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Die Erfindung betrifft ein medizinisches Implantat mit einer Oberflächenbeschichtung zum Einsatz in einem lebenden Patienten.
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Implantate in einem biologischen Organismus werden vom Körper des Patienten in der Regel durch das Immunsystem als Fremdkörper identifiziert. Zwar gibt es Ausnahmen, die durch die Verwendung spezieller biokompatibler Werkstoffe erreicht werden, jedoch ist der Einsatz dieser speziellen Werkstoffe nicht für alle Implantate indiziert. Des Weiteren ist der Einsatzort im Körper des Patienten dafür ursächlich, welche Intensität der Immunantwort zu erwarten ist.
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Bekannt sind beispielsweise textile Implantate, die im Rahmen der Unterstützung verschiedener anatomischer Strukturen wie Muskulatur, Bindegewebe o. dgl. Anwendung finden.
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Andere bekannte Implantate werden aus metallischen Werkstoffen gefertigt, wie Nägel und Schrauben zum dauerhaften Verbleib in einem Knochen oder Zahnstifte als Träger von Stiftkronen oder ganzen Zähnen, die auf einem Implantatbolzen, der aus dem Kiefer in die offene Mundhöhle hineinragt, aufgesetzt werden. Diese Implantate regen in der Regel keine ungewollte Immunantwort hervor.
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Implantate, wie beispielsweise künstliche Herzklappen oder Gewebe zur Verstärkung der körpereigenen Unterhautgewebes zum Einsatz in großflächigen Schnittwunden nach Operationen, provozieren intensivere Immunantworten, so dass sich das Körpergewebe, das mit dem Implantat verwachsen soll, verändert und dabei das Implantat durch Einkapselung isoliert und dabei seine typischen Gewebeeigenschaften verändert. Diese Veränderung kann so stark ausfallen, dass das das Implantat umgebende Gewebe nicht mehr seine erwünschte Funktion im Körper erfüllt.
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Wieder andere Implantate, die nur für einen begrenzten Zeitraum im Körper verbleiben, wie beispielsweise Nägel oder Implantate aus polymerem Material zur zeitlich begrenzten Fixierung von Knochenbrüchen, sind gegenüber einer Immunantwort weniger empfindlich, weil die Immunantwort langsamer voranschreitet als die geplante Verweilzeit des Implantats im Körper. Neben dem Einsatzort im Körper und dem Implantatmaterial ist auch die Oberflächentextur des Implantats dafür verantwortlich, wie intensiv die Immunantwort des Patientenkörpers auf das Implantat ausfällt.
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Je nach Typ des Implantats ist es also notwendig, dass die Immuntoleranz des Patientenkörpers kurzzeitig, mittelfristig oder langfristig aufrechterhalten wird. Für die kurzzeitige Unterdrückung einer ungewollten Immunantwort ist es vertretbar, das Immunsystem des Patientenkörpers medikamentös zu unterdrücken. Bei dieser Immunsuppression wird allerdings in Kauf genommen, dass der gesamte Körper des Patienten eine geringere Immunstärke hat und somit der Patient anfällig gegenüber Krankheiten ist.
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Für ein Implantat, das langfristig im Körper des Patienten verbleiben soll, ist es bekannt, die Materialien des Implantates zu variieren, beispielsweise der Einsatz von Titannägeln statt nickelhaltigen Nägeln, um die Körperreaktion zu dämpfen. Auch ist es bekannt, Implantate mit einer speziellen antiallergischen oder chemisch sehr reaktionsträgen Oberfläche auszustatten. Ein Beispiel für eine reaktionsträge Oberfläche ist die Vergoldung durch dünnschichtiges Aufdampfen von Gold oder der Überzug des Implantates mit hochfluorierten Polymeren. Des Weiteren werden manche Implantate zu gleichen Zwecken mit diamantartigem Kohlenstoff überzogen. Die Beschichtung mit diesen speziellen Werkstoffen ist aber sehr teuer und auch nicht immer durchführbar, weil dabei das Implantat zur Beschichtung extremen Bedingungen ausgesetzt werden muss.
