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Die vorliegende Erfindung betrifft eine bioabbaubare Kombination zur Behandlung eines Glaukoms umfassend einen Wirkstoff zur Senkung des Augeninnendrucks und ein Polymersystem, in welches der Wirkstoff eingebettet ist, wobei das Polymersystem ein Polysaccharid und ein Oligolacton mit endständigen Isocyanatgruppen umfasst.
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Ein erhöhter Augeninnendruck stellt einen der wichtigsten Risikofaktoren für ein Glaukom dar. Von einem erhöhten Augeninnendruck wird gesprochen, wenn der normale Augeninnendruck von 10-21 mm Hg (±5 mm Hg) überschritten ist. Das Glaukom, auch Grüner Star genannt, bezeichnet eine Reihe von Augenerkrankungen unterschiedlicher Ursache, die einen Verlust von Nervenfasern zur Folge haben. Bei fortgeschrittenem Krankheitsverlauf macht sich dies an der Austrittsstelle des Sehnervs als zunehmende Aushöhlung des Sehnervenkopfes bemerkbar. Infolgedessen entstehen charakteristische Gesichtsfeldausfälle, die im Extremfall zu einer Erblindung des betroffenen Auges führen können. Etwa 10 % der über 40 Jahre alten Bevölkerung haben als Risiko für die Entwicklung des Glaukoms einen erhöhten Augeninnendruck. Generell ist das Glaukom in Industriestaaten nach dem Diabetes mellitus die zweithäufigste Ursache für Erblindung.
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Bekannt für die Behandlung des Glaukoms sind gut wirksame Medikamente, die als Augentropfen täglich verabreicht werden (müssen). Diese versprechen bei frühzeitiger Diagnose gute Therapieerfolge. Als besonders problematisch haben sich in diesem Zusammenhang allerdings das häufig höhere Alter der Patienten und die anfängliche Beschwerdefreiheit erwiesen. Beide Aspekte führen häufig zu einer diskontinuierlichen Anwendung der Tropfen.
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Weiterhin steht der relativ leichten Handhabung von Augentropfen die schlechte Bioverfügbarkeit des Wirkstoffs nachteilig entgegen, da dieser durch Tränenflüssigkeit und Lidschlag wegespült wird.
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Neben der topischen Anwendung (Augentropfen) gibt es in der Augenheilkunde noch die periokulare und die intraokulare Injektion. Bekannt sind auch lokale Systeme zur Wirkstoffverabreichung, so genannte Local-Drug-Delivery-Systeme (LDD-Systeme), die aus biodegradierbaren Polymeren bestehen (S. Rothschenk, Arzneifomren zur Verabreichung von Proteinen am und im Auge, Dissertation, 2009, Universität Regensburg). Allerdings ist die Verwendung eines LDD-Systems eine bisher kaum beachtete Behandlungsmethode in der Glaukomtherapie.
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Andere bioabbaubare (biodegradierbare) Polymersysteme sind aus dem Bereich der Verklebung biologischer Gewebe bekannt. So offenbart das europäische Patent
EP 2 185 207 B1 eine Kombination zum Verkleben von biologischen oder synthetischen Geweben, welche ein stickstofffunktionalisiertes Polysaccharid und ein Oligolacton mit endständigen Isocyanatgruppen umfasst. Dieser Kleber wird zum Verkleben und/oder Fixieren von biologischen Geweben genutzt, wobei es sich insbesondere um Hart- oder Weichgewebe handelt. So können beispielsweise Knochengewebe verklebt werden oder der Kleber kann bei Zahnextraktionen zum Einsatz kommen. Gleichfalls können Organe oder Blutgefäße verklebt werden oder es können beispielsweise Implantate abgedichtet werden. Der Kleber kann in bestimmten Ausführungsformen Zusatz-, Hilfs- oder Füllstoffe enthalten, wobei es sich um antimikrobielle Wirkstoffe, aber auch um Wachstumsfaktoren, sowie um entzündungshemmende oder desinfizierende Stoffe handeln kann. Eine Verwendung dieser Polymersysteme zur Senkung des Augeninnendrucks oder zur Behandlung eines Glaukoms wird nicht offenbart.
