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Stand der Technik
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Die vorliegende Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zum Ansteuern eines zumindest zwei Schutzstufen aufweisenden Insassenschutzmittels für einen Insassen eines Fahrzeugs, auf ein entsprechendes Steuergerät sowie auf ein entsprechendes Computerprogrammprodukt.
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Bei der Ansteuerung eines herkömmlichen Rückhaltemittels werden Beschleunigungswerte in Richtung einer Fahrzeuglängsachse ausgewertet und das Rückhaltemittel entsprechend angesteuert.
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Die
DE 60 2005 001 669 T2 beschreibt ein entsprechendes Verfahren zum Steuern einer Rückhaltevorrichtung in einem Fahrzeug.
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Offenbarung der Erfindung
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Vor diesem Hintergrund wird mit der vorliegenden Erfindung ein Verfahren zum Ansteuern eines zumindest zwei Schutzstufen aufweisenden Insassenschutzmittels für einen Insassen eines Fahrzeugs, weiterhin ein Steuergerät, das dieses Verfahren verwendet sowie schließlich ein entsprechendes Computerprogrammprodukt gemäß den Hauptansprüchen vorgestellt. Vorteilhafte Ausgestaltungen ergeben sich aus den jeweiligen Unteransprüchen und der nachfolgenden Beschreibung.
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Typischerweise liegt der Fokus bestehender Sicherheitssysteme auf den Frontpassagieren, insbesondere weil typische Crashtestszenarien dies abprüfen. Allerdings wird ein immer größeres Augenmerk auf die Sicherheit der Fondpassagiere geworfen, beispielsweise mittels der Beltbag Technologie. Weitere Konzepte für die Sicherheit von Fondpassagieren sind z.B. der Zwischenairbag. Aktuelle Veränderungen bzgl. der Fondpassagiere fließen auch in aktuelle Verbraucherschutztests ein. Ab 2015 wird im Euro NCAP auf der Rückbank außer einem Q6 Dummy mit Kindersitz auch ein Q10+ Dummy mitgetestet. Hier wird das fahrzeugeigene Sicherheitssystem zum Schutz des Heranwachsenden herangezogen werden, da kein Kindersitz verwendet wird.
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Auswertungen aus der Unfallforschung auf Basis der GIDAS Datenbank zeigen, dass in 12% aller Unfälle mit Verletzten mindestens ein Insasse im Fondbereich sitzt. Meistens ist in diesen Fällen der rechte Platz (51%) auf der Rückbank belegt, ansonsten der linke (41%) und seltener der mittlere Platz (8%) besetzt. Dabei sind insgesamt knapp 30 % der Fondinsassen jünger als 12 Jahre. Insgesamt zeigen die Unfallforschungsauswertungen eindeutig, dass die Eigenkinematik der Insassen im Vergleich zu Frontpassagieren noch stärker beschränkt werden sollte, um schwere Verletzungen zu vermeiden. Ergebnisse von 40% ODB Crashes mittels Insassensimulation verdeutlichen, dass der linke und rechte Fondpassagier je nach Drehrichtung des Fahrzeugs eine ganz unterschiedliche Kinematik aufweist.
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Bei einem Unfall eines Fahrzeugs mit einer Fahrzeugdrehung um die Hochachse des Fahrzeugs werden Fahrzeuginsassen seitlichen Beschleunigungskräften ausgesetzt. Abhängig von einer Richtung der Fahrzeugdrehung werden zumindest außen sitzende Fahrzeuginsassen entweder in Richtung Fahrzeuginnenraum geschleudert oder in Richtung einer Fahrzeugseitenwand bzw. Fahrzeugtüre. In Richtung Fahrzeuginnenraum steht ein relativ langer Weg bereit, über den die Bewegung des Insassen relativ zum Fahrzeug mittels eines Rückhaltemittels abgebremst werden kann. Deshalb kann der Insasse mit geringen Rückhaltekräften durch das Rückhaltemittel gehalten werden. In Richtung Seitenwand oder Tür steht ein relativ geringer Weg zur Verfügung, über den die Bewegung abgebremst werden kann, bevor der Insasse auf die Seitenwand oder die Tür prallt. Deshalb ist es sinnvoll, den Insassen bei einer Bewegung in Richtung Seitenwand oder Tür durch ein Rückhaltemittel mit größeren Rückhaltekräften zu bremsen. Die unterschiedlichen Rückhaltekräfte können durch unterschiedliche Schutzstufen eines zumindest ein Rückhaltemittel umfassenden Insassenschutzsystems realisiert werden. So kann eine geringe Schutzstufe eine geringe Rückhaltekraft und eine hohe Schutzstufe eine große Rückhaltekraft bedeuten. Durch eine Auswertung der Drehrichtung des Fahrzeugs kann zunächst die erforderliche Rückhaltekraft bestimmt werden. Basierend darauf kann eine geeignete Schutzstufe des Insassenschutzsystems ausgewählt werden.
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Ein Verfahren zum Ansteuern eines zumindest zwei Schutzstufen aufweisenden Insassenschutzmittels für einen Insassen eines Fahrzeugs weist den folgenden Schritt auf:
Auswählen einer der zumindest zwei Schutzstufen des Insassenschutzmittels als bei einem Aufprall des Fahrzeugs zu verwendende Schutzstufe unter Verwendung einer Gierrichtung des Fahrzeugs.
