.35 (s, 1H), 4.97 (br. s, 2H), 4.47 (br. dd, 1H), 4.28 (dd, 1H), 4.25-4.23 (m, 2H), 4.12 (s, 2H), 3.99 (s, 3H), 3.91-3.88 (m, 2H), 3.74-3.72 (m, 2H), 3.66-3.62 (m, 8H), 3.60 (t, 2H), 3.55 (t, 2H), 3.46 (t, 2H), 3.35 (t, 2H), 3.34-3.32 (m, 2H), 3.17 (ddd, 1H), 2.91 (dd, 1H), 2.69 (d, 1H), 2.19 (t, 2H), 1.69 (m, 1H), 1.66-1.59 (m, 2H), 1.57 (m, 1H), 1.45-1.36 (m, 2H).
Schema 4
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Als Beispiel für eine erste Verbindung I wurde Triazol 11 gemäß Schema 4 nach 30 min erhalten.
MS: C77H112F3N20O25PS berechnet: 1836.8, gefunden: 1836.6
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- Rostovtsev et al., Angew. Chem. 2002; van Berkel et al., ChemBioChem 2008, 9, 1805–1815 [0026]
- Saxon & Bertozzi, Science 2000, 287, 2007–2010; Köhn & Breinbauer, Angew. Chem. 2004, 116, 3168–3178 [0026]
- Serwa et al., Angew. Chem. 2009, 121 [0026]
- Song et al., Angew. Chem. 2008, 120, 2874–2877 [0026]
- J. Am. Chem. Soc. 2008, 130, 9654–9655 [0026]
- Devaraj et al., Bioconjugate Chem. 2008, 19, 2297–2299 [0026]
- Marchán et al., Nucl. Acids Res. 2006, 34, e24 1–9 [0026]
- Titan als Katalysator: Litz, Molecules 2007, 12, 1674–1678,13 [0026]
- Serganov et al., Nat. Struct. Mol. Biol. 2005, 12, 218–224 [0026]
- Killops et al., J. Am. Chem. Soc. 2008, 130, 5062–5064 [0026]