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WO 2006/ 069 578 A1 beschreibt eine bioabbaubarer Kombination, die Hyaluronsäure und ein α-Hydroxycarbonsäure-Polymer umfasst. Die Komponenten des Polymersystems können hierbei vernetzt sein und ein ophthalmologisch wirksamer Arzneistoff kann im Produkt enthalten sein. Eine Vernetzung des Systems erfolgt über reaktive Acylchlorid-Funktionen, welche Esterbindungen mit Hydroxylgruppen des Polysaccharids ausbilden.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung war die Bereitstellung eines geeigneten Systems zur Behandlung eines Glaukoms, das mit erhöhtem Augeninnendruck einhergeht, d.h. zur Verabreichung von Wirkstoffen, welche den Augeninnendruck senken und somit zur Glaukombehandlung geeignet sind, wobei das System eine gute Bioverfügbarkeit des Wirkstoffes, d.h. eine gute Freisetzung, über einen längeren Zeitraum gewährleisten und die oben genannten Nachteile vermeiden sollte. Insbesondere war das Ziel die Entwicklung eines injizierbaren, wirkstoffbeladenen Polymers als LDD-System für die Glaukomtherapie.
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Die Aufgabe wird gelöst mit einer bioabbaubaren Kombination zur Senkung des Augeninnendruckes gemäß Anspruch 1.
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In anderen Worten wird die Aufgabe durch eine bioabbaubare Kombination zur Behandlung des Glaukoms, das mit erhöhtem Augeninnendruck einhergeht, gelöst, umfassend einen Wirkstoff zur Senkung des Augeninnendrucks und ein Polymersystem, in welches der Wirkstoff eingebettet ist, wobei das Polymersystem ein Polysaccharid und ein Oligolacton mit endständigen Isocyanatgruppen umfasst Die Behandlung von Erkrankungen mit erhöhtem Augeninnendruck, wie einem Glaukom bedeutet eine Senkung des Augeninnendruckes.
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Das Polymersystem aus einem vorzugsweise stickstofffunktionalisierten Polysaccharid und einem Oligolacton mit endständigen Isocyanatgruppen ist in der
EP 2 185 207 B1 offenbart. Daher wird hinsichtlich des einzusetzenden stickstofffunktionalisierten Polysaccharids und auch hinsichtlich des einzusetzenden Oligolactons mit endständigen Isocyanatgruppen auf diese Schrift Bezug genommen, wobei einige Aspekte aus Gründen der Nachvollziehbarkeit nachstehend nochmals separat ausgeführt werden. Im Hinblick auf die vorliegende Erfindung werden jedoch nicht nur stickstofffunktionalisierte Polysaccharide verwendet, sondern es kommen auch andere, nicht stickstofffunktionalisierte Polysaccharide zum Einsatz, beispielsweise Zellulose. Allerdings kann es bevorzugt sein, wenn das Polysaccharid stickstofffunktionalisiert ist.
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In einer bevorzugten Ausführungsform ist das Polysaccharid ein natürlich vorkommendes Polysaccharid. Beispielsweise kann es sich bei dem Polysaccharid um Glykosaminoglykane (Mucopolysaccharide) handeln. Ein Beispiel für ein bevorzugtes natürlich vorkommendes Polysaccharid, welches gleichzeitig stickstofffunktionalisiert ist, ist Hyaluronsäure. Die Hyaluronsäure kann beispielsweise ein Molekulargewicht von mindestens 20 kDa (kilo Dalton) besitzen. Insbesondere wird die Hyaluronsäure in Form ihres Natriumsalzes eingesetzt.