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Bei dem Fahrzeug kann es sich um ein Kraftfahrzeug, beispielsweise einen Personenkraftwagen handeln. Unter einem Insassenschutzmittel kann beispielsweise ein Prallsack oder ein Rückhaltegurt verstanden werden. Eine Schutzstufe kann beispielsweise ein Füllgrad eines Prallsacks oder eine Haltekraft eines Rückhaltegurts sein. Durch die Schutzstufe kann definiert werden, mit welcher Rückhaltekraft der Insasse durch das Insassenschutzmittel am Verlassen seiner Sitzposition gehindert wird. Die Gierrichtung kann eine Richtung einer Drehung oder Rotation des Fahrzeugs anzeigen. Die Drehung oder Rotation kann durch den Aufprall des Fahrzeugs hervorgerufen sein. Eine Gierrichtung kann unter Verwendung einer Gierrate des Fahrzeugs ermittelt werden. Die Gierrate kann mittels eines Gierratensensors erfasst werden. Der Aufprall des Fahrzeugs kann durch eine geeignete Sensorik erkannt werden. Der erkannte Aufprall kann mittels eines Aufprallsignals signalisiert werden. Der Schritt des Auswählens kann ansprechend auf ein Erkennen des Aufpralls oder unabhängig von dem Erkennen des Aufpralls ausgeführt werden. Im Schritt des Auswählens kann eine Information über einen verfügbaren Bewegungsraum für den Insassen berücksichtigt werden. Bei dem Insassen kann es sich insbesondere um einen im Fondbereich des Fahrzeugs befindlichen Insassen handeln. Demnach kann es sich bei dem Insassenschutzmittel um ein im Fondbereich angeordnetes Insassenschutzmittel handeln. Bei dem Insassenschutzmittel kann es sich beispielsweise um ein Rückhaltesystem, einen Airbag oder ein Energie absorbierendes Element, beispielsweise an einer Innenverkleidung des Fahrzeugs handeln. Bei einer Auslösung des Insassenschutzmittels kann das Insassenschutzmittel mit der im Schritt des Auswählens ausgelösten Schutzstufe ausgelöst werden.
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Die zu verwendende Schutzstufe kann ferner unter Verwendung eines verfügbaren Bewegungsraums für den Insassen ausgewählt werden. Dazu kann zunächst eine Position des Insassen durch eine Auswertung von Signalen von Sensoren, beispielsweise von Sitzbelegungssensoren erfasst werden. Der verfügbare Bewegungsraum für den Insassen kann mittels eines Schritts des Ermittelns unter Verwendung der Gierrichtung und der Position des Insassen bestimmt werden. Ferner kann der verfügbare Bewegungsraum basierend auf Abmessungen eines Innenraums des Fahrzeugs bestimmt werden. Für einzelne oder alle Fahrzeugsitze des Fahrzeugs kann der verfügbare Bewegungsraum für eine Drehrichtung des Fahrzeugs im Uhrzeigersinn und zusätzlich oder alternativ für eine Drehrichtung gegen den Uhrzeigersinn vorbestimmt sein. Beispielsweise kann während einer Rotation des Fahrzeugs im Uhrzeigersinn ein Insasse auf einem Rücksitz links im Fahrzeug mehr Bewegungsraum zur Verfügung haben als ein Insasse auf einem Rücksitz rechts im Fahrzeug, da rechts neben dem rechten Rücksitz eine Außenbegrenzung einer Fahrgastzelle des Fahrzeugs angeordnet ist, also beispielsweise eine Seitenwand, eine Türe oder ein Fenster. Dem Insassen auf dem linken Rücksitz steht in dieser Beispielsituation Bewegungsraum in Richtung Fahrzeugmitte zur Verfügung.
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Der verfügbare Bewegungsraum kann unter Verwendung einer Information über den Insassen ermittelt werden. Unter einer Information über den Insassen kann beispielsweise eine Körpergröße des Insassen verstanden werden. Beispielsweise kann ein großer Insasse bei einer Vorverlagerung des Oberkörpers an einem vor dem Insassen angeordneten Gegenstand, wie beispielsweise einem Sitz mit einer höheren Wahrscheinlichkeit aufprallen, als ein kleiner Insasse. Auch kann einem großen Insassen generell weniger Bewegungsraum zur Verfügung stehen als einem kleinen Insassen. Die Information über den Insassen kann beispielsweise über eine Kamera im Innenraum des Fahrzeugs oder einem Sensor im Sitz des Fahrzeugs oder einem gewichtserfassenden System im Sitz oder einem Gurtauszugssensor im Gurtautomat erfasst werden.
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Das Verfahren kann einen Schritt des Erkennens einer Sicherungsart des Insassen aufweisen, wobei der verfügbare Bewegungsraum unter Verwendung der Sicherungsart ermittelt wird. Unter einer Sicherungsart kann ein Hilfsmittel zum Sichern des Insassen an dem Sitz verstanden werden. Beispielsweise kann ein verwendeter Kindersitz eine Verfügbarkeit von Rückhaltemitteln einschränken. Weiterhin kann der Bewegungsraum durch einen Kindersitz eingeschränkt werden. Die Sicherungsart kann mittels eines Sensors, beispielsweise in dem Sitz erkannt werden.
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Eine höhere der Schutzstufen kann als zu verwendende Schutzstufe ausgewählt werden, wenn der verfügbare Bewegungsraum kleiner als ein Mindestwert ist. Ist der verfügbare Bewegungsraum dagegen größer als der Mindestwert, so kann eine geringere der Schutzstufen ausgewählt werden. Wird eine geringere Schutzstufe gewählt, kann die Eigenbewegung des Insassen mit einer geringeren Kraft, dafür aber über eine größere Weglänge hinweg abgebaut werden und damit die auf den Insassen wirkende Belastung vermindert werden. Die höhere Schutzstufe kann mit einer größeren Rückhaltekraft als die geringere der Schutzstufen verbunden sein. Beispielsweise kann durch eine höhere Schutzstufe eine höhere Gurtkraft an einem Rückhaltegurt ausgewählt werden als bei einer geringeren Schutzstufe. Durch die höhere Gurtkraft kann eine Bewegung des Insassen schnellstmöglich abgefangen werden, damit ein Aufprall des Insassen auf ein Teil des Fahrzeugs vermieden oder zumindest möglichst stark gemildert werden kann.
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Das Verfahren kann einen Schritt des Einlesens zumindest einer Information über den Insassen aufweisen. Im Schritt des Auswählens kann die zu verwendende Schutzstufe ferner unter Verwendung der Information über den Insassen ermittelt werden. Die Information über den Insassen kann beispielsweise aus einem Speicher ausgelesen werden. Die Information über den Insassen kann beispielsweise ein Körpergewicht, eine Körpergröße, ein Gesundheitszustand, wie eine Knochendichte, ein Alter und/oder ein Geschlecht des Insassen umfassen. Beispielsweise kann ein Insasse mit hohem Alter geringere Rückhaltekräfte tolerieren, als ein Insasse mit geringerem Alter.