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DE 10 2006 038 239 Al zeigt ein medizinisches Implantat nach dem Oberbegriff von Anspruch 1. Ein Implantatgrundkörper ist mit zwei übereinanderliegenden Trägerschichten in Form von Polymerbereichen versehen, die jeweils mit einem Wirkstoff beladen sind. Beide Polymerbereiche können jeweils ein gleiches oder unterschiedliche Polymere als Trägermaterial für die darin befindlichen Wirkstoffe enthalten.
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Der Erfindung liegt das Problem zugrunde, ein Implantat zur Verfügung zu stellen, welches die oben genannten Nachteile nicht aufweist.
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Das obige Problem wird bei einem Implantat gemäß dem Oberbegriff von Anspruch 1 durch die Merkmale des kennzeichnenden Teils von Anspruch 1 gelöst.
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Wesentlich ist, dass die Oberflächenbeschichtung aus mindestens zwei übereinanderliegenden Trägerschichten besteht, die jeweils mindestens einen pharmazeutisch aktiven Wirkstoff tragen und im Serum des Patienten löslich sind, wodurch die Wirkstoffe freisetzbar sind. Bei den Wirkstoffen handelt es sich vorzugsweise um Substanzen oder Substanzmischungen, welche die Immunantwort des Körpers verringern oder hemmen. Mindestens eine Trägerschicht der Oberflächenbeschichtung weist mindestens eine flächige Aussparung auf. Hierdurch ist eine räumlich gezielte Freisetzung von Wirkstoffen möglich. In dem Flächenbereich der Aussparung findet die Freisetzung von in der die Aussparung aufweisenden Trägerschicht vorhandenem Wirkstoff selbstredend nicht statt. Wohl aber ist die Freisetzung von Wirkstoff, der sich in der darunterliegenden Trägerschicht befindet, möglich.
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Wird das Implantat in den Körper des Patienten eingebracht, so löst sich regelmässig zunächst die oberste Trägerschicht im lokal vorhandenen Serum des Patienten, was zur Freisetzung der dort untergebrachten Wirkstoffe führt. Anschließend lösen sich hintereinander die darunter angebrachten, ggf. mehreren Trägerschichten.
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Mit dem vorschlagsgemäßen, mehrschichtigen Aufbau der Oberflächenbeschichtung läßt sich auf einfache Weise die zeitliche Freisetzung (Menge/Zeit) der Wirkstoffe der einzelnen Trägerschichten einstellen, da die einzelnen Trägerschichten im Großen und Ganzen sequentiell gelöst werden. Das zeitliche Freisetzungsverhalten lässt sich unter dem Begriff „Freisetzungskinetik“ zusammenfassen.
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Wesentlich für die optimale Einstellung der Freisetzungskinetik ist die Wahl und Auslegung einer geeigneten Schichtstruktur der Oberflächenbeschichtung.
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Die Trägerschichten der Oberflächenbeschichtung des Implantates können durch Auflackieren, Bestreichen mit einem in Wasser gequollenen oder gelösten Polymer, beispielsweise einem Gelbildner, oder Bestreichen mit einem in Wasser gequollenen oder gelösten, denaturierten Collagen hergestellt werden, wobei die Konzentration des gewünschten Wirkstoffes im gelösten oder gequollenem Collagen oder Gelbildner als Trägermaterial nur so hoch ist, dass die gewünschte Endkonzentration im getrocknetem Trägermaterial erreicht wird.
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Als Trägermaterial, welches eine einzelne Trägerschicht der Oberflächenbeschichtung bildet, kommt vorzugsweise ein Polymer oder eine Polymermischung in Betracht. In besonders bevorzugter Ausgestaltung handelt es sich bei dem Polymer um ein Polymer in Form eines Hydrogels oder eines denaturierten Collagens.
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Die geeignete Wahl der Löslichkeit der Trägerschichten im Serum des Patienten spielt für die Einstellung der Freisetzungskinetik eine besondere Rolle. Vorzugsweise weisen zumindest zwei Trägerschichten eine unterschiedliche Löslichkeit im Serum auf.