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Alternativ zu den vorstehend genannten Polysacchariden kann das verwendete Polysaccharid von einem natürlich vorkommenden Polysaccharid abgeleitet sein. Typischerweise handelt es sich in diesem Fall um ein chemisch modifiziertes Polysaccharid. Hierfür kommen grundsätzlich alle Polysaccharide in Betracht, die einer derartigen Funktionalisierung zugänglich sind. Weiterhin ist es erfindungsgemäß möglich, dass das Polysaccharid der Kombination ein vollständig synthetisches Polysaccharid ist. In einer bevorzugten Ausführungsform ist das Polysaccharid ein Aminogruppen, insbesondere primäre Aminogruppen, tragendes Polysaccharid. Bevorzugt beträgt der Anteil an Monosaccharideinheiten im Polysaccharid, die eine Aminogruppe tragen, mindestens 30%, vorzugsweise 80%. Das Polysaccharid besitzt vorzugsweise ein Molekulargewicht von 10 bis 350 kDa, insbesondere ca. 200 kDa.
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Das im Rahmen der vorliegenden Erfindung eingesetzte endständig mit Isocyanatgruppen funktionalisierte Oligolacton dient als Vernetzungsmittel, wobei der Ausdruck „Vernetzungs"Reaktionen mit sich selbst als auch Reaktionen mit dem Polysaccharid umfasst.
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Das Oligolacton ist aus Ethylenglykol oder Glycerin und Milchsäure, gebildet. Im Falle eines zweiwertigen Alkohols sind beide Hydroxylgruppen in verestertet.
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Zur endständigen Funktionalisierung der Oligolactone werden diese mit Diisocyanaten umgesetzt. Die Oligolactone der erfindungsgemäßen Kombination sind an ihrem Ende bzw. an ihren Enden mit einer aliphatischen Isocyanatgruppe modifiziert. Die Verwendung von aliphatischen Diisocyanaten, insbesondere 1,6-Hexamethylendiisocyanat (HMDI), zur Funktionalisierung der Oligolactone ist besonders bevorzugt, da sich aus aromatischen Diisocyanaten cancerogene Diamine bilden können.
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Das Oligolacton mit endständigen Isocyanatgruppen ist eine mit OCN-(C3-C8-Alkylen)-NCO zweifach funktionalisierte 1,2-Ethylenglykol-bis(dimilchsäure) oder eine mit OCN-(C3-C8-Alkylen)-NCO dreifach funktionalisierte Glycerin-tri(dimilchsäure), wobei „funktionalisiert“ hier die Ausbildung jeweils einer bindenden Carbamatgruppe und die Beibehaltung jeweils einer endständigen Isocyanatgruppe pro OCN-(C3-C8-Alkylen)-NCO bedeutet. OCN-(C3-C8-Alkylen)-NCO stellt aliphatische Diisocyanate mit drei bis acht Methyleneinheiten dar, d.h. 1,3-Trimethylendiisocyanat bis 1,8-Octamethlyendiisocyanat.
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Besonders bevorzugt ist das Oligolacton mit endständigen Isocyanatgruppen das Reaktionsprodukt aus 1,2-Ethylenglykol-bis(dimilchsäure) und 1,6-Hexamethylendiisocyanat (ELA-NCO) gemäß Formel I:
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Weitere Oligolactone, insbesondere Glycerololigolactid (GOL 1/0,5, M = 164,1 g/ mol) können verwendet werden.
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Abweichend zur
EP 2 185 207 B1 ist die Einbringung eines Wirkstoffes zur Senkung des Augeninnendrucks sowie die überraschende Eignung dieses wirkstoffhaltigen Systems als LDD-System zur Behandlung des Glaukoms, welches mit einem erhöhten Augeninnendruck einhergehen. Es hat sich überraschend herausgestellt, dass ein solcher Wirkstoff über einen längeren Zeitraum aus dem System freigesetzt wird und so effektiv zur Glaukombehandlung genutzt werden kann.