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Die zu verwendende Schutzstufe kann ferner unter Verwendung eines Gierwinkels des Fahrzeugs ausgewählt werden. Ein Gierwinkel kann repräsentieren, wie weit sich das Fahrzeug ausgehend von einer ursprünglichen Fahrtrichtung gedreht hat. Der Gierwinkel kann in einem Schritt des Ermittelns des Gierwinkels unter Verwendung der Gierrate ermittelt werden. Unter Verwendung des Gierwinkels kann erkannt werden, ob das Fahrzeug beispielsweise eine tatsächliche Bewegung ausführt. Wenn eine hohe Beschleunigung nur für kurze Zeit wirksam ist, kann das Fahrzeug lediglich eine geringe Bewegung ausführen. Dabei können geringe Bewegungen des Insassen resultieren, die keinen Eingriff des Insassenschutzsystems erforderlich machen.
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Das Insassenschutzmittel kann ein Rückhaltegurt und/oder ein Sitz und/oder ein sitzintegriertes Rückhaltesystem und/oder ein energieabsorbierender Interieurkörper und/oder ein energieabsorbierendes Panel und/oder ein Airbag, insbesondere in einem Fondbereich des Fahrzeugs, sein. Die zumindest zwei Schutzstufen können zumindest zwei unterschiedliche Zugkraftniveaus des Rückhaltegurts repräsentieren. Ein Rückhaltegurt kann auch mehrere Stufen aufweisen. Ebenso kann die Rückhaltekraft stufenlos verstellt werden. Der Gurt kann auch entgegen einer Bewegung des Insassen verkürzt werden, um den Insassen schneller abbremsen zu können. Mit Airbag kann sowohl ein Curtainbag, ein Seitenbag aber auch ein Zwischenairbag bezeichnet sein. Im Fondbereich eines Fahrzeugs können besonders hohe Querbeschleunigungen auftreten, wenn das Fahrzeug eine Rotation um die Gierachse ausführt.
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Die vorliegende Erfindung schafft ferner ein Steuergerät, das ausgebildet ist, um die Schritte des erfindungsgemäßen Verfahrens in entsprechenden Einrichtungen durchzuführen bzw. umzusetzen. Auch durch diese Ausführungsvariante der Erfindung in Form eines Steuergeräts kann die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe schnell und effizient gelöst werden.
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Unter einem Steuergerät kann vorliegend ein elektrisches Gerät verstanden werden, das Sensorsignale verarbeitet und in Abhängigkeit davon Steuersignale ausgibt. Das Steuergerät kann eine Schnittstelle aufweisen, die hard- und/oder softwaremäßig ausgebildet sein kann. Bei einer hardwaremäßigen Ausbildung können die Schnittstellen beispielsweise Teil eines sogenannten System-ASICs sein, der verschiedenste Funktionen des Steuergeräts beinhaltet. Es ist jedoch auch möglich, dass die Schnittstellen eigene, integrierte Schaltkreise sind oder zumindest teilweise aus diskreten Bauelementen bestehen. Bei einer softwaremäßigen Ausbildung können die Schnittstellen Softwaremodule sein, die beispielsweise auf einem Mikrocontroller neben anderen Softwaremodulen vorhanden sind.
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Von Vorteil ist auch ein Computerprogrammprodukt mit Programmcode, der auf einem maschinenlesbaren Träger wie einem Halbleiterspeicher, einem Festplattenspeicher oder einem optischen Speicher gespeichert sein kann und zur Durchführung des Verfahrens nach einer der vorstehend beschriebenen Ausführungsformen verwendet wird, wenn das Programm auf einem Computer oder einer Vorrichtung ausgeführt wird.
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Die Erfindung wird nachstehend anhand der beigefügten Zeichnungen beispielhaft näher erläutert. Es zeigen:
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1a ein Fahrzeug mit einer Vorrichtung gemäß einem Ausführungsbeispiel der vorliegenden Erfindung;
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1b ein Ablaufdiagramm eines Verfahrens zum Ansteuern eines Insassenschutzmittels eines Fahrzeugs gemäß einem Ausführungsbeispiel der vorliegenden Erfindung;
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1c eine Draufsicht auf ein Fahrzeug vor einem Aufprall mit einer Definition eines Koordinatensystems;
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2 eine Darstellung einer Bewegungstrajektorie mit resultierender Gierbewegung eines Fahrzeugs nach einem ODB Crash mit 64 km/h;
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3 eine Darstellung von Rotationsverläufen verschiedener Fahrzeuge nach ODB Crashes mit 64 km/h;
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4 eine Darstellung eines Details der Rotationsverläufe im Zeitbereich 0 bis 100 ms nach der Kollision;
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5 eine Darstellung eines Insassensimulationsmodells des Fahrzeuginnenraums zum Simulieren eines Verfahrens zum Ansteuern gemäß einem Ausführungsbeispiel der vorliegenden Erfindung zum Abschätzen der Verletzungsschwere von Fondpassagieren;
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6 eine Darstellung resultierender Kopfbeschleunigungen auf verschiedenen Plätzen in einem Unfallfahrzeug als Ergebnis der Insassensimulation; und
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7 ein Schaubild eines Verfahrens zum Ansteuern eines Insassenschutzmittels eines Fahrzeugs gemäß einem Ausführungsbeispiel der vorliegenden Erfindung zur Gurtkraftbegrenzersteuerung im Fondbereich.
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In der nachfolgenden Beschreibung bevorzugter Ausführungsbeispiele der vorliegenden Erfindung werden für die in den verschiedenen Figuren dargestellten und ähnlich wirkenden Elemente gleiche oder ähnliche Bezugszeichen verwendet, wobei auf eine wiederholte Beschreibung dieser Elemente verzichtet wird.
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1a zeigt ein Fahrzeug 100 gemäß einem Ausführungsbeispiel der vorliegenden Erfindung. Das Fahrzeug 100 fährt geradeaus und trifft mit seiner Vorderseite auf ein Hindernis 102. Durch den Aufprall auf das Hindernis 102 wird das Fahrzeug 100 in Drehung versetzt. Eine daraus resultierende Drehrate, beispielsweise um eine durch den Schwerpunkt des Fahrzeugs 100 verlaufende Hochachse, kann mittels eines Drehratensensors 104 erfasst werden.