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Die Löslichkeit der Trägerschichten läßt sich beispielsweise dadurch einstellen, dass in den Trägerschichten eine bestimmte Menge eines Additivs oder mehrerer Additive enthalten ist. Um nun die oben angesprochenen, unterschiedlichen Löslichkeiten zu Realisieren, ist es vorzugsweise so, dass zumindest zwei Trägerschichten der Oberflächenbeschichtung unterschiedliche Additive und/oder unterschiedliche Additivkonzentrationen aufweisen.
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Das obige Additiv bzw. die obigen Additive kann bzw. können in der betreffenden Trägerschicht der Oberflächenbeschichtung als Emulsion oder als in der Trägerschicht gelöster Stoff vorliegen.
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Als Additiv zur Einstellung der Löslichkeit kommen unterschiedliche Stoffe zum Einsatz. Im einfachsten Fall handelt es sich um organische oder anorganische Salze, die den osmotischen Druck in der Trägerschicht einstellen. Je höher der osmotische Druckunterschied zwischen dem Serum und der Trägerschicht ist, desto schneller löst das Trägermaterial, das die mindestens eine Trägerschicht der Oberflächenbeschichtung bildet. Neben Salzen kommen Tenside in Betracht oder auch chemisch funktionale Gruppen, die ionisch, kovalent oder komplexiert an das Trägermaterial, das die Trägerschicht bildet, gebunden sind. Funktionale Gruppen können Hydroxygruppen sein, die zu einer Polyolschicht führt, oder Carboxylgruppen, Amingruppen oder auch Sulfonsäuregruppen.
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Als weitere Additive kommen vernetzende Substanzen in betracht, welche das Trägermaterial ionisch, kovalent oder komplexiert vernetzen, aber im Serum hydrolytisch gespalten werden, so dass die Vernetzung durch die Hydrolyse aufgebrochen wird. Erfindungsgemäß ist vorgesehen, dass die hydrolytischen Abbauprodukte biologisch abbaubar sind. Als Beispiel dienen Polylactate oder biologisch verträgliche, abbaubare Ester.
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Grundsätzlich können alle Trägerschichten einen identischen Wirkstoff und/oder eine identische Wirkstoffmenge tragen. Mit der Mehrschichtigkeit der Oberflächenbeschichtung läßt sich dann eine ganz bestimmte Freisetzungskinetik des einen Wirkstoffs erreichen. In besonders bevorzugter Ausgestaltung ist es allerdings vorgesehen, dass zumindest zwei, vorzugsweise alle, Trägerschichten der Oberflächenbeschichtung unterschiedliche Wirkstoffe und/oder unterschiedliche Wirkstoffkonzentrationen aufweisen. Damit lassen sich die einzelnen Wirkstoffe zeitlich und in noch zu erläuternder Weise auch räumlich gezielt freisetzen.
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Die Trägerschichtdicke der Oberflächenbeschichtung kann im molekularen Bereich liegen, das bedeutet, sie kann nur wenige hundert Picometer stark sein. Denkbar ist aber auch die Schichtdicke einer Farblackierung. Die notwendige Trägerschichtdicke hängt u.a. davon ab, wie das Implantat eingesetzt werden soll. Ein Nagel zur Knochenstabilisierung wird in der Regel dünner beschichtet, weil eine stärker auftragende Beschichtung beim Einsatz möglicherweise abgetragen wird. Auch künstliches Gewebe zum Einsatz zur Stärkung des Körpergewebes sollte, um seine physikalischen Eigenschaften aufrecht zu erhalten, eher dünnschichtig beschichtet werden. Andere Implantate, wie beispielsweise ein Herzschrittmacher, der nur innerhalb des Körpers angeordnet sein muss, aber keine mechanisch funktionellen Aufgaben übernimmt, können wesentlich stärker auftragende Trägerschichten aufweisen.
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In bevorzugter Ausgestaltung weisen zumindest zwei Trägerschichten der Oberflächenbeschichtung eine unterschiedliche Schichtdicke auf, wodurch eine weitere Einstellmöglichkeit für die Freisetzungskinetik gegeben ist.