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Der Wirkstoff zur Senkung des Augeninnendruckes ist ausgewählt aus Cholinergika, insbesondere Pilocarpin, Carbachol; Sympathomimetika, insbesondere Apraclonidin, Brimonidin, Clonidin oder Dipivefrin; Betarezeptorenblocker, insbesondere Timolol, Betaxolol, Carteolol, Levobunolol, Metipranolol, Pindolol; Carboanhydrasehemmer, insbesondere Brinzolamid, Dorzolamid und Prostaglandin-Analoga, insbesondere Latanoprost, Travoprost oder Bimatoprost, wobei diese Wirkstoffe allein oder in Mischung eingesetzt werden. In einer bevorzugten Ausführungsform ist der Wirkstoff Timolol oder Latanoprost. Der Begriff „Wirkstoff“ umfasst die Stoffe selbst sowie ihre pharmazeutisch verträglichen Salze, beispielsweise Timololmaleat im Falle des Timolols.
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Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Polysaccharid und Oligolacton mit endständigen Isocyanatgruppen sind unterschiedliche Verhältnisse möglich. Vorzugsweise beträgt das Verhältnis Oligolacton mit endständigen Isocyanatgruppen : Polysaccharid 0,1:50 bis 50:0,1, mehr bevorzugt liegt es zwischen 10:1 und 1:10. Höchst bevorzugt ist ein Verhältnis zwischen 1:1 und 10:1 (V:V).
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Die Wirkstoffkonzentration bezogen auf die Menge des Polysaccharids (100 Gew-%) beträgt 1-200 Gew-%, mehr bevorzugt 10-150 Gew-%, höchst bevorzugt 20-100 Gew-%.
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Erfindungsgemäß wird die bioabbaubare Kombination zur Senkung des Augeninnendrucks zur Glaukombehandlung, verwendet. Das in-situ vernetzbare Polymersystem kann unter die Bindehaut appliziert werden und den inkorporierten, für die Glaukomtherapie geeigneten, Wirkstoff über einen Zeitraum von mehreren Monaten freisetzen. Das aus zwei Komponenten und dem Wirkstoff bestehende System hat den Vorteil, dass es mit einer Zweikammerspritze direkt unter die Bindehaut injiziert werden kann und erst dort vernetzt.
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Vorzugsweise liegen beide Komponenten bis zur Applikation getrennt vor, wobei in einer zweckmäßigen Ausführungsform das Polysaccharid zusammen mit dem Wirkstoff und das Oligolacton mit den endständigen Isocyanatgruppen -jeweils getrennt- in einem oder mehreren Lösungsmitteln dispergiert, vorzugsweise gelöst, vorliegen. Bevorzugt handelt es sich bei dem Lösungsmittel um Wasser. Weiterhin können organische Lösungsmittel verwendet werden, die biologisch verträglich sind. Ein geeignetes Lösungsmittel ist Dimethylsulfoxid (DMSO). In einer bevorzugten Ausführungsform ist das Lösungsmittel ein Lösungsmittelgemisch aus DMSO und Wasser.
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Das Oligolacton mit endständigen Isocyanatgruppen liegt in einer besonders bevorzugten Ausführungsform in Form einer DMSO-Lösung, insbesondere mit einer Konzentration zwischen 50 und 99 Gew.-%, insbesondere 70 und 90 Gew.-%, vorzugsweise von ca. 85 Gew.- %, bezogen auf das Gesamtgewicht der Lösung, vor. Für das Polysaccharid ist es in dieser Ausführungsform bevorzugt, wenn die Lösung zumindestens anteilig Wasser enthält, d.h. es können rein wässrige Lösungen oder Lösungen mit organischen Lösungsmitteln, welche zumindestens anteilig Wasser (vorzugsweise mindestens 10 Gew-%) aufweisen, für das Polysaccharid (gemeinsam mit dem Wirkstoff) genutzt werden.