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Das Fahrzeug weist beispielhaft vier Sitze auf. Auf einem sich hinten rechts befindlichen Sitz befindet sich ein Insasse 106. Der Insasse 106 wird von einem Insassenschutzmittel gesichert. Beispielhaft ist das Insassenschutzmittel gemäß diesem Ausführungsbeispiel in Form eines Sicherheitsgurts 108 dargestellt. Eine Zugkraft des Sicherheitsgurts 108 kann mittels einer Vorrichtung 110 zum Ansteuern des Sicherheitsgurts 108 sowie zum Aktuieren des Sicherheitsgurts 108 auf zumindest zwei unterschiedliche Werte eingestellt werden. Das Aktuieren des Sicherheitsgurts 108 kann beispielsweise mittels eines Motors, Pyrotechnik, einem Kraftbegrenzer oder anderen geeigneten Mitteln erfolgen. Der Sicherheitsgurt weist somit zumindest zwei unterschiedliche Schutzstufen auf.
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Der Drehratensensor 104 ist gemäß diesem Ausführungsbeispiel ausgebildet, um eine Information über die Drehrichtung des Fahrzeugs 100 um die Hochachse an die Vorrichtung 110 auszugeben. Die Vorrichtung 110 ist ausgebildet, um ansprechend auf den Aufprall des Fahrzeugs 100 auf das Hindernis 102 unter Verwendung der Drehrichtung eine der Schutzstufen des Sicherheitsgurts 108 auszuwählen.
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Die Vorrichtung 110 steht stellvertretend für ein Steuergerät zum Ansteuern des Insassenschutzmittels. Die Vorrichtung 110 kann beispielsweise ein Airbag-Steuergerät sein. Die Vorrichtung kann an einer beliebigen, geeigneten Position im Fahrzeug 100 angeordnet sein. Beispielsweise kann die Vorrichtung 110 im Bereich der Fahrzeugmitte angeordnet sein. Die Vorrichtung 110 und der Drehratensensor 104 können auch in einem gemeinsamen Gehäuse angeordnet sein.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel der vorliegenden Erfindung wird eine Adaption der Gurtsysteme eines Fahrzeugs ermöglicht, insbesondere eine Adaption der Gurtkraft-Begrenzer-Charakteristik und der Anzugkraft bei motorischen Gurtstraffern im Fondbereich in Abhängigkeit der Drehrichtung des Fahrzeugs 100, der Sitzposition bzw. -belegung des Fahrzeugfonds und der zur Verfügung stehenden anderen Insassenschutzmittel wie z.B. Seiten- und Kopfairbags. Die Adaption kann vor allem bei Offset-Frontcrashes bis hin zu Low-Overlap Fahrzeug-Fahrzeug Crashes aber auch bei entsprechenden Seitencrashes durchgeführt werden.
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Die Gierrate und daraus abgeleitete Größen können in Kombination mit einem Kollisionszustand, also einem Status der Kollision des Fahrzeugs 100, zur Ansteuerung der im Fondbereich befindlichen Rückhaltemittel verwendet werden. Dies sind neben einem Gurtsystem 108 auch Airbags oder reversible Systeme, z.B. im Sitz oder einer Türstruktur.
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In vorteilhafter Weise wird damit im übertragenen Sinne der Gurtkrafteffekt zur Insassenbewegung "addiert" oder "subtrahiert" und führt zu einer stärkeren Beschränkung der Eigendynamik des Insassen 106 und damit zu einer geringeren Verletzungsgefahr, insbesondere bei der lateralen Bewegung.
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Beispielhaft steht bei einer Linksdrehung des Fahrzeugs 100, also einer Drehung entgegen dem Uhrzeigersinn, dem Fondpassagier links deutlich weniger Raum auf der Seite für seine Eigenbewegung zur Verfügung wie dem Fondpassagier 106 rechts. In vorteilhafter Weise wird die Gurtkraftcharakteristik für den links sitzenden Passagier in abgestimmter Ansteuerung mit dem Curtainbag und/oder Seitenbag und/oder Heckbag und/oder Zwischenbag zwischen zwei Passagieren und/oder sitzintegrierten Schutzsystemen oder weiterer zum Schutz des Fondpassagiers 106 vorgehaltener Rückhalte- und Sicherheitssysteme auf einem höherem Niveau angesteuert, um diese Kinematik zu beschränken. Damit nutzt der links sitzende Passagier den nutzbaren Bewegungsraum, den sogenannten ridedown-space, optimal aus. Beim rechten Fondpassagier 106 ist eine Beschränkung dagegen nicht notwendig. Dieser baut seine kinematische Energie des Kopfes und Thorax über einen längeren Weg ab und nutzt den verfügbaren ridedown-space damit besser aus.
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Zusätzlich zu den Gurtkraftbegrenzerniveaus kann auch zwischen konstanter, progressiver und degressiver zeitlicher oder von der Beschleunigung oder Vorverlagerung oder der Drehbewegung abhängiger Charakteristik geschalten werden, sofern dies der Erhöhung der Sicherheit des Insassen durch eine effiziente Eigenkinematik-Beeinflussung dient. Die progressive Charakteristik kann ein ansteigendes Kraftniveau und die degressive Charakteristik kann ein nachlassendes Kraftniveau definieren. Als ansteuerbarer Teil des Gurtsystems 108 kommt auch der Gurtstraffer in pyrotechnischer oder elektromotorischer Ausführung (EMR) in Betracht. Hier kann sowohl der Auslösezeitpunkt in Abhängigkeit der Fahrzeugrotation bzw. abgeleitete Größen (Rotationsgeschwindigkeit) gesteuert werden, wie auch die Elektromotorcharakteristik beeinflusst werden. Ein wesentlicher Vorteil des hier vorgestellten Ansatzes ist die Reduktion der Verletzungsschwere der Fondpassagiere im Frontcrashfall mit Offset, wie er z.B. bei typischen Frontendkollisionen oder auch Frontalkollisionen auftritt.
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Mit anderen Worten kann die Gierrate sowie daraus abgeleitete Größen im Auslösealgorithmus der Insassenschutzmittel verwendet werden. Darauf aufbauend kann eine verbesserte Crashklassifizierung erfolgen und damit eine angepasste Auslösestrategie auch für den Frontbereich ausgewählt werden. Die Information kann für die eigentliche Auslösung der Rückhaltemittel verwendet werden. Weiterhin kann die Information nach Auslösung der Rückhaltemittel insbesondere mit dem Fokus Fondpassagiere weiter verwendet werden.