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Eine weitere Möglichkeit zur Einstellung der Freisetzungskinetik besteht schließlich darin, dass zumindest zwei, vorzugsweise alle, Trägerschichten der Oberflächenbeschichtung ein unterschiedliches Schichtmaterial insbesondere mit unterschiedlicher Löslichkeit aufweisen.
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Es wurde bereits angesprochen, dass mit der vorschlagsgemäßen Lösung auch eine räumlich gezielte Freisetzung von Wirkstoffen möglich ist. Im Hinblick auf die mindestens eine flächige Aussparung können die einzelnen Trägerschichten jeweils mit verschiedenen Aussparungen versehen sein, die kreis-, ring-, linienförmig o. dgl. ausgestaltet sein können.
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Die vorschlagsgemäße Lösung läßt sich besonders vorteilhaft auf textile Implantate anwenden, wobei das Implantat vorzugsweise zumindest zum Teil, insbesondere vollständig, aus PVDF (Polyvinylidenfluorid) besteht.
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Im Folgenden wird die Erfindung anhand einer lediglich Ausführungsbeispiele darstellenden Zeichnung näher erläutert. In der Zeichnung zeigt
- 1 eine Trägerschichtfolge einer Oberfläche eines vorschlagsgemäßen Implantats,
- 2 eine konkrete Trägerschichtfolge einer Oberfläche eines vorschlagsgemäßen Implantats.
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In 1 ist ein Querschnitt der Oberflächenbeschichtung eines Implantats 1 dargestellt, aufweisend die Oberfläche 2 des Implantats 1, eine darauf folgende erste Trägerschicht 3 mit einer ersten Konzentration eines Wirkstoffes, gefolgt von einer zweiten Trägerschicht 4 mit einer zweiten Konzentration eines Wirkstoffes, welche ihrerseits überschichtet ist mit einer Trägerschicht 5 mit einer dritten Konzentration eines Wirkstoffes.
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Im Einsatz lösen sich die einzelnen Trägerschichten 3, 4 und 5 im Serum des Patienten. Durch das Lösen der Trägerschichten 3, 4, 5 wird der in den Trägerschichten 3, 4, 5 untergebrachte Wirkstoff in das Serum des Patienten freigesetzt, wobei die Wirkstoffkonzentration im lokalen Umfeld des Implantates 1 u.a. abhängig ist von den einstellbaren Parametern Löslichkeit der jeweiligen Trägerschicht 3, 4, 5, Konzentration des Wirkstoffs in der Trägerschicht 3, 4, 5, sowie die Trägerschichtdicke der einzelnen Trägerschichten 3, 4, 5.
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2 zeigt ein weiteres vorschlagsgemäßes Implantat mit zwei Trägerschichten 3, 4. Die untere Trägerschicht 3 und die Oberfläche 2 des Implantats sind dort durch einen Haftungsvermittler 6, hier in Form von funktionalen Carboxylgruppen, R-COO-, an den Enden von Polymerzweigen der Oberfläche 2 des Implantats 1 miteinander verbunden. Die untere Trägerschicht 3 ist ein Hydrogel, das ohne diesen Haftungsvermittler 6 nicht auf der hydrophoben Oberfläche 2 des Implantats 1 aus PVDF haften würde. In dem Hydrogel der Trägerschicht 3 ist ein Wirkstoff W untergebracht, der beim Auflösen der Trägerschicht 3 der Oberflächenbeschichtung des Implantats in das Serum des Patienten abgegeben wird. Die obere Trägerschicht trägt einen weiteren Wirkstoff in erheblich größerer Menge als bei der unteren Trägerschicht.
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Aus den 1 und 2 wird deutlich, dass durch eine geeignete Wahl der Schichtstruktur ein beliebiges Zeit (t) - Konzentrations (c) - Profil der Wirkstoffabgabe eingestellt werden kann. Durch die Ausstattung der einzelnen Trägerschichten 3, 4 und 5 mit unterschiedlichen Wirkstoffen, Additiven, Konzentrationen und Trägerschichtdicken kann in einem weiten Bereich eine beliebige Freisetzungskinetik für die jeweiligen Wirkstoffe eingestellt werden.