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Vorteilhafterweise werden das mit dem Wirkstoff gemeinsam vorliegende Polysaccharid und das Oligolacton mit endständigen Isocyanatgruppen erst dann gemischt, wenn eine Reaktion zwischen ihnen erwünscht ist. In einer zweckmäßigen Ausführungsform ist die erfindungsgemäße Kombination bereits in einer Applikationsvorrichtung enthalten, wie sie in
EP 2 185 207 B1 beschrieben ist. Diese ist durch Bezugnahme ebenfalls Teil dieser Beschreibung.
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Die Vernetzungs-Reaktion zwischen Polysaccharid und Oligolacton mit endständigen Isocyanatgruppen erfolgt auf verschiedenen Wegen, wobei keine Bindung an die nachfolgend dargestellten Mechanismen gegeben ist. Zum einen reagiert das Oligolacton mit endständigen Isocyanatgruppen bei Zusammentreffen mit Wasser so, dass aus den NCO-Gruppen Kohlenstoffdioxid abgespalten wird und anschließend Amino-Gruppen vorliegen, welche auch zur weiteren Reaktion mit anderen NCO-Gruppen befähigt sind. Dies bedeutet, dass für das Oligolacton aufgrund der endständigen NCO-Gruppen auch zumindest teilweise eine Reaktion mit sich selbst stattfinden kann. Zum anderen können die NCO-Gruppen mit den funktionellen Gruppen des Polysaccharids, beispielsweise mit dort vorhandenen Amino- und/oder Hydroxylgruppen vernetzen. Erfindungsgemäß wird der Wirkstoff nur dem Polysaccharid bzw. dessen Lösung (vorzugsweise wasserhaltig) zugesetzt. Erst bei Vermischen beider Komponenten (Polysaccharid mit Wirkstoff + Oligolacton mit endständigen Isocyanatgruppen) treffen Wirkstoff und Oligolacton mit endständigen Isocyanatgruppen aufeinander. Hierdurch kann eine Inaktivierung des Wirkstoffes durch die Reaktion mit den Isocyanatgruppen vermieden werden. Wenn das Wasser initial ausschließlich auf Seiten von Polysaccharid und Wirkstoff vorlag, kommt es erst beim Zusammentreffen zu einer Reaktion des Oligolactons mit endständigen Isocyanatgruppen, beispielsweise der Isocyanatgruppen mit Wasser bzw. mit dem Polysaccharid.
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Erfindungsgemäß ist somit auch ein Verfahren zur Herstellung einer bioabbaubaren Kombination zur Behandlung von Erkrankungen mit erhöhtem Augeninnendruck / zur Senkung des Augeninnendruckes, welches dadurch gekennzeichnet ist, dass das Oligolacton mit endständigen Isocyanatgruppen, ggf. unter Zusatz eines organischen Lösungsmittels, vorzugsweise DMSO, mit einer wässrigen Lösung aus Polysaccharid und Wirkstoff umgesetzt wird.
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Ein Vorteil des durch Reaktion der erfindungsgemäßen Kombination entstehenden Polymersystems ist seine biologische Abbaubarkeit. Durch die Vernetzung der Polysaccharide über die endständig mit Isocyanat funktionalisierten Oligolactone entsteht eine feste Verbindung, die im Verlauf einiger Monate resorbiert werden kann. Bevorzugt wird das Polymersystem während eines Zeitraums von etwa 1 Jahr resorbiert (biologisch abgebaut), bevorzugt während eines Zeitraums von 2 bis 6 Monaten. Der Mechanismus der Resorption kann beispielsweise auf hydrolytischen und/oder enzymatischen Prozessen beruhen. Insbesondere können die Polysaccharide gespalten und einzelne Fragmente davon abtransportiert und ausgeschieden werden. Alternativ können die Fragmente, insbesondere Monosaccharide, auch in Zellen eingeschleust werden.