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Weist das Fahrzeug im Fondbereich zusätzlich einen mittleren Sitz auf, so kann das anhand der äußeren beiden Sitze beschriebene Grundkonzept in entsprechender Weise auch für den mittleren Sitz bzw. für ein für den mittleren Sitz vorgesehenes Inssassenschutzmittel umgesetzt werden.
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1b zeigt ein Ablaufdiagramm eines Verfahrens 111 zum Ansteuern eines Insassenschutzmittels eines Fahrzeugs gemäß einem Ausführungsbeispiel der vorliegenden Erfindung. Bei dem Fahrzeug kann es sich um das in 1a gezeigte Fahrzeug 100 handeln und das Verfahren 111 kann von der in 1a gezeigten Vorrichtung 110 umgesetzt werden. Mittels des Verfahrens 111 kann ein Insassenschutzmittel, beispielsweise der in 1a gezeigte Sicherheitsgurt 108, angesteuert werden, das mehrere Schutzstufen aufweist.
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Das Verfahren 111 des Insassenschutzmittels weist einen Schritt des Erfassens 112, einen Schritt des Auswählens 114 und einen Schritt des Bereitstellens 116 auf. Das Verfahren 111 kann ansprechend auf eine erkannte Kollision des Fahrzeugs durchgeführt werden.
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Im Schritt des Erfassens 112 wird eine Gierrate des Fahrzeugs beispielsweise mittels eines Gierratensensors erfasst. Die Gierrate repräsentiert eine Drehung um eine Hochachse des Fahrzeugs. Im Schritt des Auswählens 114 wird unter Verwendung einer, aus der Gierrate ermittelten Gierrichtung des Fahrzeugs eine von zumindest zwei Schutzstufen des Insassenschutzmittels als bei einem Aufprall des Fahrzeugs zu verwendende Schutzstufe ausgewählt. Im Schritt des Bereitstellens 116 wird an das Insassenschutzmittel ein Signal bereitgestellt, welches eine Information über die zu verwendende Schutzstufe repräsentiert.
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Weiterhin kann das Verfahren einen Schritt des Ermittelns 118, einen Schritt des Erkennens 120 sowie einen Schritt des Einlesens 122 umfassen.
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Im Schritt des Ermittelns 118 kann ein für den Insassen verfügbarer Bewegungsraum ermittelt werden, in dem sich der Insasse bei einer Kollision des Fahrzeugs verletzungsfrei bewegen kann. Beispielsweise kann der Insasse in Richtung Fahrzeugmitte mehr Bewegungsraum zur Verfügung haben, als in Richtung Fahrzeugseite. Der verfügbare Bewegungsraum kann im Schritt des Auswählens 114 berücksichtigt werden, um die zu verwendende Schutzstufe auszuwählen. Im Schritt des Erkennens 120 kann eine Sicherungsart des Insassen erkannt werden. Beispielsweise wird über Sensoren an einer Rückhalteeinrichtung ein Zustand des Rückhaltemittels erkannt. Ebenso kann beispielsweise ein Kindersitz oder eine Babyschale erkannt werden. Die Information über die Sicherungsart kann im Schritt des Auswählens 114 verwendet werden, um die zu verwendende Schutzstufe auszuwählen. Im Schritt des Einlesens 122 kann zumindest eine Information über den Insassen eingelesen werden. Beispielsweise kann ein Alter oder ein Gewicht des Insassen eingelesen werden. Im Schritt des Auswählens 114 kann die Information über den Insassen verwendet werden, um die zu verwendende Schutzstufe auszuwählen.
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Die Schritte des Verfahrens 111 können von einem Steuergerät ausgeführt werden. Dazu kann das Steuergerät eine Einrichtung zum Erfassen, eine Einrichtung zum Auswählen und eine Einrichtung zum Bereitstellen aufweisen. Weiterhin kann das Steuergerät eine Einrichtung zum Ermitteln, eine Einrichtung zum Erkennen sowie eine Einrichtung zum Einlesen umfassen.
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1c zeigt eine vereinfachte Darstellung eines Fahrzeugs 100 vor einem Aufprall auf eine Barriere 102. Das Fahrzeug 100 wird frontal auf die Barriere 102 treffen. Dabei überdeckt die Barriere 102 etwa die Hälfte einer Front des Fahrzeugs 100. Neben dem Fahrzeug 100 sind zwei Drehrichtungspfeile dargestellt. Eine Drehung entgegen dem Uhrzeigersinn ist mit „+“ gekennzeichnet, eine Drehung im Uhrzeigersinn ist mit „–“ gekennzeichnet.
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2 zeigt eine Bewegungstrajektorie eines Fahrzeugs in einem standardmäßigen 64 km/h Offset-Crash. Gezeigt ist eine überlagerte Darstellung einer Abbildung eines Fahrzeugs der Kompaktklasse, mehrerer stilisierter Umrisslinien 200a, 200b des Fahrzeugs und Koordinatenveränderungen von mehreren Punkten 202, 204, 206, die an dem Fahrzeug markiert sind. Die Spuren der Koordinatenveränderung sind in einem überlagerten x-y-Diagramm dargestellt, dessen Achsen Bildpunktkoordinaten einer aufzeichnenden Kamera repräsentieren und keinen unmittelbaren Bezug zu dem unterlegten Fahrzeug aufweisen.
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Auch im Frontcrash ergeben sich erhebliche Fahrzeugrotationen. Die dargestellte Grafik basiert auf einer Einzelbildauswertung eines Crashtest Videos in einer Aufsicht. Aufgetragen sind unter anderem die Kontur 200a des Fahrzeugs vor der Kollision, die Kontur 200b des Fahrzeugs nach der Kollision sowie drei Punkte 202, 204, 206 die aus dem Innenraum gewählt wurden. Die Punkte 202, 204, 206 wurden auf Basis von Markerpunkten in der Videoaufzeichnung gewählt. Dabei beschreiben diese Punkte 202, 204, 206 das Koordinatensystem des Fahrzeugs und damit auch die aktuelle Absolutrotation des Fahrzeugs. Die Punkte 202, 204, 206 sind auf dem Dach des Fahrzeugs im Bereich innerhalb bzw. im Bereich der Fahrgastzelle angeordnet. Da dort aufgrund des Knautschzonenkonzepts und der Stabilität der Fahrgastzelle keine Deformation auftritt, bleibt das durch die Punkte 202, 204, 206 aufgespannte rechtwinklige Schnittkreuz weiterhin rechtwinklig. Zwischen zwei einzelnen Messpunkten der Aufzeichnung liegen 20 ms. Die zeitliche Dauer, die durch die in der Abbildung eingetragenen Messpunkte abgedeckt wird, (400 ms) entspricht nicht der Kollisionsdauer und ist deutlich geringer. Durch den Verlauf der Trajektorien ist zu erkennen, dass das Fahrzeug eine sehr steife Fahrzeugstruktur aufweist und anschließend eine relativ große, schlagartige Rotation ausführt. Dies deutet darauf hin, dass in der zweiten Crashphase eine große rotatorische Belastung und damit einhergehende Seitwärtsbewegung der Insassen zu erwarten ist. Damit einher geht natürlich auch ein erhöhtes Verletzungsrisiko. Die drei Punkte 202, 204, 206 bewegen sich mit dem Fahrzeug, während das Fahrzeug auf die Barriere prallt. Dabei beschreiben die Punkte 202, 204, 206 eine angenähert L-förmige Bahnkurve.
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3 zeigt eine Abhängigkeit mehrerer Rotationsverläufe von der Fahrzeuggröße und dem Fahrzeuggewicht. Dabei ist der Rotationsverlauf unterschiedlicher Fahrzeuge in 64 km/h ODB Crashes, beispielsweise auf Basis einer Bildauswertung gezeigt. Auf der Abszisse ist eine Zeit t in ms angetragen. Auf der Ordinate ist ein Drehwinkel als Winkel mit Horizontale in Grad angetragen. Dabei beschreiben die Verläufe 300 Fahrzeuge der Kleinst- und Kompaktklasse, die Verläufe 302 Fahrzeuge der Mittelklasse und die Verläufe 304 schwere Fahrzeuge. Dabei ist zu erkennen, dass im Speziellen kleinere Fahrzeuge aufgrund der bereits in 2 erwähnten steiferen Fahrzeugstrukturauslegung großen Rotationen ausgesetzt sind. Ein typisches Hybrid-Fahrzeug mit relativ schwerer Batterie im Heckbereich verhält sich ähnlich. Bisher stehen bei der Auslegung der Rückhaltesysteme im Frontlastfall vornehmlich die Frontpassagiere im Fokus. Jedoch ergeben sich für die Passagiere im Fondbereich zusätzlich zu den Insassenbelastungen aus dem Frontimpuls auch erhöhte Belastungen durch die nachfolgende Rotationsbewegung des Fahrzeugs. Dabei tritt häufig das Problem auf, dass nach der Fahrzeugverzögerung der Fondinsasse infolge der Rotation mit seinem Kopf entweder an einem weiteren Insassen, an der Kopfstütze oder der C-Säule anschlägt und dabei beträchtliche Verletzungen davon tragen kann. Die zeitliche Anforderung der Rückhaltesysteme, die hier gefordert sind, liegt nach der und später, je nach Fahrzeug, Offset und Geschwindigkeit der Kollision (hier Euro NCAP).
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4 zeigt eine Detaildarstellung aus 3. Die Absolutrotationen 300, 302, 304 der anhand von 3 genannten Fahrzeuge sind im Zeitbereich von 0 bis 100 ms nach Kollision gezeigt. Zusätzlich zu den bereits anhand von 3 gezeigten Fahrzeugen sind Rotationsverläufe 410a, 410b, 410c von drei weiteren Fahrzeugen gezeigt, die einen Referenzgierratensensor aufweisen. Dieser Sensor erlaubt eine Messung der inkrementellen Gierrate wie auch der Absolutrotation. In 4 ist zu erkennen, dass sich im Zeitbereich bis 100 ms nach Kollision bei den untersuchten Fahrzeugen schon eine für eine algorithmische Auswertung ausreichende Rotation ausgebildet hat. Diese reicht aus, um zeitnah für den weiteren Crashverlauf ab 100 ms eine Auslösung und Steuerung relevanter Rückhaltemittel durchzuführen.
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5 zeigt eine Darstellung einer Insassensimulation eines Fahrzeuginnenraums mit Fahrer 500 und zwei Fondpassagieren 502, 504. Außenwände und Seitenscheiben des Fahrzeugs sind angedeutet. Die Insassen 500, 502, 504 des Fahrzeugs sind mit Rückhaltemitteln auf Sitzen des Fahrzeugs fixiert. Der Fahrer 500 sitzt hinter einem Lenkrad des Fahrzeugs. Vor dem Fahrer 500 ist eine Frontscheibe des Fahrers angedeutet.
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6 zeigt exemplarisch die Kopfbeschleunigungen des Fahrers 500 und der beiden Fondinsassen 502, 504 aus 5 bei einem 64 km/h Euro NCAP Crash mit 40% Überdeckung. Der linke Fondinsasse 502 erfährt bei ca. 110 ms seinen Hauptbeschleunigungspeak 600 aus der Vorwärtsbewegung und bei ca. 380 ms nach der Kollision einen weiteren Beschleunigungspeak 602 aufgrund seiner Lateralbewegung infolge der Rotationsbewegung des Fahrzeugs. Hier trifft er mit seinem Kopf das Fenster bzw. die Seitenstruktur des Fahrzeugs. Die gegenwärtig übliche Verwendung des Sicherheitsgurtes und anderer Rückhaltemittel ist momentan kaum in der Lage diese Art von Insassenbelastung effektiv zu verhindern. Verschärfend kommt noch hinzu, dass übliche Sicherheitsgurte (sog. 3-Punkt-Gurte) unsymmetrisch aufgebaut sind. So gibt es eine geschlossene Seite, bei der der Brustgurt am Hals und Kopf vorbei zum oberen Umlenkpunkt geführt wird, und eine offene Seite. Linker Fondinsasse 502 und rechter Fondinsasse 504 sind üblicherweise mit zur Fahrzeugmitte hin offenen Gurten ausgestattet. Bei einer Kollision mit Rotationsanteilen wirken daher auf den linken und rechten Insassen auch, in Wechselwirkung mit den Gurtsystemen, deutlich unterschiedlich geartete Kräfte. Falls beide Gurte die offene Seite in derselben Richtung hätten, würden sich entsprechend links- und rechtsdrehende Crashsituationen bei ansonsten identischen Bedingungen in ihren Auswirkungen auf die Insassen 502, 504 unterscheiden. Dies ist daher ein äquivalenter Effekt.