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Ein weiterer Vorteil ist die langfristige Freisetzung des Wirkstoffes. Es konnte gezeigt werden, dass der enthaltene Wirkstoff über einen Zeitraum von mehreren Monaten bis zu einem Jahr, vorzugsweise sechs Monaten, aus dem Polymersystem freigesetzt wird. Dies ist einer effektiven Glaukomtherapie äußerst dienlich. Die in-vitro Biokompatibilität wurde nach DIN EN ISO 10993-5 getestet, wobei sich insbesondere das Verhältnis Oligolacton : Polysaccharid von 1:1 als besonders geeignet erwies.
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Figurenliste
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Es zeigt
- : die IR-spektroskopische Untersuchung der Reaktion von ELA-NCO/DMSO mit Hyaluronsäure Natriumsalz (HA-Na) im Verhältnis (1:1)
- : die Freisetzung von Timolol-Maleat aus ELA-NCO:Hyaluronsäure-Polymer, Elution in 0,9 %ig NaCI-Lsg. bei 37 °C.
- : die In vitro-Biokompatibilität anhand von Dosis-Wirkungskurven für die Einzelkomponente ELA-NCO (mit einem Massenanteil von 15 % DMSO) und der Mischungen ELA-NCO : Hyaluronsäure Natriumsalz (HA-Na) (10:1, 4:1, 1:1); „•“: relative VitalitätELA-NCO, „▲“: relative ProliferationELA-NCO.
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Nachfolgend wird das System im Rahmen von Beispielen anhand der besonders bevorzugten Kombination aus dem Oligolacton mit endständigen Isocyanatgruppen, bestehend aus Ethylenglycol-bis(dimilchsäure) und 1,6-Hexamethylendiisocyanat (ELA-NCO) und dem Polysaccharid Hyaluronsäure Natriumsalz beschrieben:
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Beispiele
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Beispiel 1- Synthese des Polymersystems
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Ethylenglycol-bis(dimilchsäure), dargestellt aus Ethylenglycol und Dilactid unter Zusatz von Phosphorsäure in einer säurekatalysierten Ringöffnung, wurde durch die Reaktion mit 1,6-Hexamethylendiisocyanat mit endständigen reaktiven Isocyanatgruppen versehen. Das Reaktionsprodukt stellt die erste Komponente, ELA-NCO, gemäß Formel I dar.
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Zur besseren Handhabbarkeit wurde die Viskosität des ELA-NCO durch Zugabe einer kleinen Menge Lösemittel verringert. Untersuchungen ergaben, dass eine Mischung aus ELA-NCO und DMSO in einem Verhältnis von 85/15 w/w (85:15 Gew-%) sehr gut geeignet ist.
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Als zweite Komponente wurde das in der Augenheilkunde etablierte Viskoelastikum Hyaluronsäure Natriumsalz (HA-Na) verwendet (Hyaluronsäure : Wasser 2,5 : 97,5 w/w (2,5:97,5 Gew- %)).
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Der Reaktionsverlauf für eine Mischung von ELA-NCO und Hyaluronsäure im Verhältnis 1:1 wurde mit Hilfe von IR-Messungen untersucht. Aufgrund der Vernetzungsreaktion nimmt die Intensität der NCO-Bande (im Bereich um 2270 cm-1) ab, was IR-spektroskopisch verfolgt werden kann (siehe ). Die Isocyanatbande ist nach etwa 24 Stunden nicht mehr vorhanden und die Polymerreaktion somit abgeschlossen.
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Neben einem Mischungsverhältnis von 1:1 wurden auch Untersuchungen zu den Mischungsverhältnissen 4:1 sowie 10:1 durchgeführt.
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Beispiel 2- Wirkstofffreisetzung aus wirkstoffhaltigem Polymersystem
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Für die Freisetzungsuntersuchungen wurden exemplarisch Timololmaleat und Latanoprost verwendet. Um deren Inaktivierung durch die Reaktion mit den Isocyanatgruppen möglichst gering zu halten, wurden die Wirkstoffe der wässrigen Hyaluronsäurelösung zugegeben.
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Das angestrebte Ziel ist ein Freisetzungszeitraum von ungefähr 6 Monaten.