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7 zeigt ein Schaubild eines Verfahrens bzw. einer entsprechenden Vorrichtung 700 zum Ansteuern eines Insassenschutzmittels eines Fahrzeugs gemäß einem Ausführungsbeispiel der vorliegenden Erfindung. Bei dem Fahrzeug kann es sich beispielsweise um das anhand von 1a beschriebene Fahrzeug handeln und das Verfahren 700 kann von der in 1a gezeigten Vorrichtung 110 umgesetzt werden.
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Gezeigt ist ein Block 702 zum Bereitstellen einer Gierrate ωz, ein Block 704 zum Bereitstellen eines Kollisions-Flags, das eine erfolgte Kollision anzeigt, ein Block 706 zum Bereitstellen eines linken Sitzbelegungssignals, das ein Vorhandensein eines linken Fondinsassen anzeigt, und ein Block 708 zum Bereitstellen eines rechten Sitzbelegungssignals, das ein Vorhandensein eines rechten Fondinsassen anzeigt. Die Signale der Blöcke 702, 704, 706, 708 können von geeigneten Sensoren erfasst und bereitgestellt werden.
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In einem Block 710 wird aus der von dem Block 702 bereitgestellten Gierrate ωz der Betrag |ωz| der Gierrate ωz gebildet und in einem Block 712 einem Schwellwertvergleich mit einem Schwellwert πd1 unterzogen. Beispielsweise in dem Block 712 überprüft, ob der Betrag |ωz| größer als der Schwellwert πd1 ist.
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In einem Block 714 wird die von dem Block 702 bereitgestellte Gierrate ωz integriert und in einem Block 716 wird aus der integrierten Gierrate ein Betrag |ρ| der integrierten Gierrate gebildet, der in einem Block 718 einem Schwellwertvergleich mit einem Schwellwert πd2 unterzogen wird. Beispielsweise in dem Block 718 überprüft, ob der Betrag |ρ| größer als der Schwellwert πd2 ist.
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In einem Block 720 wird eine logische Verknüpfung durchgeführt – hier eine UND-Verknüpfung zwischen dem Kollisions-Flag des Blocks 704, einem Vergleichsergebnis aus dem Block 712 sowie einem Vergleichsergebnis aus dem Block 718 gebildet. In dem Block 720 wird somit überprüft, ob eine Kollision vorliegt und ob die Gierrate sowie die aufsummierte Gierrate jeweils eine bestimmte Mindestgröße aufweisen. Von dem Block 720 wird ein Signal ausgegeben, das abhängig von dem Ergebnis der UND-Verknüpfung entweder anzeigt, dass ein Insassenschutzmittel zu aktivieren ist oder nicht zu aktivieren ist.
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In einem Block 722 wird aus der integrierten Gierrate von Block 714 ein Vorzeichen VZ „–“ oder „+“ der Gierrate bzw. des Gierwinkels ermittelt. Das Vorzeichen gibt eine Drehrichtung des Fahrzeugs an. Dabei steht „–“ für eine Drehung rechts rum und „+“ für eine Drehung links rum.
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In einem Block 724 wird eine UND-Verknüpfung zwischen dem linken Sitzbelegungssignal des Blocks 706 und einem Signal des Blocks 722 gebildet, das ein negatives Vorzeichen „–“ der Gierrate bzw. des Gierwinkels abbildet. Somit wird in dem Block 724 überprüft, ob es sich um eine Rechtsdrehung handelt und ein linker Fondinsasse vorhanden ist.
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In einem Block 726 wird eine UND-Verknüpfung zwischen dem rechten Sitzbelegungssignal des Blocks 708 und dem Signal des Blocks 722 gebildet, das das negative Vorzeichen „–“ der Gierrate bzw. des Gierwinkels abbildet. Somit wird in dem Block 726 überprüft, ob es sich um eine Rechtsdrehung handelt und ein rechter Fondinsasse vorhanden ist.
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In einem Block 728 wird eine UND-Verknüpfung zwischen dem linken Sitzbelegungssignal des Blocks 706 und dem Signal des Blocks 722 gebildet, das das positive Vorzeichen „+“ der Gierrate bzw. des Gierwinkels abbildet. Somit wird in dem Block 728 überprüft, ob es sich um eine Linksdrehung handelt und ein linker Fondinsasse vorhanden ist.
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In einem Block 730 wird eine UND-Verknüpfung zwischen dem rechten Sitzbelegungssignal des Blocks 708 und dem Signal des Blocks 722 gebildet, das das positive Vorzeichen „+“ der Gierrate bzw. des Gierwinkels abbildet. Somit wird in dem Block 730 überprüft, ob es sich um eine Linksdrehung handelt und ein rechter Fondinsasse vorhanden ist.
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In einem Block 732 wird ein Ergebnis des Blocks 724 mit einem kleinen Niveau „RSE 1“ für den Fondinsassen links verknüpft. Bei dem Niveau kann es sich um ein Kraftniveau eines Rückhaltesystems handeln.
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In einem Block 734 wird ein Ergebnis des Blocks 728 mit einem großen Niveau „RSE 2“ für den Fondinsassen links verknüpft.
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In einem Block 736 wird ein Ergebnis des Blocks 726 mit dem kleinen Niveau „RSE 1“ für den Fondinsassen rechts verknüpft.
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In einem Block 738 wird ein Ergebnis des Blocks 730 mit dem großen Niveau „RSE 2“ für den Fondinsassen rechts verknüpft.
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In einer Logik 740 wird das RSE 1 Niveau für den Fondinsassen links von dem Block 732 und das RSE 2 Niveau für den Fondinsassen links von dem Block 734 mit einem Ergebnis des Blocks 720 zusammengeführt. Zeigt das Signal des Blocks 720 an, dass ein Insassenschutzmittel zu aktivieren ist und es befindet sich ein linker Fondinsasse in dem Fahrzeug, so wird das für den linken Fondinsassen vorgesehene Insassenschutzmittel je nach dem Ergebnis der UND-Verknüpfungen der Blöcke 724, 728 entweder mit dem kleinen Niveau „RSE 1“ oder mit dem großen Niveau „RSE 2“ ausgelöst.
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In einer Logik 742 wird das RSE 1 Niveau für den Fondinsassen rechts von dem Block 736 und das RSE 2 Niveau für den Fondinsassen rechts von dem Block 738 mit dem Ergebnis des Blocks 720 zusammengeführt. Zeigt das Signal des Blocks 720 an, dass ein Insassenschutzmittel zu aktivieren ist und es befindet sich ein rechter Fondinsasse in dem Fahrzeug, so wird das für den rechten Fondinsassen vorgesehene Insassenschutzmittel je nach dem Ergebnis der UND-Verknüpfungen der Blöcke 726, 730 entweder mit dem kleinen Niveau „RSE 1“ oder mit dem großen Niveau „RSE 2“ ausgelöst.
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Im Folgenden wird das Verfahren 700 anhand eines Ausführungsbeispiels einer Gurtkraftbegrenzersteuerung im Fondbereich des Fahrzeugs erläutert. Als Eingabesignale stehen neben der Gierrate (ωz) 702 auch eine Information über eine Kollision, ein sogenanntes Crash-Flag 704, zur Verfügung. Die Zustandsvariable Crashflag 704 mit den Möglichkeiten 0 oder 1 gibt an, ob eine Kollision stattgefunden hat oder nicht. Üblicherweise liegt dieser Wert bis spätestens 50ms nach einer Kollision bei „1". Darüber hinaus liegt die Information 706, 708 bezüglich der Insassen aus dem Fondbereich vor. Neuere Fahrzeugmodelle fragen entweder den Zustand des Gurtes ab oder erfassen zusätzlich eine Information über eine Sitzbelegungserkennung um die Information 706, 708 zu erhalten. Nachdem die Kollision stattgefunden hat, wird zunächst die Gierrate 702 in einem ersten Verarbeitungsschritt integriert 714 oder aufsummiert. Daraus wird dann der Rotationswinkel um die Hochachse phi errechnet. In einem weiteren Verarbeitungsschritt wird die integrierte Gierrate einer Betragsfunktion 716 sowie einer Vorzeichenermittlungsfunktion 722 zugeführt. Das Ergebnis ist einmal der Betrag des Winkels phi und damit die Information ob es sich um eine Links- oder eine Rechtsdrehung um die Fahrzeughochachse handelt (Definition: Linksdrehung wird als „+", Rechtsdrehung wird als „–" gewertet). Anschließend werden der Betrag des Winkels sowie der Betrag der Gierrate einem Schwellwertvergleich 712, 718 unterzogen. In einem weiteren Schritt werden die Ergebnisse der Abfragen sowie der Information über eine Kollision einer Logik 720 zugeführt, hier eine logische UND Verknüpfung. Die Information über die Rotationsrichtung links/rechts wird nun in einem weiteren Verarbeitungsschritt mit der Information über die Fondinsassen verglichen. In einer einfachen Logik, hier UND Verknüpfung 728, wird verglichen, ob sich ein Fondinsasse links befindet und eine Linksrotation vorliegt. Ist dies der Fall, so werden entsprechende Kraftniveaus für das linke und rechte Gurtsystem angesteuert. Für den Fall des linken Fondinsassen und Linksrotation wäre dies 734 RSE Niveau 2, z.B. zur Festlegung einer höheren Gurtkraft, sodass der Insasse besser fixiert wird. Im Gegenzug dazu wird für den rechten Fondinsassen, 738 das RSE Niveau 1 angesteuert, das bspw. ein niedriges Kraftniveau bedeutet. Sodass hier mehr Gurtauszug zur Verfügung gestellt werden kann, um die Insassenbelastungen zu minimieren. In einem weiteren Schritt wird das Ergebnis aus den Vergleichen 732, 734, 736, 738 über eine einfache Logik 740, 742 zusammengeführt und mit dem Ergebnis aus dem Vergleich Kollisionsflag und Schwellwertabfrage 720 verknüpft, um eine unnötige Aktivierung zu vermeiden.
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In einem erweiterten Verfahren gemäß einem weiteren Ausführungsbeispiel der vorliegenden Erfindung können in Abhängigkeit vom Winkel und der Gierrate mehrere RSE Niveaus eingestellt werden, sodass eine zeitliche und dynamische Anpassung der RSE Komponenten erreicht wird. Weiterhin kann über das Gurtkraftniveau hinaus eine Anpassung einer modulierten Gurtkraftanpassung in Abhängigkeit des Crashverlaufs erfolgen (gegeben oder berechnet aus Sensordaten), bzw. des gewünschten Gurtkraftverlaufs in Abhängigkeit von den individuellen Eigenschaften der zu schützenden Person (Alter, Knochendichte, Größe oder andere individuelle Merkmale). Damit erlaubt ein derartiges System eine vorteilhafte Anwendung hinsichtlich der Individualisierung der Schutzsysteme im Fondbereich. Beispielhaft hat ein kleinerer Insasse im Fondbereich eine deutlich größere Bewegungsfreiheit als ein sehr großer Insasse. Mit der steigenden Bewegungsfreiheit steht ein größerer ride-down-space zur Verfügung, der durch eine optimierte Ansteuerung optimal genutzt werden sollte, um die Verletzungsschwere zu minimieren. Weitere Vorteile ergeben sich in Kombination mit dem Einsatz von Kindersitzen, wie im Fondbereich üblich. Damit kann die schon durch den Kindersitz beeinflusste Kinematik der im Fond sitzenden Kinder zusätzlich beeinflusst werden.
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Die beschriebenen und in den Figuren gezeigten Ausführungsbeispiele sind nur beispielhaft gewählt. Unterschiedliche Ausführungsbeispiele können vollständig oder in Bezug auf einzelne Merkmale miteinander kombiniert werden. Auch kann ein Ausführungsbeispiel durch Merkmale eines weiteren Ausführungsbeispiels ergänzt werden. Ferner können erfindungsgemäße Verfahrensschritte wiederholt sowie in einer anderen als in der beschriebenen Reihenfolge ausgeführt werden.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 602005001669 T2 [0003]