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Für die Freisetzungsuntersuchungen wurden mit Hilfe einer Zwei-Kammer-Spritze unterschiedliche Mengen der einzelnen Komponenten (ELA-NCO bzw. Hyaluronsäure + Wirkstoff) ohne vorheriges Aushärten direkt in Probenvials gegeben und sofort das Elutionsmedium hinzugegeben. Die Bestimmung der freigesetzten Mengen der Wirkstoffe wurde wieder mittels HPLC-Messungen vorgenommen.
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Es wurden Untersuchungen mit unterschiedlichen ELA-NCO zu Hyaluronsäure Verhältnissen sowie unterschiedlichen Wirkstoffkonzentrationen durchgeführt.
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Bei den Freisetzungsversuchen mit 30 Gew.-% Timololmaleat wurden drei verschieden Verhältnisse von Hyaluronsäure zu ELA-NCO (1:1, 1:4 und 1:10) eingesetzt. In der sind die aufsummierten Konzentrationen des freigesetzten Timolols in Abhängigkeit von der Zeit für alle drei Zusammensetzungen dargestellt. Zu Beginn ist ein sehr großer Anstieg, also eine sehr große initiale Freisetzungsrate zu verzeichnen, die dann im Verlauf sehr schnell absinkt. Ab 1000 Stunden ergibt sich ein linearer Anstieg der Freisetzungskurve, der bis etwa 3000 Stunden anhält. Über diesen Zeitpunkt hinaus ist die Freisetzung bisher sehr gering. Die Unterschiede der Konzentrationsniveaus der drei Zusammensetzungen 1:1, 1:4 und 1:10 sind auf den unterschiedlichen absoluten Wirkstoffgehalt zurückzuführen, da der Wirkstoff jeweils der Hyaluronsäure-Komponente zugesetzt wurde, deren Anteil bezogen auf die ELA-NCO-Komponente geringer wird.
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Beim Latanoprost wurden zwei unterschiedliche Wirkstoffkonzentrationen untersucht, zum einen eine Beladung von 30 Gew-% bezogen auf die Menge der eingewogenen Hyaluronsäure und zum zweiten 100 Gew-%. Ebenso wie beim Timolol ergeben sich sehr starke Anstiege zu Beginn der Freisetzung. Der Vorteil des Latanoprosts ist die geringere Wasserlöslichkeit im Vergleich zu Timolol. Dies wirkt sich vor allem auf die gemessenen absoluten Konzentrationen aus. Der Anstieg scheint aber auch hier nach einem gewissen Zeitraum stark abzusinken. Für die Konzentration von 30 Gew-% wurde bisher nur die Zusammensetzung 1:1 getestet, während bei dem Latanoprost-Anteil von 100 Gew-% bezogen auf die Hyaluronsäure wieder alle drei Zusammensetzungen getestet wurden.
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Beispiel 3- In vitro-Biokompatibilität
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Zur Testung der in vitro-Biokompatibilität nach DIN EN ISO 10993-5 wurden 24 h-Eluate der Einzelkomponente ELA-NCO (mit einem Massenanteil von 15 % DMSO) und der Mischungen ELA-NCO : Hyaluronsäure Natriumsalz (HA-Na) (10:1, 4:1, 1:1) hergestellt. Diese wurden 48 h auf primäre humane Tenonfibroblasten gegeben. Als Parameter wurden Vitalität und Proliferation der Zellen untersucht und Dosis-Wirkungskurven erstellt, die in der für jede untersuchte Substanz dargestellt sind. Mit zunehmenden ELA-NCO-Konzentrationen nimmt die Zytotoxizität zu.
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Laut DIN EN ISO 10993-5 gilt eine Substanz als zytotoxisch, wenn die Vitalität unter 70 % der Negativkontrolle fällt. Demnach ist eine 100 %ige Eluatskonzentration der 1:1-Mischung nicht zytotoxisch. Daher wurden erste in vivo-Funktionstests mit der 1:1-Mischung durchgeführt.